| Titel: | Wiedergewinnung des Schwefels aus Sodarückständen; von Max Schaffner. | 
| Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. LXXXIV., S. 308 | 
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                        LXXXIV.
                        Wiedergewinnung des Schwefels aus
                           								Sodarückständen; von Max
                              									Schaffner.Aus den Verhandlungen
                                       												der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in
                                       											Würzburg.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									V.
                        Schaffner, über Wiedergewinnung des Schwefels aus
                           								Sodarückständen.
                        
                     
                        
                           Die Wiedergewinnung des Schwefels aus den Sodarückständen wurde zuerst mit
                              									praktischem Erfolg auf der Sodafabrik zu Außig a. d. Elbe durchgeführt. — Das
                              									Verfahren, das hier in Anwendung ist, zerfällt in folgende Arbeiten:
                           a. die Darstellung der schwefelhaltigen
                              									Laugen;
                           b. die Zersetzung der erhaltenen
                              									Laugen;
                           c. die Darstellung des chemisch reinen
                              									Schwefels.
                           a. Zur Darstellung der schwefelhaltigen Laugen werden die
                              									Sodarückstände einem Oxydationsproceß an der Luft unterworfen, indem man dieselben
                              									in große Haufen aufstürzt. Der Haufen erwärmt sich nach einiger Zeit und Es beginnt
                              									die Bildung von Polysulfureten und bei weiterer Oxydation die Bildung von
                              									unterschwefligsauren Salzen. Die Praxis lehrt sehr bald durch Beurtheilung der
                              									Farbe, wie lange man den Haufen liegen lassen muß. Nach einigen Wochen hat nämlich
                              									der Haufen im Inneren eine gelbgrüne Farbe und ist dann zum Auslaugen reif. Er wird
                              									aufgehackt, wobei die größeren Stücke zerschlagen werden, und bleibt noch etwa 24
                              									Stunden an der Luft liegen, wo dann die gewünschte Oxydation vollständig wird. Das
                              									Auslaugen geschieht mit kaltem Wasser in gemauerten oder eisernen Bassins und zwar
                              									so, wie beim Auslaugen der rohen Soda, daß etwa 3 solcher Bassins durch Röhren mit
                              									einander verbunden sind und die Lauge aus einem Bassin in das andere fließt, wodurch
                              									sich die Lauge immer mehr anreichert, so daß man Es am Schluß nur mit concentrirten
                              									Laugen zu thun hat. Nach dem Auslaugproceß werden die Sodarückstände noch einmal
                              									oxydirt, indem man sie in 3' tiefe und eben so breite Gruben bringt, die neben den
                              									Auslaugkästen liegen. Diese Oxydation in Gruben, wobei  die durch den Zersetzungsproceß
                              									frei werdende Wärme mehr zusammengehalten wird als in freien Haufen, geht rascher
                              									vor sich als die erste Oxydation. Durch den früheren Auslaugproceß ist die Masse nun
                              									poröser als bei der ersten Oxydation und somit hat auch die Luft mehr Zutritt und Es
                              									bilden sich darum neben Polysulfureten auch mehr unterschwefligsaure Salze.
                           Statt nach dem ersten Auslaugen die Sodarückstände aus dem Auslauggefäß zur zweiten
                              									Oxydation in eine Grube zu bringen, kann man sie auch im Auslauggefäß liegen lassen
                              									und die zweite Oxydation künstlich dadurch beschleunigen, daß man mit einem
                              									Ventilator die Gase aus einem Kamin, in welchen Feuerungsanlagen einmünden, unter
                              									den doppelten Boden des Auslauggefäßes führt. Man erspart hierdurch an
                              									Arbeitslöhnen, indem das einmalige Aus- und Einfahren aus dem Auslaugbassin
                              									in die Gräben umgangen wird. Zugleich ist diese Art der Oxydation eine sehr
                              									energische, indem in 8 – 10 Stunden der Proceß vollendet und die Masse
                              									abermals zum Auslaugen reif ist. Je nach Beschaffenheit der Sodarückstände kann man
                              									diese Oxydation 3 – 4 Mal wiederholen. Die Kamingase, die im Wesentlichen aus
                              									Wasserdampf, überschüssiger warmer Luft und Kohlensäure bestehen, haben alle
                              									Eigenschaften, um auf das Schwefelcalcium in der Art zersetzend einzuwirken, daß
                              									Polysulfuret und unterschwefligsaures Salz entsteht. Die Gase dürfen jedoch nicht zu
                              									warm zur Anwendung gelangen.
