| Titel: | Kleine Beiträge zum chemischen Theil der Zuckerfabrication; von E. F. Anthon, Fabriken-Inspector in Prag. | 
| Autor: | E. F. Anthon | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. XXXVI., S. 136 | 
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                        XXXVI.
                        Kleine Beiträge zum chemischen Theil der
                           								Zuckerfabrication; von E. F.
                              									Anthon, Fabriken-Inspector in
                           								Prag.
                        (Fortsetzung von S. 78 des vorhergehenden
                           								Heftes.)
                        Anthon, Beiträge zum chemischen Theil der
                           								Zuckerfabrication.
                        
                     
                        
                           III. Schnelle annähernde Werthsabschätzung der flüssigen Zuckerproducte der
                                 										Rübenzuckerfabriken nach ihrer Dichte.
                           Reine, bei 17½° C. völlig gesättigte Zuckerlösung hat ein spec. Gewicht
                              									von 1,3300, gewöhnlich auskrystallisirte Rückenzuckermelasse dagegen eine Dichte von
                              										circa 1,40–1,41, Zahlen, welche weit von
                              									einander liegen, und deren Zwischenglieder, wie leicht einzusehen, dem verschiedenen
                              									Reinheitszustand der zwischen Raffinade, Klärsel und Melasse stehenden
                              									Zuckerlösungen entsprechen und somit einen Maaßstab für diesen abzugeben vermögen.
                              									Diese Thatsache wurde bereits im J. 1830 von Dubrunfaut
                              									und Pascal de Bourgoin (s Agriculteur-Manufacturier, 1830, Juni S. 178 und December S. 187;
                              									polytechn. Journal Bd. XXXVIII S. 445 und Bd. XL S. 236) in der im Titel dieser Notiz
                              									bezeichneten Richtung benutzt und eine Tabelle darnach entworfen, aus welcher der
                              									Werth (Reinheitszustand) der Syrupe etc. nach deren Dichte zu entnehmen ist.
                           Bei Abfassung dieser Tabelle wurde jedoch irrthümlicherweise von der Annahme
                              									ausgegangen, daß die fremden Stoffe im Syrup nur in Schleim (resp. nur aus
                              									organischen Stoffen) bestehen. Da dieß jedoch in der Wirklichkeit nicht der Fall
                              									ist, sondern neben den organischen auch mineralische Stoffe vorhanden sind und diese
                              									in Folge ihres größeren spec. Gewichtes, bei ihrem Uebergange in Lösungen, bei
                              									gleicher Menge, die spec. Dichte dieser auch in größerem Verhältniß steigern als
                              									organische Stoffe, so sind die in jener Tabelle gebotenen Zahlen auch unrichtig  und zwar die für Zucker
                              									zu niedrig, jene für „Schleim“ dagegen zu hoch angesetzt.
                           Dieser Umstand mag denn auch der Grund gewesen seyn, daß man dieser Tabelle keine
                              									weitere Beachtung schenkte und dieselbe in Vergessenheit gerieth. Auf ihre Existenz
                              									wurde ich erst zufällig aufmerksam, nachdem ich schon lange zu gleichem Zwecke eine
                              									ähnliche Tabelle ausgearbeitet und mich derselben unzähligemal zu meiner
                              									Zufriedenheit bedient hatte, indem ich bei Abfassung derselben den thatsächlichen
                              									Verhältnissen Rechnung getragen zu haben und zu so weit richtigen Zahlen gelangt zu
                              									seyn glaube, daß meine Tabelle für den Zuckerfabrikanten praktischen Werth hat,
                              									indem sie ihn in den Stand setzt, den Werth einer jeden kalt gesättigten
                              									Zuckerlösung, wie sie in der Zuckerfabrication als Abläufe, Syrupe und Melassen
                              									vorkommen, zwar nur annähernd — für die meisten Fälle aber sicher hinlänglich
                              									genau — und vor Allem sehr leicht und sehr schnell zu bestimmen, welchen
                              									letzteren Vortheil ich ganz besonders betone, indem wohl kaum in einem anderen
                              									Industriezweige der Werth der Zeit so gewichtig in die Waagschale fällt als eben bei
                              									der Zuckerfabrication.
                           Mit Zuhülfenahme nachfolgender Tabelle ist man im Stande binnen einiger wenigen
                              									Minuten durch bloße Ermittelung des spec. Gewichtes (also auch ohne Polarisation,
                              									ohne Austrocknen und Einäschern) die Zusammensetzung der genannten flüssigen
                              									Zuckerproducte — wenigstens annähernd richtig — zu bestimmen. Ueber
                              									den Gebrauch dieser Tabelle ist nichts zu bemerken, da dieser sich von selbst ergibt
                              									und nur über die Erleichterung der Bestimmung des spec. Gewichtes sey noch Folgendes
                              									bemerkt. Die Anwendung eines Aräometers ist zur richtigen Dichtebestimmung dicker
                              									und zäher Zuckerlösungen wie bekannt nicht zulässig und zur unmittelbaren Bestimmung
                              									auch das gewöhnliche Pyknometer nicht geeignet, weil dasselbe wegen zu kleiner
                              									Oeffnung nicht mit dicken Syrupen und Melassen gefüllt werden kann, sondern diese
                              									erst verdünnt werden müssen, was aber viel Zeit und wiederholte Wiegungen und
                              									Rechnungen verlangt, wobei leicht Irrungen mit unterlaufen. Ich bediene mich daher
                              									zur möglichst raschen und doch genügend genauen Bestimmung des spec. Gewichtes eines
                              									gleichförmig conischen Fläschchens von circa 3 Zoll
                              									Höhe, 10 Linien unterem und 4 Linien oberem Durchmesser, mit glatt geschliffenem
                              									Rande (ohne Stopfen oder Deckplatte). Dieses Fläschchen gestattet bei seiner
                              									3½ Linien im Durchmesser weiten Oeffnung ein Füllen und Entleeren mit
                              									unverdünnter Melasse und ein leichtes und völlig gleichförmiges Füllen, wenn man
                              									dasselbe gegen ein Fenster hält und so lange von der zu prüfenden Flüssigkeit
                              									zusetzt oder bei etwaiger  Ueberfüllung wieder abnimmt, bis die Oberfläche eine ebene ist und in gleichem
                              									Niveau mit dem Rand des Fläschchens liegt, wobei man sich zuletzt, um selbst die
                              									geringsten Mengen zugeben oder abnehmen zu können, eines dünnen zugespitzten
                              									Glasstabes bedient.
                           
