| Titel: | Ueber den Einfluß der Erdrotation auf die Abweichung der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile. | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XXI., S. 98 | 
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                        XXI.
                        Ueber den Einfluß der Erdrotation auf die
                           Abweichung der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile.
                        Ueber die Erdrotation als Schießfehlerquelle.
                        
                     
                        
                           Die Comptes rendus de l'Académie des sciences, t.
                                 LXIII vom September 1866 enthalten einen von Hrn. Martin de
                                 Brettes erstatteten Bericht über den Einfluß der Erdrotation auf die
                              Derivation der aus gezogenen Rohren abgeschossenen Projectile, dessen
                              Eingangsstellen lauten:
                           
                              „Der berühmte Geometer Poisson behandelte diese
                                 Frage im Jahre 1837 für sphärische Projectile und gelangte dabei zu folgenden
                                 Resultaten:
                              
                           
                              „1) Die Schußweiten wechseln mit dem Azimuthe der Schußebene, es geschieht
                                 das aber nur zwischen sehr engen Grenzen, denn die größte dieser Abweichungen
                                 beträgt für Schußweiten von 1800 Metern beim Bombenwurfe nur 2 Decimeter und
                                 wird beim Schießen mit großen Geschoßanfangsgeschwindigkeiten also noch geringer
                                 ausfallen, so daß für die Schießpraxis der Einfluß des
                                 Schußebenen-Azimuths auf die zu erreichende Schubweite also gleich Null
                                 gesetzt werden kann.
                              
                           
                              „2) Die Seitenabweichungen der Geschosse welche durch Erdrotation bedingt
                                 sind, liegen auf unserer Hemisphäre stets rechts der Visirebene, von deren
                                 Azimuth sie auch hinsichtlich ihrer Größe unabhängig sind, und es können
                                 dieselben beträchtliche Dimensionen annehmen. Sie betragen für Wurfweiten von
                                 4000 Metern der 32 centimetrigen Bombe und für unsere geographische Breite
                                 (Paris) der Rechnung nach 8 Meter.
                              
                           
                              „3) Mit Zunahme der geographischen Breite wachsen diese
                                 Geschoßabweichungen, sie erreichen ihre Maxima unter den Polen und sind unter
                                 dem Aequator gleich Null.“
                              
                           Dann fährt Herr de Brettes fort:
                           „Damals war dieser Einfluß der Erdrotation auf die Resultate des Schießens mit
                              Feuerwaffen noch klein, im Vergleiche mit den zufälligen Ursachen, welche bedeutende
                              Treffunterschiede in verticaler und horizontaler Hinsicht hervorriefen; jetzt aber,
                              wo diese Schwankungen durch Einführung der gezogenen Kanonen erheblich vermindert
                              worden sind, darf der Erdrotations-Einfluß nicht mehr vernachlässigt werden,
                              wozu eine Vergleichung der von ihm herrührenden Geschoßabweichungen mit den durch
                              Erfahrung festgestellten jedesmaligen Totalbeträgen derselben den Beleg liefern
                              wird.
                           
                           „Poisson's Rechnung zur Bestimmung der
                              Geschoßabweichungen, wie sie unter irgend einem gegebenen Breitegrade als Folge der
                              Erdrotation auftreten müssen, war sehr lang und deßhalb wenig praktisch; ich habe an
                              deren Stelle eine andere gesetzt, die sehr rasch zum Ziele führt, und, wie eine
                              Vergleichung der Resultate zeigen wird, ebenso exact als erstere ist.
                           „Es besteht diese Berechnungsmethode ganz einfach darin:
                           „a) den azimuthalen Winkel ϑ zu bestimmen, welchen die Schußebene während des Geschoßfluges um
                              die Verticale der Geschützmündung herum beschreibt, was nach Foucault's Formel:
                           ϑ = ω sin λ t
                              
                           geschehen kann, in welcher ω die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde um die Achse ihrer Figur
                              und λ den Breitegrad des Versuchortes, beide
                              Zeichen also schon im Voraus bekannte Größen bedeuten (für λ = 49º, den Breitegrad von Paris, ist ϑ = 10'',98 t), und
                              hiernach
                           „b) den Sinus dieses Winkels ϑ noch mit der sich ergebenden Schußweite E zu multipliciren, wodurch man die als Folge der
                              Erdrotation auftretende Geschoßabweichung Δ in
                              dem Werthe:
                           Δ = E
                                 sin ϑ = E sin (ωλt)
                           erhält.
                           