                           Die Laugen, die man von der ersten Oxydation erhält, bestehen hauptsächlich aus
                              									Polysulfuret neben unterschwefligsauren Salzen; bei den Laugen von der zweiten
                              									Oxydation ist das unterschwefligsaure Salz vorherrschend und die Laugen der dritten
                              									Oxydation enthalten noch mehr unterschwefligsaures Salz. Sämmtliche Laugen
                              									vereinigen sich in einem gemeinsamen Reservoir. Das Product dieser ganzen
                              									Manipulation ist also eine Lauge von einem bestimmten Gehalt an Polysulfureten des
                              									Calciums neben einem gewissen Gehalt an unterschwefligsauren Salzen. Um sich die
                              									Oxydation der Sodarückstände zu erklären, muß man bedenken, daß diese Oxydation
                              									nicht nach einer einzigen Reaction stattfindet; Es kommen mannichfache Reactionen
                              									zur Geltung, je nach der mechanischen Beschaffenheit derselben, ob dieselben dicht
                              									oder locker, ob die Luft mehr oder weniger Zutritt hat, ob die Rückstände mehr
                              									feucht oder trocken, ob der zu oxydirende Haufen groß oder klein, ob die äußere
                              									Atmosphäre kalt oder mehr warm oder endlich ob die künstliche Oxydation durch
                              									Einblasen von Gasen rascher oder langsamer ausgeführt wird. — Wirkt die Luft
                              									allein und geschieht die Oxydation in großen Haufen und ganz allmählich, so kann man
                              									sich folgende Processe vorstellen:
                           
                           2 CaS + O gibt CaO + CaS2; wirkt die Luft noch weiter ein, so
                              									erhält man aus CaS2 +
                                 										3O=CaO, S2O2, bei noch längerer Einwirkung wird aus CaO,S2O2=CaO,SO2 + S und bei
                              									fortgesetztem Oxydiren aus CaO, SO2 + O =CaO,SO3. Wird also zu lanqe oxydirt, so erhält
                              									man schließlich Gyps, aber auch die Bildung von CaO, SO2 ist schon Verlust, da der
                              									schwefligsaure Kalk so gut wie unlöslich ist. Der ausgeschiedene Schwefel, der bei
                              									der Zersetzung des unterschwefligsauren Kalkes entsteht, wird größtentheils beim
                              									Auslaugen wieder gelöst, wenn die Laugen hinlänglich concentrirt sind und genügende
                              									Mengen von Mehrfach-Schwefelcalcium enthalten.
                           Geschieht die Oxydation mit Kamtngasen, so finden noch andere Reactionen statt; Es
                              									nimmt die Kohlensäure an der Zersetzung Antheil und Es sind dann nachstehende
                              									Reactionen denkbar:
                           CaS + CO2+O gibt CaO,CO2 +S; diese
                              									Reaction findet namentlich dann statt, wenn Es an Feuchtigkeit fehlt. — Die
                              									normale Reaction ist:
                           CaS + CO2 + HO gibt CaO,CO2 + HS; das
                              									Schwefelwasserstoffgas wirkt dann weiter, nämlich CaS +
                                 										HS gibt CaS, HS,
                              									oder, faßt man diese Reactionen zusammen:
                           2 (CaS + CaO) + HO + 3CO2 gtbt 3CaO,CO2 +, HS. Wirken die Kamingase weiter ein, so verursacht der darin
                              									enthaltene Sauerstoff folgende Reaction: CaS,HS + 4O
                              									gibt CaO, S2O2 + HO, bei noch längerer Einwirkung
                              									entsteht, wie schon oben angeführt, schwefligsaurer Kalk und schließlich Gyps.