                              
                                 Wenn die Dichte einer bei 14° R.
                                    											gesättigten Zuckerlösung folgende ist,
                                 so enthält dieselbe auf 100 Zucker folgende Mengen
                                    											Nichtzucker
                                 und hat folgende procentische
                                    											Zusammensetzung:
                                 und somit folgenden Zucker-Quotienten.
                                 
                              
                                 
                                 Zucker,
                                 Nichtzucker,
                                 Wasser,
                                 
                                 
                              
                                 1,3300 = 66,6
                                 Proc. Sacch.
                                   0
                                 66,66
                                  0
                                 33,34
                                 100,0
                                 
                              
                                 1,3322 = 67
                                 Proc. Sacch.
                                   4,1
                                 64,85
                                  2,66
                                 32,49
                                 95,1
                                 
                              
                                 1,3384 = 68
                                 Proc. Sacch.
                                   8,3
                                 63,70
                                  5,29
                                 31,01
                                 92,3
                                 
                              
                                 1,3446 = 69
                                 Proc. Sacch.
                                 12,4
                                 62,56
                                  7,76
                                 29,68
                                 88,9
                                 
                              
                                 1,3509 = 70
                                 Proc. Sacch.
                                 16,5
                                 61,42
                                 10,13
                                 28,45
                                 85,8
                                 
                              
                                 1,3572 = 71
                                 Proc. Sacch.
                                 20,7
                                 60,28
                                 12,48
                                 27,24
                                 82,8
                                 
                              
                                 1,3636 = 72
                                 Proc. Sacch.
                                 24,8
                                 59,14
                                 14,67
                                 26,19
                                 80,1
                                 
                              
                                 1,3700 = 73
                                 Proc. Sacch.
                                 29,0
                                 58,00
                                 16,82
                                 25,18
                                 77,5
                                 
                              
                                 1,3764 = 74
                                 Proc. Sacch.
                                 33,2,
                                 56,85
                                 18,87
                                 24,28
                                 75,0
                                 
