| Titel: | Ueber F.Cirio's Verfahren zum Conserviren von Nahrungsmitteln, von Fleisch, Gemüsen, Früchten etc.; von Fr. Moigno. | 
| Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XCVIII., S. 450 | 
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                        XCVIII.
                        Ueber F.Cirio's Verfahren zum Conserviren von
                           								Nahrungsmitteln, von Fleisch, Gemüsen, Früchten etc.; von Fr. Moigno.
                        Aus Les Mondes t. XIII p. 710; April
                              								1867.
                        Cirio's Verfahren zum Conserviren von Nahrungsmitteln.
                        
                     
                        
                           F. Cirio, Besitzer der „gastronomischen
                                 										Magazine“ zu Turin, hat ein Verfahren zum Conserviren von
                              									Lebensmitteln, von allen Sorten Fleisch, Gemüsen und Früchten etc., und im
                              									Allgemeinen von allen Substanzen, welche man behufs ihrer längeren Aufbewahrung und
                              									Erhaltung mit Kochsalz und Salpeter Zu behandeln pflegt, erfunden und zur
                              									dießjährigen Pariser Ausstellung eine Reihe von Proben dieser Präparate eingesendet.
                              									Dieses Verfahren ist sehr einfach. Der dazu erforderliche Apparat besteht aus einem
                              									hermetisch dichten und mittelst eines gleichfalls vollkommen luftdichten Deckels
                              									verschließbaren, somit nach dem Evacuiren mittelst einer Luftpumpe einen constant
                              									bleibenden luftleeren Raum bildenden Recipienten, welcher an seinem oberen Ende zwei Tubulaturen hat.
                              									Eine jede derselben ist mit einem Hahne versehen, deren einer mit einer Luftpumpe
                              									oder einem anderen zweckentsprechenden Evacuationsapparate communicirt, während der
                              									andere mit einem Gefäße in Verbindung steht, welches eine Lösung von Kochsalz
                              									enthält. Diese Lösung wird mit 2 bis 5 Proc. salpetersaurem Kali (gewöhnlichem
                              									Salpeter) versetzt, wenn das zu conservirende Fleisch eine intensivere Färbung
                              									erhalten soll. Nachdem der Deckel des Recipienten abgenommen worden, bringt man die
                              									aufzubewahrenden Substanzen in denselben, legt den Deckel wieder auf und befestigt
                              									ihn, öffnet dann den mit der Luftpumpe communicirenden Hahn und pumpt die Luft bis
                              									mindestens auf 5 Millimet. Druck aus. Darauf sperrt man die Verbindung mit der
                              									Luftpumpe wieder ab, öffnet den anderen Hahn, so daß die Salzlösung oder Lake
                              									(Pökelbrühe) in das Aufbewahrungsgefäß eindringt, und läßt sie mit den zu
                              									conservirenden Substanzen während einer gewissen, dem Volum oder der Masse der
                              									letzteren entsprechenden Zeit – welche indessen einige
                                 										Minuten niemals überschreiten darf – in Berührung. Hierauf öffnet
                              									man das Gefäß wieder, nimmt die präparirte Substanz heraus und hängt sie in einem
                              									wohlgelüfteten Raume auf; nach Verlauf einiger Tage ist sie trocken geworden und nun
                              									zur Verpackung und Versendung in die fernsten Gegenden fertig.
                           In dem Maaße, als die Luft aus dem Recipienten oder Aufbewahrungsgefäße evacuirt ist,
                              									dehnt sich das Fleisch, Gemüse etc. aus, schwillt auf und nimmt ein um ein Drittel
                              									größeres Volumen ein als bei gewöhnlichem atmosphärischen Drucke; in Folge dieser
                              									bedeutenden Oeffnung ihrer Poren oder inneren Hohlräume absorbirt die mit der
                              									Salzlösung in Berührung befindliche Nahrungssubstanz die zu ihrer vollkommenen
                              									Conservirung auf einem weiten Transporte hinreichende Menge jener Lösung.
