| Titel: | Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz. | 
| Autor: | C. Schinz | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. LXXXVIII., S. 388 | 
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                        LXXXVIII.
                        Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz.
                        (Fortsetzung von Bd. CLXXXIV S. 241.)
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VIII.
                        Schinz, über die Guérin'sche rauchverzehrende
                           Feuerung.
                        
                     
                        
                           XVI. Rauchverzehrende Feuerung mit
                                 künstlichem Luftzug von J. Guérin in Gravelle bei Havre.
                           Obgleich die Frage der Verhütung des Rauches nun vollkommen gelöst ist, fahren noch
                              immer Erfinder fort an der Lösung dieses Problemes zu arbeiten; da aber die
                              vernünftigen Vorschläge ausgebeutet seyn dürften, so kommt nun die Reihe an das
                              Unvernünftige und Absurde.
                           Letztere Eigenschaft hat der in Armengaud's Génie industriel, März 1867, S. 124
                              mitgetheilte Apparat von Guérin in solchem Maaße,
                              daß ich die Besprechung desselben in dieser Rundschau zu unterlassen beabsichtigte;
                              nachdem aber mehrere deutsche technische Zeitschriften die Beschreibung dieses
                              Apparates aufgenommen haben, glaube ich denselben nicht mehr ignoriren zu
                              dürfen.
                           Folgendes ist die im Génie industriel
                              veröffentlichte Beschreibung der neuen rauchverzehrenden Feuerung:
                           
                              „Guérin's
                                 Feuerungsanlage, bei welcher vermittelst eines Ventilators die Gase und der
                                 Rauch angesaugt und dann, mit reiner Luft vermischt, in den Feuerraum gedrückt
                                 werden, ist in Fig. 25 im verticalen Längendurchschnitt abgebildet; Fig. 26 zeigt einen
                                 Horizontaldurchschnitt derselben, Fig. 27 einen
                                 Querdurchschnitt nach der Linie 1–2 in Fig. 25, und Fig. 28
                                 einen solchen nach der Linie 3–4 in Fig. 25.
                              
                           
                              „Der Ventilator, der wichtigste Theil der Anlage, besteht aus zwei
                                 Blechscheiben A in einem solchen Abstand von
                                 einander, daß am Umfang ein hinreichend großer Querschnitt sich ergibt. Die
                                 Scheiben sind in einen zweitheiligen, gußeisernen Mantel eingeschlossen, in
                                 welchen die Gase durch die Knierohre a, a'
                                 eingeführt werden. In der Mitte des Ventilators befindet sich eine Scheidewand
                                 b, welche verhindert, daß die durch die Rohre
                                 a, a' eintretenden Gase gegen einander stoßen.
                                 Die Mittelöffnungen e, e' dienen zur Entnahme der
                                 Luft und werden durch Scheiben mit sectorenförmigen Ausschnitten, welche gegen
                                 gleichgestaltete feste Scheiben verstellbar sind, regulirt. Die Ventilatorachse
                                 läuft auf Frictionsrollen d, deren Lager f das ganze Gewicht des Ventilators tragen. Bei
                                 dieser Anordnung bedarf es keiner Stopfbüchsen, sondern der Ventilator dreht
                                 sich ohne Zwischenmittel auf den Zuleitungsrohren.
                              
                           
                              „Der Ofen ist von allen Seiten geschlossen und nur durch die Thür F zugänglich. Der Feuerraum besteht aus dem
                                 Mauerwerk G mit dem ringförmigen Raum H, durch welchen die Luft gleichmäßig zwischen die
                                 Masse des Brennmaterials vertheilt wird. Die Luft erwärmt sich allmählich bei
                                 ihrer Bewegung von unten nach oben, und die Asche und die sonstigen festen
                                 Rückstände fallen durch einen schraubenförmig gestalteten Canal h in den Aschenfall I.
                                 Der Aschenfall ist durch eine Thüre geschlossen, welche nur behufs der Reinigung
                                 geöffnet wird, nachdem man zuvor durch Schließung eines Hülfsschiebers die
                                 Verbindung mit der freien Luft unterbrochen hat.
                              
                           
                              „Das Brennmaterial wird in den kreisbogenförmig gestalteten Trog j (Fig. 26 und 27)
                                 eingetragen und vermittelst eines Kolbens k, der
                                 durch mechanische Hülfsmittel bewegt wird, fortgeschoben. Wenn dann der Kolben
                                 k in der verticalen Lage angekommen ist, so
                                 schiebt man durch
                                 die Zahnstange l, welche von einem Getriebe und
                                 einer Handkurbel in Bewegung gesetzt wird, den Schieber k' nieder.
                              
