| Titel: | Ueber ein neues Pyrometer; von A. Lamy. | 
| Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LI., S. 209 | 
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                        LI.
                        Ueber ein neues Pyrometer; von A. Lamy.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIX p. 347; August
                              									1869.
                        Lamy, über ein neues Pyrometer.
                        
                     
                        
                           Das Pyrometer, welches ich vorschlage, ist eine sehr einfache Anwendung des Gesetzes,
                              									welchem die von H. Sainte-Claire Deville entdeckte
                              									und von ihm Dissociation (Zerfallen der Verbindungen)
                              									benannte Erscheinung unterliegt. Derselbe hat bekanntlich durch zahlreiche Versuche
                              										nachgewiesen,Leçons de la Société
                                       												chimique; 1864–1865, Hachette. – Die Resultate von Deville's Untersuchungen über die Dissociation von Verbindungen,
                                    											insbesondere des Wassers, der Kohlensäure und des Kohlenoxyds, sind
                                    											zusammengestellt im polytechn. Journal Bd.
                                       												CLXXXI S. 285. daß gewisse gasförmige oder flüchtige Verbindungen sich theilweise und
                              									fortschreitend in dem Maaße zersetzen, als die Temperatur steigt, und daß die
                              									Spannung der Bestandtheile des Gemisches, oder die Spannung der Dissociation, mit
                              									steigender Temperatur zunimmt, bei einer bestimmten Temperatur aber constant bleibt.
                              									H. Debray
                              									Comptes rendus de l'Académie, 18. März
                                    											1867. hat dieses Fundamentalgesetz auf die festen Körper ausgedehnt, welche, wie
                              									der kohlensaure Kalk, Verbindungen zweier Bestandtheile sind, wovon der eine fix und
                              									der andere flüchtig ist. In diesem besonderen Falle konnte die
                              									Dissociations-Spannung genau gemessen werden; Kalkspath, im Vacuum auf
                              									860° C. erhitzt, zersetzt sich in der Art, daß die Maximalspannung des
                              									Kohlensäuregases gleich 85 Millimetern wird, und bei 1040° erreicht das
                              									entbundene Gas den Maximaldruck von 520 Millimetern.
                           Zur Erläuterung des fraglichen Gesetzes will ich nach Deville's Vorgang die Zersetzung des kohlensauren Kalkes mit der Erzeugung
                              									des Wasserdampfes in einem geschlossenen Raum vergleichen.
                           Sowie das Wasser Dampf entwickelt, dessen Spannung für eine gewisse Temperatur
                              									constant oder ein Maximum ist, ebenso entweicht aus dem kohlensauren Kalk, nur bei
                              									einer verhältnißmäßig viel höheren Temperatur, so lange Kohlensäure, bis dieses Gas
                              									eine der jeweiligen Temperatur entsprechende Maximalspannung erreicht hat. Sowie
                              									ferner die Spannkraft des Wasserdampfes mit der Temperatur wächst, so wächst auch
                              									die Dissociations-Spannung des kohlensauren Kalkes.Daß das Kohlensäuregas selbst einer Dissociation in Kohlenoxyd und Sauerstoff
                                    											fähig ist, hat gar keinen Einfluß auf den Werth meiner Resultate. Sowie endlich bei Abnahme der Temperatur ein Theil des Wasserdampfes in dem
                              									geschlossenen Raume condensirt wird, so erfolgt in diesem Falle Absorption eines
                              									Theiles des Kohlensäuregases durch den erzeugten Kalk, so daß schließlich die
                              									Dissociations-Spannung, wie die Spannung des Wasserdampfes, stets auf den der
                              									neuen Temperatur entsprechenden Werth zurückkommt. So wie man nun mit Hülfe der
                              									Tabellen für die Spannkraft des Wasserdampfes die der beobachteten Spannung
                              									entsprechende Temperatur findet, so wird man mittelst Tabellen für die Spannkraft
                              									des Kohlensäuregases die entsprechenden Temperaturen ermitteln können.
                           Nach dieser Auseinandersetzung des Principes wird es sogleich einleuchten, daß die Einrichtung des
                              									neuen Pyrometers eine sehr einfache und praktische seyn kann. Dasselbe besteht aus
                              									einem auf seinen beiden Seiten glasirten Porzellanrohr, welches an dem einen Ende
                              									geschlossen ist, während das andere Ende mit einer zweischenkeligen, Quecksilber
                              									enthaltenden Glasröhre (einem Manometer) in Verbindung steht. Das Porzellanrohr
                              									enthält in demjenigen Theile, welcher dem Feuer ausgesetzt werden soll, eine
                              									bestimmte Menge Kalkspath, oder bloß gepulverten weißen Marmor, und wird durch
                              									Erhitzen desselben bis zur lebhaften Rothgluth mit trockenem und reinem
                              									Kohlensäuregas gefüllt. Wenn ein solches Rohr sich wieder bis zur gewöhnlichen
                              									Temperatur abgekühlt hat, so ist das Kohlensäuregas wieder vollständig vom Kalk
                              									absorbirt worden und der Stand des Manometers entspricht dem Vacuum. Der Apparat ist
                              									also, wenn er nicht als Pyrometer verwendet wird, ein wirkliches Barometer.
