| Titel: | Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Chemie in Braunschweig. | 
| Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CXI., S. 417 | 
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                        CXI.
                        Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische
                           								Chemie in Braunschweig.
                        (Fortsetzung von S. 308 des vorhergehenden Heftes.)
                        Mittheilungen aus dem Laboratorium für technische Chemie in
                           								Braunschweig.
                        
                     
                        
                           II. Abnormes Verhalten von
                                 										Zuckerkalk.
                           Bekanntlich besitzt die Verbindung des Zuckers mit Kalk die Eigenschaft in der Kälte
                              									eine klare Auflösung mit Wasser zu bilden, die in der Wärme sich stark trübt oder
                              									gerinnt. Bei Gelegenheit eines Vorlesungsversuches damit, beobachtete man eine
                              									eigenthümliche Erscheinung. Es  war zu dem Ende eine Lösung von reinem Zucker bereitet,
                              									mit Ueberschuß von gelöschtem Kalk eine Zeit lang geschüttelt und filtrirt worden,
                              									wie gewöhnlich. Diese Lösung zeigte beim Erwärmen nicht die geringste Trübung. Die
                              									Prüfung ergab, daß die Lösung aus Zucker und Kalk bestand, wie vorausgesetzt worden,
                              									mithin keine Verwechselung stattgefunden hatte; bei der Bereitung war ganz in
                              									vorschriftsmäßiger Weise verfahren worden und die Ermittelung der näheren Umstände
                              									wies nur eine einzige anscheinend unwesentliche Abweichung nach. Es war nämlich zur
                              									Herstellung der fraglichen Lösung ein chemisch reines Kalkhydrat verwendet worden,
                              									welches zu anderen Zwecken bereitet, gerade zur Hand war. In der That, als man die
                              									nämliche Zuckerlösung mit gelöschtem Kalk der Kalköfen, wie er zu Mörtel dient,
                              									versetzte, zeigte sie wieder die bekannte Eigenschaft, sich in der Wärme zu
                              									trüben.
                           Es schien demnach chemisch reiner Kalk in Zuckerlösung sich anders zu verhalten, als
                              									der käufliche Kalk. Vergleichende Versuche zur Ermittelung der Ursache dieser
                              									Abweichung gaben der Sache gleich beim ersten Angriff eine andere Wendung. Der
                              									Vorrath an raffinirtem Zucker war zufällig bei den zuerst erwähnten Versuchen zu
                              									Ende gegangen und durch frische Raffinade ergänzt worden. Die Lösung dieser
                              									letzteren trübte sich aber in der Wärme ebensogut mit dem chemisch reinen, als
                              									käuflichen Kalk; ein kleiner Rest des vorigen Zuckervorrathes, der sich am Boden des
                              									Kastens in Krümeln zusammenkehren ließ, zeigte wie anfangs die Eigenschaft als
                              									Lösung in der Wärme zu gerinnen ausschließlich mit dem käuflichen Kalk, nicht mit
                              									dem chemisch reinen.
                           Beide Zucker waren Raffinade aus derselben Handlung zu demselben Preise und nahe von
                              									demselben Ansehen, nur erschien die zuletzt gekaufte von dichterem schönerem Korn
                              									und etwas weißerer Farbe. Da die abnorme Zuckersorte nicht näher bezeichnet werden
                              									konnte, so war alle Möglichkeit abgeschnitten, den Gegenstand weiter zu verfolgen.
                              									Vielleicht finden in Zuckerfabriken beschäftigte Chemiker Gelegenheit, dieß zu thun
                              									und damit ein vielleicht werthvolles Merkmal zur Unterscheidung verschiedener Sorten
                              									raffinirten Zuckers aufzusinden.
                           
                        
                           III. Sodabereitung aus schwefelsaurem
                                 										Natron und Eisenoxyd; von Waldeck.
                           Das Verfahren, Soda aus schwefelsaurem Natron fabrikmäßig durch Schmelzen mit
                              									Eisenoxyd und Kohle zu erzeugen, stellt so große Vortheile in Aussicht, daß die
                              									praktische Ausführbarkeit in hohem Grade  wünschenswerth erscheint. Schon Stromeyer
                              									Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. CVII S.
                                    											333. hat diese Vortheile in seiner Abhandlung über diesen Gegenstand aufgezählt:
                              									Es wird kein unbrauchbarer Rückstand erhalten, denn das rückständige Echwefeleisen
                              									ist bequem und gut zu verwerthen, der Schwefel zur Schwefelsäurefabrication, das
                              									Eisenoxyd dient wiederholt zu demselben Sodaproceß; die Auslaugung ist ungleich
                              									leichter und vollkommener als bei dem Leblanc'schen
                              									Verfahren, die Laugen sind frei von Schwefelnatrium.
                           Bei Gelegenheit einer Darstellung von Schmelze aus Sulfat, Eisenoxyd und Kohle,
                              									zunächst zu Vorlesungszwecken, wurden einige Beobachtungen gemacht, welche zu den
                              									aufgezählten Vortheilen noch neue hinzuzufügen schienen und deßwegen weiter verfolgt
                              									wurden.
                           Es zeigte sich, daß die Vorschrift von Kopp, wornach 3 At.
                              									schwefelsaures Natron, 1,7 At. Eisenoxyd und 16 At. Holzkohlenpulver angewendet
                              									werden, einen unnöthigen Ueberschuß an den beiden letzten Zuthaten enthält. Für die
                              									folgenden Versuche wurde die einfachste Vorschrift von Stromeyer zu Grunde gelegt, nämlich:
                           
