| Titel: | Verfahren zur Zuckergewinnung aus Säften, Syrupen und Melassen aller Art, von H. Le Play in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XCII., S. 411 | 
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                        XCII.
                        Verfahren zur Zuckergewinnung aus Säften, Syrupen
                           und Melassen aller Art, von H. Le
                              Play in Paris.
                        Patentirt in Bayern am 12. Mai 1866. – Im
                           Auszug aus dem bayerischen Kunst- und
                                 Gewerbeblatt, 1867 S. 452.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
                        Le Play's Verfahren zur Zuckergewinnug aus Säften, Syrupen und
                           Melassen aller Art.
                        
                     
                        
                           Der Erfinder bewirkt die Gewinnung des Zuckers durch Ueberführung, desselben in
                              unlöslichen, bis jetzt nicht fabrikmäßig dargestellten Zuckerkalk. Diese Verbindung wird in der betreffenden Zuckerlösung (Saft,
                              Syrup, Melasse u.s.w.) weniger durch Zusatz von freiem Kalk, als vielmehr dadurch
                              erzeugt, daß man durch Vermischen derselben mit einem löslichen Kalksalz und
                              speciell mit Chlorcalcium und caustischem Natron den Kalk erst innerhalb der
                              Lösung ausscheidet, wobei er sich dann mit dem Zucker zu einem Niederschlage
                              verbindet. Dieser Zuckerkalk wird nach der Abscheidung mittelst Kohlensäure zerlegt,
                              das Natron aus der Lösung regenerirt, die Kohlensäure als Nebenproduct bei der
                              Erzeugung des Chlorcalciums erhalten u.s.w.
                           Das Nähere ergibt sich aus Folgendem: Wenn man eine Lösung von Zucker in Wasser mit
                              allem Kalke sättigt, den dieselbe aufzunehmen im Stande ist, und die Lösung alsdann
                              kocht, so bildet sich ein weißer Niederschlag, Zuckerkalk, welcher sich beim
                              Erkalten wieder auflöst. Die so ausgeschiedene Zuckermenge ist aber nur der kleinere
                              Theil der vorhanden gewesenen, der größere bleibt, wenn der Niederschlag während der
                              Siedhitze von der Flüssigkeit getrennt wird, in dieser gelöst. Verhältnißmäßig noch
                              geringer ist die Menge des Zuckers, welche in ähnlicher Weise aus Rübensaft oder aus
                              Melasse abgeschieden werden kann. Je unreiner die angewandte Zuckerflüssigkeit ist,
                              desto geringer ist die in dieser Weise bewirkte Ausscheidung.
                           Dagegen gelingt die Fällung des sämmtlichen Zuckers als Zuckerkalk, wenn man in der
                              schon mit Kalk gesättigten Lösung noch eine neue Menge Kalk im Entstehungsmoment
                              sich ausscheiden läßt, und zwar ist alsdann die Fällung unabhängig von dem Grade der
                              Reinheit der in Arbeit genommenen Zuckerlösungen.
                           Jedes beliebige lösliche Kalksalz, zu dieser Lösung hinzugefügt und durch eine
                              stärkere Basis, Kali oder Natron zersetzt, bewirkt in gleicher Weise diese Fällung
                              von Zuckerkalk, welcher sich dann beim Erkalten nicht
                              wieder in der Flüssigkeit auflöst. Le Play wendet
                              vorzugsweise das Chlorcalcium an, da dasselbe billig herzustellen und leicht zu
                              regeneriren ist; die Zersetzung geschieht aus ähnlichen Gründen mit caustischem
                              Natron. Zu dieser Behandlung eignen sich außer den Rübensäften und Rübenmelassen
                              auch die Melassen der Raffinerie, indem die darin vorhandenen Mengen
                              unkrystallisirbaren Zuckers unter dem Einflusse des Kalkes in der Siedhitze zerstört
                              werden; das Resultat dieser Zerstörung ist ein Kalksalz, dessen Kalk ebenfalls zur
                              Fällung des Zuckers unter Mitwirkung des Natrons hinzugezogen wird. Ueberhaupt ist
                              die Menge der in den Syrupen u.s.w. vorhandenen löslichen Kalksalze von Einfluß auf
                              die Menge des zuzusetzenden Kalksalzes; da diese Salze organische Säuren enthalten,
                              so findet man das zugesetzte Natron in denselben entsprechender Menge nicht als
                              Chlornatrium, sondern als kohlensaures Natron in der Asche der Mutterlauge wieder,
                              was ein erheblicher Vortheil ist.
