| Titel: | Verfahren zur Bestimmung des Kohlenstoffes im Roheisen, Stabeisen und Stahl, und Analyse eines chromhaltigen Roheisens; von Boussingault. | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XXXII., S. 120 | 
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                        XXXII.
                        Verfahren zur Bestimmung des Kohlenstoffes im
                           								Roheisen, Stabeisen und Stahl, und Analyse eines chromhaltigen Roheisens; von Boussingault.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXVI p. 873; Mai
                              									1868.
                        Boussingault, Verf. Zur Bestimmung des Kohlenstoffes im Eisen und
                           								Stahl.
                        
                     
                        
                           Von dem Ingenieur Brèche zu Medellin in Antioquia
                              									(Südamerika) erhielt ich eine Probe von Roheisen, welches in einem Holzkohlenhohofen
                              									aus oxydulischen Erzen erblasen war. Es ist ein weißes, kleinblätteriges Roheisen
                              									vom spec. Gewichte 7,45 und wird zum Gusse von Stempeln zum Pochen des in den
                              									Syeniten und Grünsteinporphyren der Provinz Antioquia so häufig vorkommenden
                              									goldführenden Quarzes angewendet, zu welchem Zwecke es in Folge seiner bedeutenden
                              									Härte, welche derjenigen der stark manganhaltigen Roheisensorten gleichkommt,
                              									vorzüglich geeignet ist. Dieser bedeutende Härtegrad wurde einem Gehalte an Nickel zugeschrieben und beim Auflösen des Roheisens von
                              									Medellin erhält man auch wirklich eine schön grün gefärbte Lösung; ich erkannte
                              									jedoch bald, daß diese Färbung nicht von Nickel, sondern von Chrom herrührt.
                           Die Analyse ergab folgende Zusammensetzung des in Rede stehenden Roheisens:
                           
                              
                                 Chemisch gebundener Kohlenstoff
                                 4,40
                                 
                              
                                 Graphit
                                 0,00
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,75
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,07
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 Spuren
                                 
                              
                                 Arsen
                                 0,00
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 0,01
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,84
                                 
                              
                                 Chrom
                                 1,95
                                 
                              
                                 Vanadium
                                 Spuren
                                 
                              
                                 Eisen
                                 92,50
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,52.
                                 
                              
                           Der Stickstoffgehalt wurde nach einer vor mehreren Jahren
                              									von mir beschriebenen MethodePolytechn. Journal Bd. CLXI S. 362 bestimmt.
                           
                           
                              
