| Titel: | Ueber rotirende Soda-Oefen. | 
| Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LIV., S. 229 | 
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                        LIV.
                        Ueber rotirende Soda-Oefen.
                        Aus den Verhandlungen der
                                 									Jahresversammlung der Association of
                                    										Mechanical Engineers zu Newcastle am Tyne vom 4. August 1869 mitgetheilt von Dr. Georg Lunge zu South Shields.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IV.
                        Lunge, über rotirende Sodaöfen.
                        
                     
                        
                           In der Sitzung der Institution of Mechanical Engineers
                              									vom 4. August d. J. verlas der Secretär des Vereines eine Beschreibung des
                              									rotirenden Sodaofens, verfaßt von R. C. Clapham und Henry
                              										Allhusen. Die Beschreibung war von mehreren
                              									colorirten Zeichnungen begleitet, welche ich nicht wiedergeben kann; ich muß mich
                              									daher auf eine früher von mir erworbene Zeichnung beschränken, welche einen von Black, Hawthorn und Comp. in
                              									Gateshead am Tyne gebauten Ofen darstellt. Dieß ist dieselbe Maschinenbauanstalt,
                              									aus welcher auch der in dem eben erwähnten Vortrage beschriebene hervorgegangen ist.
                              									Ich will zunächst den wesentlichen Inhalt des Aufsatzes von Clapham und Allhusen nach dem stenographischen
                              									Berichte wiedergeben, muß aber gleich von vorn herein darauf aufmerksam machen, daß
                              									die nach dem Vorlesen desselben stattgefundene Discussion ein ganz anderes Licht auf
                              									die Sache warf. Ferner muß ich dem etwa möglichen Mißverständniß vorbeugen, als ob
                              										Clapham oder Allhusen
                              									etwas mit der Erfindung oder Verbesserung des rotirenden Sodaofens zu thun hätten;
                              									sie berichten eben nur über denselben, wie er von den später angeführten Erfindern
                              									angegeben und von Black, Hawthorn und Comp. gebaut ist, und in der Allhusen'schen Fabrik arbeitet.
                           Vorläufig lasse ich also Clapham und Allhusen reden.
                           ––––––––––
                           Die Verwandlung von schwefelsaurem Natron (Sulfat) in rohe Soda (ball soda) ist der dritte Proceß, welcher in
                              									Sodafabriken vorgenommen wird, und seine Wichtigkeit kann man daraus ersehen, daß
                              									allein in dem Tyne-District 450,000 Tonnen und 560,000 Pfd. Sterl. die totale
                              									jährliche Quantität und den Werth des Sulfats, der Kreide und Kohle repräsentiren,
                              									welche in SodaöfenIm Original steht „rotirenden Sodaöfen,“ dieß ist aber
                                    											ein handgreiflicher Schreib- oder Druckfehler.Der Ref. verarbeitet werden. Die rotirenden Oefen wurden im Jahre 1853 von Elliott und Russell
                              									eingeführt, in der Absicht durch Maschinerie dasjenige zu ersetzen, was seit 1794
                              									durch Handarbeit geschehen war. Aber in Folge der zahlreichen praktischen
                              									Schwierigkeiten, welche sich einstellten, realisirten sich die erhofften Ersparungen
                              									und anderen Vortheile nicht, und der cylindrische Ofen würde keine weitere
                              									Verbreitung gefunden haben, wenn ihn nicht die Herren Stevenson und Williamson, Besitzer der Jarrow Chemical Works, mit großer Beharrlichkeit in
                              									verschiedener Hinsicht verbessert hätten. Die letzteren haben fünf von den fünfzehn
                              									zur Zeit in England arbeitenden Oefen errichtet.
