| Titel: | J. Lürmann's Hohöfen mit geschlossener Brust und continuirlichem Schlackenabfluß. | 
| Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXI., S. 106 | 
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                        XXXI.
                        J. Lürmann's Hohöfen mit geschlossener Brust und
                           								continuirlichem Schlackenabfluß.
                        Lürmann's Hohöfen mit geschlossener Brust und continuirlichem
                           								Schlackenabfluß.
                        
                     
                        
                           Zur Beseitigung der vielen Uebelstände, welche bei der bisherigen Einrichtung der
                              									Hohöfen das Vorhandenseyn eines Vorherdes mit sich brachte, – das Reinigen
                              									und Repariren des letzteren, die unregelmäßige Vertheilung der Formen, das Bedürfniß
                              									kräftiger und geübter Schmelzer, der Verbrauch an Thon, Lehm und Gezähe etc., ganz
                              									besonders aber die schädlichen Stillstände nach dem Abstiche, – hat J. Lürmann, Betriebsingenieur der Georgs Marienhütte bei
                              									Osnabrück, auf dieser Hütte Kohks-Hohöfen mit geschlossener Brust und
                              									continuirlichem Schlackenabfluß eingerichtet. Bei den dortigen Hohöfen, welche aus
                              									verhältnißmäßig armen Erzen, also bei großer Schlackenmenge, 70,000 bis 100,000 Pfd.
                              									Roheisen pro Tag und Ofen liefern, beträgt die durch
                              									Vermeidung der Stillstände gewonnene Betriebszeit mindestens 20 Tage pro Jahr oder 1,31 Stunden pro Tag. Wegen des Mangels an einem wirksamen Patentschutz hält Lürmann die von ihm getroffene Einrichtung, welche auch
                              									an schon in Betrieb befindlichen Hohöfen angebracht werden kann, geheim; er erklärt
                              									sich aber bereit, jedem Hüttenwerk gegen ein mäßiges Honorar und unter der Bedingung
                              									der Geheimhaltung auf Wunsch vollständige Mittheilung über Einrichtung und Betrieb
                              									der Hohöfen mit geschlossener Brust und constantem Schlackenabfluß zukommen zu
                              									lassen. (Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1868 S. 4.)
                           Zur Beantwortung der Fragen: „Welche Erfolge sind bisher mit der Lürmann'schen Einrichtung beim Hohofenbetriebe in
                                 										Oberschlesien erreicht worden? Worin bestehen ihre Vortheile, worin ihre
                                 										Nachtheile?“ trat am 19. December 1868 zu Königshütte eine Commission
                              									zusammen, bestehend aus den Betriebsbeamten derjenigen Hohöfen, welche diese
                              									Einrichtung bereits eingeführt haben.
                           
                           Ueber die Lürmann'sche Einrichtung ist kurz zu bemerken,
                              									daß dieselbe darin besteht, daß bei den Hohöfen mit geschlossener Brust eine
                              									unveränderliche Schlackenabfluß-Oeffnung angebracht, und dadurch ein
                              									continuirlicher Schlackenabfluß bewirkt wird. Die Hohöfen mit geschlossener Brust
                              									unterscheiden sich bekanntlich von den in gewöhnlicher Weise zugestellten Oefen
                              									dadurch, daß der Vorherd weggelassen, der Tümpel tiefer in das Gestell und der
                              									Wallstein bis unter den Tümpel in den Ofen gerückt ist. Der circa 12 Zoll betragende Zwischenraum zwischen Wallstein und Tümpel wurde
                              									mit Masse verstampft, und die Schlacke durch eine Oeffnung, welche durch die Masse
                              									in den Ofen getrieben wurde, unmittelbar aus dem Gestell abgelassen. Hierbei machte
                              									sich der große Uebelstand fühlbar, daß die abfließende Schlacke die Ausflußöffnung
                              									in der kürzesten Zeit ausschmolz und so erweiterte, daß zugleich Kohlen und Eisen
                              									aus dem Ofen geworfen wurden; es mußte daher, damit dieß vermieden werde, die
                              									Schlackenöffnung bei eingestelltem Gebläse rechtzeitig geschlossen und so lange
                              									zugehalten werden, bis wieder in derselben Weise ein neuer Schlackenabstich erfolgen
                              									konnte. Diesen Uebelstand hat Lürmann dadurch beseitigt,
                              									daß er an der unteren Tümpelkante eine leicht auszuwechselnde gußeiserne, mit Wasser
                              									gekühlte Form anbrachte, durch deren 1 1/4 bis 1 1/2 Zoll weite lichte Oeffnung die
                              									Schlacke continuirlich abfließen kann, ohne daß die Oeffnung sich erweitert.
