| Titel: | Ueber den Transport von Schießbaumwolle auf Eisenbahnen. | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XX., S. 79 | 
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                        XX.
                        Ueber den Transport von Schießbaumwolle auf
                           								Eisenbahnen.
                        Ueber den Transport von Schießbaumwolle auf
                           								Eisenbahnen.
                        
                     
                        
                           Die in Newcastle und an anderen Orten in England beim Transporte von Nitroglycerin in
                              									Folge Vernachlässigung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln vorgekommenen
                              									Unglücksfälle haben bei den Directionen der Eisenbahnverwaltungen ein Mißtrauen
                              									gegen alle explosiven Substanzen, welche nicht Schießpulver sind, hervorgerufen.
                              									Nach Mittheilungen der Pall Mall Gazette ist dieses
                              									Mißtrauen jetzt in einem solchen Grade gestiegen, daß die Erlaubniß zum Transporte
                              										der zur Sprengarbeit bestimmten comprimirten
                                 										Schießbaumwolle auf den Eisenbahnen häufig versagt wird, obgleich die für
                              									den Transport von Schießpulver geltenden Vorschriften zum Schutze gegen mögliche
                              									Unfälle durch Schießbaumwolle mehr als hinreichend sind.
                           Zur Ermittelung der mit dem Eisenbahntransport von comprimirter Schießbaumwolle
                              									möglicherweise verbundenen Gefahren führte Wilson,
                              									Beamter der Güter-Expedition der englischen Nordostbahn, im Verein mit Prentice, dem technischen Dirigenten der Gun cotton Company, eine Reihe von Versuchen ab, über
                              									welche wir Nachstehendes mittheilen:
                           Eine kleine Kiste Schießbaumwolle, welche 125 Ladungen enthielt, deren Sprengwirkung
                              									derjenigen einer Vierteltonne Schießpulver entsprach, wurde auf einen freien Platz
                              									gebracht und mit einem Zünder versehen, worauf letzterer angezündet ward. Als das
                              									Feuer die Schießbaumwolle erreichte, entstand eine große Flamme, wie von einem
                              									brennenden  Haufen von
                              									losem Stroh, eine Explosion fand indessen nicht statt; nach Verlauf von kaum einer
                              									halben Minute brannte weiter nichts als das zum Verpacken der Schießbaumwolle
                              									verwendete braune Papier. Die Kiste bestand aus zusammengenagelten Bretern von etwa
                              									einem halben Zoll Stärke, war jedoch an den Kanten und Ecken nicht mit Eisen
                              									beschlagen, sondern eine von den gewöhnlichen Kisten, wie sie zur Versendung von
                              									Schießbaumwolle üblich sind.
                           Dann wurden mehrere Ladungen Schießbaumwolle in der Nähe von Kohlenschuppen auf die
                              									Schienen gelegt und mit Kohlenwaggons überfahren; einige dieser Ladungen entzündeten
                              									sich, andere nicht. Als mehrere Ladungen so gelegt wurden, daß eine Locomotive über
                              									sie hinwegfuhr, entzündeten sie sich sämmtlich. Prentice
                              									nahm ein Beil und zerhieb eine Ladung in mehrere Stücke; es trat weder eine
                              									Explosion ein, noch entzündete sich die Schießbaumwolle. Kleine Stückchen, auf den
                              									eisernen Reif eines Rades gelegt, explodirten oder detonirten vielmehr, als ein
                              									kräftiger Schlag mit einem Hammer darauf geführt wurde.
                           In allen Fällen wo die Entzündung durch Percussion, sowohl durch einen auf Eisen
                              									geführten Schlag mit dem Hammer, als durch die Räder der Locomotive oder der Waggons
                              									auf den Schienen hervorgerufen wurde, war deutlich wahrzunehmen, daß nur so viel von
                              									der Schießbaumwolle explodirte oder detonirte, als wirklich getroffen wurde, während
                              									der nicht getroffene Theil wie Stroh oder Flachs verglimmte.
                           Um die bei den Versuchen anwesenden Personen von der wirklichen Explodirbarkeit des
                              									hier benutzten Materiales zu überzeugen, ließ Prentice in
                              									einen großen Klotz von festem zähem Holze ein Loch bohren, besetzte dasselbe mit
                              									einer, mit Zünder versehenen Ladung von Schießbaumwolle, stampfte das Loch mit
                              									Schiefer voll und that den Schuß weg. Als derselbe explodirte, zerbarst der Klotz in
                              									Stücke, welche sämmtlich mehrere Yards weit wegflogen.
                           Wilson bemerkt, die Ergebnisse dieser Versuche haben ihn
                              									überzeugt, daß die Schießbaumwolle mit anderen Gütern in gewöhnlichen Waggons unter
                              									Beobachtung der für den Transport von Pulverpatronen vorgeschriebenen
                              									Vorsichtsmaßregeln ohne Gefahr transportirt werden könne. (Chemical News, vol. XVII
                                 										p. 195; Mai 1868).