                           Das Princip dieser Oefen – welche nach der Construction von Black, Hawthorn und Comp. zu
                              									Gateshead am Tyne in Fig. 15 und 16 auf Tab. IV
                              									dargestellt sind – ist folgendes. Die Beschickung des zu verschmelzenden
                              									Materiales wird in einen rotirenden Cylinder eingetragen, welcher aus
                              									fünf-sechszehntelzölligem Kesselblech mit einem Futter von feuerfesten
                              									Ziegeln besteht, und so aufgestellt ist, daß die Flamme von dem Feuerherde an dem
                              									einen Ende des Cylinders bequem durch denselben hindurch und nachher noch über die
                              									Flüssigkeit in der Verdampfpfanne am anderen Ende streichen kann. Die äußeren
                              									Abmessungen des Cylinders sind: 15' 6'' LängeAlle Maaße in diesem Aufsatze sind natürlich englische. und 9' Durchmesser, die inneren Abmessungen: 13' 3'' Länge, 7' 6''
                              									Durchmesser im Centrum und 6' 6'' Durchmesser an den beiden Enden. In dem
                              									Ziegelfutter sind zwei (horizontal laufende) Reihen von Chamotteblöcken angebracht,
                              										„Brecher“ (breakers) genannt,
                              									welche 14 Zoll im Centrum und 9 Zoll an den Enden über dem Futter hervorragen; durch
                              									diese wird der Inhalt gründlich gemischt und nach und nach dem Feuer ausgesetzt.
                              									Zwischen dem Feuerherde und dem Cylinder ist ein loser Ring angebracht, bestehend
                              									aus einer schmiedeeisernen, mit Chamotteziegeln ausgefütterten Bandage, und zwischen
                              									dem anderen Ende des Cylinders und der Pfanne ist ein Raum gelassen, welcher
                              										„Rauchkammer“ heißt, damit der größte Theil der durch den
                              									starken Zug fortgerissenen Substanz sich dort absetzen könne, statt in der zu
                              									verdampfenden Flüssigkeit. In dem Rauchcanal am anderen Ende der Verdampfpfanne ist
                              									ein horizontaler Schieber zur Regulirung des Zuges angebracht, und noch weitere
                              									Controlle wird durch einen verticalen Schieber gegeben, welcher zwischen Pfanne und
                              									Rauchcanal angebracht ist und durch ein nahe an der Maschine aufgehängtes Gewicht
                              									balancirt wird. Der Bewegungsapparat ruht auf einer Grundplatte von 2 1/2 Zoll
                              									Dicke; diese ist in fünf Stücken gegossen, welche durch sechs warm aufgezogene
                              									schmiedeeiserne Reifen zusammengehalten werden; das Ganze ist auf dem Steinfundament
                              									durch 12 anderthalbzöllige Bolzen befestigt. Auf derselben Grundplatte ist die
                              									Dampfmaschine befestigt; sie ist vertical, direct wirkend, mit Umsteuerung versehen;
                              									der Dampfcylinder hat 9 Zoll Durchmesser und arbeitet bei 30 Zoll Ueberdruck mit 6
                              									Pferdestärken.
                           Der Ofencylinder macht eine Umdrehung per Minute in der
                              									schnellen, und eine Umdrehung in fünf Minuten in der langsamen Bewegung. Die
                              									schnelle Bewegung wird direct von dem Krummzapfen durch die obere Welle erhalten, an
                              									deren Ende eine Schraube ohne Ende angebracht ist, welche ein Zahnrad in Bewegung
                              									setzt, das mittelst Füßen und Schraubenbolzen an dem Pfannen-Ende des
                              									Cylinders befestigt ist. In einigen Fällen sind die Zahnräder in Segmenten gegossen
                              									worden, aber wegen ihrer Ungenauigkeit und der Schwierigkeit die Zahntiefe an den
                              									Verbindungsstellen richtig herzustellen, wird ein einziges Gußstück vorgezogen. Die
                              									langsame Bewegung wird erhalten, indem man den Frictions-Conus an der oberen
                              									Welle ausrückt und die untere Rolle einrückt, so daß das Zahnrad und Getriebe an
                              									beiden Enden des letzteren in das Getriebe und Zahnrad des ersteren eingreifen.
