| Titel: | Ueber die Anwendung der Phosphorsäure und mehrerer ihrer Verbindungen zur Düngerfabrication und zur Beförderung der Salubrität der Städte; von Blanchard und Chateau. | 
| Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. CXI., S. 482 | 
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                        CXI.
                        Ueber die Anwendung der Phosphorsäure und
                           mehrerer ihrer Verbindungen zur Düngerfabrication und zur Beförderung der Salubrität der
                           Städte; von Blanchard und
                           Chateau.
                        Aus den Comptes rendus, 1866, t. LXII p.
                              446.
                        Blanchard, über die Anwend. der Phosphorsäure u. mehrerer ihrer
                           Verbindungen zur Düngerfabrication.
                        
                     
                        
                           Unser Verfahren setzt uns zur Lösung dreier Aufgaben von der größten Wichtigkeit in
                              Stand, nämlich:
                           1) zur Conservirung der menschlichen Excremente;
                           2) zur Beförderung der Salubrität (des Gesundheitszustandes) der Städte;
                           3) zur Fixirung des freien oder nur lose gebundenen Ammoniaks, und zwar mittelst
                              einer einfachen, bei gewöhnlicher Temperatur auszuführenden Niederschlagsarbeit.
                           Es kam wesentlich darauf an, den Stickstoff in Form einer Verbindung zu binden und
                              niederzuschlagen, welche in Wasser so wenig löslich ist, daß sie dem Dünger während
                              der Fabrication durch Regen nicht entzogen wird, aus welcher sich aber auch selbst
                              bei der stärksten Sonnenhitze Nichts verflüchtigt, und die gleichzeitig durch die im
                              Boden wirkenden chemischen und physikalischen Kräfte leicht zersetzt und während des
                              Vegetationsprocesses von den Pflanzen leicht assimilirt werden kann.
                           Diesen Bedingungen entspricht in der Praxis die phosphorsaure
                                 Ammoniak-Magnesia, dieß bekannte Doppelsalz, in welchem der
                              Stickstoff in unlöslichem Zustande und an Phosphorsäure gebunden, enthalten ist.
                           Zur Darstellung dieser Verbindung wenden wir freie
                                 Phosphorsäure oder irgend ein saures
                                 Phosphorsäuresalz, in Verbindung mit einem Magnesiasalze an; einfacher benutzen wir saure
                                 phosphorsaure Magnesia, noch besser aber saure
                                 phosphorsaure Eisenoxyd-Magnesia.
                           Wir sind, mit Hülfe sowohl bereits bekannter, als auch neuer technischer Methoden im
                              Stande, nachstehende Producte für die beigesetzten Preise zu liefern:
                           1) Freie Phosphorsäure von 35° Baums, welche per Kilogr. ungefähr 300 Grm. wasserfreie Phosphorsäure
                              enthält, zu 50 Centimes das Kilogr., ein Product, welches derzeit als glasige
                              Phosphorsäure zu Preisen in den Handel kommt, welche es für landwirthschaftliche
                              Zwecke ganz unzugänglich machen.
                           
                           2) Saure phosphorsaure Magnesia in flüssiger Form,
                              gleichfalls von 35° Baumé, sowie flüssige saure
                                 Phosphorsaure Eisenoxyd-Magnesia, auch von 35° Baumé,
                              zu 45 Centim. per Kilogr. Beiläufig sey bemerkt, daß
                              diese beiden letzteren Salze im Chemikalienhandel ganz unbekannt sind und auch
                              selbst für die Bedürfnisse des Laboratoriums nicht dargestellt werden. Ueberdieß
                              lassen sich diese chemischen Verbindungen in gewissermaßen unbeschränkten Mengen
                              produciren, vorausgesetzt daß zu ihrer Darstellung Koprolithen und
                              phosphorsäurehaltige Mineralien oder mineralische Phosphate verwendet werden.
                           Wie mannichfaltiger Anwendungen diese Salze fähig sind, werden wir sogleich sehen;
                              mittelst ihrer läßt sich das freie oder nur lose gebundene Ammoniak aller
                              ammoniakhaltigen Substanzen sehr rasch und bei gewöhnlicher Temperatur
                              niederschlagen, indem gleichzeitig auch der vorhandene Schwefelwasserstoff zersetzt
                              wird. Die vorhin erwähnten sauren Phosphate lassen sich auch durch beliebige andere,
                              neutrale oder basische Phosphorsäuresalze ersetzen, wenn dieselben in
                              Mineral- oder Pflanzensäuren gelöst werden.
                           
