| Titel: | Ueber zwei im Handel vorkommende Sorten von natürlicher ungarischer Soda und über die Bereitung von Sodalauge für die Wollwäscherei; von S. Schapringer. | 
| Autor: | S. Schapringer | 
| Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. CXXIII., S. 495 | 
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                        CXXIII.
                        Ueber zwei im Handel vorkommende Sorten von
                           								natürlicher ungarischer Soda und über die Bereitung von Sodalauge für die Wollwäscherei;
                           								von S. Schapringer.
                        Schapringer, über natürliche ungarische Soda.
                        
                     
                        
                           Der Verbrauch an künstlicher Soda, herstammend aus den Fabriken Oesterreichs, des
                              									Zollvereines und Englands, gewinnt in Ungarn immer mehr an Ausdehnung, in Folge der
                              									gesteigerten wirthschaftlichen Entwickelung, Hebung der Industrie und Besserung der
                              									Verkehrsverhältnisse, so daß sie nicht nur die Potasche auf ihren
                              									Productionsstätten, den entlegensten Karpathenwaldthälern verdrängt, sondern auch
                              									die natürliche ungarische Soda (sziksó) — deren
                              									Gewinnung ehedem dem speciell ungarischen Bedarfe an diesem Alkali (zu den berühmten
                              									Szegediner und Debrecziner Seifen u. s. w. vollkommen genügte, so daß noch ein
                              									Export ermöglicht war, — derart in zweite Linie stellt, daß der Verkehr darin
                              									im Verhältnisse nur mehr ein untergeordneter genannt werden kann. Wenn
                              									nichtsdestoweniger Posten von diesem Artikel auf dem Pesther Platze vorkommen, so
                              									liegt die Ursache davon sicher weniger in der guten Qualität oder in dem billigen
                              									Preise dieser Sodagattung, als vielmehr in dem Umstande, daß die kleinen Consumenten
                              									meistens in vollkommener Unkenntniß über die Zusammensetzung derselben sich
                              									befanden.
                           
                           Obwohl eine einfache Gradirung für allgemeine Zwecke vollkommen genügen würde, so
                              									habe ich doch die vollständige Analyse zweier Muster von natürlicher ungarischer
                              									Soda, aus der Gegend von Kalocsa an der Donau stammend, die ich mir von einem
                              									Pesther Commissionshause verschaffte, ausgeführt, deren Resultate ich hier folgen
                              									lasse.
                           a) Rohe
                                 										Soda.
                           (Nußgroße, leichtzerreibliche Stücke, von gelblichweißer
                              									Farbe.)
                           
                              
                                 Kohlensaures Natron
                                 28,87
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                 31,00
                                 
                              
                                 schwefelsaures Natron
                                 0,13
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 0,39
                                 
                              
                                 Thon und Sand
                                 0,41
                                 
                              
                                 Wasser
                                 39,04
                                 
                              
                                 Verlust
                                 0,16
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           b) Calcinirte
                                 										und gemahlene Soda.
                           (Weißes Pulver mit Stich in's Graue.)
                           
                              
                                 Kohlensaures Natron
                                 40,25
                                 
                              
                                 Chlornatrium
                                 53,93
                                 
                              
                                 schwefelsaures Natron
                                 0,45
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 1,54
                                 