                              
                                 1,3829 = 75
                                 Proc. Sacch.
                                 37,3
                                 55,70
                                 20,77
                                 25,53
                                 72,9
                                 
                              
                                 1,3894 = 76
                                 Proc. Sacch.
                                 41,4
                                 54,56
                                 22,59
                                 22,85
                                 70,7
                                 
                              
                                 1,3959 = 77
                                 Proc. Sacch.
                                 45,6
                                 53,42
                                 24,36
                                 22,22
                                 68,6
                                 
                              
                                 1,4025 = 78
                                 Proc. Sacch.
                                 49,7
                                 52,28
                                 25,98
                                 21,74
                                 66,7
                                 
                              
                                 1,4092 = 79
                                 Proc. Sacch.
                                 53,9
                                 51,14
                                 27,56
                                 21,30
                                 65,0
                                 
                              
                                 1,4059 = 80
                                 Proc. Sacch.
                                 58,0
                                 50,00
                                 29,00
                                 21,00
                                 63,3.
                                 
                              
                           
                        
                           IV. Ist die
                                 										Knochenkohle-Filtration in der Rübenzuckerfabrication wirklich
                                 										unentbehrlich?
                           Wer unbefangenen Blickes in den heutigen Zuckerfabriken einerseits den kolossalen
                              									Apparat zur Kohlenfiltration, und andererseits die Anstalten zur Wiederbelebung der
                              									Knochenkohle, welche geradezu eine zweite Fabrik bilden, einer näheren Betrachtung
                              									würdigt, dem muß sich unwillkürlich die Frage aufdrängen, ob man denn nicht etwa
                              									jetzt einen Weg verfolge, auf welchem die erzielten Vortheile mit den gebrachten
                              									Opfern in keinem passenden Verhältniß stehen, ein Bedenken, welches wohl mehr als
                              									genügend begründet erscheint, wenn man berücksichtigt: 1) daß die
                              									Absorptionsfähigkeit der Knochenkohle gegen organische Stoffe, bei Gegenwart freier
                              									Alkalien, wie bekannt, eine sehr geringe ist und auch ihr Absorptionsvermögen gegen
                              									Kalk, worauf gegenwärtig ein Hauptgewicht gelegt wird, sich nur auf wenige Procente
                              									vom Gewicht der Kohle beschränkt, die wirkliche Absorption (feste, durch Waschen mit
                              									Wasser nicht aufhebbare Bindung) der Salze aber überhaupt sogar völlig zweifelhaft
                              									erscheint; 2) daß der Zuckerverlust, welchen die wiederholte Filtration als
                              									Dünn- und Dicksaft unvermeidlich mit sich bringt, besonders in dem Falle
                              									keineswegs unbedeutend ist, wo man das Absüßen der Filter (aus Besorgniß  wieder zu viel Salz mit
                              									aufzulösen) nicht sehr weit treibt; 3) daß schlechte Kohle und zweckwidrige
                              									Behandlung derselben große Nachtheile herbeiführen können; 4) daß der ganze Proceß
                              									der Wiederbelebung ein lästiger und ungesunder ist, und endlich daß es für
                              									denjenigen, der sich gerne von dem was er thut Rechenschaft ablegt, moralisch
                              									deprimirend seyn muß, Hülfsmittel anwenden zu müssen, über deren Wirkungsweise er
                              									nicht immer vollkommen im Reinen ist.
                           Diese Bedenken, durch welche ich vor der Hand nur anregend auf Verminderung der
                              									Productionskosten hinwirken möchte, da dem so wichtigen Industriezweig der
                              									Rübenzuckerfabrication eine baldige und für ungünstig gelegene Fabriken gefährliche
                              									Ueberproduction bevorsteht, will ich durch einige Zahlen weiter begründen.
                           In der Zeitschrift des Vereines für die Rübenzucker-Industrie, Jahrgang 1864,
                              									S. 188 ist nachgewiesen, in welchem Verhältniß sich der Rübensaft beim Läutern (nach
                              										Possoz und Perier) und
                              									durch die darauf folgende Dünnsaftfiltration verbesserte. Darnach enthielten auf 100
                              									Theile Zucker, an Nichtzucker
                           
                              
                                 a) der zum Läutern gelangte Rohsaft
                                 40,64 Theile
                                 
