| Titel: | Ueber eine Neuerung in der Cigarrenfabrication; von Dr. Robert Schmidt, Civilingenieur in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. CII., S. 449 | 
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                        CII.
                        Ueber eine Neuerung in der Cigarrenfabrication;
                           von Dr. Robert Schmidt,
                           Civilingenieur in Berlin.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IX.
                        Schmidt, über eine Neuerung in der Cigarrenfabrication.
                        
                     
                        
                           Denjenigen Lesern dieser Zeitschrift, welche Gelegenheit hatten zuweilen Blicke in
                              die Cigarrenfabrication zu thun, wird es nicht unbekannt seyn, daß seit Jahren hin
                              und wieder Erfinder bemüht waren Maschinen zu construiren, wodurch die vielen
                              Menschenhände, die bei dieser Fabrication thätig sind, wenigstens theilweise erspart
                              werden können, daß man aber keine günstigen Resultate erzielt hat. Die meisten
                              dieser Maschinen waren complicirter Natur, ersetzten die fühlende Hand nicht, und
                              lieferten Producte die in der Regel nicht zu brauchen waren.
                           Die Neuerung in der Cigarrenfabrication, von welcher wir hier Mittheilung machen
                              wollen, verfolgt nicht jenes weitgehende Ziel, Menschenhände zu ersetzen; sie
                              bezweckt nur, bei ökonomischer Verwendung des Tabakes ein eleganteres und
                              durchgängig brauchbares Product zu erzeugen. Im Allgemeinen besteht die Neuerung
                              darin, daß die Cigarrenwickel, welche bisher von den Wickelmädchen durch Rollen
                              fertig gemacht wurden, durch Pressung zwischen Formkästen und demnächstige Erwärmung
                              ihre Vollendung erhalten. Einen derartigen Formkasten, welcher in den Figuren 26, 27 und 28 in drei
                              verschiedenen Ansichten in halber natürlicher Größe dargestellt ist, wollen wir
                              zunächst beschreiben.
                           Derselbe besteht aus einem Unter- und Oberkasten. Der Unterkasten ist gebildet
                              aus zwei, oben schwalbenschwanzförmig geformten Holzleisten A und B, welche mit den Stücken c und f zu einem festen
                              Rahmen verbunden sind. An dem Stück c schließen sich
                              andere Formstücke b an, die auf den Leisten verschiebbar
                              sind, aber, ungefüllt, durch den Riemen n
                              zusammengezogen werden. Es werden nämlich diese Formstücke an den Riemen befestigt,
                              während derselbe sehr stark gespannt ist. Wie man aus der Zeichnung erkennt, sind
                              die Cigarrenformen in diesem Kasten begrenzt durch halbe Umdrehungsflächen und durch
                              Ebenen, die etwas höher als der jedesmalige Querschnittshalbmesser sind.
                           Der Oberkasten besteht aus dem plattenförmigen Körper C,
                              an welchen die Theile a geleimt sind, die als wirksame
                              Form die zweite Umdrehungsfläche enthalten. Außerdem befindet sich an C der keilförmige Körper g,
                              der beim Pressen Dienste leistet.
                           Beim Arbeiten hat die Wicklerin den Unterkasten in geneigter Lage vor sich stehen,
                              faltet die Wickel mit genauer Beachtung ihrer richtigen Länge zusammen, und drückt
                              sie in die Formen, von welchen bei jedem Kasten gewöhnlich 20 vorhanden sind. Zum
                              Pressen wird der Oberkasten aufgelegt, und es werden immer acht Stück solcher
                              gefüllter Formkästen gleichzeitig gepreßt. Hierzu dient eine gewöhnliche
                              Schraubenpresse, und werden je acht Kästen beim Pressen immer mit zwei
                              schmiedeeisernen Bügeln umgeben, um mittelst dieser die Pressung fixiren zu können.
                              In diesem gepreßten Zustande kommen die in den Formen befindlichen Wickel in eine
                              Kammer, welche gewöhnlich durch Gas auf einer Temperatur von 35–40° R.
                              erhalten wird. Nach zwölf Stunden werden die Wickel gewendet, so daß die Naht in
                              entgegengesetzte Lage kommt, und nach weiteren zwölf Stunden werden dieselben aus
                              den Formen entfernt. Diese letzte Operation sowie das Wenden erleichtert sich
                              dadurch, daß man den Riemen n etwas anzieht, wodurch die
                              Formstücke etwas gelüftet werden.
                           Die meisten der so erhaltenen Wickel können schon in diesem Zustande geraucht werden,
                              und nach Umlegung des Deckblattes soll sich sehr selten eine Cigarre finden, welche
                              zum Rauchen unbrauchbar wäre. Selbstverständlich haben alle Cigarren ganz gleiche
                              Form. Neben diesen Vortheilen findet auch noch der statt, daß die nach dieser
                              Methode fabricirten Cigarren weniger Lager brauchen, und auch der Tabak ökonomischer
                              verwandt wird, da die Wicklerin dieselben hierbei gleich von der richtigen Länge
                              macht. Billiger möchte diese Fabricationsmethode wohl im Vergleich zur alten nie werden;
                              denn wenn auch nach längerer Uebung die Arbeit nach derselben etwas schneller von
                              Statten gehen möchte, so vergrößert sich das Anlagecapital der Fabrik dadurch nicht
                              unbeträchtlich. Jede Wicklerin braucht nämlich circa
                              40–50 der beschriebenen Formkästen, wobei auf acht solcher auch noch immer
                              zwei Bügel kommen. Nichtsdestoweniger haben mir erfahrene Cigarrenfabrikanten
                              versichert, daß die allgemeine Einführung dieser Methode, welche zuerst in einigen
                              Fabriken Süddeutschlands in Gebrauch kam, bestimmt zu erwarten sey, weil sie ein
                              besseres Product liefert. Da es bei Durchführung derselben wesentlich darauf
                              ankommt, die Formkästen möglichst billig herzustellen, so wird man nicht ermangeln
                              zu diesem Zweck die in neuerer Zeit construirten Holzbearbeitungsmaschinen
                              anzuwenden. In Berlin hat sich die Maschinenfabrik des Hrn. H. F. Eckert für die Fabrication dieser
                              Formkästen eingerichtet, und liefert gegenwärtig das Stück für 18 Sgr. Die dazu
                              nöthige Presse kostet 25 Rthlr.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