                              									— Es können aber auch noch andere Reactionen auftreten; so kann z. B.
                              									unterschwefligsaurer Kalk direct entstehen :
                           2CaS + 4O + CO2=CaO,S2O2 +
                                 											CaO,CO2. Es kann ferner
                              									unterschwefligsaurer Kalk entstehen: CaS5 + 3O gibt CaO,S2O2 + 3S; Es wird also Schwefel ausgeschieden, wie dieß schon bei
                              									einigen oben angeführten Processen der Fall war; auch dieser Schwefel kann beim
                              									nachherigen Auslaugen zur weiteren Bildung von CaO,S2O2 beitragen, nämlich CaO,SO2 + S gibt CaO, S2O2, obwohl diese Reaction hier nur träge
                              									von statten geht. Auch der Schwefelwasserstoff, der bei oben angeführten Processen
                              									auftritt, kann Ursache seyn, daß Schwefel in freiem Zustand vorkommt, indem sich der
                              									Schwefelwasserstoff in der porösen Haufenmasse mit Luft zersetzt. HS + O gibt S + HO. Aller
                              									dieser freie Schwefel, der in den verschiedenen Fällen auftritt, dient zur Bildung
                              									von Polysulfureten und wird beim Auslaugen gelöst, kann aber auch, jedenfalls aber
                              									in geringerem Grad, zur Bildung von unterschwefligsauren Salzen dienen.
                           
                           b. Die Zersetzung der Laugen mit Salzsäure geschieht in
                              									geschlossenen Apparaten aus Gußeisen oder Stein. Die Zersetzung ist darauf basirt,
                              									daß unterschwefligsaures Salz durch Salzsäure schweflige Säure entwickelt unter
                              									Ausscheidung von Schwefel. (CaO,S2O2 +
                                 										HCl gibt HCl + SO2
                                 										+ S +HO); ferner, daß schweflige Säure das Polysulfuret unter Ausscheidung
                              									von Schwefel in unterschwefligsauren Kalk verwandelt (2CaSx + 3SO2=2=2Cao,S2O2 + Sx)—. Der Gang der Zersetzung ist nun folgender und läßt
                              									sich der Zersetzungs- oder Ausfällapparat durch die in Fig. 42 abgebildeten
                              									beiden Kolben versinnlichen. Angenommen die beiden Kolben A und B seyen mit der zu zersetzenden Lauge
                              									gefüllt. Man schließt das Röhrchen a mit einem Stopfen
                              									und gießt nun durch das Trichterloch T Salzsäure ein.