                           Ueber den Erfolg, welcher durch die Lürmann'sche
                              									Einrichtung erreicht wird, war die Commission einstimmig der Ansicht, daß durch die
                              									gekühlte Schlackenform allein die vortheilhafte Anwendung der Oefen mit
                              									geschlossener Brust möglich geworden ist, bei welcher Ofenconstruction durch das
                              									Wegfallen jeder immer mit einer Abkühlung verbundenen Herdarbeit die Ofenhitze
                              									zusammengehalten, und demzufolge an Kohlen gespart, wie auch an Blasezeit und somit
                              									an Production gewonnen werden muß. Der Vortheil der Kohlen-Ersparniß wurde von sämmtlichen
                              									Commissionsmitgliedern constatirt; derselbe stellte sich um so namhafter heraus, je
                              									mehr locale Verhältnisse bei der alten Einrichtung Herdarbeiten nothwendig gemacht
                              									hatten. Bezüglich der Vergrößerung der Production konnten
                              									nur die Erfahrungen derjenigen Hohöfen maßgebend seyn, welche, nachdem sie erst auf
                              									gewöhnliche Weise betrieben worden waren, später mit der neuen Einrichtung versehen
                              									worden sind. Dieß ist auf der Reden- und Friedenshütte der Fall. Auf dem
                              									ersteren Werke wurde die bei offener Brust durchschnittlich 2800 Ctr. betragende
                              									Production weit über 3000 Ctr. hinaus gesteigert, ebenso auf der Friedenshütte von
                              									2700 auf 3150 Ctr. Bei den von vorn herein mit geschlossener Brust zugestellten
                              									Hohöfen ließ sich die Productionsvermehrung nicht durch Zahlen präcisiren, weil sie
                              									theilweise unter ganz anderen Verhältnissen arbeiten, als früher bei offener
                              									Brust.
                           Außerdem wurden noch folgende Vortheile der Lürmann'schen Einrichtung hervorgehoben:
                           1) Der Ofen mit geschlossener Brust läßt sich wegen des Wegfalles von Stillständen
                              									und Abkühlungen in viel gleichmäßigerem Gange erhalten, als die Oefen mit offener
                              									Brust.
                           2) Die bei letzteren nach längeren Stillständen, wie sie z.B. das Abstoßen von
                              									Ofenbruch veranlaßt, fast immer eintretenden Herd- und Stichversetzungen
                              									werden beseitig.
                           3) Da durch den Wegfall des Vorherdes mehr Raum gewonnen wird, und auch keine
                              									Herdarbeit nöthig ist, so lassen sich auch an der Brustseite Windformen anbringen,
                              									was bei den alten Oefen nicht thunlich ist, sowohl wegen Mangels an Raum, als auch,
                              									weil die Windformen, wenn sie angebracht werden könnten, die Herdarbeit im höchsten
                              									Grade behindern würden. Die Anlage von Windformen auf allen Gestellseiten gestattet
                              									aber nicht nur eine bessere und für den Ofengang vortheilhafte Windvertheilung,
                              									sondern sie trägt auch wesentlich zur Conservirung der Ofenschächte bei.
                           4) Die geschlossene Brust gestattet nicht nur eine höhere Windpressung überhaupt,
                              									sondern auch deren gleichmäßige Anwendung während der ganzen Schicht.
                           5) Bei dem Ofenbetriebe mit geschlossener Brust fallen die schwierigsten
                              									Schmelzerarbeiten fort, und die verbleibenden Arbeiten des Reinhaltens der Formen,
                              									des Schlacke-Ablassens, der Vorrichtung des Abstichherdes und des Abstiches
                              									können von weniger erfahrenen und daher niedriger im Lohne stehenden Arbeitern
                              									ausgeführt werden.