                        
                           I. Anwendung der Salze in
                                 Filtrirapparaten. – Bewegliche geruchlose
                                 Senkgruben oder Aborte.
                           Wir filtriren die thierischen Excremente – sowohl flüssige als feste –
                              durch Schichten von dazu geeigneten, vorzugsweise organischen Substanzen, welche mit
                              dem sauren Doppelphosphate von Magnesia und Eisenoxyd (von 35° Baumé)
                              getränkt und in horizontaler und verticaler Stellung in einem Fäßchen auf einen
                              durchlöcherten Doppelboden, beziehungsweise zwischen eine oder zwei durchbrochene
                              lothrecht stehende Platten gebracht werden, so daß die durch das Filtriren ihres
                              Düngerwerthes beraubten Flüssigkeiten ungehindert ablaufen können.
                           Während des Filtrirens geben die Flüssigkeiten, welche in Folge ihrer Vermengung mit
                              festen Fäcalsubstanzen und ihres langsamen Hindurchtretens durch diese letzteren in
                              Gährung gerathen müssen, einen großen Theil ihres Stickstoffes ab; ihre
                              übelriechenden Bestandtheile, Ammoniak und Schwefelwasserstoff, werden beim
                              Filtriren zurückgehalten und somit können sie ohne Nachtheil in die Abzüchte
                              abgelassen werden.
                           Wir sind im Stande, aus unseren beweglichen Senkgruben Düngsubstanzen zu gewinnen,
                              welche frei von jedem widrigen Geruchs und dabei so dicht sind, daß sie ohne
                              Anwendung von absorbirenden Materialien innerhalb einiger Tage getrocknet werden
                              können und die, im frischen Zustande der Analyse unterworfen, constant einen Gehalt
                              von 3 1/2 bis 5 und
                              sogar bis 7 Proc. Stickstoff, auf den trockenen Zustand berechnet, zeigen, was einem
                              Stickstoffgehalte von 2 1/2, 3 bis 4 und 5 Proc. des verkäuflichen, mit diesen
                              grünen Rohstoffen fabricirten Düngers, in welchem gewöhnlich noch 15 bis 20 Proc.
                              Feuchtigkeit zurückgelassen worden, entspricht.
                           
                        
                           II. Anwendung in bleibenden
                                 Senkgruben.
                           Die Producte der in Paris wasserdicht ausgemauerten, in anderen Städten aber mit
                              nicht dichten Böden versehenen bleibenden Senkgruben, dieser permanenten
                              Ansteckungsherde, welche die Pariser Baupolizei mit großer Energie mit
                              physikalischen und chemischen, aber den Werth des Düngers mehr oder weniger
                              beeinträchtigenden Mitteln bekämpft, werden an besondere, zu diesem Zwecke speciell
                              bestimmte Aufbewahrungsorte oder Niederlagen geschafft, welche, wie allerdings
                              zugestanden werden muß, in Hinsicht auf Reinlichkeit und Unschädlichkeit, namentlich
                              in Paris, wahrhaft bewundernswerth eingerichtet sind. Auch bei solchen bleibenden
                              Senkgruben wenden wir unsere Mittel an, und behandeln die Fäcalsubstanzen entweder
                              an Ort und Stelle, oder nach ihrer Wegschaffung aus den Gruben mit denselben.
                           Im ersteren Falle versetzen wir den Inhalt der Abtritte in bestimmten Zwischenräumen,
                              deren Dauer sich nach der Zeit richtet, in welcher sie sich füllen, mit einer
                              gewissen, dem Rauminhalte der Senkgrube und der zum Vollwerden derselben nöthigen
                              Zeit entsprechenden Menge des mit Wasser verdünnten sauren Doppelphosphats, wodurch
                              eine continuirliche und bleibende Desinfection erzielt wird. Dabei geht Nichts
                              verloren, und zur Vollendung der chemischen Processe, zur Zersetzung des Harnstoffes
                              und zur Bildung und Abscheidung der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia, bleibt
                              Zeit genug.
                           Wird eine auf diese Weise behandelte Senkgrube gefegt oder ausgeräumt, so gibt sie
                              einen Dünger, welcher, sobald die Operation in gehöriger Weise ausgeführt wurde, 7
                              bis 8 Proc. Stickstoff in fester Form enthält.
                           