                           Die Hauptvortheile des neuen Instrumentes sind die folgenden. Seine Construction ist
                              									einfach und wenig kostspielig, auch dürfte es nicht leicht eine Störung erleiden.
                              									Dasselbe läßt sich an den meisten der in der Industrie verwendeten Oefen leicht
                              									anbringen; es gibt die Temperatur, von beiläufig 800° C. beginnend, durch
                              									bloßes Ablesen, wie die gewöhnlichen Thermometer, und das Manometer kann so zu sagen
                              									in beliebiger Entfernung von dem Ofen angebracht werden, in welchem sich das
                              									Pyrometer befindet, weil seine Angaben nur von den Maximalspannungen abhängen.
                              									Endlich ist dieses Instrument viel empfindlicher als die Pyrometer, welche man auf
                              									die Ausdehnung der Luft unter constantem Druck begründen könnte; denn während bei
                              									diesen die Ausdehnungsvolume und somit ihre Angaben immer schwächer werden, je höher
                              									die Temperatur steigt, werden die Angaben des auf die Dissociation des kohlensauren
                              									Kalkes begründeten Pyrometers nach meinen Versuchen immer größer.
                           Um alle diese Vortheile des neuen Pyrometers zu realisiren, braucht man bloß noch ein
                              									für allemal die Temperaturen zu bestimmen, welche den Maximalspannungen des
                              									Kohlensäuregases entsprechen, ungefähr ebenso, wie es, um ein Haarhygrometer zu
                              									graduiren, hinreicht die Verlängerungen des Haares zu messen, welche bestimmten
                              									Wasserdampf-Spannungen entsprechen. Die Ausführung einer Tabelle dieser
                              									Temperaturen oder der Spannkräfte der Kohlensäure habe ich begonnen, und zwar
                              									mittelst eines Luftpyrometers, welches im Laboratorium der Normalschule (zu Paris)
                              									mit aller nur möglichen Sorgfalt construirt wurde.
                           Die Anwendung des Luftpyrometers zur Messung der Temperaturen, welche genau den
                              									Dissociations-Spannungen des Marmors entsprechen, setzt aber voraus, daß man
                              									diese hohen Temperaturen während einer gewissen Zeit ziemlich constant erhalten kann, und hierzu
                              									hat sich als höchst zweckmäßig Deville's neue Heizmethode
                              									mit PetroleumMitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CXCII
                                       												S. 204 (erstes Maiheft 1869). erwiesen. Bei meinem Apparate gestattet ein mit einer Graduirung versehener
                              									Hahn den Ausfluß des Schweröles nach Belieben zu reguliren und die
                              									Temperatur-Schwankungen auf sehr enge Grenzen zu beschränken. Wie weit die
                              									Genauigkeit in dieser Beziehung getrieben und welche Empfindlichkeit des
                              									Marmor-Pyrometers erreicht werden kann, läßt sich nach einigen der Zahlen
                              									beurtheilen, welche ich bei vorläufigen Versuchen erhielt. Ich konnte zwei Stunden
                              									lang die Temperatur von beiläufig 1050° C. so constant erhalten, daß die
                              									Volumschwankungen der Luft des Luftpyrometers den Betrag von 1 bis 2 Millimeter in
                              									einer Röhre von 15 Millimeter Durchmesser nicht überschritten, während die
                              									Schwankungen der Quecksilbersäule in dem Kohlensäuregas-Manometer in
                              									folgenden Grenzen über und unter dem Drucke der Atmosphäre blieben: + 13 und
                              									– 8 Millimeter, + 11 und – 5 Millimeter.
                           Vor Beginn der Versuche zur Construction der erwähnten Tabelle wollte ich noch die
                              									Genauigkeit der mittelst der Ausdehnung der Luft zu erhaltenden Temperaturangaben
                              									einer Prüfung unterwerfen und zu diesem Zweck die Ausdehnung der Luftmasse meines
                              									Normalpyrometers vom Schmelzpunkte des Eises bis zum Siedepunkte des Wassers
                              									ermitteln, um zu sehen ob sie mit der von Regnault
                              									gegebenen Zahl übereinstimmt. Durch einen Zufall wurde aber eines der Gefäße dieses
                              									Luftpyrometers zerbrochen. Dieß und meine Berufsgeschäfte hinderten mich, die
                              									Versuche zu beendigen, daher ich mich vorerst begnügen muß, der (französischen)
                              									Akademie die allgemeine Einrichtung meines Pyrometers mitzutheilen. Ich hoffe, daß
                              									es mir gelingen wird, dasselbe zu einem sowohl für die Wissenschaft als für die
                              									Industrie brauchbaren Instrumente zu gestalten und werde bei meinen späteren
                              									Untersuchungen auch auf die Verwendbarkeit anderer Körper als des kohlensauren
                              									Kalkes für die Temperaturmessung mittelst der Dissociation Bedacht nehmen.