                              
                                 b) derselbe Saft nach der Scheidung
                                 27,38 Theile
                                 
                              
                                 c) derselbe Saft nach der ersten Carbonatation
                                 17,78 Theile
                                 
                              
                                 d) derselbe Saft nach der zweiten Carbonatation
                                 13,23 Theile
                                 
                              
                                 e) derselbe Saft nach der Filtration
                                 11,48 Theile
                                 
                              
                           woraus sich ergibt, daß durch die bloße Läuterung
                              									(einschließlich der Carbonatation) von den vorhandenen fremden Stoffen 67,4 Proc.,
                              									durch die nachfolgende Filtration des Dünnsaftes über Knochenkohle aber nur weitere
                              									4,3 Proc. beseitigt worden sind. (Der Effect einer noch nachfolgenden
                              									Dicksaftfiltration — falls die Untersuchung auf eine solche ausgedehnt worden
                              									wäre — würde jedenfalls ein noch geringerer gewesen seyn und kann somit hier
                              									außer Betracht bleiben.)
                           Wenn nun durch bloße Läuterung (und Carbonatation) fast die 16fache Menge fremder
                              									Stoffe beseitigt werden kann, als wie durch die nachfolgende Dünnsaftfiltration, so
                              									ist damit dargethan in wie hohem Grade die Wirkung der Kohle gegen die Wirkung des
                              									Läuterns in den Hintergrund tritt.
                           Die nach obiger Mittheilung mögliche Beseitigung von 67,4 wenn auch bloß scheinbarer
                              									und durch die bloße Differenz bestimmter Proc. fremder Stoffe aus dem Rübensafte,
                              									resp. die Verminderung derselben von 40,64 Proc. auf 13,23 Proc. gegen 100 Zucker
                              									ist an und für sich schon eine solche Verbesserung, daß das Resultat derselben eine
                              									Füllmasse mit einem Zuckerquotienten von 88,3 ist, eine Beschaffenheit, wie  sie von manchem
                              									Product, trotz wiederholter Anwendung der Knochenkohle, nicht übertroffen wird.
                           Beruhen die oben citirten Mittheilungen, wie nicht zu bezweifeln ist, auf Wahrheit,
                              									so ist damit auch dargethan, daß die oben aufgestellte Frage dahin zu beantworten
                              									ist, daß allerdings Gründe vorhanden sind, welche die Annahme rechtfertigen, daß die
                              									Anwendung der Knochenkohle-Filtration entbehrlich seyn dürfte, besonders wenn
                              									es glücken sollte, den Läuterungsproceß noch weiter zu vervollkommnen. Wohl fühle
                              									ich, daß die Aufstellung dieses Satzes von Vielen kühn und gewagt genannt werden
                              									wird, ich bezweifle aber dessenungeachtet nicht, daß die Richtigkeit desselben sich
                              									in der Zukunft bewahrheiten wird.
                           