                           An die Ofencylinder sind zwei gußeiserne Ringe angenietet, deren jeder durch zwei
                              									schmiedeeiserne Reifen aus 1 1/2zölligem Quadrateisen verstärkt ist. Auf jedem Ring
                              									ist eine schmiedeeiserne Bandage aufgezogen, welche auf zwei gußeisernen, mit
                              									Spurkränzen versehenen Frictionsrädern läuft, die 4 1/2zöllige, durch diagonale
                              									Lager unterstützte Achsen haben. In einigen Fällen sind die
                              									Cylinder-Ringbandagen in einem Stücke aufgezogen worden, indem die Bandagen
                              									ausgebohrt und die Ringe abgedreht wurden, aber in Folge von Expansion und Gewicht
                              									lockern sich die Bandagen früher oder später, so daß die Bolzen abbrechen. Aus
                              									diesem Grunde ist es räthlich, die schmiedeeiserne Bandage in Segmenten mit
                              									diagonalen abgeschliffenen Stößen anzubringen, und die versenkten Bolzen durch ein
                              									oblonges Loch in dem gußeisernen Ringe gehen zu lassen, durch welches Mittel die
                              									Expansion stattfinden kann und das Brechen der Bolzen daher verhütet wird.
                           Die Beschickung der Oefen besteht in der Fabrik von Allhusen und Söhne aus 22 Centner Sulfat, 25
                              									Centner Kreide und 12 Centner Kohle. Das Sulfat wird gleich bei der Ablieferung in
                              									den Lagerraum durch ein halbzölliges Sieb geschüttet, und dadurch eine passende
                              									Quantität „Kleines“ für den Cylinder ohne besondere Kosten
                              									gewonnen. Die Kreide wird in Stücken von mäßiger Größe eingetragen. Die Kohle wird
                              									vertheilt; 3 Centner werden mit dem Sulfat und 9 Centner mit der Kreide gemischt. In der
                              									Tagesschicht, wobei die Verdampfpfanne ausgeleert wird, werden fünf, in der
                              									Nachtschicht sechs Beschickungen gemacht. Bei voller Arbeit verbraucht man also 12
                              									Tonnen 2 Centner Sulfat in 24 Stunden, oder 72 Tonnen 12 Centner per Woche von 6 Tagen. Das Arbeitsverfahren ist
                              									folgendes: Zuerst werden die 25 Centner Kreide und 9 Centner Kohle eingetragen, und
                              									der Cylinder in die langsame Bewegung versetzt. Nach einer Stunde und 10 Minuten ist
                              									die „Verkalkung“ (Verwandlung von Kreide in Kalk) gewöhnlich
                              									beendet, was jedesmal durch das Auftreten einer bläulichen Flamme rings um die
                              									Arbeitsthür angezeigt wird. Wenn man nun die 22 Centner Sulfat und 3 Centner Kohle
                              									einträgt, so läßt man das verticale Register auf 10 Minuten herunter, um den Zug so
                              									viel als möglich zu verringern. Etwa 20 Minuten nachdem das Register wieder gehoben
                              									worden ist, wird die Schmelzung des Sulfats durch die Erscheinung einer hellgelben
                              									Flamme um die Arbeitsthür angezeigt; alsdann ändert der Arbeiter sofort die langsame
                              									Bewegung in die schnelle um. Eine kleine Thür in dem Gewölbe über der Pfanne
                              									gestattet ihm zu erkennen, wenn die Reaction der Materialien auf einander
                              									hinreichend vorgeschritten ist, was er aus ihrer hellen Farbe und zunehmenden
                              									Consistenz und auch aus den hellgelben Flammenstrahlen schließt, die von den Theilen
                              									der Schmelze ausströmen, welche an den „Brechern“ anhängen.