                                 3 Grm. Roheisen gaben an Stickstoff
                                 0,00036 Grm.
                                 
                              
                                 6 Grm. Roheisen gaben an Stickstoff
                                 0,00070 Grm.
                                 
                              
                           Da die Bestimmung des Kohlenstoffes bisher mit großen
                              									Schwierigkeiten verbunden war, so wurde ich veranlaßt mich mit diesem Gegenstande
                              									eingehender zu beschäftigen. Nach verschiedenen Versuchen entschied ich mich für ein
                              									Verfahren, welches auf der Umwandlung des Eisens in Chlorür beruht, eine Operation,
                              									die indessen so ausgeführt werden muß, daß keine Spur eines Gases sich entwickelt,
                              									welches einen Theil des Kohlenstoffes mitreißen oder verbrennen könnte. Ich benutze
                              									dazu das Quecksilberchlorid. Anfangs wendete ich den
                              									trockenen, später aber, und zwar mit günstigerem Erfolge, den nassen Weg an.
                           Das pulverisirte Roheisen wird mit der fünfzehnfachen Gewichtsmenge
                              									Quecksilberchlorid gemengt und dieses Gemenge wird dann rasch mit soviel Wasser
                              									versetzt, daß ein dünner Brei entsteht, den man eine halbe Stunde lang im
                              									Achatmörser zusammenreibt.Braucht man die Beimengung einer geringen Menge Kieselsäure nicht zu
                                    											fürchten, so kann man dieses Reiben auch in einem Glasmörser
                                    										vornehmen Der Brei wird mit Wasser verdünnt, in ein Becherglas aus
                              									böhmischem Glase gegossen und eine Stunde lang bei einer Temperatur von 80 bis
                              									100° C. digerirt; dann bringt man das Ganze auf ein Filter und wäscht es mit
                              									heißem Wasser aus. Das nun entstandene, im Luftbade vollständig ausgetrocknete
                              									Quecksilberchlorür wird in ein Platinschiffchen gebracht und in ein Glasrohr
                              									eingeschoben, durch welches man einen Strom von trockenem
                                 										Wasserstoffgas hindurchleitet. In diesem Gasstrome erhitzt man nun das
                              									Schiffchen nach und nach bis zum Rothglühen; das entstandene Quecksilberchlorür
                              									verflüchtigt sich, ohne eine Zersetzung zu erleiden; wenigstens reducirt sich nur
                              									eine sehr geringe Quecksilbermenge.
                           Man könnte die Verflüchtigung des Quecksilberchlorürs auch ebenso gut in Stickstoffgas ausführen; allein es ist, abgesehen von der
                              									Schwierigkeit, einen constanten Strom dieses Gases zu unterhalten, dabei auch stets
                              									die Gegenwart von Sauerstoff zu fürchten. In dieser Hinsicht ist das Wasserstoffgas
                              									zuverlässiger, namentlich bei Anwendung einer Einrichtung, welche aus dem
                              									Laboratorium der Normalschule in das des Conservatoriums der Künste und Gewerbe
                              									übergegangen ist und darin besteht, das getrocknete Wasserstoffgas durch eine
                              									Colonne von Platinschwamm treten zu lassen, bevor es in das Rohr mit dem Schiffchen
                              									gelangt. Der Platinschwamm hält das vorhandene Arsen und den im Gase etwa
                              									enthaltenen Sauerstoff vollständig zurück.
                           
                           Mit der vorschreitenden Verflüchtigung des Quecksilberchlorürs tritt der Kohlenstoff
                              									immer deutlicher hervor. Man läßt das Schiffchen in der Wasserstoffatmosphäre
                              									erkalten und wägt dann mit den üblichen Vorsichtsmaßregeln. Die zurückgebliebene,
                              									schön schwarz gefärbte Kohle ist sehr voluminös; sie entzündet sich und verbrennt
                              									wie Zündschwamm, wenn man das Schiffchen nur einigermaßen erhitzt. Im Allgemeinen
                              									verhält sich die aus weißem Roheisen, aus Stabeisen und Stahl erhaltene Kohle in
                              									dieser Weise, während der von grauem Roheisen herrührende Graphit nur unter
                              									Vermittelung von reinem Sauerstoff verbrennt.
                           Die Kohle hinterläßt nach ihrem Verbrennen einen Rückstand, eine Asche. Bevorman
                              									diesen Rückstand wägt, erhitzt man ihn in einem Wasserstoffstrome zum
                              									Rothglühen.
                           
                              
                                 1
                                 Grm. weißes großblätteriges Roheisen
                                    											(Spiegelflossen) von Ria (Dept. Ost-Pyrenäen) gab Kohlenstoff
                                 0,042
                                 Grm.
                                 
                              
                                 Nach der Verbrennung hinterblieb ein krystallinischer Rückstand
                                    											vom Ansehen der Kieselsäure. Das Gewicht desselben betrug nach dem Ausglühen
                                    											in Wasserstoff
                                 0,005
                                 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Demnach betrug die Menge des gebundenen Kohlenstoffes
                                 0,037
                                 Grm.3 Grm. desselben Roheisens gaben 0,108 Grm.
                                          											Kohlenstoff
                                 
                              
                                 1
                                 Grm. Stabeisen, aus dem Cementirofen genommen,
                                    											gab Kohlenstoff
                                 0,0090
                                 Grm.
                                 
