| Titel: | Ueber die Zugutemachung der Silber-, Blei - und Kupfererze auf elektrochemischem Wege; von Becquerel. | 
| Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CXXV., S. 471 | 
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                        CXXV.
                        Ueber die Zugutemachung der Silber-, Blei
                           								- und Kupfererze auf elektrochemischem Wege; von Becquerel.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXVIII p. 482; März
                              									1869.
                        Becquerell, über elektrochemische Zugutemachung der Silber–,
                           								Blei – und Kupfererze.
                        
                     
                        
                           Ich erlaube mir hiermit, der (französischen) Akademie über die von 1835 bis 1840 von
                              									mir abgeführten Versuche zur Zugutemachung der Silber-, Blei- und
                              									Kupfererze auf elektrochemischem Wege nochmals Mittheilungen zu machen.
                           Meine erste Mittheilung über diesen Gegenstand datirt von 1836 (Comptes rendus, t. H p. 230); zwei andere Mittheilungen wurden in den
                              									öffentlichen Sitzungen der fünf Akademien am 2. Mai 1837 und 1838 gemacht. Seitdem
                              									habe ich aufgehört, mich mit diesem Verfahren zu beschäftigen.
                           Das allgemeine Princip desselben besteht in der Anwendung galvanischer Ketten, welche
                              									aus Zink, Eisen oder Blei in Verbindung mit Kupfer oder gut ausgeglühter Kohle
                              									zusammengesetzt sind; die Platten des nicht oxydirbaren Metalles oder die
                              									nichtmetallischen leitenden Substanzen werden mit der silberhaltigen Lösung der in
                              									geeigneter Weise auf- und vorbereiteten Erze in unmittelbare Communication
                              									gesetzt, das oxydirbare Metall hingegen kommt in poröse Diaphragmen aus Segeltuch
                              									oder ungegerbter Thierhaut, welche nur mit Salzwasser gefüllt sind und in die
                              									Erzlösung tauchen, alsdann in metallische Verbindung mit den ersteren gesetzt
                              									werden.
                           Die Metalle, welche in dem zu feinem Mehle verwandelten Erze enthalten sind, werden
                              									nach den Methoden die in dem von mir gemeinschaftlich mit Edm.
                                 										Becquerel in drei Bänden herausgegebenen Traité
                                 										d'Electricité et de Magnétisme, Paris 1855 beschrieben sind,Nämlich in der ausfuhrlichen Abhandlung, welche dieses Werk (t. II p.276 bis 446) über die elektrochemische
                                    											Zugutemachung der Silber-, Blei- und kupfererze enthält; Becquerel hat über den Hauptinhalt dieser
                                    											Abhandlung vor deren Veröffentlichung der französischen Akademie am 26. Juni
                                    											1854 einen Bericht erstattet, welcher aus den Comptes
                                       												rendus t. XXXVIII p. 1095 im polytechn. Journal Bd.CXXXIII S. 213 mitgetheilt wurde.A. d. Red.
                              									 chlorirt oder
                              									sulfatisirt. Das präparirte Erz kommt in große, gesättigte Kochsalzlösung
                              									enthaltende Bassins, welche mit einem durch einen Motor getriebenen Rührapparate
                              									versehen sind; die löslichen Metallsalze gehen hier in Lösung.
                           Nachdem der ungelöst gebliebene Rückstand des Erzes sich abgesetz hat, wird die
                              									Flüssigkeit in andere Behälter abgelassen, in denen die oben erwähnten Elemente sich
                              									befinden. Auf diese Weise wurden 20,000 Kilogrm. Erze, die aus Mexiko, Peru, Chili,
                              									Sibirien, Freiberg, Markirchen und von verschiedenen Orten Frankreichs nach Paris
                              									gesendet worden waren, mit Erfolg zugutegebracht.
                           Es war dieß das erste Mal, daß in großem Maaßstabe construirte Batterien mit
                              									constantem Strom, bei denen die beiden Flüssigkeiten durch ein poröses Diaphragma
                              									getrennt sind und deren Princip ich im Jahre 1829 der Akademie mitgetheilt hatte
                              										(Annales de Chimie et de Physique, 2. série, t. XLI p. 19), zur Anwendung kamen.
                           Indem wir mehrere dieser Elemente zu einer Batterie verbanden, konnten wir die zur
                              									Reduction der Metalle erforderliche Zeit abkürzen. Ich habe in dem vorhin erwähnten
                              									Werke die Beschreibung einer Silberhütte mitgetheilt, in welcher Es möglich war, 900
                              									Kubikmeter, der das Chlorsilber in Lösung enthaltenden gesättigten Kochsalzlösung
                              									auf einmal zu behandeln, so daß binnen 24 Stunden 500 Kilogrm. Silber gewonnen
                              									werden konnten. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sich auch kupfer- und
                              									bleihaltige Silbererze auf elektrochemischem Wege ohne Schwierigkeit zugutemachen
                              									lassen, sobald das Seesalz zu billigem Preise zu, beziehen und genug Holz zum
                              									Abrösten der Erze vorhanden ist, falls die Chloration auf nassem Wege nicht
                              									ausgeführt werden kann.
                           Gleichzeitig gab ich ein Mittel zur Trennung des Silbers vom Bleie im Bleiglanze an,
                              									eine Art von Kupellation auf nassem Wege.
                           Hr. Sainte-Claire Duport, welcher lange Zeit an der
                              									Spitze der Affiniranstalten der mexicanischen Regierung stand, ein durchaus
                              									competenter Richter in dieser Sache, spricht sich in seinem Werke „über
                                 										die Production von Edelmetallen in Mexico“ bezüglich des
                              									elektrochemischen Verfahrens in nachstehender Weise aus:
                           „Welche Folgen würde das gänzliche Fehlen des Quecksilbers haben, wenn das
                                 										Almadener Werk, sey Es wegen Zubruchegehens der Baue, oder Aufgehens zu großer
                                 										nicht zu bewältigender Wassermassen, oder endlich Abgebautseyns aller
                                 										bauwürdigen 
                                 										Erzmittel (Ereignisse, welche zwar wenig wahrscheinlich, aber immerhin möglich
                                 										sind), keinen Zinnober mehr liefern könnte?“
                           