                        
                           V. UebermelassebildendeStoffeunddieZuckermenge, welchedurchdieselbenungewinnbargemachtwird.
                           Nicht allein über die Melassebildung an und für sich, sondern auch über die Größe des
                              									Zuckerverlustes, welchen die Melassebildner bedingen, sind die Ansichten der
                              									Chemiker noch sehr verschieden. So sind manche, in Bezug auf die erstere, der
                              									Ansicht, daß zur Melassebildung nur jene Stoffe Veranlassung geben, welche sich mit
                              									Zucker zu nicht krystallisirbaren Verbindungen vereinigen. Andere legen das
                              									Hauptgewicht im Allgemeinen auf die organischen, und endlich die meisten auf die
                              									mineralischen Stoffe (auf die Salze), welche von Manchen ausschließlich als die
                              									Melassebildner des Rübensaftes angesprochen werden.
                           Ebenso differiren die Meinungen über die Größe des Zuckerverlustes, welchen die
                              									melassebildenden Stoffe veranlassen. So schwanken die Angaben zwischen einem
                              									Zuckerverlust von 1 bis 10 Theilen für jeden vorhandenen Theil Melassebildner. Ja Hochstetter sagt sogar (Erdmann's Journal für praktische Chemie, 1843, Bd. II S. 29; polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 210), daß 2 Theile Kochsalz oder
                              									Chlorcalcium 100 Theile Zuckerlösung unkrystallisirbar machen, wornach also 1 Theil
                              									dieser Salze die 33fache Menge Zucker in Melasse überführen müßte.
                           In neuester Zeit, wo man anfieng die Salze als die eigentlichen Melassebildner
                              									anzusehen, wird einfach angenommen, daß 1 Theil Salze 5 Theile Zucker ungewinnbar
                              									mache und es begnügen sich dabei Viele einfach mit der Aschenbestimmung, ohne auf
                              									die Menge der vorhandenen organischen Stoffe Rücksicht zu nehmen.
                           Diese so sehr von einander abweichenden Ansichten beruhen zwar keineswegs auf ganz
                              									willkürlichen Annahmen, ebensowenig aber auf richtigen Grundlagen, indem man sich in
                              									den meisten Fällen nicht klar machte, was man vom Standpunkte der Zuckerindustrie zu
                              									den melassebildenden 
                              									Stoffen zu rechnen habe. Einige Beispiele werden dieß darthun. Der Eine fand z. B.
                              									bei einer Analyse 16,4 Salze neben 52,39 Zucker, ein Anderer 10,13 der ersteren
                              									neben 51,0 des letzteren, und ein Dritter bei der Untersuchung einer
                              									Colonialzuckermelasse neben 2,71 Salzen 34,58 Zucker. Wird nun nach der jetzt
                              									beliebten Weise der Zuckerverlust nach den gefundenen Salzmengen berechnet, so
                              									stellt sich heraus, daß im ersten Falle 1 Theil Salze 3,2, im zweiten Falle 5,0 und
                              									im dritten sogar 12,7 Theile Zucker in die Melasse übergeführt hatte. Allerdings
                              									stimmt nun der zweite Fall mit der Annahme überein, daß 1 Theil Salze die fünffache
                              									Menge Zucker raube und wenn ich auch gerne zugebe, daß dieses Verhältniß das
                              									gewöhnlichere ist, indem es der Zusammensetzung einer normalen Rübenmelasse (im
                              									Durchschnitt 50 Zucker, 20 organische Stoffe, 10 Salze und 20 Wasser) entspricht, so
                              									glaube ich dessenungeachtet, daß die Verallgemeinerung der Annahme, daß 1 Theil
                              									Salze 5 Theile Zucker in die Melasse überführe, nicht zulässig erscheint, und zwar
                              									weil:
                           a) dieselbe für viele Fälle
                              									entschieden unrichtig ist;
                           b) die im Rübensafte vorkommenden
                              									Salze in sehr verschiedenem Grade den Zucker in die Melasse überzuführen
                              									vermögen;
                           c) diese Annahme den Laien auf ganz
                              									falsche Vorstellungen leitet und so die zu einer rationellen Thätigkeit nothwendige
                              									klare Einsicht erschwert, und
                           d) es endlich vorzugsweise die
                              									organischen Stoffe sind, welche der Melasse ihre charakteristischen Eigenschaften
                              									ertheilen, auch sogar eine Melassebildung recht gut mit gänzlichem Ausschluß von
                              									Salzen denkbar ist, indem z. B. eine reine Zuckerlösung, welche man durch bloße
                              									Hitze so weit verändert hat, daß sie braun und unkrystallisirbar geworden ist, gewiß