                           Bei dieser Behandlung verliert die Substanz nicht die geringste Menge von ihren
                              									nährenden Bestandtheilen – Fibrin, Albumin, Kreatin, Pectin etc. Beim
                              									Trocknen büßt sie freilich ihre ursprüngliche Farbe äußerlich ein, behält aber im
                              									Inneren dieselbe ebenso, wie den ihr im frischen Zustande eigenthümlichen Geruch und
                              									Geschmack. Beim Kochen hält sie nur eine sehr geringe
                              									Salzmenge zurück; öfters muß man sie beim Genießen selbst noch nachsalzen, wie dieß
                              									z.B. bei Rindszungen erforderlich ist. Ich kann versichern, daß mittelst dieser
                              									Conservirungsmethode die präparirten Substanzen ihre sämmtlichen ursprünglichen
                              									Eigenschaften behalten und somit ohne allen Nachtheil die Stelle frischer
                              									Nahrungsmittel zu ersetzen im Stande sind. Allerdings werden sie nach längerer Aufbewahrung in Kisten
                              									etc. einen etwas üblen Geruch annehmen, doch bleibt derselbe nur oberflächlich und
                              									verschwindet von selbst, wenn man die Substanz an die freie Luft hängt, vollständig
                              									aber, wenn man sie einige Stunden in Wasser legt. Dieß habe ich persönlich an einem
                              									von Cirio aus Turin mitgebrachten, 6 bis 7 Kilogr.
                              									wiegenden Karpfen beobachtet.
                           Abgesehen von seiner außerordentlichen Wirksamkeit, bietet dieses Verfahren noch
                              									zahlreiche andere Vortheile dar; unter diesen heben wir besonders hervor:
                           1) die sehr bedeutende Zeitersparniß, indem zu einer vollständigen Präparirung der zu
                              									conservirenden Substanzen nur wenige Minuten, anstatt mehrerer Tage und zuweilen
                              									sogar mehrerer Monate erforderlich sind;
                           2) die Möglichkeit, diesen Proceß zu jeder Zeit und unter allen
                              									Witterungsverhältnissen ausführen zu können;
                           3) eine sehr bedeutende, bis achtzig Procent betragende Ersparniß an Salz und
                              									Salpeter;
                           4) den fast unmerklichen (?) Abgang oder Substanzverlust, wogegen bei dem
                              									gewöhnlichen Verfahren die präservirten Nahrungsstoffe eine sehr beträchtliche Menge
                              									nahrhafter Bestandtheile einbüßen;
                           5) den absolut sicheren Erfolg, während das ältere Verfahren häufig ganz
                              									unbefriedigende Resultate liefert;
                           6) die weit vorzüglichere Beschaffenheit der präservirten Lebensmittel.
                           Die Deleuil'sche Luftpumpe mit freiem KolbenPolytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
                                       												192 und Bd. CLXXXII S.
                                       											187. dürfte eine leichtere und wenig kostspielige praktische Anwendung des Cirio'schen Verfahrens im größten Maaßstabe
                              									ermöglichen.
                           Die Jury der betreffenden Classe hat die Cirio'schen
                              									Fleischwaaren bereits in drei verschiedenen Formen gekostet: als Bouillon, als
                              									gekochtes und gebratenes Rindfleisch, und Allen haben diese Speisen vortrefflich
                              										gemundet.Das im Vorstehenden mitgetheilte Cirio'sche
                                    											Aufbewahrungsverfahren für frisches Fleisch, in einer Behandlung des
                                    											Fleisches unter der Luftpumpe und Einpressen von Salzlösung bestehend, ist
                                    											in maßgebenden Kreisen in Pans keineswegs als ein rationelles erkannt
                                    											worden. Durch den Verlust der Fleischflüssigkeit,
                                    											der mit Cirio's Conservationsmethode unabwendbar
                                    											verbunden ist, wird der Nahrungswerth des also
                                    											eingepökelten Fleisches ganz außerordentlich verringert. Das neue Verfahren hat somit wenig Werth. In
                                    											diesem Sinne sprach sich Justus v. Liebig, der
                                    											competenteste Richter in solchen Dingen, aus. Dr. Rud. Wagner. Ich habe persönlich von einer nach diesem Verfahren in Turin selbst
                              									eingesalzenen Rindszunge genossen, welche an der Luft gehangen hatte, dann in eine
                              									Kiste verpackt und nach Paris transportirt worden war; sie ließ sich von einer
                              									frischen Zunge nicht unterscheiden. Nachdem sie aus dem Wasser, in welchem sie gekocht
                              									worden, herausgenommen und kalt geworden war, zeigte sie durchaus nicht den
                              									geringsten salzigen oder bitteren Geschmack; sie war „leise“
                              									wie frisches Fleisch und mußte beim Genießen etwas nachgesalzen werden.