                              „Die Production metallischen Quecksilbers würde dann auf die Gruben
                                 										Kärnthens beschränkt und für den Bedarf bei weitem nicht hinreichend seyn; Es
                                 										müßte daher eine Preiserhöhung entstehen, welche einem absoluten Mangel an jenem
                                 										Metalle so ziemlich gleichkommen würde. Was würde dann aus der Silbergewinnung
                                 										in Mexico werden?“
                              
                           
                              „Noch vor wenigen Jahren würde eine Lösung dieser Frage sehr schwierig
                                 										gewesen seyn, denn damals kannte man noch kein anderes Mittel zur Extraction des
                                 										Silbers aus seinen Erzen, als den gewöhnlichen Schmelzproceß und die
                                 										Amalgamation. Heutzutage liegt die Sache anders. — — Ich hatte
                                 										Gelegenheit, mich von der hüttenmännischen Anwendbarkeit des elektrochemischen
                                 										Verfahrens auf die mexicanischen Erze zu überzeugen, und zwar sowohl durch die
                                 										Versuche, welche mit einem nach Paris gesendeten Quantum von 4000 Kilogrm. Erzen
                                 										aus den wichtigsten Bergbaudistricten abgeführt wurden, als durch eigene
                                 										praktische Arbeiten. Nachdem die Ausführbarkeit des Verfahrens in großem
                                 										Maaßstabe einmal festgestellt war, reducirte sich die Frage auf eine
                                 										Vergleichung der Kosten der alten Methode und des neuen
                                 									Systemes.“
                              