                              									Wenn man mit dieser Manipulation beginnt, so wird sich sofort Schwefelwasserstoff
                              									entwickeln; denn aus einer Lauge, die aus Polysulfureten und unterschwefligsauren
                              									Salzen besteht, wird beim Zufügen von Salzsäure zuerst das Polysulfuret unter
                              									Entwickelung von Schwefelwasserstoff und Ausscheidung von Schwefel zersetzt. Das
                              									Schwefelwasserstoffgas entweicht durch das Rohr c,
                              									streicht durch die Lauge in B und gelangt durch b in's Freie. Ist das Polysulfuret zersetzt und fügt man
                              									Weiter Salzsäure zu, so wird das unterschwefligsaure Salz zersetzt. Es entwickelt
                              									sich schweflige Säure, die ebenfalls durch c in die
                              									Lauge von B gelangt; hier zersetzt sie das Polysulfuret
                              									und verwandelt Es in unterschwefligsaures Salz. Der Kolben A wird nach vollständiger Zersetzung erwärmt, um die von der Flüssigkeit
                              									absorbirte schweflige Säure überzutreiben. Hierauf entleert man den Kolben A, sammelt den ausgeschiedenen Schwefel, und füllt ihn
                              									mit einer neuen Quantität Lauge. Man schließt nun das Röhrchen b, öffnet Rohr a und läßt
                              									durch das Trichterrohr T Salzsäure einfließen. Es
                              									entwickelt sich nun kein Schwefelwasserstoffgas mehr, da durch die schweflige Säure
                              									der vorhergehenden Zersetzung das Polysulfuret in unterschwefligsaures Salz
                              									übergeführt wurde; Es beginnt somit sofort die Entwickelung von schwefliger Säure
                              									und diese gelangt durch das Rohr d in die Lauge des
                              									Kolbens A und führt hier wieder die Polysulfurete in
                              									unterschwefligsaure Salze über. Nach vollendeter Zersetzung erwärmt man den Kolben
                              										B, um die von der Flüssigkeit absorbirte schweflige
                              									Säure überzutreiben, entleert den Inhalt, sammelt den ausgeschiedenen Schwefel und
                              									füllt den Kolben B, mit neuer Lauge. Es wird a geschlossen, b geöffnet
                              									und der Inhalt des Kolbens A mit Salzsäure zersetzt; Es
                              									kann sich auch hier nur mehr schweflige Säure entwickeln, die beim Uebertritt den
                              									Inhalt des Kolbens B zersetzt, und so geht Es fort und
                              									fort. Es tritt also kein Schwefelwasserstoffgas mehr auf, da beim Zufügen der
                              									Salzsäure die Polysulfurete  stets durch die schweflige Säure der vorhergehenden
                              									Zersetzung schon zerstört sind. Die schweflige Säure wird also auf diese Weise immer
                              									aus einem Gefäß in das andere getrieben und ist die Lauge richtig zusammengesetzt,
                              									so wird beim regelmäßigen Betrieb gar kein Gas frei, resp. gelangt kein Gas in das
                              									Freie. Durch Titrirung wird die Schwefellauge auf ihren Gehalt an Polysulfuret und
                              									unterschwefligsaurem Salz geprüft und darnach der Sodarückstand schwächer oder
                              									stärker oxydirt.
                           In der Praxis ist der Ausfällapparat aus Gußeisen oder Stein; Fig. 43 zeigt den
                              									Ausfällapparat von Gußeisen, wie er in den meisten Fabriken eingeführt ist. A und B sind die beiden
                              									Gefäße, die bei dem oben beschriebenen Glasapparat die beiden Kolben vorstellen;
                              									ebenso sind die übrigen Theile, die gleichen Zweck wie beim Glasapparat haben, mit
                              									gleichen Buchstaben bezeichnet. C ist die Laugenleitung;
                              									durch einen daran befindlichen Gummischlauch wird die Lauge bald durch q in das Gefäß A geleitet,
                              									bald durch q′ in das Gefäß B. T und T′
                              									sind Thonröhren und entsprechen den Trichterröhren beim Glasapparat zum Eingießen
                              									der Salzsäure. Die Röhren c und d correspondiren ebenfalls mit dem Glasapparat, c sitzt auf dem Deckel von A, während sein
                              									langer Schenkel in die Flüssigkeit von B einmündet; bei
                              										d ist dieß der umgekehrte Fall, der kurze Schenkel
                              									sitzt auf dem Deckel von B, während der lange Schenkel
                              									in die Flüssigkeit von A eintaucht. Der Hahn a wird geschlossen, wenn die Gase durch c; in die Flüssigkeit von B
                              									treten sollen, Hahn b wird geschlossen und a geöffnet, wenn die Gase durch d in die Flüssigkeit von A treten sollen.
                              									Durch das Rohr B entweicht das etwa überschüssige Gas.