                              „Eine Vergleichung der vermittelst dieser Formel sich ergebenden
                                 Rechnungsresultate mit den von Poisson erhaltenen
                                 führt zu dem Ergebnisse, daß die Seitenabweichungen, welche der 27 und der 32
                                 centimetrigen Bombe bei Schußweiten von beziehungsweise 1200 und 4000 Meter
                                 sowie unter der Breite von Paris (49º) durch die Erdrotation
                                 zufallen:
                              
                           
                              nach Poisson 1,20 respective 7,00 Meter,
                              
                           
                              nach obiger Formel 1,17 respective 6,98 Meter
                              
                           
                              betragen, was von einer Uebereinstimmung der beiderseitigen Berechnungsweisen
                                 zeugt, welche als eine Bestätigung für die Genauigkeit der gegebenen Formel
                                 angesehen werden kann.“
                              
                           Hiernach liefert Hr. de Brettes auch noch tabellarische
                              Zusammenstellungen von bereits durch Schießversuche festgestellten
                              Geschoß-Rechtsabweichungsbeträgen schraubenrechts gezogener französischer und
                              englischer Geschütze mit den hiervon auf Rechnung des Erdrotations-Einflusses
                              kommenden Antheilen, wie sich letztere für den Breitegrad von Paris und für die
                              betreffenden jedesmaligen Schußverhältnisse nach obiger Formel durch Rechnung
                              ergeben, und daraus ist ersichtlich, daß
                           1) bei den gezogenen Kanonen der französischen Landarmee, welche im Allgemeinen sehr
                              große Geschoßderivationsbeträge liefern, z.B. die Langgeschosse des Kalibers von 2
                              Kilogrm. derselben bei 14º Elevation, 12 Secunden Flugzeit und 1400 Meter
                              Schußweite, 46 Meter Rechtsabweichung von der Visirlinie ergeben, wovon nur 0,67
                              Meter auf Rechnung der Erdrotation kommen, was etwa 1/70 des Gesammtbetrages der
                              Geschoßderivation ausmacht;
                           2) bei den englischen Kanonen Whitworth'scher Construction
                              aber, deren Geschosse im Ganzen verhältnißmäßig nur sehr wenig deriviren, z.B. die
                              Langgeschosse des Kalibers von 2,75 Kilogrm. bei 6,8 Secunden Flugzeit und 1800
                              Meter Schußweite nur um 1,3 Meter nach rechts hin abweichen, wovon dem
                              Erdrotations-Einflusse 0,63 Meter zuzuschreiben sind, was einem Werthe von
                              1/2,2 oder nahezu der Hälfte des gesammten Geschoßabweichungsbetrages
                              entspricht.
                           Im ersteren Falle sind die durch Erdrotation bedingten Geschoßabweichungsbeträge also
                              allerdings nur verhältnißmäßig klein, und könnten deßhalb wohl praktisch übersehen
                              werden; im zweiten Falle, wo sie nahezu die Hälfte der totalen Geschoßderivation
                              ausmachen, ist das aber offenbar nicht mehr zulässig und hierauf basirt Hr. de Brettes auch die seinem Aufsatze als Schlußbetrachtung
                              beigefügten Worte:
                           
                              „Diese geschoßablenkende Wirkung der Erdrotation bietet also zu recht
                                 nützlichen ballistischen Anwendungen Gelegenheit dar; weil nämlich
                              
                           
                              „a) wenn auf unserer Hemisphäre die
                                 Rechtsabweichung der Projectile zur Hälfte vom Einflusse der Erdrotation
                                 herrührt, bei Umkehrung der Zugdrall-Richtung des Kanonenrohres dann der
                                 Luftwiderstand im entgegengesetzten Sinne des Erdrotations-Einflusses auf
                                 das Geschoß einwirken, und somit die vom letzteren herrührende Seitenabweichung
                                 paralysiren muß, das Projectil in diesem Falle also gar keine Ablenkung aus
                                 seiner Visirebene erfahren kann, und ferner
                              
                           
                              „b) beim Uebergange von einer Hemisphäre
                                 unserer Erde auf die anderen dann gleichzeitig auch die Richtungen der durch die
                                 Erdrotation bedingten Geschoßabweichungen wechseln,
                              
                           
                              „so folgt daraus:
                              
                           
                              „Derivirt ein Projectil auf unserer Hemisphäre wegen gegenseitigen
                                 Sichaufhebens der ablenkenden Wirkungen von Erdrotation und Luftwiderstand gar
                                 nicht, so vereinigen sich diese Einflüsse auf der entgegengesetzten Hemisphäre
                                 dann dahin, das Geschoß links abweichen zu lassen, und ist ferner die
                                 Rechts-Derivation des Geschosses auf unserer Hemisphäre doppelt so groß,
                                 als sie ihm der Erdrotations-Einfluß allein gegeben haben würde, so
                                 müssen auf der anderen Hemisphäre diese Geschoßablenkungs-Wirkungen der
                                 Erdrotation und des Luftwiderstandes sich dann gegenseitig aufheben, wodurch das Projectil
                                 in diesem Falle gar keine Abweichung mehr zeigt.
                              
