| Titel: | Anhydrit mit Brucit als Hauptgemengtheile gewisser Kesselsteine; von Wenzel Mrazek, Professor der Probir- und Hüttenkunde an der k. k. Bergakademie zu Pribram. | 
| Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXVIII., S. 141 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXVIII.
                        Anhydrit mit Brucit als Hauptgemengtheile
                           								gewisser Kesselsteine; von Wenzel Mrazek, Professor der
                           								Probir- und Hüttenkunde an der k. k. Bergakademie zu Pribram.Aus dem berg- und hüttenmännischen Jahrbuch der k. k. Bergakademie Bd.
                                    										XVIII vom Verf. mitgetheilt.
                           							
                        Mrazek, über Anhydrit und Brucit in gewissen
                           								Kesselsteinen.
                        
                     
                        
                           In dem mit Grubenwasser gespeisten Dampfkessel der Wasserhaltungs- und
                              									Förderungsmaschine am Lillschacht zu Pribram erzeugt sich
                              									ein Kesselstein, der sich durch seine compacte mikro-krystallinische Structur und weiße Farbe von den erdigen und
                              									grauen Wandansätzen anderer hiesigen Dampfkessel, die mit Tagwasser oder Mischungen
                              									von Tag- und Grubenwasser gespeist werden, auffallend unterscheidet.
                           Eine im Jahre 1867 von dem Chef der hiesigen k. k. Bergdirection, Hrn. Oberbergrath
                              										Jeschke, mir zur Untersuchung übergebene Probe dieses
                              									Kesselsteines ergab nach dem Trocknen im Wasserbade:
                           
                              
                                 Schwefelsäure
                                 
                                 47,41
                                 
                              
                                 Kalkerde
                                 
                                 33,60
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 
                                 12,26
                                 
                              
                                 gebundenes Wasser
                                 
                                 5,67
                                 
                              
                                 EisenoxydThonerdeManganoxydoxydul
                                 
                                    
                                    
                                 0,50
                                 
                              
                                 BleioxydKupferoxyd
                                 
                                    
                                    
                                 0,14
                                 
                              
                                 StrontianerdeNatronKieselsäurePhosphorsäure
                                 
                                    
                                    
                                 Spuren
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 99,58
                                 
                              
                           Von Kohlensäure war keine Spur zu finden.
                           Die Analyse zeigt nur so viel Schwefelsäure, als die Kalkerde zu ihrer Neutralisirung
                              									braucht; für die Magnesia als schwächere Base verbleibt somit keine Säure. Dagegen
                              									besitzt die freie Magnesia zu dem vorhandenen Wasser als Säurevertreter eine
                              									entschieden stärkere Affinität als das Kalksulfat. Zudem ist das Wasser fast genau
                              									(bis auf das geringe Plus von 0,15 Proc., welches den beigemengten Oxyden angehören
                              									mag) in derjenigen Menge vorhanden, welche für die Bildung von Magnesiahydrat erforderlich ist.
                           
                           Auf die Anwesenheit freier alkalischer Erden deutete schon die alkalische Reaction
                              									des Kesselsteines mit rothem Lakmus- und selbst auch mit
                              									Curcuma-Papier, welche momentan eintrat, wenn das angefeuchtete Reagenzpapier
                              									mit einer frischgeschabten Stelle des Kesselsteines in Berührung gebracht wurde.
                              									– Daß andererseits der die Hauptmasse des Kesselsteines bildende
                              									schwefelsaure Kalk nicht gewässert ist, wird durch das – trotz Beimischung
                              									der specifisch leichten Magnesia – für Gyps zu hohe, wohl aber dem Anhydrit zukommende specifische Gewicht dieses
                              									Kesselsteines, das bei 16° C. mit 2,81 gefunden wurde, bewiesen.
                           Darnach unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß dieser Kesselstein im Wesentlichen aus
                              									wasserfreiem schwefelsaurem Kalk und säurefreiem Magnesiahydrat besteht. Die
                              									relativen Mengen beider Verbindungen ergeben sich folgendesfolgends:
                           
                              
                                 Kalkerde
                                 33,60
                                 
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 47,41
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 81,01
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 12,26
                                 
                                 
                              
                                 Wasser
                                 5,52
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 17,78
                                 