                              
                                 Thon und Sand
                                 1,45
                                 
                              
                                 Wasser
                                 2,09
                                 
                              
                                 Verlust
                                 0,29
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Es scheint demnach a) das Product einer unvollkommenen
                              									Raffination zu seyn, indem das gesammelte Rohproduct in Wasser aufgelöst, die Lösung
                              									abgeklärt und eingedampft, und das herausfallende Sodasalz an der Luft oder bei sehr
                              									gelinder Wärme abtrocknen gelassen wurde. Die Entstehungsweise der Sorte b) aus a) erhellt aus ihrer
                              									Bezeichnung. Daß man es hier nicht etwa mit Gemengen aus künstlicher Soda mit
                              									Kochsalz zu thun hat, erkennt man aus der vollkommenen Abwesenheit von Aetznatron
                              									und Schwefelnatrium, sowie daraus, daß Glaubersalz nur in geringen Mengen darin
                              									enthalten ist.
                           Die Sorte a) wird loco Pesth
                              									mit 5¼ Gulden, die Sorte b) mit 6 bis 6½
                              									Gulden per Wiener Centner verkauft. Reell 90 grädige
                              									künstliche Soda aus inländischen Sodafabriken kostet ebendort höchstens 10½
                              									Gulden, während man zollvereinsländische und englische etwas billiger kaufen kann.
                              									Der ungarische Glasfabrikant, Seifensieder etc., welcher natürliche Soda kauft und
                              									verarbeitet, muß daher die 100 Pfd.  kohlensaures Natron (das allein Wirksame in diesen Sodasorten) bei a) mit
                              									18,16 Gulden und bei b) mit 14,90 bis 16,14 Gulden
                              									bezahlen, während ihm das gleiche Quantum kohlensaures Natron in der künstlichen
                              									Soda auf höchstens 11⅔ Gulden zu stehen kommt; außerdem hat der Glasfabrikant
                              									noch den Vortheil, einige Procente Glaubersalz, welche in letzterer stets enthalten
                              									und beim Verglasungsprocesse von Nutzen sind, kostenfrei mit zu bekommen.
                           Man ersieht daraus den bedeutenden Nachtheil, welchen die Consumenten natürlicher
                              									Soda bei den jetzigen Preisen erleiden; da diese Preise aber als äußerst gedrückt
                              									gelten, so ist es sehr zu bezweifeln, daß diese Soda je so billig wird erzeugt und
                              									verkauft werden können, daß ihr Preis zu ihrem Werthe in richtigem Verhältnisse
                              									stehen wird. Es dürfte jetzt beispielsweise die Sorte a)
                              									nicht mehr als 3,37 Gulden und die b) 4,69 Gulden
                              									kosten. Insolange als die Verhältnisse der Erzeugung eine derartige Preisreduction
                              									nicht zulassen, muß man eine solche Production, weil auf bloße Unkenntniß der
                              									Consumenten fußend, als volkswirthschaftliche Anomalie betrachten.
                           Ein einziger Fabricationszweig könnte mit einigem Anschein von Berechtigung an der
                              									Verwendung der natürlichen Soda festhalten, nämlich die Wollwäscherei. Die vollkommene Abwesenheit von Aetznatron in derselben
                              									verhindert, daß die Wollfaser im Waschprocesse leicht Schaden erleidet, gelb und
                              									spröde wird, den „Griff“ verliert. Freilich hilft hier auch
                              									viel die geringe Qualität dieser Soda, mit der man nicht leicht die Laugen zu
                              										„scharf“ machen kann. Uebrigens sind beide Gründe der
                              									künstlichen Soda gegenüber nicht ganz stichhaltig, indem einerseits künstliche
                              									Sodasorten von blendend weißer Farbe für diese und ähnliche Zwecke in den Handel
                              									gebracht werden, welche frei von Aetznatron sind, andererseits in vielen
                              									Wollwäschereien künstliche Soda, die mittelst Kochsalz
                              									auf 50 Proc. zurückgestellt ist, seit Jahren ohne den mindesten Nachtheil verwendet
                              									wird.
                           An Obiges anknüpfend will ich nicht unterlassen einer Methode zu gedenken, nach
                              									welcher auch aus ganz ordinären, Aetznatron haltigen Sodasorten (Patentsoda) eine
                              									Lauge bereitet werden kann, die allen Ansprüchen selbst bei der Manipulation mit den
                              									feinsten Wollsorten vollkommen genügen dürfte.
                           Man bereitet sich zuerst eine Lösung der entsprechenden Quantität 90 grädiger Soda
                              									auf kaltem Wege, läßt absetzen und zieht die klare Flüssigkeit in einen Bottich ab,
                              									worin man sie auf die gewünschte und gewöhnliche Stärke (1 Thl. Soda auf
                              									2–400 Thle. Wasser) verdünnt. Hierauf nimmt man, je nach der Menge und
                              									Causticität der angewandten  Soda, 3 bis 6 Proc. ihres Gewichtes englische
                              									Schwefelsäure, verdünnt dieselbe mit ihrem zehnfachen Gewichte kalten Wassers, und
                              									gießt die so verdünnte Säure mittelst eines Trichterrohres aus Blei oder getheertem
                              									Holze, welches bis auf den Boden des Bottichs reicht, in die kalte Lösung, rührt
                              									kräftig um, und die Lauge ist nach dem Erwärmen auf 30 bis 40° C zum
                              									Gebrauche fertig.
                           Der Proceß hierbei ist einfach folgender: Die Schwefelsäure, am Boden des Gefäßes
                              									angelangt, sättigt dort ihr Aequivalent an kohlensaurem Natron, indem sie die
                              									Kohlensäure austreibt, welche sich in der überstehenden kalten Flüssigkeit
                              									vollkommen löst und das in derselben vorhandene Aetznatron in kohlensaures Natron
                              									umwandelt, während die überschüssige Kohlensäure anderthalbfach-kohlensaures
                              									Natron bildet. Eine solche von caustischem Natron freie, bloß Natroncarbonat und
                              									Sesquicarbonat enthaltende Flüssigkeit wird die fetten Säuren des Wollschweißes
                              									unter Emulsionsbildung vollkommen entfernen, ohne die Wollfaser im mindesten
                              									anzugreifen.
                           Man könnte freilich die Kohlensäure aus einem billigeren Material als aus der Soda
                              									selbst, z. B. aus Kreide, Marmor oder Magnesit entwickeln und in die Lauge
                              									einleiten; doch wäre der Vortheil davon ein geringer, da hierzu ein eigener
                              									Gasentwickelungsapparat nothwendig, sowie auch dabei der Kohlensäureverbrauch ein
                              									größerer wäre, weil leichter ein Theil derselben unabsorbirt aus der Flüssigkeit
                              									entweichen könnte.