                           
                              „Der Einfluß der Erdrotation auf das Deriviren der Langgeschosse kann
                                 sonach bedeutend genug werden, um Beachtung zu verdienen und dem
                                 Artilleriedienste einen wichtigen Gegenstand der Verwendung zu
                                 liefern.“
                              
                           Eine Ableitung der gebrauchten Formel wird in diesem, eine
                              höchst interessante artilleristische Frage behandelnden Berichte des Hrn. de Brettes aber ebensowenig gegeben, als eine Begründung der, nach hier angestellten Untersuchungen
                              unrichtigen Behauptung, die durch Achsumdrehung der Erde und deren Nichtbeachtung beim Schießen entstehenden
                              Zielverfehlungen lägen für unsere nördliche Erdhälfte
                              stets rechts der Visirebene und seyen ihrer Größe nach vom Azimuthe der letzteren vollkommen
                                 unabhängig. – Es möge dieser wichtige Gegenstand ballistischer
                              Forschungen deßhalb hier noch etwas näher in Betracht gezogen werden, wobei wir, um
                              nicht gleichzeitig allzuvieles abhandeln zu müssen, für jetzt von der weiteren Frage
                              absehen, ob die Rechtsderivation der aus rechts gezogenen Rohren abgeschossenen Langgeschosse wirklich, wie Hr. de
                                 Brettes mit der Schießschule von St. Omer annimmt, nur der Luftreibung
                              beizumessen ist, oder ob dieselbe nicht vielmehr dem gleichzeitigen Einflüsse von Luftwiderstand und Schwerkraft auf das in Rotation um seine
                              Längenachse befindliche Geschoß in dem concreten Falle zugeschrieben werden muß, wo
                              der Angriffspunkt des directen Luftwiderstandes vor dem
                              Geschoß-Schwerpunkte liegt, die Geschoßspitze sich dadurch also nach rechts hin wenden muß, wie dieses in des Referenten i. J.
                              1865 bei Theodor Kay zu Cassel erschienenen Schrift:
                              „Die Derivation der Spitzgeschosse als Wirkung der Schwere, zweite
                                 Auflage“ bereits durch Mittheilung von darauf bezüglichen
                              Versuchs- und Rechnungs-Ergebnissen dargethan worden ist, welche
                              Arbeit noch weiter ergibt, daß solche vom Geschütz aus gesehen von unten über links
                              nach oben und also von oben über rechts nach unten hin um ihre Längenachse rotirende
                              Geschosse sogar nach links hin deriviren müssen, wenn der
                              Angriffspunkt der Luft beträchtlich genug hinter ihrem
                              Schwerpunkte liegt, und daß endlich den Luftreibungen und Luftstauungen, welche
                              durch die Rotation des in der Atmosphäre fortschreitenden Geschosses an dessen
                              Oberfläche entstehen und die z.B. einem in gennantem Sinne rotirenden homogenen Cylinder mit Luftwiderstandsresultante gegen
                              seinen Schwerpunkt gerichtet, den Impuls zur Linksabweichung geben würden, bei diesen Rechtsderivationen der aus schraubenrechts
                              gezogenen Rohren abgeschossenen Lang-
                              oder beziehungsweise Spitzgeschosse der gewöhnlichen Art
                              eine nur sehr untergeordnete Rolle zufällt.
                           Wendet man sich hier also lediglich der einen Untersuchung
                              zu, auf welche Weise und in welchem
                                 Maaße die Achsumdrehung der Erde auf die Treffsicherheit der Projectile
                              unserer Schießwaffen einwirkt, so steht es zunächst bezüglich der Qualität dieses Einflusses wohl außer allem Zweifel, daß
                              bei meridionalem von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord
                              gerichtetem Schießen durch die Erdrotation wegen Differenz der in gleichen Zeiten durch sie vom Ziele und vom Geschützaufstellungsorte zurückgelegt
                              werdenden Parallelkreis-Bogenlängen, deren
                              letztere sich naturgemäß auf das Geschoß überträgt, für unsere nördliche Erdhälfte
                              stets eine Rechtsabweichung des Geschosses von seinem Ziele eintreten muß. –
                              Dasselbe Resultat wird auf dieser nördlichen
                              Erdhälfte aber auch dann eintreten müssen, wenn daselbst
                              genau von West nach Ost hin geschossen wird, weil in
                              diesem Falle zwar sowohl das abgefeuerte Geschütz, als auch der Ort des Zieles sich
                              in ihren respectiven Parallelkreisen weiter nach Osten hin bewegen, das Geschoß
                              selbst aber, da es nach seiner Entfesselung vom Rohre den dreifachen Bewegungs-Impulsen der Erdrotation, des geradlinig gedachten Pulverstoßes und der Schwerkraft zu folgen hat, sich während seiner Flugzeit
                              auch noch nach dem Mittelpunkte der Erde hin bewegen muß
                              und hierdurch auf der nördlichen Erdhälfte ebenwohl stets
                              rechts am Ziele vorbeigehen wird. Beim Schießen von
                              Ost nach West jedoch wird unter Umständen durch die
                              Erdrotation auch wohl eine Linksabweichung des Geschosses
                              eintreten müssen, weil letzteres, jenen drei Bewegungs-Impulsen nach der
                              Geschützabfeuerung folgend, den Attractionspunkt der
                                 Erdmitte auf der nördlichen Erdhälfte dann zu seiner linken Seite hat, und somit links gar nicht
                              oder rechts von dem in seinem Parallelkreise
                              fortrollenden Zielpunkte abweichen wird, je nachdem letzterer durch die Gestaltung
                              der aus Erdrotationsgeschwindigkeit des
                                 Geschützaufstellungsortes (für den 50sten Grad z.B. etwa 950 Fuß
                              rheinländisch per Zeitsecunde), Geschoßanfangsgeschwindigkeit und Geschoßflugzeitdauer zusammengesetzten Größenverhältnisse beim Anlangen der Kugel an ihrem Flugbahnende hinter, an oder vor den
                              ursprünglichen Geschützaufstellungsort geführt worden war. – Für Zwischenrichtungen der Geschütze, z.B. von Südwest nach
                              Nordost, Nordwest nach Südost etc. werden sich diese theils
                                 der geographischen Länge und theils der
                                 geographischen
                              