                           Die vor dem Kalksalz-Zusatz vorzunehmende Sättigung der betreffenden
                              Flüssigkeit mit reinem Kalk ist deßhalb nothwendig, weil man auf diese Weise einen sonst
                              erforderlichen Theil des Kalksalzes durch den billigeren Kalk ersetzt.
                           Das niedergeschlagene Kalksaccharat wird von der Flüssigkeit getrennt, mit Wasser
                              gewaschen und dann mittelst Kohlensäure zersetzt. Man kann hierzu entweder die
                              gewöhnliche Kohlensäure der Zuckerfabriken anwenden, oder, was der Erfinder
                              vorzieht, kohlensauren Kalk mittelst Salzsäure zersetzen und so zugleich das
                              erforderliche Chlorcalcium darstellen; geschieht diese Zersetzung in einem
                              geschlossenen Apparat, so kann man die Kohlensäure direct in das kochende
                              Kalksaccharat leiten, ohne dazu einer mechanischen Kraft zu benöthigen. Der Kalk und
                              die Kohlensäure werden in dieser Weise so zu sagen unendlich oft zur Extraction des
                              Zuckers als Zuckerkalk verwendet, und ist nach Anwendung einer gewissen Menge
                              Chlorcalcium und Kohlensäure später von diesen Stoffen nur noch immer so viel
                              hinzuzunehmen, als zur Deckung der unvermeidlichen Verluste nothwendig ist. Die
                              außerdem noch anzuwendenden Substanzen sind dann die zur Darstellung des
                              Chlorcalciums erforderliche Salzsäure und das Natron, sowie der zur ersten Sättigung
                              erforderliche Kalt. Da sich sonach ein gewisser Kaltüberschuh im Laufe der Arbeit
                              anhäuft, so empfiehlt der Erfinder, nicht alle Kohlensäure aus diesem Kalk zu
                              erzeugen, sondern den Zuckerkalk theilweise mittelst gewöhnlicher Kohlensäure zu
                              zersetzen.
                           Die Beschreibung und Behandlung des Apparates zur Kohlensäure-Darstellung
                              folgt weiter unten; wir wenden uns hier zunächst zur Ausführung des Verfahrens in
                              den einzelnen Fällen.
                           1) Der Rübensaft wird kalt in großen hölzernen oder
                              eisernen Behältern aufgefangen, und in der Kälte mit einer Quantität Kalk behandelt,
                              die beinahe 60 Proc. vom Gewichte des darin enthaltenen Zuckers ausmacht; jedenfalls
                              muß so viel Kalk genommen werden, daß der Saft geklärt und vollständig damit im
                              kalten Zustande gesättigt ist. Nun erwärmt man ihn bis zur Abscheidung des Schlammes
                              am Boden des Gefäßes, und bringt dann den klaren Saft in einen anderen mit einer
                              Dampfschlange versehenen Behälter, in welchem man das in Saft gelöste Chlorcalcium
                              und dann die der auszufällenden Zuckermenge entsprechende Quantität caustisches
                              Natron hinzufügt. Man erwärmt nun das Gemisch zum Sieden, aus welchem der Zuckerkalk
                              sich als Niederschlag zu Boden setzt. Man sammelt denselben auf Siebböden oder
                              trennt ihn mittelst Filterpressen, wäscht mit Wasser aus, bis das ablaufende Wasser
                              nicht mehr gefärbt ist, und zersetzt das Kalksaccharat mit Kohlensäure. Dieß kann in
                              demselben Gefäße geschehen, auf dessen siebartigem Doppelboden das Sammeln und
                              Auswaschen des Niederschlages bewirkt wurde, indem man die Kohlensäure unter dem
                              Siebboden einleitet. Der Zucker löst sich in dem dem Zuckerkalke noch anhängenden
                              Wasser zu einem Syrupe, der mittelst einer Filterpresse von dem Niederschlage
                              getrennt und ausgewaschen wird.