                        
                           III. Verschiedene andere Anwendungen der
                                 sauren phosphorsauren Eisenoxyd-Magnesia. – Fabrikmäßige Darstellung der phosphorsauren
                                 Ammoniak-Magnesia.
                           Schließlich wollen wir noch einige Andeutungen über verschiedene andere Verwendungen
                              unseres Doppelphosphats, mittelst dessen wir Boussingault's Vorschläge zur fabrikmäßigen
                              Darstellung der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia zur praktischen Ausführung
                              zu bringen im Stande
                              sind, sowie über die bedeutende Zukunft geben, welche diesem Producte in der
                              Landwirthschaft offen steht.
                           1) Anwendung zur Verwerthung des Menschen- und Thierharns, des Gaswassers u.
                              dgl. m. – Der Urin, ebenso das Gaswasser wird in großen aus Holz, Blech oder
                              wasserdichtem Mauerwerk construirten Behältern aufgefangen und bei gewöhnlicher
                              Temperatur mit der 35° Baumé starken Lösung des sauren
                              Eisenoxyd-Magnesia-Phosphats versetzt. Auf 100 Liter Menschenharn
                              braucht man nur 2 bis 3 Kilogr. dieser Lösung und erhält daraus 5 bis 6 Kilogr.
                              eines feuchten (d.h. 15 bis 20 Proc. Feuchtigkeit enthaltenden) Niederschlags.
                              Gefaulter, viel Ammoniak enthaltender Urin gibt ungefähr 7 Kilogr. von diesem
                              Niederschlage. Eine gleiche Menge des letzteren erhält man mit Rinderharn und den
                              breiförmigen Excrementen des Rindviehes; überdieß ist dieser Niederschlag
                              stickstoffreicher als der aus menschlichem Urin gewonnene.
                           2) Anwendung des Verfahrens auf andere stickstoffhaltige
                                 Substanzen. – Als Stickstoffquellen bilden Harn und Gaswasser die
                              einzigen Rohstoffe, welche bei der Behandlung nach unserem Verfahren das von Boussingault so sehr gerühmte
                              Ammoniak-Magnesia-Phosphat für die Bedürfnisse der Landwirthschaft in
                              continuirlicher Weise liefern können. Indessen lassen sich auch aus anderen
                              stickstoffhaltigen pflanzlichen oder thierischen Substanzen – wenn auch auf
                              einem Umwege – ziemlich bedeutende Mengen dieses allerdings unreinen
                              Doppelsalzes gewinnen; so aus dem Wasser der Knochenleim- und
                              Gelatinesiedereien, aus den Sauerwässern der Stärkefabriken, aus dem auf die
                              organische Natur so nachtheilig wirkenden Wasser vom Rösten des Flachses, Hanfes
                              etc.; aus dem Wasser der Straßenrinnen und Abzüchte, und anderem Unrathe der Städte
                              u.s.w.
                           Werden alle diese Substanzen für sich allein, oder besser mit einander gemengt, mit
                              unserem sauren Eisenoxyd-Magnesia-Phosphate behandelt, so werden sie
                              in Folge der Fixirung ihrer ammoniakalischen Bestandtheile und der Zersetzung der in
                              ihnen vorhandenen Schwefelverbindungen desinficirt.
                           3) Anwendung des Doppelsalzes zur Conservirung des Stallmistes,
                                 des Guano's und anderer der Fäulniß unterworfener Düngstoffe. – Eine
                              fernere, nicht unwichtige Anwendung unseres Doppelphosphats ist die Fixirung der
                              flüchtigen Ammoniakverbindungen des Stallmistes, überhaupt aller leicht in Fäulniß
                              übergehender Düngstoffe, namentlich derjenigen, deren Stickstoff die Form von
                              kohlensaurem Ammoniak leicht annimmt, und deren ursprünglicher Düngwerth durch die
                              Verflüchtigung dieses Salzes sich rasch vermindert. Dahin gehören die verschiedenen
                              Arten und Sorten von Guano, die Abfälle von Fleisch, das Pulver von frischen, ihres
                              Leimgehaltes beraubten Knochen, getrocknetes oder zum Gerinnen gebrachtes Blut etc.
                              Bezüglich des Stallmistes empfehlen wir zum Benetzen oder Begießen desselben anstatt
                              reinen Wassers oder reinen Harns eine stark verdünnte Lösung des Doppelphosphats zu
                              benutzen, oder noch besser Harn (auch Excremente des Rindviehes) der vorher mit dem
                              letzteren behandelt worden. Bei „angegangenem,“ d.h. solchem
                              Miste, welcher bereits kohlensaures Ammoniak entwickelt, wird durch dieses Begießen
                              die weitere Zersetzung gehindert und es findet gleichzeitig eine Anreicherung des
                              Düngers mit Phosphorsäure statt.