                              									Nach erfolgter Zersetzung mit Salzsäure läßt man durch das Ventil V oder V′ Dampf
                              									einströmen, um die letzte von der Flüssigkeit absorbirte schweflige Säure
                              									überzutreiben. Ist der Proceß beendigt, so fließt der Schwefel mit der
                              									Chlorcalciumlauge durch die Oeffnung O oder O′ aus. Zuerst öffnet man den Holzstöpsel p und läßt den größeren Theil der Chlorcalciumlauge
                              									abfließen. Um zu erfahren, ob alle schweflige Säure übergetrieben ist, öffnet man
                              									den Holzhahn h oder h′ und überzeugt sich durch den Geruch, ob noch schweflige Säure
                              									entweicht. Mittelst der Hähne f und f′ kann man sich von der gehörigen Füllung des
                              									Apparates mit Lauge und von dem Gang der Zersetzung überzeugen. Der Gang der Arbeit
                              									ist ganz derselbe wie beim Glasapparat. Zum Zweck der Reinigung sind alle Röhren mit
                              									Deckel versehen. Der so erhaltene Schwefel ist feinkörnig und enthält etwas Gyps,
                              									hauptsächlich von Schwefelsäuregehalt der Salzsäure herrührend; er fließt sammt der
                              									Chlorcalciumlauge in eine Rinne g und von hier  in ein Bassin mit
                              									doppeltem Boden; die Lauge fließt hier ab und der Schwefel bleibt zurück; er wird
                              									mit Wasser abgewaschen und gelangt dann zum Schmelz- oder Reinigungsproceß.
                              									Der ausgefällte Schwefel filtrirt sich sehr gut, da er einen festen, feinkörnigen
                              									Aggregatzustand angenommen hat. Aus unterschwefligsaurem Salz scheidet sich der
                              									Schwefel mit Salzsäure in flüssiger Form, aus Polysulfureten, beim Einleiten von,
                              										SO2, in
                              									feinzertheiltem Zustand ab. Beide Schwefelmodificationen
                              									vereinigen sich zu einem dichten feinkörnigen Schwefel, der sich sehr leicht
                              									filtriren läßt und sich mit großer Geschwindigkeit zu Boden setzt.
                           c. Die Darstellung des reinen Schwefels geschieht durch
                              									folgenden einfachen Proceß, der direct chemisch reinen Schwefel liefert, welcher als
                              									raffinirter Schwefel in Handel gebracht werden kann. Der Schwefel von dem
                              									Ausfällapparat wird mit so viel Wasser in einen gußeisernen geschlossenen Kessel
                              									gebracht, daß die Masse eine breiartige Consistenz hat; man läßt sodann Dampf
                              									einströmen, der einen Ueberdruck von 1¾ Atmosphären hat, und rührt dabei um.
                              									Es schmilzt auf diese Weise der Schwefel unter Wasser, die an dem Schwefel
                              									adhärirende Chlorcalciumlauge wird vom Wasser aufgenommen und der Gyps ist als
                              									feines Krystallpulver im Wasser suspendirt. Der unter Wasser geschmolzene Schwefel
                              									sammelt sich im tiefsten Theil des Kessels an und kann nun abgelassen und in die
                              									gewünschten Formen gegossen werden. Ist aller Schwefel abgeflossen, so fließt sodann
                              									das gypshaltige Wasser ab, da Schwefel und Wasser sich scharf nach dem spec. Gewicht
                              									scheiden. Gleichzeitig mit dem Schwefel gibt man eine kleine Quantität Kalkmilch in
                              									den Schmelzkessel, um etwa noch vorhandene freie Säure unschädlich zu machen. Aus
                              									dem überschüssigen Kalk bildet sich beim Schmelzen Schwefelcalcium, und wenn dem zum
                              									Schmelzen gelangende Schwefel arsenhaltig ist, so löst sich das Schwefelarsen in
                              									Schwefelcalcium auf und somit wird das Schwefelarsen in das über dem geschmolzenen
                              									Schwefel stehende Wasser geführt. Die Vortheile des Schmelzens unter Wasser sind
                              									daher einleuchtend: Man hat nicht nöthig, den gefällten Schwefel sorgfältig
                              									auszuwaschen und zu trocknen, die Destillation wird erspart und durch denselben
                              									Proceß wird der Schwefel vom Arsenik befreit. Endlich hat die Art des Schmelzens
                              									unter Dampfdruck auch noch den Vortheil, daß der Schwefel nur so weit erhitzt wird,
                              									daß er sich gerade im dünnflüssigsten Zustande befindet und nicht überhitzt werden
                              									kann, was beim nachherigen Gießen in Form sehr erwünscht ist.