                           Soll der Zuckerkalk nicht sofort verarbeitet, sondern aufbewahrt werden, so kann man
                              ihn durch Auspressen mittelst hydraulischer Pressen im trockenen Zustande
                              erhalten.
                           Der durch die Saturation erhaltene Syrup enthält durchaus reinen Zucker und kann nach
                              dem Filtriren u.s.w. direct auf Brode verkocht werden.
                           Die Mutterlauge von der Abscheidung des Zuckerkalkes, sowie die Waschwässer werden
                              direct als Dünger benutzt, oder in Flammöfen abgedampft und geglüht, um die in der
                              Rübe enthaltenen Salze und das zur Fällung des Kalkes benutzte Natron (als
                              kohlensaures Natron und als Chlornatrium) wieder zu erhalten.
                           Es werden bei diesem Verfahren nur zwei Producte erhalten und der Syrup vom zweiten
                              wird wie der rohe Rübensaft behandelt, und so die Arbeit und die Geräthe in der
                              Fabrik sehr erheblich vereinfacht.
                           Auf der anderen Seite können die Saftgewinnungsmethoden, weil die Reinheit des Saftes
                              nicht mehr in Betracht kommt, verlassen und durch Auskochen und Maceriren der Rüben
                              ersetzt werden, so daß auch diese Arbeit bedeutend vereinfacht und billiger
                              wird.
                           Der Zuckerkalk selbst kann als Handelsartikel an Stelle des Rohzuckers treten und
                              direct von den Raffinerien in Arbeit genommen werden.
                           2) Syrupe vom zweiten Product und Melassen der Rübenzuckerfabrication werden etwa mit der Hälfte ihres
                              Volums an Wasser verdünnt, worauf man dicken Kalkbrei in solcher Menge zusetzt, daß
                              nicht allein eine vollkommen gesättigte Lösung entsteht, sondern auch noch eine
                              gewisse Menge Kalk suspendirt im Ueberschuß bleibt. Durch letzteren Umstand erlangt
                              man die Gewißheit, hinreichend Kalk zugesetzt zu haben, und erspart daher an
                              löslichem Kalksalz; auch wird die Ausscheidung des Zuckerkalkes dadurch
                              befördert.
                           Nachdem Syrup und Kalk auf's Sorgfältigste gemischt worden, setzt man so viel Wasser
                              zu, daß im Hektoliter noch 10–20 Kilogr. Syrup enthalten sind, fügt dann das
                              Chlorcalcium in Stücken oder in Lösung hinzu, rührt um und erhitzt. Sobald die
                              Flüssigkeit nahe an 100° C. heiß wird, fügt man die verdünnte Natronlauge
                              hinzu und erhitzt nach dem Umrühren zum Kochen. Der Zuckerkalk fällt dann reichlich
                              nieder und wird weiter ebenso behandelt wie der aus Rübensaft gefällte.
                           
                           Das Verdünnen und Erhitzen des Syrupes ist zwar für die Ausfällung des Zuckerkalkes
                              nicht gerade nothwendig, befördert aber das Auswaschen desselben erheblich.
                           Die vom Niederschlags getrennten Mutterlaugen müssen immer eingedampft und im
                              Flammofen calcinirt werden; die Rückstände enthalten das zugesetzte Natron als
                              kohlensaures Natron oder als Chlornatrium, und es kann daraus ein großer Theil des
                              Natrons wiedergewonnen werden.