                              Breite angehörigen Zielverfehlungen ihrer Qualität nach dann
                              endlich dahin zu combiniren haben, daß auf der nördlichen Erdhälfte allen Schußlinien-Azimuthen
                              der beiden östlichen Quadranten durch die Erdrotation nur
                                 Rechtsabweichungen der Geschosse zufallen, für die Schußlinien-Azimuthe der beiden westlichen
                                 Quadranten, vom Meridiane ausgehend, aber stets eine Verminderung dieser Rechtsabweichungen
                              eintritt, die unter Umständen auch, den Abweichungsbetrag Null lassend, zu einer Linksabweichung der
                              Geschosse führen kann.
                           Ferner werden sich dem entsprechend die Einflüsse der Erdrotation auf das Schießen
                              auch in quantitativer Hinsicht je nach den verschiedenen
                              Schußlinien-Azimuthen dahin zu gestalten haben, daß
                           a) bei meridionalem Schießen für jede Schußart eine
                              mittlere Geschoßabweichung entsteht, die, unbedingt rechts am Ziele vorbeilaufend,
                              beim Schießen von Süd nach Nord genau ebensogroß als beim Schießen von Nord nach Süd
                              ist;
                           b) bei Schußlinien-Azimuthen der östlichen
                              Quadranten, im Norden oder Süden vom Meridiane ausgehend, mit dem Wachsen dieser
                              Azimuthwinkel eine fortwährende Steigerung dieser Rechtsabweichung eintritt, bis
                              letztere beim Schießen nach dem Ostpunkte zum Maximum wird, und daß endlich
                           c) bei Schußlinien-Azimuthen der beiden
                              westlichen Quadranten, im Norden oder Süden vom Meridiane ausgehend, mit dem Wachsen
                              dieser Azimuthe eine fortwährende Verminderung der Geschoß-Rechtsabweichung
                              eintritt, welche bei geringen Flugbahngeschwindigkeiten der Geschosse durch Null
                              hindurch zu einer Linksabweichung der Projectile übergeht und so beim Schießen genau
                              westlich ein Minimum der Rechtsabweichung, beziehungsweise ein Maximum der
                              Linksabweichung des Projectiles beschafft.
                           Herr Oberst Wiegrebe vom ehemaligen kurfürstlich
                              hessischen Generalstabe, Schöpfer des so vorzüglichen neuesten kurhessischen
                              Kartenwerkes, hat in dieser Beziehung eine sich durch Gründlichkeit und Einfachheit
                              auszeichnende Berechnung aufgestellt, welche zu der Erkenntniß führt, daß, wenn
                           1) t die Sternzeit-Secunden ((365 1/4)/(366 1/4)
                              mittl. Sonnenzeit) der Geschoßflugzeit, 15 t also die
                              während derselben vom Ziel und vom Geschützaufstellungsort vermöge der Erdrotation
                              zu durchlaufenden Bogensecunden,
                           2) d die Schnßweite in rheinländischen Ruthen
                              ausdrückt,
                           
