| Titel: | Ueber die Anwendung des gebrannten Kalkes statt des rohen Kalksteins bei dem Betriebe der Eisenhohöfen; von Ingenieur Carl Aubel. | 
| Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XCI., S. 427 | 
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                        XCI.
                        Ueber die Anwendung des gebrannten Kalkes statt
                           								des rohen Kalksteins bei dem Betriebe der Eisenhohöfen; von Ingenieur Carl Aubel.
                        Aus dem Berggeist, 1867, Nr. 37.
                        Aubel, über die Anwendbarkeit des gebrannten Kalkes beim
                           								Hohofenbetriebe.
                        
                     
                        
                           Obgleich der königl. Hütteninspector Eck auf der
                              									Königshütte in OberschlesienPolytechn. Journal Bd. CXXX S.
                                       											349. schon im Jahre 1853 die Vorzüge des gebrannten
                                 										Kalkes als Zuschlag bei der Verhüttung von Eisenerzen (wie vornehmlich:
                              										„Ersparniß an Kohks und Mehrproduction an Roheisen“) unter
                              									Hinweis auf die den gleichen Gegenstand besprechenden Aufsätze von Montefiore Levi und Emil Schmidt
                              									Polytechn. Journal Bd. CXIX S.
                                       											353. in einer umfassenden und namentlich viele praktische Resultate enthaltenden
                              									Abhandlung erörtert hat, so scheint es mir dennoch, in Anbetracht daß auf den
                              									meisten Hüttenwerken noch ausschließlich ungebrannter Kalkstein Verwendung findet,
                              									zeitgemäß, diese instructive Arbeit in Erinnerung zu bringen und meinerseits durch
                              									theoretische Berechnung die zu erzielenden Vortheile nochmals nachzuweisen.
                           Da das Brennen des Kalksteins im Hohofen schon bei einem Temperaturgrad von circa 800° C. erfolgt, also weit früher, als eine
                              									Einwirkung der Schlacke gebenden Bestandtheile aufeinander stattfinden kann, so muß
                              									es auch für den chemischen Proceß im Ofen selbst ganz
                              									gleichgültig seyn, ob der Kalk im rohen oder gebrannten Zustand aufgegeben werde. Da
                              									aber die Reduction der Erze bei eben angeführtem Temperaturgrad und zum Theil auch
                              									schon früher erfolgt – sey es bloß zu Eisenoxydul oder auch schon zu
                              									metallischem Eisen, sogen. Eisenschwamm, – so möchte die Anwendung von
                              									ungebranntem Kalkstein durch die Reduction der aus demselben entweichenden
                              									Kohlensäure zu Kohlenoxyd und somit durch beschleunigte Vorbereitung der Erze
                              									vortheilhafter erscheinen. Hiergegen ist jedoch zu bemerken, daß sowohl einestheils
                              									in Hohöfen stets ein Ueberschuß an diesem Gas vorhanden ist – indem die
                              									Analyse der aus der Gicht strömenden Gase selbst bei rationellem Betrieb noch
                              									mindestens 13 Proc. dem Volumen nach davon nachweist, – als auch
                              									anderntheils, daß es bisher noch nicht erwiesen ist, ob die Reduction der Erze leichter durch Kohlenoxydgas,
                              									sey es nach den Formeln:
                               Fe²O³ + CO = 2 FeO und CO²;
                              									Fe²O³ + 3 CO = 2 Fe + 3 CO²
                           oder FeO + CO = Fe + CO²
                           oder durch Kohlenstoff, resp. durch innigen Contact der
                              									Erze mit dem Brennmaterial nach den Formeln:
                               2 Fe²O³ + 3 C = 4 Fe und 3 CO²;
                              									2 Fe²O³ + C = 4 FeO + CO²
                           oder 2 FeO + C = 2 Fe + CO²
                           bewirkt wird und in welcher Weise endlich dieselbe von der
                              									Dauer der Einwirkung und dem Temperaturgrad abhängig ist. Aus diesen Formeln ist
                              									aber auch ersichtlich, daß 1 Aequivalent Kohlenstoff bei directer Verbrennung auf
                              									Kosten des in den Erzen enthaltenen Sauerstoffs zu Kohlensäure dieselbe
                              									Reductionskraft zu entwickeln vermag, wie wenn solches zuvor aus 1 Aequivalent
                              									Kohlensäure des Kalksteins 2 Aequivalente Kohlenoxydgas – nach der Formel
                              									CO² + C = 2 CO – gebildet hätte, und weiter ist nicht nur die durch
                              									Verbrennung des Kohlenstoffs vor den Formen erzeugte Kohlensäure nach ihrer
                              									Reduction beim Hinaufsteigen in dem Ofenschacht und in Berührung mit glühenden Kohlen eine Quelle für
                              									das Kohlenoxydgas, sondern es kann auch eine vielleicht gleich große Quantität davon
                              									nach beistehenden Formeln gebildet werden:
                           Fe²O³ + C = 2 FeO und CO; Fe²O³ + 3 C = 2 Fe + 3 CO; FeO
                              									+ C = Fe + CO.
                           In ökonomischer Hinsicht werden aber nun durch die
                              									Anwendung von ungebranntem Kalkstein, ganz abgesehen
                              									davon, daß dadurch
                           