                           Zur Versinnlichung des Schmelzkessels, wie derselbe in Praxis ausgeführt ist, dienen
                              										Fig. 44
                              									und 45, woran
                              									wenigstens die wesentlichen Theile ersichtlich sind. Ein gußeiserner Cylinder B liegt in einem schmiedeeisernen  Cylinder A; die Stirnseiten sind mit einander verschraubt. Der Apparat liegt nach
                              									einer Seite geneigt, damit sich der geschmolzene Schwefel am tiefsten Theil
                              									ansammeln kann. In den innern Cylinder B kommt der
                              									Schwefel mit dem nöthigen Wasser und Es befindet sich in diesem Cylinder eine Welle
                              									mit Armen zum Umrühren der Masse. Der Rührer wird durch Maschinenkraft mittelst des
                              									Zahnrades R bewegt. An beiden Enden der Rührerwelle
                              									befinden sich Stopfbüchsen. Bei m wird der Schwefel
                              									eingebracht; Es ist dieß ein Mannlochverschluß (wie bei Dampfkesseln). Der Dampf
                              									strömt aus einem besonderen Dampfkessel bei a in den
                              									schmiedeeisernen Cylinder ein, umgibt also den gußeisernen Cylinder B, strömt bei o in den
                              									inneren Cylinder und nach beendigter Schmelzung läßt man den Dampf durch d und das Ventil v
                              									entweichen. Der geschmolzene Schwefel wird durch eine besondere Ablaßvorrichtung,
                              									die hier nicht gezeichnet ist, bei z abgelassen. S ist ein Sicherheitsventil. Auf diese Weise gewinnt man
                              									etwa 60–65 Proc. des in den Sodarückständen enthaltenen Schwefels in Form von
                              									chemisch reinem Schwefel. Auf 1 Ctr. Schwefel werden 2 – 2¼ Ctr.
                              									Salzsäure gebraucht. Bei rationeller Einrichtung betragen die Arbeitslöhne pro Ctr. Schwefel circa 12
                              									Sgr. — Bei denjenigen Fabriken, wo die Salzsäure großen Werth hat, kann man
                              									auch die Rückstände der Chlorkalkfabrication mit in Anwendung bringen und dadurch
                              									chemisch reinen Schwefel erhalten. Die Rückstände der Chlorkalkfabrication, die im
                              									Wesentlichen aus Manganchlorür mit viel freier Salzsäure neben Eisenchlorid
                              									bestehen, werden zu diesem Zweck wie folgt behandelt: Zuerst werden die
                              									Chlorrückstände von ihrem Eisenchlorid befreit. Man läßt zu diesem Zwecke diese
                              									Rückstände in ein Gefäß fließen und durch ein Trichterrohr Schwefellauge in kleinen
                              									Quantitäten einlaufen. Es entwickelt sich sofort Schwefelwasserstoffgas und dieses
                              									reducirt das Eisenchlorid zu Chlorür. Man rührt dabei um. Fe2 Cl3
                                 										+ HS = 2 Fe Cl + H Cl+S Ohne meitere Reaction erkennt man schon an der
                              									Farbe, wenn die Reduction vorüber ist. Der sich hier ausscheidende Schwefel ist von
                              									häßlicher Farbe; er wird von Zeit zu Zeit gesammelt und in den Schwefelöfen
                              									verbrannt. Wenn die Chlorkalkrückstände auf diese Weise präparirt sind, so enthalten
                              									sie also kein Eisenchlorid. Im Ausfällapparat können dieselben nun wie Salzsäure
                              									verwendet werden. Bei Erklärung des Vorganges im Ausfällapparat wurde gezeigt, daß
                              									die Polysulfurete immer durch die schweflige Säure der vorghenden Zersetzung in
                              									unterschwefligsaure Salze übergeführt wurden. Wenn also die Zersetzung mit Salzsäure
                              									erfolgt, so ist kein Schwefelcalcium mehr vorhanden. Statt Salzsäure wendet man nun
                              									die präparirten Chlorrückstände an und Es wirken die in denselben vorhandenen  freien Salze nun eben
                              									so gut zersetzend auf die unterschwefligsauren Salze, als reine Salzsäure.