                           3) α das Visirlinien-Azimuth von Süd über
                              West etc. hin bis 360º gerechnet,
                           4) h die Niveau-Ueberhöhung des Zieles über den
                              Geschützaufstellungsort,
                           5) B die geographische Breite des
                              Geschützaufstellungsortes,
                           6) R den mittleren Erdhalbmesser in Ruthen ausgedrückt,
                              so daß, nach Bessel's Elementen
                           
                              
                                 z.B. log R sin 1'' für
                                 
                                    
                                    
                                 45º = 0,914307750º = 0,914560355º =
                                    0,9148054
                                 
                              
                           ist, und endlich
                           7) b die Breitendifferenz (d cos
                                 α)/(R sin
                              1'') vom Geschützaufstellungsorte und demjenigen Punkte m seines Meridians, der durch ein vom Zielpunkte auf ihn gefälltes Loth
                              getroffen wird,
                           bezeichnen, dann der durch Achsumdrehung der Erde beim Schießen
                                 entstehende Abweichungsbetrag
                              Δ
                              des Geschosses, im senkrechten Abstande von der Visirlinie
                                 gemessen:
                              
                           Δ = 15 t sin B sin 1'' (d + h
                                 cotg B cos α – 15/2 tR sin 1''
                              cos B cos α)
                           seyn muß, wobei die positiven
                              Werthe von Δ
                              Rechts- und die negativen Werthe desselben Links-Abweichungen des Geschosses bedeuten.
                           Eine auf obige Principien basirte Herleitung dieser Formel
                              läßt sich, auch ohne Zuhülfenahme einer Figur, etwa in folgender Weise
                              ausführen:
                           Der in Parallelkreis-Richtung zurückzulegende Weg
                              S, welcher dem Projectile während
                                 seiner Flugzeit
                              t durch die im Geschützaufstellungsorte ihm mitgetheilte
                              Erdrotations-Geschwindigkeit zukommt, ist
                              offenbar:
                           S = 15t
                                 sin 1'' cos B.
                           Ebenso sind auch die entsprechenden Wege S͵ oder
                              S͵͵ welche der südlich oder beziehungsweise nördlich vom
                              Geschützaufstellungsorte gewählte Zielpunkt während
                              dieser Geschoßflugzeit in derselben Richtung
                              zurückzulegen hat, entweder:
                           S͵ = 15t (R + h) cos (B – b) sin 1''
                           oder
                           S͵͵ = 15t (R + h) cos (B + b) sin 1''
                           woraus die Rechtsabweichung x͵ oder x͵͵ des Geschosses nach der
                                 Parallelkreis-Richtung hin gemessen, im ersteren Falle:
                           
                           x͵ = S͵
                              – S = 15 t sin 1''
                              [R sin B sin b + cos
                              (B – b)]
                           und im zweiten Falle:
                           x͵͵ = S – S͵͵
                              = 15 t sin 1'' [R sin B sin
                                 b – h cos (B
                              + b)
                           
                              allgemein also, die Geschoß-Rechtsabweichung x für jedes, südlich oder nördlich vom
                                 Geschützaufstellungsorte gewählte Ziel:
                              