                           
                              „Von der Verbrennungskammer aus gehen die Gase nach dem Hauptkessel C, bespülen dann das mittlere Siederohr D, vertheilen sich durch die beiden Canäle C' nach den Leitungen E
                                 der zu den Seiten liegenden Siederohre E' und treten
                                 endlich in den Ventilator. Bei t und t' liegen die Speiserohre, woraus sich ergibt, daß
                                 der Kessel mit Gegenströmung arbeitet. Nachdem sich die Gase im Ventilator mit
                                 frischer Luft gemischt haben, werden sie in die Leitung P geblasen, welche sie von Neuem in die Feuerung einführt. Der Rauch
                                 und das Kohlenoxyd gas verbrennen bei der fast ununterbrochenen Berührung mit
                                 der Flamme vollkommen zu Kohlensäure. Die letztere ist nun immer im Ueberschuß,
                                 jedoch dabei in nicht schädlichem Maaße vorhanden und wird fortwährend mit
                                 frischer Luft gemischt, die man in beliebiger Menge einführen kann, ohne
                                 Wärmeverluste befürchten zu müssen, wie dieß bei den mit Schornsteinen
                                 versehenen Feuerungen der Fall ist. Der Ueberschuß an Kohlensäure setzt einen
                                 Kolben in Thätigkeit, durch welchen die Bewegung auf den Ventilator
                                 fortgepflanzt wird. Das Volum des Betriebscylinders, in welchem dieser Kolben
                                 arbeitet, muß in einem angemessenen Verhältniß zu der Menge der erzeugten
                                 Kohlensäure stehen, damit nicht nur die im schädlichen Ueberfluß vorhandene
                                 Kohlensäure abgeführt, sondern auch die erforderliche Betriebskraft erhalten
                                 wird. In der Regel wird die Kohlensäure zum Betriebe des Ventilators nicht
                                 völlig ausreichen; dann muß eine kleine Menge Dampf zu Hülfe genommen
                                 werden.
                              
                           
                              „Der Ventilator konnte nicht in der Längenachse des Ofens aufgestellt
                                 werden, weil sonst das mittlere Siederohr unzugänglich geworden wäre. Diesen
                                 Mangel an Symmetrie würde man dadurch beseitigen können, daß man zwei Siederohre
                                 statt eines einzigen anwendet und den Ventilator zwischen beide stellt; die
                                 ganze Anordnung würde aber dann complicirter erscheinen. Um die Züge der
                                 seitlichen Siederohre zu reinigen, braucht man nur die Verbindungen v und v' zu lösen und
                                 die Knierohre a und a'
                                 aus den Siederohren heraus zu ziehen.
                              
                           
                              „Um das Feuer von frischem anzuzünden, bedarf es eines kleinen
                                 Hülfskessels mit gewöhnlicher Feuerung, um den Dampf für den Beginn des
                                 Betriebes zu bilden; es ist aber zu beachten, daß die Benutzung dieses
                                 Hülfskessels äußerst selten nothwendig ist, da durch eine 12- bis
                                 24stündige Pause die Spannung nicht so weit herabgezogen wird, um nicht den
                                 Betrieb einleiten zu können.“
                              
