| Titel: | Ueber die schwefelsaure Magnesia des Staßfurter Abraumsalzes und deren Verwendung; von Dr. H. Grüneberg in Kalk bei Cöln. | 
| Autor: | H. Grüneberg | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. LV., S. 238 | 
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                        LV.
                        Ueber die schwefelsaure Magnesia des Staßfurter
                           								Abraumsalzes und deren Verwendung; von Dr. H. Grüneberg in Kalk bei Cöln.
                        Grüneberg, über die Staßfurter schwefelsaure Magnesia.
                        
                     
                        
                           Das Staßfurter Abraumsalz enthält unter seinen Bestandtheilen auch einen Körper,
                              									welcher in neuerer Zeit anfängt in der Technik eine Rolle zu spielen, die schwefelsaure Magnesia; es sind davon im Abraumsalz
                              									ungefähr 16 Procent enthalten. Diese schwefelsaure Magnesia wurde bis vor 5 Jahren
                              									von sämmtlichen Chlorkalium-Fabriken Staßfurts vernachlässigt; sie wurde mit
                              									den übrigen Abfallsalzen (Kochsalz, Anhydrit etc.) auf die Halden geworfen.
                           Zu gedachter Zeit, als die Firma Vorster und Grüneberg zu Staßfurt begann, sich mit der Darstellung
                              									des schwefelsauren Kalis aus den Abraumsalzen zu beschäftigen, mußte man vor Allem
                              									darauf bedacht  seyn,
                              									die zu dieser Fabrication erforderliche schwefelsaure Magnesia rein darzustellen; und zwar mußte dieselbe aus dem Haufwerk einer ganzen
                              									Reihe von fremden Salzen, mit denen sie im Abraumsalz so zu sagen verwachsen
                              									vorkommt, isolirt werden; der Verf. erreichte seinen Zweck nach einem unten zu
                              									beschreibenden eigenthümlichen Verfahren, welches auf die Eigenschaft des Kiserits
                              										(MgO, SO3 + HO) — der
                              									Form in welcher die schwefelsaure Magnesia vorkommt —begründet ist, in kaltem
                              									Wasser sehr schwer löslich zu seyn und darin durch Auflösung des die feinen
                              									Kiserit-Theilchen zusammenkittenden Kochsalzes zu einem feinen
                              									stärkmehlartigen Product zu zerfallen.
                           Das schwefelsaure Magnesia enthaltende Material wurde behufs Abscheidung des Kiserits
                              									in Macerationsbottichen auf feinen Sieben in Wasser gehängt; das Wasser löst daraus
                              									die löslichen Salze: Kochsalz, Chlorkalium, Carnallit, Chlorcalcium etc. und bildet
                              									mit denselben eine Lauge, während der in kaltem Wasser und zumal in der sich
                              									bildenden Kochsalzlauge fast unlösliche Kiserit durch die Maschen des Siebes auf den
                              									Boden der Macerationsgefäße fällt. Hier erstarrt derselbe nach einiger Zeit, indem
                              									sich ein Theil der schwefelsauren Magnesia in Bittersalz mit 7 Aeq. Wasser
                              									verwandelt, zu einer steinharten Masse, als welche er dann nach Ablassen der Lauge
                              									aus den Gefäßen entfernt werden kann.
                           Die so erhaltene schwefelsaure Magnesia ist ziemlich rein, und enthält nur ungefähr 3
                              									Proc. Kochsalz.
                           Auf den Sieben bleiben größere Kochsalzstücke und Anhydrit, sowie sonstige erdige
                              									Unreinigkeiten zurück.
                           Später sind diese einfachen Apparate verbessert worden, indem dieselben mit
                              									Schlämmcanälen verbunden wurden, in welche der unter den Sieben abgesetzte, noch
                              									nicht erhärtete Kiserit periodisch abgeschlämmt und hierdurch in noch reinerer Form
                              									erhalten wird.
                           In der ersten Zeit diente zur Darstellung des gereinigten Kiserits nur das
                              									kiseritreiche und kalifreie Material, welches bei der vom Verf. eingeführten
                              									mechanischen Separation des Abraumsalzes erhalten wird; später wurden hierfür die
                              									Rückstände der Chlorkalium-Fabrication verwendet, welche nach dem Auskochen
                              									des Carnallits in den Lösegefäßen verbleiben und noch den größten Theil des
                              									ursprünglich im Abraumsalze enthaltenen Kiserits enthalten.
                           Die schwefelsaure Magnesia, wie sie nach obigem Verfahren gewonnen wird, stellt eine
                              									harte Salzmasse dar, welche für die Darstellung von schwefelsaurem Kali, sowie
                              									behufs Umwandlung in Bittersalz heiß gelöst und in
                              									letzterem Falle krystallisirt wird, wie dieß von oben genannter Firma in großem
                              									Umfange geschieht. Die gereinigte schwefelsaure Magnesia  ist aber für gewisse
                              									Industriezweige auch zu verwenden, ohne daß sie krystallisirt wird; es genügt,
                              									dieselbe zu calciniren und zu mahlen; und in der That findet auch diese calcinirte
                              									gemahlene schwefelsaure Magnesia, welche sich nunmehr in warmem Wasser leicht löst,
                              									bereits eine umfassende Verwendung. Die englische Baumwoll-Industrie ist es,
                              									welche sich derselben zur Appretur der Gewebe mit Vorliebe bemächtigt hat. Es ist
                              									nicht zweifelhaft, daß die schwefelsaure Magnesia Staßfurts diejenige, welche bisher
                              									aus Magnesit oder Dolomit mittelst Schwefelsäure dargestellt wurde, mit der Zeit
                              									vollständig verdrängen und daher auch hinsichtlich der schwefelsauren Magnesia
                              									dereinst Staßfurt den Weltmarkt beherrschen wird. Für verschiedene Industrien, z. B.
                              									für die obengenannte Baumwoll-Industrie, für das neue
                              									Zuckersaft-Scheideverfahren von Morgenstern, für
                              									das Tessié'sche Bleichverfahren, für die Landwirthschaft,
                              									ja selbst für die Telegraphie zur Herstellung constanter Batterien, ist sie bereits
                              									von hohem Interesse und zweifelsohne wird sich für dieses vorzügliche Material (eine
                              									schwefels. Magnesia von 80–90 Proc.) noch manche andere nutzenbringende
                              									Verwendung finden. Das Material wird von Vorster und Grüneberg in Staßfurt verhältnißmäßig sehr wohlfeil
                              									abgegeben und ist in sehr bedeutenden Quantitäten zu liefern; nehmen wir an, es
                              									würden aus dem Abraumsalze 5 Proc. calcinirter schwefelsaurer Magnesia gewonnen, so
                              									können monatlich bei einer Production von 200,000 Ctr. Abraumsalzen, wie sie beide
                              									Werke, das preußische und anhaltinische Salzwerk jetzt aufzuweisen haben, 10,000
                              									Ctr., jährlich also 120,000 Ctr. schwefelsaure Magnesia dargestellt werden. Es ist
                              									hiermit ein neuer Erwerbszweig der Staßfurter Industriellen geschaffen, welche
                              									bereits anfangen ihre alten Haldensalze zu lösen und abzuschlämmen.
                           Hoffen wir, daß die chemische Industrie sich dieses neuen Schatzes bald und energisch
                              									bemächtige, wie sie es mit den Kalisalzen gethan hat.