                           x = 15 t
                                 sin 1'' [R sin B sin b ± h cos (B ∓ b)]
                           = 15 t sin 1'' [d cos α sin B ± h
                                 cos (B ∓ b)]
                           folgt, wenn man in den für cos (B – b) und für cos (B + b) zu
                              entwickelnden Formeln: cos B cos b ∓ sin B sin b, den Werth von cos
                                 b seiner Kleinheit wegen gleich Null, und anstatt des Bogens b die ihm gleiche Tangentenlänge am
                              Geschützaufstellungsorte, also sin b = b/R setzt.
                           Weiter hat man zur Bestimmung desjenigen Meridian-Abstandes von Geschoß und Ziel, welcher
                              während der Flugzeit des ersteren durch die Erdrotation entsteht, wenn:
                           1) das vom Zielpunkte z auf den Meridian des
                              Geschützaufstellungsortes gefällte Loth, zm,
                              nämlich die Linienlänge zm = d sin α mit s
                              sowie
                           2) die Länge dieses Perpendikels vom Geschoßflugbahnende g an bis zum Lothpunkte m des
                              Geschützaufstellungsort-Meridianes hin gemessen, nämlich die Linie gm mit S – s bezeichnet wird, was ganz allgemein für ein rechts
                              oder links dieses Meridianes liegendes g geschehen kann,
                              da die Sinus von α in den beiden ersten
                              Quadranten positiv, in den beiden letzten Quadranten aber negativ sind, – und
                              wenn man ferner
                           3) die Größtkreis-Tangenten
                              s und S – s mit den ihrer resp. Lage entsprechenden Größtkreis-Bögen von gleicher Länge identificirt, sowie endlich
                           4) die respectiven Meridianlängen, um welche das Ziel z, der Lothpunkt
                              m und das Geschoßflugbahnende
                              g vom Nordpole
                              P abstehen, also die resp. Polhöhen Nz, Nm und Ng mit beziehungsweise Z,
                                 M und G bezeichnet werden,
                           in den zwei, beim Lothpunkte m des
                              Geschützaufstellungsort-Meridianes rechtwinkeligen
                                 Kugeldreiecken zNm
                                  und gNm die Beziehungen:
                           
                              
                                 cos Z =
                                 
                                    cos M cos s
                                    
                                 I
                                 
                              
                                 cos G =
                                 cos M cos (S
                                    – s)
                                 II
                                 
                              
                                 cotg M =
                                 
                                    tg Y cos s
                                    
                                 III
                                 
                              
                           
                           woraus für die Polhöhen-Differenz
                              y vom Geschoßflugbahnende
                              g und vom Zielpunkte
                              z, d.h. für den Meridian-Abstand:
                           y = G
                              – Z
                              
                           des am Ende seiner Flugzeit angekommenen
                                 Geschosses vom Ziele, wenn für cos G sein
                              Werth:
                           cos G = cos (Z + y) = cos Y cos y – sin Y sin
                                 y
                              
                           eingesetzt wird, durch Division von I in II die Gleichung:
                           cos y – tg Z sin y = cos(S
                              – s)/cos s
                              
                           folgt, die, cos y der relativen
                              Kleinheit von y wegen gleich Eins gesetzt, den
                              Näherungswerth:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 186, S. 106
                              
                           liefert, der nach III in
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 186, S. 106
                              
                           übergeht, und woraus endlich, die kleinen Bogen y, S und (S – 2s)/2 als mit ihren an g und
                              m gezogenen Tangenten zusammenfallend betrachtet, so
                              daß dann:
                           sin y = y/R
                              
                           sin S = S/R
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 186, S. 106
                              
                           gesetzt werden kann, der Werth des
                              Meridianabstandes
                              y von Geschoß und Ziel, welcher während der Flugzeit des ersteren durch die
                                 Erdrotation entstehen muß:
                           y = 15 t cos B
                                 sin 1''[15/2 t R cos B sin 1'' – d sin α] tg (B ∓ b)
                           folgt.
                           
                           Schließlich ergibt sich der
                                 senkrechte Abstand des Geschoßflugbahnendes von der Visirlinie, d.h. der
                              durch Erdrotation hervorgebrachte wirkliche Seitenabweichungsbetrag
                              Δ
                              des Geschosses, für das gegebene
                              Schußlinien-Azimuth α hiernach als:
                           Δ = X
                                 cos α – y sin α
                              
                           dessen positive Werthbeträge als
                              Rechts- und dessen negative Werthbeträge als Links-Abweichungen des Geschosses von der Visirlinie aufzufassen sind, und welcher Werth durch einfache Substitution
                              der oben für x und y
                              gefundenen Ausdrücke sich als:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 186, S. 107
                              
                           präcisirt, der, wenn man b (dessen
                              Größenbetrag nach der Formel:
                           b = d cos
                                 α/R sin 1''
                           beispielsweise für eine Schußweite von d gleich 1000 Schritt in seinem Maximalbetrage nur 24,3 Secunden beträgt
                              und gegen B als verschwindend klein betrachtet werden
                              kann) in dieser Rechnung gleich Null setzt, zum
                                 Annäherungswerthe der durch Erdrotation bedingten directen Seitenabweichung des
                                 Geschosses:
                           Δ = 15 t sin B 1'' [d ± h cotg B cos α – 15/2 t R cos B
                              sin 1'' sin
                                 α]
                           führt, in welcher Formel nach obiger Entwickelung das positive Vorzeichen ihres zweiten Gliedes sich auf
                              Schußlinien-Azimuthe α des 1sten und 4ten
                              Quadranten, das negative
                              Vorzeichen desselben aber auf im 2ten und 3ten Quadranten
                              gelegene Schußlinien-Azimuthe α bezieht,
                              und deren positive Gesammtwerthe dann immer einer Rechts
                              -, deren negative
                                 Gesammtwerthe aber stets einer Links-Abweichung des Geschosses aus der Visirebene entsprechen.
                           Für ein meridionales, von Nord nach Süd, oder von Süd nach
                              Nord gerichtetes Schießen, also für die Schußlinien-Azimuthe α = 0 und α =
                              180°, erhält man nach dieser Formel, wegen
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 186, S. 107
                              