                              									mit Recht als Melasse betrachtet werden darf.
                           Um jedoch das Gesagte weiter zu begründen, will ich die Resultate einiger absichtlich
                              									in dieser Beziehung angestellten Versuche kurz mittheilen.
                           Der Rohrzucker löst sich bekanntlich bei gewöhnlicher Temperatur (14° R.)
                              									gerade in seinem halben Gewichte Wasser auf, welche Löslichkeit durch die Gegenwart
                              									von Chlorcalcium nicht beeinflußt wird, so daß sich z. B. 60 Theile Zucker auch noch
                              									in 30 Theilen Wasser auflösen, wenn man außerdem 12 Theile wasserfreies Chlorcalcium
                              									zusetzt.
                           Steigert man aber die Zuckermenge (z. B. auf 80) bei dem angegegebenen Verhältniß von
                              									Wasser und Chlorcalcium, so wird selbst nach jahrelanger Berührung der dem Wasser
                              									gegenüber in Ueberschuß vorhandene Zucker noch unaufgelöst zu Boden liegen. Wird
                              									jedoch durch  mäßige
                              									Erwärmung einer solchen Mischung (80 Zucker, 30 Wasser und 12 Chlorcalcium), und
                              									zwar zur Vermeidung von Verdampfung in einer zugeschmolzenen Glasröhre, die ganze
                              									Zuckermenge aufgelöst und dann ruhig stehen gelassen, so krystallisirt der
                              									Zuckerüberschuß allmählich wieder und zwar im reinen Zustande aus.
                           Aehnlich dem Chlorcalcium, aber im grellsten Widerspruch mit der oben citirten Angabe
                              										Hochstetter's, wirkt auch das Chlornatrium, indem
                              									eine warm bereitete Lösung von 80 Zucker, 30 Wasser und 10 bis 11 Chlornatrium (in
                              									zugeschmolzener Glasröhre) bei längerem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur reinen
                              									Zucker in Krystallen ausscheidet. (Eine Thatsache, welche, nebenbei bemerkt, den
                              									Zweifel mancher Chemiker an der Existenz des Chlornatrium-Saccharates
                              									einigermaßen gerechtfertigt erscheinen läßt, obgleich es schwer denkbar ist, daß
                              									Forscher wie Peligot, Gerhardt u. A. sich so arg
                              									getäuscht haben sollten.)
                           Auch der Kalisalpeter zeigt ein ähnliches Verhalten, wenn in dessen bei gewöhnlicher
                              									Temperatur gesättigter Lösung reiner Zucker mittelst mäßiger Wärme in Ueberschuß
                              									gelöst wird. Der in größerem Verhältniß als wie 2 zu 1 in Wasser aufgelöste Zucker
                              									krystallisirt auch hier in der Ruhe und bei gewöhnlicher Temperatur wieder aus,
                              									während umgekehrt leicht und schnell Salpeter auskrystallisirt, wenn die
                              									Mengenverhältnisse so genommen werden, daß das Wasser wohl den Zucker, nicht aber
                              									die verwendete Salpetermenge bei gewöhnlicher Temperatur in Auflösung erhalten kann,
                              									ein Fall, der schon eintritt, wenn man z. B. 60 Theile Zucker und 12 Theile Salpeter
                              									in 30 Wasser bei gelinder Wärme auflöst und dann erkalten läßt, weil 30 Theile
                              									Wasser bei gewöhnlicher Temperatur wohl 60 Theile Zucker, aber nicht 12 Theile
                              									Kalisalpeter in Auflösung zu erhalten vermögen; so setzte auch in der That ein
                              									ungarischer Rohzucker mit dem enormen Gehalt von circa
                              									22½ Proc. Salpeter diesen sogleich massenhaft in nadelförmigen Krystallen ab,
                              									als eine warm bereitete Lösung von 10 Theilen dieses Zuckers in 3½ Theilen
                              									Wasser erkaltete. Der Salpeter verhindert somit auch nicht die Krystallisirbarkeit
                              									des Zuckers, sowie umgekehrt durch die Gegenwart von Zucker die Krystallisirbarkeit
                              									des Salpeters nicht beeinträchtigt wird, und so setzt auch eine mit Salpeter und
                              									Zucker gesättigte Lösung Krystalle von Zucker und von Salpeter ab, ohne daß dabei
                              									von einer Melassebildung etwas wahrzunehmen ist.
                           Wenn ich nun, wie ich glaube, durch vorstehende Mittheilung den Beweis geliefert
                              									habe, daß die erwähnten Salze nicht im Stande sind direct und für sich mit Zucker
                              									Melasse zu bilden, so will ich damit doch nicht behaupten, daß dieselben keinen
                              									Zuckerverlust bedingen, sondern nur  darauf hinweisen, daß dieser Verlust zwar auf einem