                              
                                 Der graue kieselsäurehaltige Verbrennungsrückstand wog
                                 0,0015
                                 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Menge des Kohlenstoffes
                                 0,0075
                                 Grm
                                 
                              
                           Die aus Roheisen, aus Stahl und selbst aus den besten Sorten Stabeisen erhaltene
                              									Kohle läßt nach dem Verbrennen stets eine geringe Aschenmenge zurück. Die
                              									Kieselsäure dieser Asche — sofern dieselbe von Kohle herrührt, die aus
                              									Stahl- und Stabeisen erhalten worden, also aus Substanzen, in denen sich ein
                              									Schlackengehalt nicht annehmen läßt (?) — rührt von Siliciumeisen her,
                              									repräsentirt aber nicht die ganze vorhandene Menge des letzteren, indem das mit dem
                              									Eisen verbundene Silicium, obschon es zunächst durch das Quecksilberchlorid in
                              									Chlorsilicium umgewandelt worden war, durch Einwirkung des Wassers zu Kieselsäure
                              									oxydirt wird, von welcher der lösliche Antheil mit dem Waschwasser weggeführt wird,
                              									der unlösliche Antheil bei dem Quecksilberchlorür zurückbleibt. Dieser unlösliche
                              									Antheil von Kieselsäure ist es nun, welchen man im Verbrennungsrückstande der bei
                              									der Analyse erhaltenen Kohle findet. Zu dieser Erklärung führte mich das Resultat
                              									des folgenden Versuches.
                           Major Caron stellte ein durch directe Vereinigung des
                              									Metalles  mit dem
                              									Metalloid bereitetes Siliciumeisen zu meiner Verfügung.
                              									Die in meinem Laboratorium ausgeführte Analyse dieser silberweißen, sehr harten
                              									Verbindung ergab folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Eisen
                                 90,66
                                 
                              
                                 Silicium
                                 9,34
                                 
                              
                                 Kohle
                                 Spuren
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           1 Grm. dieses feingepulverten Siliciumeisens wurde mit 15 Grm. Quecksilberchlorid
                              									zusammengerieben.
                           
                              
                                 Das auf die oben angegebene Weise vom entstandenen Eisenchlorür getrennte
                                    											Quecksilberchlorür hinterließ beim Glühen in Wasserstoffgas im
                                    											Platinschiffchen ein graues Pulver; die Menge desselben betrug
                                 0,144 Grm.
                                 
                              
                                 Nach der Verbrennung der Kohle und der Reduction des Rückstandes in
                                    											Wasserstoff blieb sehr fein zertheilte, schneeweiße Kieselsäure zurück; die
                                    											Menge derselben betrug
                                 0,141 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 Demnach betrug die Menge des verbrannten Kohlenstoffes
                                 0,003 Grm.
                                 
                              
                           Dieser Kohlenstoff gehörte offenbar dem Eisen an.
                           Die Kieselsäure rührte vom Silicium her; jedoch hätte man, der Zusammensetzung des
                              									Siliciumeisens entsprechend, 0,20 Grm. von derselben erhalten müssen; folglich waren
                              									0,06 Grm. im Aussüßwasser gelöst worden.Während das mit Eisen verbundene Silicium in der
                                    											Kälte durch das Chlor des Quecksilberchlorids angegriffen wird, verhält es
                                    											sich mit krystallisirtem Silicium anders. Reibt
                                    											man letzteres mit Quecksilberchlorid unter Zusatz von Wasser zn einem
                                    											flüssigen Brei zusammen, so läßt sich eine Reaction nicht wahrnehmen; damit
                                    											solches Silicium angegriffen wird, ist die Anwendung einer höheren
                                    											Temperatur erforderlich.0,5 Grm. krystallisirtes Silicium wurden mit Quecksilberchlorid
                                    											zusammengemengt und in einem Platinschiffchen in ein zum Rothglühen
                                    											erhitztes Glasrohr gebracht; dann wurde dampfförmiges Quecksilberchlorid in
                                    											das Rohr geleitet. Nach einiger Zeit hatte sich alles Silicium in Form von
                                    											Chlorsilicium verflüchtigt und im Schiffchen war nur eine Spur von
                                    											Kieselsäure zurückgeblieben. Das zu diesem Versuche verwendete
                                    											krystallisirte Silicium war sehr rein Diese Thatsache steht
                              									keineswegs vereinzelt da; denn in der Asche von der Verbrennung der aus
                              									phosphorhaltigem Roheisen erhaltenen Kohle findet man auch nicht den ganzen
                              									Phosphorgehalt wieder, ebenso wenig wie sich in der Asche der beim Auflösen von
                              									Wolframstahl erhaltenen Kohle die ganze dem Wolframgehalte entsprechende Menge von
                              									Wolframsäure nachweisen läßt.
                           Die mit Quecksilberchlorid zu behandelnden metallischen Substanzen müssen in feines
                              									Pulver verwandelt werden. Bei weißem Roheisen hat dieß keine Schwierigkeit; bei
                              									grauem Roheisen und bei Stahl dagegen, vorzüglich aber bei Stabeisen, muß man zur
                              									Säge, zur Feile greifen,  was offenbar ein Uebelstand ist. Einer unserer gewandtesten Analytiker, Hr. Damour, welcher mit
                              									lebhaftem Interesse die hier mitgetheilten Untersuchungen verfolgte, hielt es für
                              									möglich das Eisen in Chlorür zu verwandeln, ohne es vorher zu zerkleinern. Zu diesem
                              									Behufe stellte er einen kleinen, 1,06 Grm. wiegenden Stahlcylinder in eine aus
                              									Platindraht angefertigte Spirale, und hing dann dieselbe in ein Glas, welches mit
                              									Quecksilberchlorid versetztes Wasser enthielt. Das Ganze stellte er in einen
                              									Trockenschrank. Zwei Tage darauf war der Stahlcylinder verschwunden. Das entstandene
                              									Quecksilberchlorür wurde auf einem Filter gesammelt, ausgewaschen, getrocknet, und
                              									auf dem Platinschiffchen in den Apparat gebracht.
                           