                           genau der obigen Ausführung entsprechend, immer denselben positiven, d.h. rechts des Zieles
                              liegenden Geschoßabweichungsbetrag:
                           Δ  = 15 t sin B sin 1'' (d + h cotg B),
                           welcher – um einen zur Vergleichung mit den nach Obigem
                              von Hrn. de Brettes mitgetheilten Daten geeigneten
                              speciellen Fall aus der zwischen Seite 124 und Seite 125 der erwähnten Schrift des Referenten
                              eingeschalteten tabellarischen Zusammenstellung von unter dem 50sten Grade
                              nördlicher Breite bei verschiedenen Schußverhältnissen durch die Erdrotation
                              entstehenden Geschoßabweichungen herauszugreifen, – für eine Zielerhöhung von
                              h = 0, die Schußweite d
                              – 1000 Ruthen = 3766,8 Meter und eine Geschoßflugzeit von t = 31,12 Secunden durch den Werth:
                           Δ  = 1,734
                              Ruthen = 6,59 Meter
                           repräsentirt wird, welcher, auf die geographische Breite von
                              Paris, B = 49º, und die Schußweite von d = 4000 Meter = 1062 Ruthen reducirt, in:
                           Δ  = 1,856
                              Ruthen = 6,99 Meter
                           übergeht und somit genau die Mitte
                              zwischen denjenigen von Poisson und de Brettes erhaltenen Rechnungsresultaten einhält, welche die Abweichung
                              der 32 centimetrigen Bombe für die Schußweite von d =
                              4000 Meter = 1062 Ruthen ebenwohl unter dem Breitegrade von Paris, B = 49º, für alle
                              Schußlinien-Azimuthe, also auch bei α =
                              0º und α 180º feststellen, und
                           
                              
                                 nach Poisson
                                 =  1,858 Ruthen =
                                    7      Meter
                                 
                              
                                 nach de Brettes
                                 =  1,769 Ruthen = 6,98 Meter
                                 
                              
                           ergeben.
                           Für jedes andere Schußlinien-Azimuth muß diese Uebereinstimmung der Resultate
                              aber natürlich aufhören, da die so eben entwickelte Formel, im Gegensatze zu den von
                              de Brettes aufgestellten Behauptungen und im vollen
                              Einklange mit dem Ergebnisse der oben angestellten Untersuchungen, für im Norden
                              oder im Süden vom Meridiane des Geschützaufstellungsortes ausgehende
                              Schußlinien-Azimuthe in den beiden östlichen Quadranten eine mit dem Wachsen
                              dieser Azimuthe fortwährend zunehmende Steigerung der
                              Geschoß-Rechtsabweichung eintreten läßt, die beim Schießen nach dem Ostpunkte
                              hin, also bei α = 270º, im vorliegenden
                              concreten Falle zu dem Maximalbetrage von
                           Δ  = 3,870
                              Ruthen = 14,57 Meter
                           führt und umgekehrt für die beiden westlichen Quadranten mit
                              dem Wachsen der Schußlinien-Azimuthe dann im Norden oder Süden, vom Meridiane
                              des Geschützaufstellungsortes ausgehend, auch wieder zu einer fortwährenden
                              Verminderung dieser Rechtsabweichung führt, die im vorliegenden Specialfalle durch
                              Null hindurchgehend, beim Schießen nach West hin, also für α = 90º, zu einem Linksabweichungsbetrage des Geschosses
                              von
                           