                              									Schwefelmangan und Schwefeleisen kann sich nicht bilden, da gewöhnlich kein
                              									Schwefelcalcium mehr vorhanden ist. Sollte aber doch etwas Schwefelcalcium
                              									gegenwärtig seyn, so setzt man etwas Salzsäure zu, bevor man die Chlorrückstände
                              									anwendet. Man kann auf diese Weise ¾ der ganzen Salzsäure ersparen, die sonst
                              									nöthig wäre und erhält doch reinen Schwefel. Hätte man die Chlorkalkrückstände vor
                              									der eigentlichen Anwendung nicht auf obige Weise vorbereitet, so würde das
                              									Eisenchlorid schädlich wirken, Es wirkt zersetzend auf die schweflige Säure ein und
                              									würde diese aus der Circulation bringen, Es würde sich Schwefelsäure und aus dieser
                              									Gyps bilden, der den Schwefel verunreinigt und Verlust an Schwefel entstehen; denn
                              										Fe2 CI3 + SO2 + HO
                                 										gibt 2 Fe Cl + SO3 + HCl. Nach dem
                              									beschriebenen Verfahren wirkt aber das Eisenchlorid nicht schädlich, ein Theil
                              									seiner Salzsäure wird sogar nützlich gemacht und man kann auf diese Weise auch
                              									chemisch reinen Schwefel darstellen ohne Anwendung von Salzsäure oder doch nur mit
                              									sehr geringem Verbrauch von Salzsäure.
                           Wie oben angeführt, enthält der Schwefel aus den Ausfällapparaten, bevor er zum
                              									Reinigungsproceß gelangt, etwas Gyps. Dieser Gyps kommt von dem Schwefelsäuregehalt
                              									der angewendeten Salzsäure. Auf Grund dieses Gypsgehaltes hat man von einer Seite
                              									die Behauptung aufgestellt, der unterschwefligsaure Kalk zerfalle mit Salzsäure
                              									nicht in SO2 + S (CaO, S2O2 + HCL=
                                 										CaCl + SO2 + S + HO), sondern Es bilde
                              									sich Trithionsäure und diese (resp. der trithionsaure Kalk) werde durch Kochen in
                              									Gyps und Schwefel zerlegt. Dem ist aber nicht so. wendet man genügende Mengen von
                              									Salzsäure an, so zerfällt der unterschwefligsaure Kalk vollständig in schweflige
                              									Säure, Schwefel, Wasser und Chlorcalcium. Gekocht wird natürlich bei der Zersetzung
                              									nicht; erst wenn die Zersetzung beendigt ist, wird die schweflige Säure, die von der
                              									Flüssigkeit absorbirt, durch Erwärmen mit Dampf vollständig ausgetrieben.