                              
                                 unwesentliche Beimengungen
                                 
                                 0,79
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 99,58
                                 
                              
                           Obgleich nun diese Zusammensetzung der einfachen Formel:
                           2 (CaO, SO³) + (MgO, HO) sehr nahe kömmt, so scheinen
                              									doch die folgenden Umstände mehr dafür zu sprechen, daß man es bloß mit einem
                              									innigen Gemisch von Anhydrit und Brucit zu thun hat, deren Mengen zufällig in einem einfachen Verhältniß zu
                              									einander stehen.
                           Erstens gleichen die physikalischen Eigenschaften des in Rede stehenden Kesselsteines
                              									denen des Anhydrits, bis auf jene Modificationen, welche durch die innige
                              									Beimischung einer untergeordneten Menge von Brucit bewirkt werden mußten. So zeigt
                              									der Kesselstein, wie gesagt, das specifische Gewicht:
                              									2,81; Anhydrit 2,8 bis 3,0, im Mittel der Extreme 2,9; Brucit 2,3 bis 2,4, im Mittel
                              									2,35. Aus diesen beiden Mitteln und dem obigen Mischungsverhältniß von Kalksulfat
                              									und Magnesiahydrat berechnen sich für das Gemisch: 2,8. – Der Härte-Grad des Kesselsteines liegt bei 3
                              									(Kalkspath); Anhydrit zeigt 3,0 bis 3,5, im Mittel 3,25; für Brucit findet man 2
                              									angegeben. Eine molecularfeine Mischung beider im obigen Verhältniß sollte
                              									rechnungsmäßig eben auch 3 geben. – Hinsichtlich der Tenacität erscheint der Kesselstein mehr spröde als mild, wie es sich von
                              									einem molecularfeinen Gemisch von vorwaltendem spröden Anhydrit mit mildem Brucit
                              									erwarten läßt. Die Structurverhältnisse und optischen Eigenschaften betreffend,
                              									zeigt der Kesselstein auf die Gesammtstärke von etwa 1 1/2 Wiener Linien mehrere der
                              									Kesselwand parallele, aber fest aneinander haftende Lagen mit feinkörniger bis
                              									dichter, stellenweise auch in's Faserige geneigter Structur im Querbruche,
                              									verschiedene Nuancen von Weiß, matten Glanz und schwach durchscheinende Kanten. Auch
                              									hierin spricht sich Anhydritnatur aus. Alles dieses dürfte die obige Behauptung
                              									rechtfertigen; es kommt aber noch ein Umstand hinzu, der ebenfalls zu ihren Gunsten
                              									spricht.
                           Kurze Zeit nach Beendigung der vorstehenden Analyse erschien nämlich in Erdmann's Journal für praktische Chemie Bd. CI S. 497
                              									eine von Dr. Völcker
                              									ausgeführte Analyse des Kesselsteines eines Seedampfers.Polytechn. Journal Bd. CXCI S.
                                       											81.
                              									Völcker fand in diesem Kesselstein im Wesentlichen auch
                              									nur wasserfreien schwefelsauren Kalk und Magnesiahydrat, jedoch in folgenden, von
                              									denen des Lillschachter Kesselsteines einigermaßen abweichenden Mengen:
                           72,42 schwefelsauren Kalk,
                           24,24 Magnesiahydrat,
                           somit noch mehr freier Magnesia.
                           Demnach scheint in derartigen Kesselsteinen überhaupt kein constantes Verhältniß der beiden immediaten Bestandtheile
                              									stattzufinden.
                           Gleichwohl erscheint es beachtenswerth, daß auch der andere Kesselstein ein einfaches
                              									stöchiometrisches Verhältniß besitzt, indem sich dieses der Formel: 4 (CaO,
                              									SO³) + 3 (MgO, HO) nähert, und daß sich die Constitutionsformeln der beiden
                              									Kesselsteine als Anfangsglieder der allgemeinen Formelreihe:
                           2 n (CaO, SO³) + (2 n – 1) (MgO, HO)
                           mit einander vereinigen lassen, worin dem Lillschachter
                              									Kesselstein der Werth n = 1, dem des Seedampfers der
                              									Werth n = 2 zukommen würde.
                           Ehe jedoch noch mehrere Fälle derartiger Kesselsteinbildung bekannt seyn werden, muß
                              									es dahin gestellt bleiben, ob die chemische Homologie der beiden Kesselsteine eine
                              									scheinbare, ein bloßes Spiel des Zufalles, oder aber eine gesetzmäßige ist.
                           Daß in dem ursprünglichen Kesselspeisewasser das Kalksulfat höchst gewässert und die
                              									Magnesia als neutrales gewässertes Salz enthalten war, darüber kann Wohl kein
                              									Zweifel seyn. Die Erklärung, wie es kam, daß das Kalksalz sein Wasser und die
                              									Magnesia ihre Säure gänzlich verloren hat, dürfte aus den folgenden Betrachtungen
                              									wohl ebenso unzweifelhaft hervorgehen.
                           
