| Titel: | Ueber die Darstellung von gefälltem schwefelsaurem Kalk (Pearl hardening); von G. Lunge. | 
| Autor: | G. Lunge. | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. CIII., S. 392 | 
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                        CIII.
                        Ueber die Darstellung von gefälltem
                           								schwefelsaurem Kalk (Pearl hardening); von G. Lunge.
                        Lunge, über Darstellung von gefälltem schwefelsaurem
                           								Kalk.
                        
                     
                        
                           Im englischen Handel geht unter dem oben angeführten Namen ein Artikel, welcher in
                              									bedeutender Menge von Papierfabrikanten als Zusatz zu Ganzzeug gebraucht wird. Auch
                              									in Deutschland ist ein ähnlicher Artikel als „Annaline“
                              									verbreitet; der hohe Preis, welchen beide Artikel behaupten, scheint zu beweisen,
                              									daß dieser Stoff doch den Papierfabrikanten zusagen muß. Es ist bekanntlich
                              									schwefelsaurer Kalk in einem eigenthümlichen Zustande von Krystallisation,
                              									mineralogisch identisch mit Gyps, aber doch in keiner Weise durch natürlichen Gyps
                              									ersetzbar. Das Pearl hardening wird in der, wenn nicht
                              									einzigen, doch jedenfalls größten englischen Fabrik in folgender Weise
                              									dargestellt.
                           Die betreffende Fabrik ist eine der größten Sodafabriken Englands und hat, da sie ihr
                              									Glaubersalz in offenen Flammöfen calcinirt, eine ungeheure Menge schwacher, zur
                              									Chlorentwickelung untauglicher Salzsäure als Nebenproduct. Aehnlich vielen anderen
                              									Fabriken in gleicher Lage verwendet sie dieselbe zur Herstellung von
                              									Natronbicarbonat: aber während alle anderen Fabriken die dabei abfallende
                              									Chlorcalciumlösung fortlaufen lassen, wird sie hier mit Schwefelsäure gefällt und
                              									das pearl hardening als Handelsproduct gewonnen. Im
                              									Einzelnen ist das Verfahren wie folgt.
                           Die verdünte Säure aus den für die Calciniröfen dienenden Condensationsthürmen fließt
                              									direct in Cisternen, wo sie auf Kalkstein einwirkt  und Kohlensäure entbindet. Auf
                              									ihrem Wege, noch bevor sie in die Kalksteincisternen gelangt, wird sie noch weiter
                              									verdünnt durch das Einfließen der Waschwässer vom Gypse aus der späteren Operation,
                              									welche mit Kalk und Gyps gesättigt sind, was aber natürlich hier nichts schadet. Die
                              									Kalksteincisternen sind cylinderförmig und im Boden versenkt nach Art von sehr
                              									großen Brunnen. Ihr Mauerwerk ist inwendig mit Asphalt überzogen und von außen mit
                              									einem dicken Lehmschlage (puddle) umgeben, so daß sie
                              									ganz flüssigkeitsdicht sind. Oben sind sie dicht geschlossen, bis auf ein Mannloch,
                              									ein Gasrohr zum Entweichen der Kohlensäure und Ein- und Abflußröhren für
                              									Flüssigkeiten. Die verdünnte Salzsäure fließt continuirlich unten ein, und oben
                              									fließt die Chlorcalciumlösung eben so continuirlich ab. Sie enthält noch ein wenig
                              									freie Salzsäure und wird deßhalb zunächst nach einem Behälter geleitet, wo man sie
                              									durch Aetzkalk (Abfall von der Chlorkalkfabrication) vollständig neutralisirt. Ein
                              									kleiner Ueberschuß von Kalk schadet durchaus nichts. Die Flüssigkeit wird, trüb wie
                              									sie ist, durch eine eiserne Druckpumpe nach einem hoch gelegenen Behälter gepreßt
                              									und dort der Abklärung durch Ruhe überlassen. Die klare Lauge von Chlorcalcium wird
                              									dann in ein großes viereckiges, mit Gutta-percha ausgekleidetes Holzgefäß
                              									gelassen und auf 15° Twaddle (= 1,075 spec. Gew.) gebracht. Ihr Volum wird
                              									genau gemessen und dann eine vollkommen äquivalente Menge von Schwefelsäure aus
                              									einem Maaßgefäße hereinlaufen gelassen. Die Stärke dieser Säure nimmt man nicht
                              									höher als 46° Tw.= 1,230 spec. Gew. Der Gyps scheidet sich sofort aus, und
                              									man läßt nach gutem Umrühren die ganze Mischung durch ein am Boden des Gefäßes
                              									angebrachtes Zapfenloch in die direct darunter stehenden Filter ablaufen. Die Filter
                              									sind längliche viereckige Holzkästen, mit Gutta-percha ausgeschlagen, und
                              									haben einen von beiden Seiten nach der Mitte zu sich absenkenden Boden (Bootform).
                              									In gewissen Zwischenräumen liegen darauf dreieckige Stücke Holz, deren Oberseite bis
                              									an den senkrechten Theil des Kastens reicht; sie dienen als Träger für der Länge des
                              									Kastens nach liegende Latten von Zolldicke, welche durch
                              									Gutta-percha-Streifen von ¼ Zoll Dicke in gleichmäßiger
                              									Entfernung von einander gehalten werden. So entsteht also ein Rost mit Stäben von 1
                              									Zoll Breite und ¼ Zoll Oeffnung. Ueber denselben wird ein Baumwollentuch
                              									glatt aufgelegt, und an den Kanten herum durch starke Holzleisten niedergedrückt.
                              									Die Stärke der Gutta-percha, mit der sowohl diese als die anderen
                              									vorkommenden Gefäße ausgekleidet sind, beträgt etwa ¼ Zoll. Diese,
                              									absichtlich so genau beschriebenen Filter arbeiten sehr gut; sie verstopfen sich
                              									nicht leicht und lassen nur selten eine Reinigung nothwendig werden. Die  Flüssigkeit läuft aus ihnen in
                              									dickem Strahle durch ein Rohr von Gutta-percha ab, und in zwei Stunden sind
                              									sie hinreichend trocken. Man wäscht dann den Niederschlag mit klarem, filtrirtem
                              									Kalkwasser drei Stunden lang aus. Dabei benutzt man eine einfache Vorrichtung von
                              									Holz, um es über den Niederschlag zu vertheilen, rührt diesen aber nicht auf,
                              									sondern läßt es einfach durchlaufen. Wie oben erwähnt, wird dieses Waschwasser der
                              									schwachen Salzsäure beigemischt, bevor sie in die Kalkstein-Cisternen fließt.
                              									Nach dem Auswaschen wird der Kuchen von Gyps ausgestochen und in Preßsäcke von
                              									Linnenzeug (hier wendet man nicht Baumwolle an) gepackt. Den Preßsäcken wird durch 4
                              									Zoll hohe Reifen von Gutta-percha Stabilität gegeben und sie werden mit
                              									diesen in die Pressen eingesetzt. Die aufrecht stehenden Preßcylinder haben ein
                              									Futter von Messing, welches der Länge nach cannelirt ist, des besseren Ablaufens der
                              									Flüssigkeit wegen. Das Pressen geschieht durch vermittelst Menschenkraft bewegte
                              									Schrauben. Wenn der Kuchen aus der Presse kommt, enthält er noch 40 Proc. Wasser,
                              									und fühlt sich noch feucht an; er wird aber nicht weiter getrocknet, sondern kommt
                              									ohne Weiteres in den Handel, nachdem er in parallelepipedische Stücke zerschnitten
                              									worden ist.