                           Die Syrupe des zweiten Productes kann man noch besser, statt sie für sich zu
                              verarbeiten, mit den mit Kalk gesättigten Rübensäften vermischen und dann die
                              Fällung in dem Gemisch bewirken.
                           3) Die Syrupe oder Melassen der
                              Raffinerie enthalten häufig eine gewisse Menge
                              unkrystallisirbaren Zuckers, welcher zur leichteren Gewinnung des krystallisirbaren
                              vorher zerstört werden muß. Der Syrup wird daher nach dem Zusatz des Kalkes durch
                              Einleitung von Dampf zum Kochen erhitzt, wobei der unkrystallisirbare Zucker durch
                              den Kalk zerstört wird. Das Nähere hierüber ist schon zu Anfang bemerkt worden.
                              Nachdem das Kochen einige Minuten gedauert hat, verdünnt man mit Wasser und verfährt
                              dann ebenso, wie vorhin gesagt.
                           Statt des Wassers kann man auch die Mutterlauge von der vorhergehenden Operation zum
                              Verdünnen nehmen und erhält so eine concentrirte, billiger zu verarbeitende Lauge
                              nach der Ausscheidung des Zuckerkalkes. Auch bei der Melasse der
                              Rohzuckerfabrication kann man ebenso verfahren. Erst wenn nach mehrmaliger Benutzung
                              der Lauge diese so concentrirt wird, daß die Absonderung des Saccharats unbequem
                              wird, beginnt man wieder mit Wasser zu verdünnen.
                           
                        
                           Beschreibung des Apparates zur
                                 Darstellung des Chlorcalciums und der Kohlensäure.
                           Dieser Apparat ist in Fig. 3 im Durchschnitt dargestellt.
                           A ist ein eisernes Gefäß mit Rührwerk zur Vermischung
                              des kohlensauren Kalkes mit Wasser und Salzsäure.
                           B hölzerner oder eiserner, mit Blei gefütterter Behälter
                              für die Salzsäure.
                           C eisernes Gefäß für comprimirte Luft;
                           D Luftpumpe für letztere.
                           E Waschgefäß, halb mit Wasser gefüllt.
                           F eiserner Sammelbehälter für die Kohlensäure vor ihrem
                              Eintritt in den Zuckerkalk.
                           
                           O, O Entleerungshähne; Q
                              Manometer; R Wasserstandsrohr; S Rührer mit dem Getriebe X, den Armen T und den Anhängseln T': U
                              feste Arme.
                           V Probehahn. I'
                              Ableitungsrohr für die Kohlensäure.
                           Das Gefäß A wird zunächst durch M zu einem Drittel mit Wasser beschickt, dann durch das Mannloch J der kohlensaure Kalk als grobes Pulver oder in
                              Breiform zugegeben und der Rührer in Bewegung gesetzt. Hierauf wird durch J' das Gefäß B zu drei
                              Vierteln mit Salzsäure und E durch M zur Hälfte mit Wasser gefüllt.
                           Nachdem der Apparat so vorgerichtet ist, setzt man die Pumpe D in Thätigkeit und öffnet, wenn die Luft hinlänglich comprimirt ist, den
                              Hahn H, wornach die Säure aus B durch das Rohr G' nach A gelangt. Die Kohlensäureentwickelung beginnt und wird
                              durch Oeffnen oder Schließen des Hahnes H regulirt, bis
                              man am Manometer erkennt, daß der Druck in C zu sehr
                              vermindert ist, wo dann derselbe mittelst der Pumpe wieder erhöht werden muß.
                           Man fährt so lange mit dem langsamen Nachdrücken der Salzsäure fort, bis der
                              kohlensaure Kalk zersetzt ist, was man entweder am Nachlassen der Gasentwickelung
                              oder mittelst einer bei V zu entnehmenden Probe
                              erkennt.
                           Man hat dafür zu sorgen, daß in A eher ein kleiner
                              Kalküberschuß bleibt, als daß hier die Lösung sauer wird.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