                              
                                 In dem Schiffchen blieb zurück: Kohle
                                 0,012 Grm.
                                 
                              
                                 dieselbe hinterließ nach dem Verbrennen einen Rückstand v.
                                    											Kieselsäure
                                 0,003 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 Folglich betrug die Menge des Kohlenstoffes
                                 0,009 Grm.
                                 
                              
                           Jedenfalls braucht man die mechanische Zertheilung des Eisens nicht zu weit zu
                              									treiben, wie die nachstehende Beobachtung zeigt. Major Caron übersendete mir weichen Stahl von einem Gewehrlaufe, um den
                              									Kohlenstoffgehalt desselben zu bestimmen. Der Stahl wurde auf der Drehbank in Späne
                              									verwandelt; 1 Grm. derselben wurde im Achatmörser mit 15 Grm. Quecksilberchlorid und
                              									der nöthigen Menge Wasser zusammengerieben; schon nach Verlauf einer halben Stunde
                              									war das Metall vollständig in Chlorür verwandelt.
                           
                              
                                 Das Quecksilberchlorür hinterließ, im Wasserstoffapparate der
                                    											Verflüchtigung unterworfen: Kohle
                                 0,0055 Grm.
                                 
                              
                                 und diese hinterließ nach der Verbrennung: Kieselsäure
                                 0,0010 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 Demnach betrug der Kohlenstoffgehalt des untersuchten Stahles
                                 0,0045 Grm.
                                 
                              
                           Dieß ist, wie man sieht, eine sehr kohlenstoffarme Stahlsorte, welche von manchem
                              									Stabeisen kaum verschieden ist. In dieser Weise habe ich mehrmals in schwedischem
                              									Stabeisen erster Qualität zwei Tausendtel Kohlenstoff gefunden.
                           Das Verfahren, dessen Princip ich im Vorstehenden mitgetheilt habe, wird im
                              									Conservatorium seit vier Monaten zur Bestimmung des gebundenen oder eingemengten
                              									Kohlenstoffes im Stahl und Roheisen angewendet. Die in meiner ausführlichen
                              									Abhandlung über diesen Gegenstand mitgetheilten Resultate gestatten das Vorschreiten
                              									des Stahlungsprocesses in den Cementiröfen schrittweise zu verfolgen, und man
                              									ersieht daraus die successiven Veränderungen, welche der Blasenstahl sowohl beim
                              									Gerben, als beim Umschmelzen im Tiegel, sowie der erhaltene Gußstahl beim Ausrecken
                              									und Härten erleidet.