                           Hr. Duport war im Begriffe, das elektrochemische Verfahren
                              									in Mexico einzuführen, als er durch Familienangelegenheiten nach Frankreich
                              									zurückgerufen wurde, wo er seit dieser Zeit geblieben ist.
                           Bei diesem Verfahren functioniren galvanische Apparate mit Zink, Eisen oder Blei und
                              									Salzwasser, ohne Mitwirkung einer Säure; auch ist dabei die Anwendung von
                              									Quecksilber ausgeschlossen.
                           In der Eingangs erwähnten Mittheilung vom Jahre 1838 brachte ich ein anderes
                              									Verfahren in Vorschlag, dem nachstehendes Princip zu Grunde liegt:
                           Zunächst werden die Erze einer vorbereitenden Behandlung mittelst verschiedener
                              									Processe unterworfen, welche von ihrer Beschaffenheit und den im Lande verfügbaren
                              									chemischen Producten abhängen; hierauf leitet man in die auf geeignete Weise
                              									vorbereitete und mit Kochsalzlösung durchfeuchtete Erzmasse einen elektrischen
                              									Strom, durch welchen das Silber dem betreffenden (aus nicht oxydirbaren Körpern
                              									bestehenden) Pole zugeführt und so in Form von Pulver, von Krystallen oder von
                              									Blättchen erhalten wird.
                           Seit 1840 hat dieses Verfahren keine praktische Anwendung gefunden; erst seit etwa
                              									einem Jahre zog es, wie aus mehreren im Courrier de
                                 										San-Fransisco erschienenen Artikeln
                              									hervorgeht, die öffentliche Aufmerksamkeit in Californien
                              									auf sich. Der erste dieser Artikel datirt von Ende Octobers 1868, der zweite vom 14.
                              									Januar dieses Jahres; letzterer enthält einen Bericht von Holf und Pioche, welche sich mit Eifer und
                              									Verständniß mit diesem Verfahren beschäftigen.
                           Die Genannten erinnern zunächst an alle von mir zur Lösung dieser Frage gemachten
                              									Anstrengungen und sprechen sich über dieselben sehr anerkennend aus; dann
                              									beschreiben sie die von ihnen eingeführten Verbesserungen, welche mir, obschon ich
                              									davon nur eine unvollkommene  Kenntniß habe, rationell zu seyn scheinen. Diese
                              									Verbesserungen bestehen in Folgendem: Zunächst haben sie das erste Verfahren, von
                              									dem ich oben sprach, ganz aufgegeben; sie halten sich an die zweite Methode und
                              									haben derselben, wie ich glaube, eine für die praktische Benutzung geeignete Form
                              									gegeben; dieselbe bezweckt die Extraction nicht blos des Silbers, sondern auch des
                              									Goldes. Die Batterie wird mit dem Erze selbst, wahrscheinlich nachdem dasselbe mit
                              									Chlornatriumlösung durchfeuchtet worden (worüber sie sich nicht näher aussprechen)
                              									in Verbindung gebracht; das Erz wird vorher in feines Mehl verwandelt und mit
                              									Substanzen (die sie nicht angeben) versetzt, durch welche Es zersetzt wird. Nachdem
                              									Platten von amalgamirten Kupfer und zweifelsohne auch Platten von einem oxydirbaren
                              									Metalle in das teigartige Gemenge eingesenkt und nachdem die ersteren mit dem
                              									regativen und die letzteren mit dem positiven Pole der Batterie verbunden worden
                              									sind, wird diese Masse in eine continuirliche Drehbewegung versetzt, worauf das
                              									Silbersalz unter dem Einfluß der Batterie und des amalgamirten Kupfers durch den
                              									Strom zersetzt wird. Ueber die zugesetzten chemischen Agentien sagen sie nichts; sie
                              									bemerken in dieser Hinsicht am Schlusse ihres Berichtes:
                           
                              „Was die chemischen Reactionen betrifft, welche nothwendiger Weise
                                 										stattfinden müssen, damit die Edelmetalle an den negativen Pol geführt werden
                                 										können, so sind dieselben zahlreich und complicirt, und obgleich wir die Formeln
                                 										für dieselben schon seit längerer Zeit aufgestellt haben, so glauben wir doch
                                 										mit der Veröffentlichung derselben warten zu müssen, bis sie der französischen
                                 										Akademie der Wissenschaften vorgelegt und von unseren großen Meistern anerkannt
                                 										worden sind.“
                              
                           Hiernach glaube ich bezüglich dieses Verfahrens, welches ich für eine Verbesserung
                              									des meinigen halte, vorläufig die größte Zurückhaltung beobachten zu müssen, und
                              									zwar um so mehr, als man vor Allem die Gestehungskosten und alle Details des bereits
                              									in großem Maaßstabe versuchsweise ausgeführten verbesserten Verfahrens kennen müßte.
                              									Mittelst desselben werden 80 bis 87 Proc. von dem Silbergehalte der Erze
                              									ausgebracht.
                           Es war mein Wunsch, inzwischen die Aufmerksamkeit des hüttenmännischen Publicums auf
                              									diese für die Silberextraction sehr wichtige Frage zu lenken.