                              
                                 schwefels. Natron
                                 Eisenoxyd
                                 Kohle
                                 
                              
                                 3,0 At.
                                 1,0 At.
                                 8,0 At.
                                 
                              
                                    105 Gew. Th.
                                    40 Gew. Th.
                                    25 Gew. Th.
                                 
                              
                           Die Mischung ist leicht schmelzbar, kommt bei guter Rothglühhitze in Fluß, ist
                              									anfangs dick und teigig. Sie bläht sich in Folge der starken Gasentwickelung auf,
                              									die sehr lange andauert. Wenn diese zu Ende geht, sinkt die Masse, wird dünnflüssig
                              									und läßt sich gut auf eine kalte Eisenplatte ausgießen, wo sie sofort erstarrt. Die
                              									fertige Schmelze ist fast schwarz mit einem Stich in's Braungrüne und einem
                              									schwachen metallischen Schein an der Oberfläche. Sie verhielt sich an der Luft,
                              									namentlich in einem Strom von feuchter Kohlensäure ganz wie dieß Stromeyer beschrieben hat. An der Luft verwandelt sie
                              									sich nach einiger Zeit in eine mattschwarze kienrußartige Masse; in einem Strom von
                              									feuchter Kohlensäure erhitzt sie sich, bläht sich stark auf, erhält Kantenrisse,
                              									zerfällt und verwandelt sich unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff in eine
                              									ähnliche aufgeschlossene mattschwarze Masse. Nur gegen Wasser verhielt sich die
                              									Schmelze wesentlich anders, als Stromeyer mit der von ihm
                              									dargestellten beobachtet zu haben scheint. Mit viel Wasser im Sieb behandelt, gab
                              									nämlich die frische oder in geschlossenen Gefäßen aufbewahrte Schmelze keine
                              									Aufquellung (Emulsion), die sich durch Kohlensäure nicht klären läßt, sondern unter
                              									Hinterlassung eines geringen  schwarzen Rückstandes eine schwarzgrüne unschwer
                              									filtrirbare Lösung; durch Einleiten von Kohlensäure wurde diese völlig wasserklar,
                              									während sich ein schwarzer Niederschlag von geringem Umfang am Boden absetzte. Die
                              									wasserklare Lösung hinterläßt nach dem Eindampfen einen weißen, löslichen, salzigen
                              									Rückstand, der stark alkalisch reagirt, mit Säuren stark aufbraust, Bleisalze nicht
                              									schwärzte, aber Schwefelsäure und etwas Eisen enthielt.
                           Der in heißem Wasser unlösliche Rückstand betrug in einem Fall nur 2,79 Proc. der
                              									Schmelze und bestand größtentheils aus Kohle.
                           Ebenso wie gegen Kohlensäure verhält sich die schwarzgrüne Lösung der Schmelze gegen
                              									kohlensaures, gegen chlorwasserstoffsaures Ammoniak, gegen Chlornatrium und gegen
                              									Weingeist; alle diese geben eine wasserklare Lösung und den schwarzen Niederschlag.
                              									Wird dieser Niederschlag mit destillirtem Wasser gewaschen, so gibt er wieder eine
                              									grüne Lösung.
                           Diesem Verhalten nach könnte Es kaum eine einfachere Fabrication geben, als
                              									Herstellung einer solchen Schmelze, Lösung derselben in kochendem Wasser, Fällen mit
                              									Kohlensäure, Verdampfen der klaren Lösung zu Soda, während der schwarze
                              									Niederschlag, der noch Natrium neben Eisen und Schwefel enthält, seinen Schwefel in
                              									den Schwefelsäure-Röstöfen abgebend, wieder zu neuer Schmelze verwendet
                              									würde. So verlockend indessen das Verhalten der Schmelze erscheint, so bedeutende
                              									Schwierigkeiten bietet die Herstellung derselben: sie greift nämlich die Gefäße
                              									aller Art in einer wahrhaft erschreckenden Weise an. Zwei Schmelzen im
                              									Gußeisentiegel bei Holzkohlenfeuer im Windofen ergaben bei der Analyse durch
                              									Ausschließen mit Chlorwasserstoffsäure:
                           
                              
                                 
                                 a.
                                 b.
                                 