                           Was zuerst die Anhydritbildung aus Gyps – in dem
                              									gegebenen speciellen Falle – betrifft, so erscheint als Hauptursache
                              									derselben die der höheren Dampfspannung entsprechende höhere, 100° C. übersteigende Temperatur
                              									des Kesselinneren. In offenen Gefäßen abgedampfte Gypslösungen setzen
                              									zweifach-gewässerten schwefelsauren Kalk – also wieder Gyps –
                              									ab. – In dem mit 4 Atmosphären (wohl auch etwas darunter) Spannung oder
                              									145° C. innerer Temperatur arbeitenden Lillschachter Dampfkessel setzt das
                              									gypshaltige Speisewasser ganz wasserfreien schwefelsauren Kalk – Anhydrit
                              									– ab. – Bei der etwa in der Mitte gelegenen Spannung von 2 Atmosphären
                              									entsprechend 120,5° fand Johnston das Kalksulfat
                              									des Kesselsteines noch gewässert, jedoch nur mit viertel
                              									so viel Wasser als im Gypse, entsprechend der Formel: 2 (CaO, SO³) + HO. (Gmelin's Chemie, 5. Aufl. Bd. II S. 185.)
                           Somit sind zur Umwandlung von Gyps
                           
                              
                                 in Anhydrit im Wasser
                                 2 Atmosph.
                                  =   120,5° C.
                                 
                              
                                 noch nicht genügend, und
                                 4 Atmosph.
                                  =  
                                    											145      „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 reichlich genügend, mithin etwa
                                 3 Atmosph.
                                 od. 134°    C.
                                 
                              
                           erforderlich.
                           In einer gesättigten Kochsalzlösung fand Hoppe-Seyler (s. Poggendorff's Annalen Bd. CXXVII S. 161) bloß 125–130°
                              									erforderlich. Die Differenz dürfte sich daraus erklären lassen, daß das Uebermaaß
                              									von Wasser in den Kesselspeisewässern der gypsentwässernden Wirkung der Hitze
                              									einigen Widerstand entgegensetzt, während die gesättigte
                              									Salzlösung eher das Gegentheil thut. Dieß wird um so wahrscheinlicher, als selbst
                              										an der Luft zur völligen Entwässerung des Gypses über
                              									125°, und zwar nach Mitscherlich 126° C.,
                              									nach Anderen sogar bis gegen 132° C., erfordert werden.
                           Die Entwässerung des Gypses im Wasser erfolgt demnach in
                              									einer nicht viel höheren Temperatur als an der Luft.
                           Um auch über die Vorgänge bei Bildung des säurefreien Magnesiahydrats eine auf experimenteller Basis fußende Meinung aussprechen
                              									zu können, unterzog ich noch das Wasser und den Schlamm
                              									des Lillschachter Dampfkessels der Analyse. Zu dem Behufe wurde bei dem niedrigsten
                              									Stande des Wassers im Kessel eine Partie des Wassers durch den Bodenhahn abgelassen
                              									und filtrirt.
                           Das Wasser war farblos, reagirte neutral, und zeigte bei 12° C. ein spec. Gewicht von bloß 1,005,
                              									was auf einen nur sehr geringen Gehalt gelöster Bestandtheile deutete. Dieß
                              									bestätigte die Analyse, welche in 10000 Theilen des Wassers ergab:
                           
                           
                              
                                 Schwefelsäure
                                 
                                 5,51
                                 
                              
                                 Kalkerde
                                 
                                 3,40
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 
                                 0,29
                                 
                              
                                 Chlornatriumlösliche organische Substanz
                                 
                                    
                                    
                                 Spur
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen feste
                                    											Bestandtheile
                                 9,20
                                 
                              
                           
                              
                                 Die Kalkerde nimmt zu ihrer Sättigung
                                 4,86
                                 
                              
                                 die Magnesia
                                 0,58
                                 
                              
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 Schwefelsäure in Anspruch; der ganze
                                    											Schwefelsäurebedarf     beträgt
                                    											somit
                                 5,44
                                 
                              
                                 so daß neben vollkommen sulfatisirter
                                       												Magnesia     und Kalkerde noch ein
                                    											geringer Ueberschuß von Schwefelsäure mit
                                 0,07
                                 
