| Titel: | Ueber eine neue Art von Krystallglas mit Thalliumoxyd als Basis; von Prof. Lamy in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XLIX., S. 229 | 
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                        XLIX.
                        Ueber eine neue Art von Krystallglas mit
                           Thalliumoxyd als Basis; von Prof. Lamy in Paris.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, Juli 1867, S. 454.
                        Lamy, über Thalliumglas.
                        
                     
                        
                           Nachdem ich durch meine im Jahre 1864 veröffentlichten Untersuchungen nachgewiesen
                              habe, daß der von mir Thalliumäthylalkohol (alcool éthyl thallique) genannte Alkohol unter
                              allen bisher bekannten Flüssigkeiten das größte specifische Gewicht, das größte
                              Lichtbrechungs- und das größte Lichtzerstreuungsvermögen besitzt, kam ich auf
                              den Gedanken, daß wenn zur Darstellung von Krystallglas anstatt Kali oder Bleioxyd
                              Thalliumoxyd verwendet würde, auch dieses Glas
                              wahrscheinlich die charakteristischen Eigenschaften des genannten Alkohols zeigen
                              und somit die Erzeugung von Producten ermöglichen würde, welche sowohl in optischer,
                              als in artistischer Hinsicht von Interesse seyn müßten.
                           Somit bemühte ich mich seit Ende des Jahres 1864 Thalliumglas zu erzeugen. Meinen Voraussetzungen entsprechend, lieferten
                              schon meine ersten Versuche, so unvollkommen sie auch waren, den Beweis, daß das
                              Thalliumoxyd nicht allein ganz geeignet ist, das Kali beziehungsweise das Bleioxyd
                              zu ersetzen und ein sehr schweres durchsichtiges, wenn auch gelbliches Glas gibt,
                              sondern auch daß dieses Glas ein höheres Brechungs- und Zerstreuungsvermögen
                              besitzt, als alle anderen bisher dargestellten Glassorten. Leider waren die
                              erhaltenen Proben sehr klein und von sehr geringer Homogenität.
                           Im Jahre 1865 ließ ich in der Spiegelmanufactur von Saint-Gobain neue Versuche
                              abführen, welche übrigens, obschon sie in einem größeren Maaßstabe angestellt
                              wurden, ebenfalls noch viel zu wünschen übrig ließen. Das dabei erhaltene
                              Krystallglas war sehr glänzend, wiederum etwas gelblich, jedoch voller Schlieren und
                              Streifen, welche genaue Versuche über sein Brechungsvermögen unmöglich machten.
                           Zur Erzielung eines befriedigenden Resultates war es nöthig, den praktischen
                              Bedingungen der Fabrication optischer Gläser möglichst zu entsprechen, also 1)
                              größere Materialmengen auf einmal in Arbeit zu nehmen und 2) die geschmolzene Masse
                              tüchtig umzurühren, um eine größere Homogenität zu erzielen. Nach mehreren
                              erfolglosen Nachforschungen war ich so glücklich, in Paris einen tüchtigen Fachmann
                              zu finden, unseren ersten Flintglasfabrikanten Hrn. Feil, Neffen und Nachfolger von Guinand, welcher die Freundlichkeit hatte, Versuche in
                              einer den eben angeführten Bedingungen entsprechenden Weise abzuführen, und diese
                              Versuche werden noch jetzt fortgesetzt.
                           Zu jedem derselben wurden 5 bis 6 Kilogr. Rohmaterial genommen; jedesmal wurde die
                              Masse in der bei der fabrikmäßigen Darstellung von optischem Glas üblichen Weise und
                              mittelst der dazu dienenden besonderen Apparate umgerührt. Nach einem mehrfachen,
                              bei einem so neuen und so schwierigen Fabricationszweige nicht zu vermeidenden
                              Probiren gelang es Hrn. Feil
                              – bei seiner großen Geschicklichkeit und einer nicht genug zu rühmenden
                              Hingabe an seine edle Kunst – ein von Blasen, Streifen und Schlieren beinahe
                              gänzlich freies Glas darzustellen, welches fast denjenigen Grad von Homogenität
                              besaß, der den Anforderungen der Optik völlig Genüge leistet. Einem solchen, mit
                              verhältnißmäßig so geringen Mengen Material erhaltenen Resultate gegenüber läßt sich
                              nicht bezweifeln, daß es bei Verwendung größerer Massen, wie dieselben bei der
                              gewöhnlichen Glasfabrication verarbeitet werden, möglich seyn wird, ein Thalliumglas
                              zu erzeugen, welches ebenso homogen ist, wie Kaliglas.
                           Die charakteristischen Eigenschaften dieses Thalliumglases sind die folgenden:
                           Dasselbe besitzt einen lebhaften Glanz, zeigt einen schwachen Stich in's
                              GelblicheMit schwefelsaurem anstatt kohlensaurem Thalliumoxyd angestellte Versuche
                                    scheinen die Möglichkeit der Darstellung eines ganz farblosen Thalliumglases
                                    festzustellen. und besitzt größere Eigenschwere, größere Härte, größeres Brechungs-
                              und größeres Zerstreuungsvermögen als das entsprechende Kaliglas. In Folge dieser
                              Eigenschaften – Härte, Glanz, Brechungs- und Zerstreuungsvermögen
                              – dürfte das Thalliumglas allem Anscheine nach mehrfach nützliche Verwendung,
                              sowohl in der Optik als in der Bijouterie, finden können.
                           
                           Ich lege der Gesellschaft nebst einigen Blöcken von rohem Krystallglas ein Dutzend
                              polirter Scheiben und Prismen von Thalliumglas vor, um die Möglichkeit seiner
                              Verwendung zu optischen Zwecken nachzuweisen; deßgleichen ein geschnittenes,
                              brillantirtes und gefaßtes Stück von demselben Glase, um seine Anwendbarkeit für die
                              Juwelirkunst darzuthun.Nach dieser Mittheilung lenkte Lamy die
                                    Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf mehrere, von Feil dargestellte Scheiben von gewöhnlichem Flintgase.Die eine derselben zeichnet sich durch ihre großen Dimensionen und ihre
                                    Homogenität aus. Sie hat 71 Centimeter Durchmesser und wiegt 108 Kilogr.;
                                    ihre Dicke läßt sich erforderlichen Falles verdoppeln; denn neben ihr steht
                                    ein enormer Flintglasblock, welcher aus demselben Hafen gegossen ist. Die in
                                    verschiedenen Azimuthen in paralleler Richtung geschnittenen Facetten haben
                                    keinen Fehler von Belang nachzuweisen.Lamy hofft, daß diese Scheibe ein
                                    ausgezeichnetes, herrliches Objectiv geben und daß die Pariser Sternwarte
                                    dieselbe zur Construction eines großen Fernrohres erwerben wird.