                              a) das Haufwerk der Beschickung
                                 										unnöthig vermehrt wird;
                              b) eine kostspielige Zerkleinerung
                                 										des vor dem Brennen oft sehr harten Kalksteins erforderlich ist und hiermit auch
                                 										die nothwendige gleichmäßige Vertheilung desselben auf der Beschickung erschwert
                                 										wird; endlich
                              c) um dieselbe Wirkung für den
                                 										Schmelzproceß zu erzielen mindestens 1/3 des Gewichts von Kalkstein mehr auf die
                                 										Gicht gehoben werden muß,
                              
                           noch bedeutende Verluste an Brennmaterial herbeigeführt, wie aus Folgendem
                              									ersichtlich ist:
                           1) Nehmen wir z.B. einen Kalkstein mit einem Gehalt an reinem kohlensauren Kalk von
                              									90 Proc., so enthält solcher per Ctr. 39,6 Pfd.
                              									Kohlensäure, welche zu ihrer Umwandlung resp. Reduction zu Kohlenoxyd nöthig haben
                              									an Kohlenstoff = 10,8 Pfd. und wodurch entwickelt werden 2400 × 10,8 = 25920
                              									Wärme-Einheiten.
                           2) Da aber ferner zur Reduction der Kohlensäure zu Kohlenoxyd per Pfd. 2400 W. E. erforderlich sind – beziehungsweise gebunden
                              									werden, – so beträgt dieß für 39,6 Pfd. Kohlensäure 39,6 × 2400 =
                              									95040 W. E., und da weiter
                           3) die durch Reduction der Kohlensäure und hierzu nothwendig gewesene Oxydation von
                              									10,8 Pfd. Kohlenstoff resultirende Menge von 50,4 Pfd. Kohlenoxyd noch auf die
                              									Temperatur von etwa 350° C., mit welcher die Gase aus der Gicht entweichen,
                              									gebracht werden muß, so gehen noch ferner verloren:
                           spec. Wärme des Kohlenoxyds = 0,2479 × 350 × 50,4 = 4373
                              									Wärme-Einheiten.
                           Der gesammte Wärmeverlust beträgt demnach per Ctr. ungebrannten
                              									Kalksteins: (95040 + 4373) – 25920 W. E. = 73493 W. E., mithin Kohlenstoffverlust 73493/2400 = 30,62 Pfd., während bei
                              									rationellem besonderen Brennen des Kalksteins 1/5 bis höchstens 1/4 vom Gewicht
                              									desselben an Steinkohlen, also per Ctr. nur 20–25
                              									Pfd. erforderlich sind. Rechnen wir weiter obige 30,62 Pfd. Kohlenstoff zu 34,8 Pfd. Steinkohlen
                              									(von 88 Proc. Kohlenstoffgehalt), so beträgt die durch Anwendung von gebranntem Kalkstein beim Hohofenproceß erzielte Kohlenersparniß
                              									per Ctr. 9,8 bis 14,8 Pfd. Bei einem Durchsetzquantum
                              									von 900 Ctr. Erz per 24 Stunden, die einen Zuschlag von
                              									25 Proc. Kalkstein erfordern, würde somit eine Ersparniß von 22,05 bis 33,3 Ctr.
                              									Steinkohlen erreicht werden.
                           Wenngleich es vorzuziehen ist, den Kalkstein auf dem Hüttenwerke selbst zu brennen,
                              									um durch raschen Verbrauch dem Anziehen von Feuchtigkeit etc. zu begegnen, so möchte
                              									doch, falls die Steinkohlen am Bruche billiger zu beschaffen sind, auch hier das
                              									Brennen vortheilhafter erscheinen, indem dadurch das Gewicht für den Transport auf
                              									mindestens 2/3 herabgesetzt würde.
                           Die Anwendung von ungebranntem Kalkstein läßt sich unseres
                              									Ermessens nur in folgenden Fällen rechtfertigen:
                           1) wenn man die in Folge dessen auch an Kohlenoxyd reicheren Gichtgase durch eine
                              									Gasabfang-Vorrichtung außer zur Winderhitzung noch zu Kesselfeuerungen etc.
                              									verwenden kann;
                           2) wenn die zur Verhüttung kommenden Erze mulmiger oder ockeriger Natur sind, sich
                              									also bei ihrem Niedergang im Ofenschaft fest aufeinander legen und somit von den im
                              									Ofen aufsteigenden Gasen nur unvollkommen durchdrungen werden, weil dann das aus der
                              									Kohlensäure des Kalksteins in der Beschickung selbst entstandene Kohlenoxyd direct
                              									eine bessere Reduction der Erze vermitteln wird.