                           Diese Beschreibung ist jedoch, wahrscheinlich um Patent-Eingriffe zu
                              erschweren, eine unvollständige, denn sie verschweigt wie die vorhandene (gebildete) Kohlensäure einen
                              Kolben in Thätigkeit setzt, durch welchen die Bewegung auf den Ventilator
                              fortgepflanzt wird. Darin bestünde aber gerade der wichtigste Theil der Erfindung,
                              wenn es ermöglicht wäre, die sonst aus dem Schornstein abziehende und abgekühlte
                              Kohlensäure als Betriebskraft zu benutzen.
                           Als ich den Guérin'schen Apparat zum ersten Male in
                              der Zeichnung sah, kam ich auf die Vermuthung, daß es die Absicht sey, die durch
                              Verbrennung erzeugte Kohlensäure dem glühenden Brennstoffe im Herde zurückzubringen,
                              um dieselbe zu brennbarem Kohlenoxydgas zu reduciren und dieses durch neue Luft
                              wieder zu verbrennen.
                           Obgleich sich Guérin zu dieser Absicht nicht
                              bekennt, wollen wir diesen Anlaß doch benutzen, um die Unmöglichkeit einer solchen
                              anscheinend einleuchtenden Regeneration der Kohlensäure darzuthun.
                           Wir nehmen an, daß im Anfange, wenn der Ventilator in Bewegung kommt, sich nur
                              Kohlensäure bilde, d.h. aus 10 Vol. Luft entstehen 8 Vol. Stickstoff und 1 Vol.
                              Kohlensäure; kehren nun diese vermittelst des Guérin'schen Saug- und Druckventilators an den glühenden
                              Brennstoff zurück, so können 8 Vol. Stickstoff und 2 Vol. Kohlenoxyd entstehen.
                           Zur Verbrennung dieser 2 Vol. Kohlenoxyd bedürfen wir aber 10 Vol. frische Luft,
                              welche 2 Vol. Sauerstoff enthalten. Da jedoch die Leistung des Ventilators eine
                              beschränkte ist, so können wir nur 5 Vol. frische Luft zubringen und die Hälfte des
                              Ofeninhaltes an Gasen (in 1 Vol. Kohlenoxyd und 4 Vol. Stickstoff bestehend) muß auf
                              anderem Wege evacuirt werden.
                           In diesem zweiten Stadium wird folglich der Ventilator dem Herde 1 Vol.
                              Kohlenoxydgas, 1 Vol. Sauerstoffgas und 8 Vol. Stickstoffgas zuführen, somit gerade
                              genug Sauerstoff um das vorhandene 1 Vol. Kohlenoxyd wieder zu Kohlensäure zu
                              verbrennen; da aber der glühende Kohlenstoff im Herde auf die nun gebildete
                              Kohlensäure einwirken muß, so wird der Ventilator abermals nur Stickstoff und
                              Kohlenoxyd ansaugen und somit wieder die Hälfte des gebildeten Kohlenoxyds evacuirt
                              werden.
                           Es wird also dem Herde bei jedem Turnus eben so viel Kohlenstoff in Form von
                              Kohlenoxydgas entführt als zur Verbrennung kommt, was selbstverständlich eine große
                              Verschwendung wäre; aber selbst dieses ist im praktischen Betriebe nicht möglich,
                              denn die Reduction der durch Verbrennung des Kohlenoxydes erzeugten Kohlensäure
                              verursacht eine so. bedeutende Abkühlung des Brennstoffes, daß dieser sehr bald
                              unwirksam werden müßte.
                           Um daher das Feuer unterhalten zu können, müßten stets 2/3 der Ofengase evacuirt werden, so daß
                              2/3 frische Luft zugeführt würden, welche dann nothdürftig die zur Reduction der
                              Kohlensäure erforderliche Temperatur zu unterhalten vermöchten, und das Endresultat
                              wäre, daß der Brennstoff nur 1/3 der Wärme nutzbar machen würde, die er sonst zu
                              geben im Stande ist.
                           Ganz dasselbe würde auch in dem von Guérin
                              angegebenen Apparate stattfinden. Es kommt freilich dabei noch darauf an in welchem
                              Zustande sich der Brennstoff im Herde befindet; die angegebenen Reactionen werden
                              erfolgen, wenn der Brennstoff in kleinen Stücken angewendet wird, besteht derselbe
                              aber in größeren Stücken, welche bereits verkohlt sind, so wird die kleine
                              Contactfläche derselben nicht ausreichen um die gebildete Kohlensäure zu
                              Kohlenoxydgas zu reduciren, in welchem Falle die aspirirten, sowie die evacuirten
                              Verbrennungsproducte ein Gemisch von Kohlenoxyd und Kohlensäure enthalten
                              würden.
                           Wie leicht einzusehen ist, würde auch in diesem günstigeren Falle die größere Menge
                              des unverbrannten Kohlenoxyds entführt und daher kein Vortheil erreicht werden.
                           Daß dieser Apparat das Auftreten von sichtbarem Rauche verhindert, kann unmöglich
                              davon herrühren, daß ein Drittel der Verbrennungsproducte durch den Herd
                              zurückgeführt wird, sondern es ist dieses Nichtauftreten von sichtbarem Rauche dem
                              Umstande zuzuschreiben, daß der frische Brennstoff von unten in den Feuerherd
                              geführt wird, wie dieß bei dem Roste von Duméry,
                              dem Langen'schen Etagenroste und anderen ähnlichen
                              Apparaten der Fall ist.
                           Alle diese Apparate geben an brennbaren Oasen reiche Verbrennungsproducte welche
                              durch theilweise Rückführung in den Herd nur in sehr geringem Maaße nutzbar gemacht
                              werden können.
                           Im günstigsten Falle bietet also der Guerin'sche Apparat
                              eine Nutzbarmachung von 1/6 des in den Verbrennungsproducten enthaltenen
                              Kohlenoxydgases, während andererseits 1/6 der Kohlensäure aus denselben, nebst dem
                              diesen beiden Gasen zukommenden Stickstoffe, den Herd mit durchströmen muß; in Folge
                              der Verdünnung der Verbrennungsproducte durch letztere Gase muß aber ihre Temperatur
                              tief herabgedrückt werden.
                           Endlich würde dieser Apparat, wenn er wirklich eine vollkommene Verbrennung
                              hervorzubringen im Stande wäre, wegen seiner Complicirtheit und der unvermeidlichen
                              häufigen Betriebsstörungen von den Praktikern sicher verworfen werden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