                              
                           sich ergibt, der wohl bloße Ungenauigkeitsdifferenz seyn mag.
                              									In Bezug auf den Verbindungszustand der Magnesia herrscht somit zwischen dem
                              									Kesselwasser und dem Kesselstein voller Gegensatz.
                           Der Kesselschlamm, dessen Menge bloß 0,94 Proc. der
                              									Wassermasse betrug, zeigte im trockenen Zustande eine schmutzig lichtgraue Farbe,
                              									fast unfühlbar feines Korn und viele beigemengte Holzsplitter. Mit verdünnter
                              									Salzsäure gab derselbe sogleich lebhaftes Aufbrausen von Kohlensäure mit Spuren von
                              									Schwefelwasserstoff.
                           Die Analyse des bei 100° getrockneten Schlammes ergab:
                           
                              
                                 Kalkerde
                                 
                                 22,36
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 
                                 1,67
                                 
                              
                                 Thonerde, mit geringen Mengen von
                                    											Eisenoxyd,    Manganoxydoxydul, Bleioxyd,
                                    											Molybdänoxyd
                                 
                                    
                                    
                                 11,68
                                 
                              
                                 Zink, Kupfer
                                 
                                 Spuren
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 
                                 18,45
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 
                                 12,83
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 
                                 8,37
                                 
                              
                                 Schwefel in Form von Schwefelmetallen
                                 
                                 0,13
                                 
                              
                                 Holzsplitter, gebundenes Wasser, nebst
                                    											Abgang    der Analyse
                                 
                                    
                                    
                                 24,51
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Die sämmtliche Schwefelsäure nimmt 5,87 Kalkerde in Anspruch; der Rest an Kalkerde
                              									fordert 12,96 Kohlensäure, die fast vollständig wirklich da sind. Für die Magnesia verbleibt, ebenso wie im Kesselstein,
                              										keine Säure; statt dieser wird ohne Zweifel, wie in
                              									dem Kesselstein, eine entsprechende Menge des im Schlamm nachgewiesenen gebundenen
                              									Wassers an die Magnesia getreten seyn. Das Kalksulfat darf wohl, wie es von dem des
                              									Kesselsteines erwiesen ist, als wasserfrei angenommen werden. Darnach ergibt sich
                              									die unmittelbare Zusammensetzung des Schlammes, wie folgt:
                           
                              
                                 Anhydrit
                                 14,24
                                 
                                 
                              
                                 Magnesiahydrat
                                 2,27
                                 16,51
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 Kalk
                                 16,49
                                 
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 12,96
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 
                                 29,45
                                 
                              
                                 Thon mit geringen Mengen
                                    											von    Quarz, verschiedenen
                                    											Metalloxyden    und Schwefelmetallen
                                 
                                 30,26
                                 
                              
                                 Holzsplitter in vorwaltender,
                                    											geb.    Wasser in untergeordneter
                                    											Menge    nebst Abgang der Analyse
                                 
                                 23,78
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Bringt man die Magnesia mit der an Schwefelsäure
                                 										gebundenen Kalkerde in's Verhältniß, um dieses mit dem im Wasser und Stein
                              									herrschenden Verhältniß jener beiden Erden zu vergleichen: so berechnen sich auf
                              									gleiche Mengen Kalkerde die folgenden Magnesiamengen:
                           
                              
                                 
                                 Kalkerde
                                 Magnesia
                                 
                                 
                              
                                 im Wasser
                                 100
                                   8,5
                                 
                                 
                              