                              									anderen Grunde beruht als die eigentliche Melassebildung, dennoch aber mittelbar
                              									sehr wesentlich zur Vermehrung der Melasse beitragen kann, indem der durch die Salze
                              									bedingte Zuckerverlust ein um so größerer ist, je mehr Wasser zur Lösung des
                              									vorhandenen Salzes nothwendig ist. So erfordern z. B. bei gewöhnlicher Temperatur 4
                              									Theile wasserfreies Chlorcalcium nur 6 Theile Wasser zur Auflösung, welche außerdem
                              									12 Theile (höchstens) Zucker in Auflösung zu erhalten
                              									vermögen. 1 Theil Kalisalpeter erfordert 3 Theile Wasser zur Lösung, die außerdem
                              									ihre doppelte Menge, also 6 Theile Zucker, in Auflösung erhalten kann.
                              									Schwefelsaures Kali endlich erfordert 10 Theile kaltes Wasser, welches außerdem sein
                              									doppeltes Gewicht an Zucker aufzulösen vermag. Da nun aus derartigen Lösungen in der
                              									Regel der Zucker als solcher industriell nutzbar nicht mehr gewonnen werden kann,
                              									sondern mit in die Melasse übergeführt wird, so ist es auch klar, daß von 1 Theil
                              									Chlorcalcium, 3 Theile Zucker — von 1 Theil Salpeter, 6 Theile Zucker
                              									— und von 1 Theil schwefelsaurem Kali sogar 20 Theile Zucker ungewinnbar
                              									gemacht, resp. in die Melasse übergeführt werden — Zahlen, welche, wie wohl
                              									kaum zu bemerken nöthig ist, bloß in der Theorie richtig sind, weil bei der
                              									gleichzeitigen Gegenwart verschiedener Salze, wie die Praxis sie bietet, deren
                              									Einfluß ein sehr abweichender seyn kann und muß, indem z. B. eine gesättigte
                              									Salpeterlösung bei gewöhnlicher Temperatur nur doppelt so viel Zucker aufzulösen
                              									vermag als sie Wasser enthält, außerdem aber namhafte Mengen eines anderen Salzes
                              									(z. B. von Kochsalz) aufnehmen kann, ohne dadurch die Eigenschaft zu erlangen neue
                              									Mengen von Zucker aufzulösen.
                           Wenn nun aber nach dem Gesagten es nicht zulässig erscheint, bei der Abschätzung der
                              									durch Melassebildung verloren gehenden Zuckermengen die gefundene Salzmenge zu Grund
                              									zu legen, so fragt es sich, was denn richtiger sey und in dieser Hinsicht bin ich
                              									folgender Ansicht.
                           Was für den Fabrikant chemischer Producte die sogenannten Mutterlaugen sind, ganz
                              									dasselbe ist für den Zuckerfabrikant die Melasse, nämlich das letzte
                              									Fabricationsproduct, aus welchem der Rest des noch darin vorhandenen Hauptproductes
                              									in Folge der Gegenwart fremder Stoffe nicht mehr mit Vortheil ausgeschieden werden
                              									kann. So wie man im ersten Beispiel die Gesammtmenge der vorhandenen fremden Stoffe
                              									als Veranlassung zur Mutterlaugenbildung ansehen muß, ebenso hat man bei der Melasse
                              									alle jene Stoffe als Melassebildner anzusehen, welche außer dem Zucker und Wasser in
                              									der Melasse enthalten sind, ohne Rücksicht auf ihre Wirkungsweise, und dieselben bei
                              									der Abschätzung des durch sie  bedingten Zuckerverlustes derart und in dem Verhältniß zu
                              									Grunde zu legen, wie sie in normaler Rübenmelasse, im Durchschnitt und zwar ziemlich
                              									übereinstimmend vorkommen, nämlich auf 30 Gesammt-Nichtzucker 50 Zucker, und
                              									somit für jeden Theil der im Ganzen vorhandenen fremden Stoffe 1⅔ oder für 3
                              									Theile fremder Stoffe 5 Theile Zucker als Verlust anzunehmen.
                           Ich glaube, daß eine derartige Bezeichnungsweise und Abschätzung des durch die
                              									Melassebildung bedingten Zuckerverlustes, welche den thatsächlichen Verhältnissen
                              									mehr entspricht, um so mehr Beachtung verdient, da sie leichter und sicherer zum
                              									Ziele führt als die Aschenbestimmung, indem dabei die bloße Polarisation und
                              									Wasserbestimmung ausreichend sind, obgleich nicht zu verkennen ist, daß in einzelnen
                              									Fällen — wenn nämlich der Rohzucker ganz abnorme Mengen Salze enthält
                              									— auch auf diesem Wege kein richtiges Resultat erhalten werden kann.
                           
                              (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)