                           6) Der für die Situation mancher Oefen sehr in's Gewicht fallende Vortheil, daß die
                              									Schlacke an jeder beliebigen Gestellseite abgelassen werden kann.
                           7) Es ist noch die Ersparung an Lehm und Sand hervorzuheben, welche durch den Wegfall
                              									des Tümpels und Herd-Verschlusses, sowie der Flickereien am Wallstein,
                              									bewirkt wird, und welche auf 4 Tonnen Lehm und 1 Tonne Sand pro Tag veranschlagt werden kann.
                           Diesen Vortheilen stehen folgende Nachtheile
                              									gegenüber:
                           1) Nur basische oder diesen nahe kommende Schlacken fließen gut durch die
                              									Schlackenform aus dem Ofen ab, wogegen es sehr schwer hält, saure Schlacken zum
                              									Fließen zu bringen. Dieselben erstarren in der Regel sehr bald in der Formöffnung,
                              									und nach wiederholtem fruchtlosen Durchschlagen derselben sieht man sich genöthigt,
                              									neben der Form eine größere Abflußöffnung durch den Versatzlehm zu stoßen; durch diese fließt die
                              									Schlacke zwar schließlich ab, weitet dieselbe jedoch bald so aus, daß Kohlen mit
                              									ausgeworfen werden, und das Gebläse eingestellt werden muß, damit man die
                              									Schlackenöffnung wieder zustopfen kann. Selbstverständlich tritt bei dem schlechten
                              									Schlackenabfluß ein verminderter Gichtenwechsel ein. Die Darstellung einer Schlacke
                              									von gleichmäßig basischer Beschaffenheit ist aber bei der so sehr wechselnden
                              									Qualität vieler Erzsorten, welche, obschon aus einem und demselben Schachte
                              									gefördert, in ihrem Thonerde- und Kieselsäuregehalte mitunter zwischen 20 und
                              									einigen 40 Procent wechseln, sehr schwierig und trotz der größten Sorgfalt oft nicht
                              									zu erreichen.
                           2) Bei dem schlechten Flusse der sauren Schlacken, sowie in dem Falle, daß der Herd
                              									nicht möglichst hoch mit Eisen angefüllt gewesen ist, bleibt sehr viel Schlacke im
                              									Ofen zurück, welche dann beim Abstich in einem mächtigen Strome nach dem Eisen
                              									abfließt. Ein Auffangen dieser Schlacken im Wagen ist unausführbar, weil die
                              									Niveauverhältnisse es meist nicht gestatten, und weil sich die Schlacke sehr rapid
                              									und in solcher Menge ergießt, daß fünf bis sechs Schlackenwagen oft zu ihrer
                              									Aufnahme nicht ausreichend seyn würden.
                           3) Wenn das Vorkommen roher Schlacke bei gaarem Eisen, welches sich bei Anwendung der
                              										Lürmann'schen Einrichtung häufig zeigte, auch an und
                              									für sich für den Ofenbetrieb keinen Nachtheil hat, da diese Schlacke, wenn die in
                              									der AnmerkungUeber die Erscheinung roher Schlacke bei vollkommen gaarem, grobkörnigem
                                    											Eisen wurden in der Commission verschiedene Hypothesen ausgestellt, und fand
                                    											schließlich die Ansicht am meisten Anklang, daß dieser Rohgang nur ein
                                    											scheinbarer sey, indem die sich über den Formen bildende Schlacke vor
                                    											denselben, wenn der Ofen nicht sehr gaar geht, immer roh erscheint, wie man
                                    											sich bei jedem Ofen durch Hervorholen von Schlacken aus der Form überzeugen
                                    											kann. Durch das längere Verweilen in einer glühenden Kohlenschicht hat diese
                                    											Schlacke, während sie bei den Oefen alter Art nach dem Vorherd fließt, Zeit,
                                    											ihren Eisengehalt abzugeben und gaar zu werden, was bei Oefen mit
                                    											geschlossener Brust, wo die Schlacke unmittelbar zwischen den Formen
                                    											abfließt, nicht der Fall ist. erwähnte Theorie richtig ist, nicht roher ist, als die bei den alten Oefen
                              									gaar erscheinende Schlacke, und daher auch das Gestell nicht mehr angreifen kann,
                              									als diese, so hat sie doch einen Eisenverlust und den großen Uebelstand zur Folge,
                              									daß die Schlackenklumpen beim Erstarren platzen, und daß ihr noch flüssiger Inhalt
                              									sich auf die Schienengeleise ergießt, wodurch nicht nur diese sehr leiden, sondern
                              									auch die Schlackenabfuhr wegen des nochmaligen Verladens der ausgeflossenen
                              									Schlacken vertheuert wird.