                           Dieses Verfahren der Schwefelwiedergewinnung aus Sodarückständen ist nun in fast
                              									allen bedeutenden Sodafabriken des Zollvereines eingeführt, ebenso hat man in
                              									England, Frankreich und Belgien mit der Einführung desselben begonnen. Auf der
                              									Pariser Ausstellung hatten folgende Fabriken Schwefel ausgestellt, der nach diesem
                              									Verfahren dargestellt war:
                           Die chemische Fabrik Rhenania zu Stolberg (Preußen),
                           Die chemische Fabrik Silesia zu Saarau (Preußen),
                           
                           Die chemische Fabrik zu Schönebeck (Preußen),
                           Die chemische Fabrik zu Außig (Oesterreich),
                           Die chemische Fabrik zu Hruschan (Oesterreich),
                           der Verein chemischer Fabriken zu Mannheim (Baden).
                           Für die Sodafabriken ist dieser neue Proceß von größter Wichtigkeit; die Außiger
                              									Fabrik allein stellt jährlich 9000 Ctr. chemisch reinen Schwefel aus Sodarückständen
                              									dar und hat seit der Einführung des Processes schon für 250,000 fl. österr. W.
                              									Schwefel in Handel gebracht. Zieht man nun die Production der übrigen Fabriken in
                              									Betracht, so wird man gewiß den bedeutenden Werth des Verfahrens nicht
                              									unterschätzen. Aber auch andere Vortheile bietet das Verfahren den Sodafabriken, Es
                              									wird nämlich die Ueberproduction an Salzsäure der meisten Fabriken hierdurch
                              									beseitigt, indem die Salzsäure hier zu einer sehr gewinnbringenden Fabrication
                              									verwendet wird. Dadurch wird Es ferner möglich, sowohl beim Verkauf der Salzsäure
                              									als auch bei dem des Chlorkalkes höhere Preise zu erzielen, da man früher froh war,
                              									die überflüssige Salzsäure nur für wenig Groschen in Form von Chlorkalk zu
                              									verwerthen. Dieß sind die pecuniären Seiten der Wiedergewinnung des Schwefels, aber
                              									auch in Hinsicht auf Hygiene ist die Erfindung ein großer Fortschritt zu nennen.
                              									Früher bedeckte man die Sodarückstände, die sich in der Nähe der chemischen Fabriken
                              									in großen Massen anhäufen, mit Erde. Allein diese Mahregel war sehr unvollständig,
                              									die Zersetzung der Sodarückstände ging nicht so schnell, aber doch allmählich von
                              									statten und wurde so eine reichliche und continuirliche Quelle von
                              									Schwefelwasserstoffgas, wodurch die Umgebung der Sodafabriken fortwährend belästigt
                              									wurde. Auf der Außiger chemischen Fabrik wurden alte Rückstände zu Schwefel
                              									verarbeitet, die neun Jahre mit Erde bedeckt und noch in voller Zersetzung begriffen
                              									waren. Durch den Schwefelwiedergewinnungsproceß, der in der Ausführung geruchlos
                              									ist, wird der Schwefel aus den Rückständen entfernt und nach der Entschwefelung
                              									bestehen dieselben im Wesentlichen aus kohlensaurem Kalk und Gyps, beides Körper,
                              									die geruchlos und keiner weiteren freiwilligen Zersetzung mehr fähig sind. Die
                              									Sodarückstände sind also für alle Zeiten ein für alle Mal unschädlich gemacht. Es
                              									ist mithin auch die Unschädlichmachung der Sodarückstände auf eine glückliche Weise
                              									bewirkt. Diese Rückstände, die, wie schon oben angeführt, nur aus kohlensaurem Kalk
                              									und Gyps bestehen, können nun in vielen Fällen mit Erfolg zu landwirtschaftlichen
                              									Zwecken angewendet werden. Wenn man nun bedenkt, welchen großen Werth der jährlich
                              									wiedergewonnene Schwefel sämmtlicher Fabriken repräsentirt, die nach dem Verfahren
                              									arbeiten, welche Summen jährlich verloren gingen, ebenso  daß der Landwirthschaft nun so
                              									große Massen Gyps und kohlensaurer Kalk zugeführt werden, so kann das Verfahren auch
                              									in national-ökonomischer Beziehung gewiß wichtig genannt werden.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