                                 im
                                    											Schlamm            im
                                    											Stein
                                 100100
                                 28,536,5
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                           Hieraus ist zu ersehen, daß mit den festen Ausscheidungen des siedenden
                              									Kesselwassers, gleichviel ob sie als eine feste Kruste an die Kesselwand sich
                              									anlegen oder aber losen Schlamm bilden, das Magnesiahydrat rascher aus der Lösung
                              									entfernt wird, als das Kalksulfat.
                           An sich genommen ist dieses Resultat leichtbegreiflich; es steht in vollem Einklang
                              									mit den Löslichkeitsverhältnissen der beiden ausgeschiedenen Stoffe. Denn
                              									Magnesiahydrat ist im Wasser so schwer, wo nicht schwerer, löslich, als
                              									schwefelsaurer Baryt, und diesem steht der schwefelsaure Kalk an Schwerlöslichkeit
                              									sicher nach. Es frägt sich also nur, wie es kam, daß aus der ursprünglich
                              									vorhandenen so leichtlöslichen schwefelsauren Magnesia das unlösliche Magnesiahydrat
                              									gebildet wurde.
                           Glühhitzen können hier nicht im Spiel gewesen seyn, denn das Product der Zerlegung
                              									der schwefelsauren Magnesia ist ja gewässerte Magnesia,
                              									während letztere noch unter der Glühhitze ihr Wasser
                              										verliert.Lassen sich von explodirten Dampfkesseln noch
                                    											Fragmente des Kesselsteines auffinden, so kann eine genaue Bestimmung des
                                    											chemisch gebundenen Wassers in den letzteren Ausschluß geben, ob bei der
                                    											Explosion Glühhitze im Spiel gewesen war, oder nicht. Mit Uebergehung anderweitiger, mir minder wahrscheinlich vorkommenden Erklärungen glaube ich
                              									die Hauptursache der Zerlegung des Magnesiasulfats in dem Uebermaaß überhitzten Wassers suchen zu sollen, und zwar in dessen directer Wirkung auf jenes Sulfat.
                           Die Zerlegung schwefelsaurer Salze durch bloßes heißes Wasser, und zwar solcher,
                              									deren Base zu den schwächeren gehört, ist eine der
                              									gewöhnlichsten Erscheinungen der Chemie; die Zerlegung erfolgt bei einigen der
                              									genannten Basen so vollkommen, daß diese dadurch von anderen Basen analytisch genau
                              									geschieden werden können, weßhalb in der analytischen Chemie von dieser Wirkung des
                              									heißen Wassers mehrfach Gebrauch gemacht wird. Für diese Wirkung gilt der allgemeine
                              									Erfahrungssatz, daß das abgeschiedene basische Salz um so ärmer an Säure wird, je verdünnter und je höher erhitzt die Salzlösung war, sowie daß bei einem und
                              									demselben Grade der Verdünnung mit steigender Temperatur der
                                 										Gehalt an Säure in dem Präcipitat abnimmt.
                           Sollte nun dieses Gesetz, das bisher nur für die unter dem Druck Einer Atmosphäre
                              									erzielbaren Wassertemperaturen experimentell erforscht ist, nicht auch für die bei
                              									zwei, drei und mehr Atmosphären Dampfdruck erzielbaren Temperaturgrade des Wassers
                              									gelten? Es ist daran kaum zu zweifeln. Alsdann müßte es aber für ein jedes
                              									derartiges Salz und einen bestimmten Verdünnungsgrad seiner wässerigen Lösung eine
                              									bestimmte höchste Temperatur geben, bei der das
                              									Präcipitat nur noch Spuren von Schwefelsäure zurückhalten kann, darüber aber die
                              									Säure vollständig verliert, wobei die rückständige freie
                              									Base je nach ihrer Erzeugungstemperatur und Affinität zu Wasser entweder als Hydrat
                              									oder aber wasserfrei auftreten würde.
                           Daß das Wasser des Lillschachter Dampfkessels nur eine zweifelhafte Spur freier
                              									Schwefelsäure finden ließ, widerspricht nicht der hier versuchten Erklärung, denn,
                              									wie die Analyse des Schlammes bestätigt, besitzt das ursprüngliche Speisewasser
                              									dieses Dampfkessels eine im Verhältniß zu der Magnesia prävalirende Menge an Kohlensäure gebundener Kalkerde, welche letztere nicht
                              									etwa bloß bei der Speisung mit neuem Wasser, sondern weil der suspendirte Schlamm
                              									kohlensauren Kalk im Ueberschuß enthält, stetig die freigewordene Schwefelsäure
                              									sofort neutralisirt und festbindet, unter Freiwerden und Verflüchtigung von
                              									Kohlensäure.
                           Fassen wir zum Schluß die Anhydrit- und die Brucitbildung gemeinschaftlich
                              									in's Auge, so würde aus den vorstehenden Erklärungen folgen, daß höhere
                              									Kesselspannung beide gemeinschaftlich befördert; was aber den Einfluß des
                              									Verdünnungsgrades betrifft, würde zwischen beiden ein Gegensatz herrschen. Bei einem
                              									und demselben Hitzegrad würde stärkere Verdünnung der Kalk- und
                              									Magnesiasulfat Lösung für die Abscheidung der freien Magnesia günstig, für die Abscheidung des
                              									schwefelsauren Kalkes ungünstig seyn.
                           Der starke Verdünnungsgrad der beiden Salzlösungen in dem Wasser des Lillschachter
                              									Dampfkessels wäre darnach geeignet, das weit geringere Verhältniß von Magnesia zu
                              									Kalkerde in jenem Wasser im Vergleich zu dem Schlamm und Stein zu erklären.