                           Δ  = – 0,403 Ruthen =
                              – 1, 52 Meter
                           führt.
                           Dem etwaigen Einwurfe, daß bei Entwicklung der obigen Formel keine Rücksicht auf die
                              zugleich mit dem Erdboden rotirende Atmosphären-Schicht genommen worden ist,
                              und somit auch wohl keine genügende Genauigkeit der durch sie erhaltenen
                              Geschoßabweichungsbeträge erwartet werden dürfe, läßt sich in einer wohl allseitig
                              befriedigenden Weise schon durch ein einfaches Vorlegen der in Tabelle II. erwähnten
                              Schrift des Referenten niedergelegten Rechnungsresultate begegnen, wornach die vom
                              Einflüsse der atmosphärischen Luft herrührenden Verminderungen des der Erdrotation
                              zuzuschreibenden Geschoßabweichungsbetrages z.B. bei sechspfündigen Vollkugeln für
                              Schußweiten von 400 Ruthen = 2000 Schritt preußisch nur 0,0015284 Zoll, und bei
                              dreipfündigen Vollkugeln auf 200 Ruthen = 1000 Schritt Zielentfernung sogar nur
                              0,00008286 Zoll rheinländisch betragen, welche Werthe gegen die durch Erdrotation
                              hervorgebracht werdenden Geschoßabweichungsbeträge selbst als verschwindend zu
                              betrachten sind; denn hierbei handelt es sich nach Seite 123 der mehrerwähnten
                              Schrift des Referenten bei den mit Feldladung abgeschossenen Bleimantelgranaten des
                              gezogenen preußischen Sechspfünders mit 2000 Schritt Zielentfernung schon z.B. um
                              den Abweichungsbetrag von 2,3 Fuß rheinländisch, d.h. um etwa ein Viertheil von
                              dessen ganzem Derivationsbetrage, wie er sich hier beim Schießen nach circa West-Nordwest durch Messung ergibt, und
                              weiter läßt auch Tabelle III. derselben Schrift, bei Vergleichung der nach obiger
                              Formel berechneten Geschoßabweichungsbeträge mit den von Hrn. Paul de Saint Robert in seiner 1858 zu Turin erschienenen Broschüre:
                              „Des effets de la rotation de terre sur les
                                    mouvements des projectiles“ veröffentlichten
                              Berechnungsresultaten sofort erkennen, daß bei größeren Schießweiten von ca. 5000
                              Meter dem Erdrotationseinflusse sogar Geschoßabweichungsbeträge von 12 bis 18 Meter
                              zugeschrieben werden müssen.
                           Zum Schlusse dürfte über dieses Thema also lediglich wieder etwa dasselbe
                              hinzuzufügen seyn, was Seite 123 der citirten Schrift des Referenten bereits im J.
                              1865 ausgesprochen wurde, daß es nämlich jetzt, wo der Artillerie die
                              Präcisionswaffe des gezogenen Geschützes zu Gebote steht, für dieselbe nicht mehr
                              als von einem nur rein theoretischen, oder wohl gar nur
                              transcendental-speculativen Interesse bezeichnet werden kann, sich mit den
                              nach Obigem doch offenbar recht palpablen Wirkungsgrößen des
                              Erdrotations-Einflusses auf ihre Schießresultate zu beschäftigen, daß es
                              vielmehr eine ernste Aufgabe der Gegenwart für sie geworden ist, die für das
                              jedesmalige Schußlinien-Azimuth dem Einflusse der Erdrotation zukommenden
                              Geschoßderivations-Antheile auch durch Versuche mit vollkommener Sicherheit
                              festzustellen, was dem denkenden ausübenden Artilleristen bei dem entsprechenden
                              Gebrauche identischer gezogener Geschütze, auch unter verschiedenen Azimuthen gegen
                              den Meridian des Geschützaufstellungsortes gerichteter Schießbahnen, oder auch von
                              schraubenrechts und schraubenlinks gezogener Geschütze derselben Art auf einer und
                              derselben Schießbahn nicht schwer fallen kann, wenn zu diesem Zwecke Geschütze zur
                              Verwendung stehen, deren constante Trefffehler auch selbst bei ca. 6000 Schritt
                              Zielentfernung noch nicht von ihren zufälligen Schießfehlern überragt werden, welche
                              letztere bei Geschützen älterer Art eine so bedeutende Rolle spielen.
                           Als erfreuliches Resultat derartiger Bemühungen dürfte sich eine vollständig
                              befriedigende Lösung der Differenzen ergeben, welche ohne Berücksichtigung des
                              Erdrotations-Einflusses auf das Schießen natürlich immer, und nur anscheinend
                              unerklärlich, besonders dann recht merkbar zwischen den Geschoßderivationsbeträgen
                              auftreten, wenn unter sonst gleichen Schießverhältnissen bei großer Zielentfernung
                              die Schußebenen verschiedene Azimuthe gegen die Meridiane ihrer
                              Geschützaufstellungsorte haben.
                           Darapsky,            
                              Major im Generalstabe zu Berlin.