                           4) Der Raum zwischen Tümpel und Wallstein, welcher nach der Entfernung der
                              									Schlackenform und des Versatzlehmes allein den Zugang in den Ofen gestattet, reicht
                              									nicht in allen Fällen aus, um denselben von den Versetzungen zu befreien, welche in
                              									Folge des Einströmens von Wasser durch leck gewordene Formen entstehen können.
                           5) Ebenso ist der Raum zwischen Tümpel und Wallstein zum Herausschaffen von Ziegeln,
                              									welche bei schadhaft werdendem Schachtfutter massenhaft in das Gestell treten
                              									können, zu klein, und da man denselben überhaupt ohne dringende Veranlassung nicht
                              									öffnet, so dürfte das Vorkommen von Ziegeln mitunter erst bemerkt werden, wenn es
                              									für deren Fortschaffung bereits zu spät ist.
                           Da diese Nachtheile zum Theil nur Ausnahmefälle betreffen, zum Theil durch
                              									sorgfältige Betriebsleitung und unausgesetzte Aufsicht, wenn auch nicht ganz
                              									vermieden, doch auf ein geringes Maaß beschränkt werden können, so werden die
                              									verbleibenden Nachtheile der Lürmann'schen Einrichtung
                              									von den Vortheilen, welche dieselbe gewährt, bei weitem überwogen. Die Commission
                              									betrachtete diese ihre Ansicht indeß noch nicht als eine endgiltige, sondern stellte
                              									an den Oberschlesischen berg- und hüttenmännischen Verein den Antrag,
                              									derselbe möge die Frage, welche Erfolge die Lürmann'sche
                              									Einrichtung bisher in Oberschlesien gehabt habe, vorläufig noch als eine offene
                              									betrachten, und dieselbe nach einem Jahre wieder auf die Tagesordnung bringen.Ein für Deutschland interessanter Fall ist aus Shropshire zu berichten, wo
                                    											fast allein in England, die meisten Hohöfen noch mit kalter Luft betrieben
                                    											werden. Die Old Park Iron Company hat an einem
                                    											ihrer Oefen das Lürmann'sche Princip angewendet
                                    											und bedeutende Vortheile erzielt. Der 1 1/2 Zoll große Schlackenauslaß liegt
                                    												circa 9 Zoll unter dem Düsenniveau und hat
                                    											sowohl Brennstoff als Wind erspart; auch die Qualität des Roheisens soll
                                    											verbessert worden seyn. Besonders auffällig ist indeß die Ersparniß an Zeit;
                                    											indem man den Wind während des Abstiches nicht mehr einstellt, hat man im
                                    											Durchschnitt 40 Minuten Productionszeit pro Tag
                                    											gewonnen. Der Vorwurf der Unzugänglichkeit des Bodens im Fall einer
                                    											Herdversetzung trifft nicht zu, da eine leichte Aenderung in der Richtung
                                    											des Windes jedesmal Abhülfe bringt, wenn nicht grobe Versehen vorfallen. Die
                                    											größere Concentration der Hitze in einem geschlossenen Ofen läßt ohnehin das
                                    											Verwachsen des Herdes weniger leicht aufkommen, und somit ist diese Gefahr
                                    											an sich weniger drohend. Das Mittel, die Windrichtung zu verändern, hat bei
                                    											einem Hohofen des angeführten Werkes Erfolg gehabt und verdient
                                    											Nachahmung.Nach den in England gewonnenen Erfahrungen eignet sich die Lürmann'sche Vorrichtung vorzugsweise für harte
                                    											und reine Brennstoffe, wie für den Betrieb mit heißem Winde; obwohl sie bei
                                    											anderen Umständen auch bemerkenswerthe Resultate gibt, so sind doch die
                                    											erwähnten Verhältnisse die günstigeren. (Berggeist, 1869, Nr. 45.) (Berggeist, 1869, Nr. 37 u. 38.)