                              
                                 Unlöslichen Rückstand
                                 2,32
                                 4,59
                                 
                              
                                 Eisen
                                 64,73
                                 62,06
                                 
                              
                                 Schwefel als Schwefelwasserstoff
                                 10,59
                                 10,15
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 2,49
                                 0,40
                                 
                              
                                 Natron
                                 19,87
                                 22,56
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 99,76
                                 
                              
                           Der gesammte Schwefelgehalt der Schmelze a) betrug 12,62,
                              									derjenige der Schmelze b) 10,95. In der Schmelze a) ist der Natrongehalt aus der Differenz berechnet, in
                              										b) als Chlormetall bestimmt. — Die Mischung
                              									woraus diese Schmelzen geschmolzen wurden, enthält ungleich weniger Eisen als das
                              									Product; die vergleichende Berechnung ergibt nämlich:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 192, S. 420
                              Gesammter Schwefelgehalt; Natron;
                                 										Eisen; Die Vorschrift; Gem. Th; die Schmelze a); b)
                              
                           Während sich also das Verhältniß des Schwefels zum Natron in der Schmelze in dem
                              									einen Fall ungefähr, in dem anderen völlig gleichgeblieben ist, hat sich der
                              									Eisengehalt verfünffacht, d. h. zu 1 Gew. Th. Eisen der Mischung sind 4 Gew. Th.
                              									Eisen aus dem Tiegel hinzugekommen, wie denn auch der Zustand des letzteren sattsam
                              									erwies. Zudem war aus der wässerigen Lösung durch Kohlensäure ein verhältnißmäßig
                              									geringer Betrag an kohlensaurem Natron erhalten worden, nämlich aus der Probe b) nur 9,42 Proc. der Schmelze anstatt etwa 36 Proc.
                              									— Die Erwartung, daß Ausfüttern der Tiegel mit einer Masse aus Kohkspulver
                              									und Theer den Angriff der Schmelze gegen das Eisen hindern werde, bestätigte sich
                              									nicht. Der Kohlenüberzug wird allzuleicht von der flüssigen Schmelze durchdrungen,
                              									löste sich auch stückweise ab, kurz war weder haltbar noch dicht zu bekommen.
                              									— Von Platintiegeln bemerkt Stromeyer, daß diese
                              									nur „unbedeutend“ angegriffen werden. Bei Versuchen damit war
                              									der Boden beim zweiten Schmelzen durchgebrochen. Die Schmelze hatte sich deutlich in
                              									einen körnigen Theil und in einen dünnflüssigen geschieden; der körnige Theil nahm
                              									mit der Dauer des Schmelzens zu. Der Tiegel war nur mit dem Deckel bedeckt, nicht
                              									verkittet. Der flüssige Theil der Schmelze ließ sich leicht zum größeren Betrag
                              									abgießen, so daß man ihn ohne Einmischung des körnigen Theiles erhielt.
                           Diese dünnflüssige Schmelze hinterließ, mit kochendem Wasser behandelt, 2,79 Proc.
                              									Rückstand (s. oben).
                           Die schwarzgraue Lösung gab mit kohlensaurem Ammoniak einen schwarzen Niederschlag
                              									und eine wasserklare Lösung; die Analyse von beiden Theilen ergab:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 192, S. 420
                              Schwefel; Eisen; Natrium;
                                 										Niederschlag; schwefelsaures Natron; kohlensaures Natron; Lösung; 98,84
                              
                           Der körnige Theil von der anhängenden geflossenen Masse durch  verdünnte Salzsäure befreit,
                              									hinterließ einen darin unlöslichen, in mikroskopischen Oktaëdern krystallisirten,
                              									magnetischen Körper, Eisenoxyd—Oxydul, der seinen eigentlichen Bestand
                              									ausmacht. — Die Schmelzung beweißt, wie sehr schädlich und den Erfolg
                              									umkehrend auch ein beschränkter Zutritt von Luft ist.
                           Die Abhaltung der Luft wäre bei der Ausführung im Großen eine leicht zu befriedigende
                              									Forderung, dagegen dürfte die Frage, welches Material zu den Schmelzgefäßen oder
                              									deren Auskleidung zu nehmen ist, kaum überwindliche Schwierigkeiten bieten,
                              									namentlich da die beiden Hauptstoffe, Gußeisen und Thon, ganz unhaltbar sind.