                              									Dieses Stadium wird gewöhnlich in einer halben Stunde erreicht, und bei seinem
                              									Eintreten der Ofeninhalt auslaufen gelassen; die Gesammtdauer für eine Operation ist
                              									also durchschnittlich 2 Stunden und 10 Minuten.
                           Es ist natürlich interessant, einen praktischen Vergleich der rotirenden mit den
                              									gewöhnlichen Sodaöfen anzustellen; da aber Angaben dieser Art immer von vielen
                              									localen Umständen abhängen, so muß es erwähnt werden, daß die Vergleichung
                              									vorzugsweise aus Beobachtungen und Arbeits-Auszügen von Allhusen's Fabrik abgeleitet ist, wo 25 Handöfen und 2 rotirende Oefen
                              									vorbanden sind. Alle Beschickungsmaterialien werden in Waggons und durch Hebwerke
                              									gehoben. Was die Constructionskosten betrifft, so kann man die wesentlichen Theile
                              									eines rotirenden Ofens folgendermaßen abschätzen. Den Preis des Ofens einschließlich
                              									des Arbeitsgerüstes, aber ausschließlich der Hebmaschinerie, kann man zu 1500 Pfd.
                              									Sterl. annehmen; das Gebäude, Verbindung mit dem Haupt-Zugcanal, Fußboden und
                              									Schienen für die Sodawaggons zu weiteren 500 Pfd. Sterl. – zusammen 2000 Pfd.
                              									Sterl. (13,500 Rthlr.). Nach demselben Principe kostet der Handofen 325 Pfd. Sterl.,
                              									sein Gebäude, Zugcanal und Fußbodenplatten 175 Pfd. Sterl., im Ganzen 500 Pfd.
                              									Sterl. (3375 Rthlr.). Die Unkosten für Hebung und Eintragung der Beschickung können in beiden Fällen
                              									als gleich angenommen werden; aber der rotirende Ofen erfordert Dampf für seine
                              									Maschine und Laugenpumpe, und einen im Verhältniß stärkeren Zug, macht also ein
                              									größeres Anlagecapital für Kessel, Zugcanal und Schornstein nöthig. Ein rotirender
                              									Ofen in vollem Gange kann per Woche von 6 Tagen 72
                              									Tonnen 12 Centner Sulfat verarbeiten, ein Handofen 21 Tonnen 12 Centner. Aber wenn
                              									man Stillstände und Reparaturen in Anschlag nimmt, so überschreitet der erstere
                              									nicht 66 Tonnen, während der letztere 21 Tonnen erreicht.
                           Um die Menge des beim Feuern wirtlich consumirten Brennmateriales zu erhalten, muß
                              									man das Anheizen, das Trocknen der Kreide und die Erzeugung von Dampf in Betracht
                              									ziehen. Das Gewicht wird auf diese Art als nahezu dasselbe in beiden Arten Oefen
                              									gefunden, nämlich 13 Centner Kohle für jede verarbeitete Tonne Sulfat; natürlich
                              									variirt es je nach der Qualität der Kohle. Da für den Flammofen die Hälfte der
                              									Kreide in Oefen getrocknetDieß geschieht nur in den wenigsten Fabriken des Districtes. G. L. und in einer Mühle gemahlen wird, während nur die andere Hälfte direct vom
                              									Lager kommt, so hat hierin der Cylinder einen Vorzug von 6 Pence per Tonne Sulfat, welcher sich freilich bis jetzt durch
                              									den Unterschied in den Reparaturkosten wieder ausgeglichen hat; denn die
                              									Reparaturenrechnung vom September 1867 bis Juni 1869 zeigt 1 Shill. 4 Pence gegen 1
                              									Shill. 10 Pence. Der Arbeitslohn für Beschickung ist ganz derselbe für beide Oefen;
                              									aber in der Bearbeitung ist eine entschiedene Ersparniß an Lohn im Betrage von 1 Sh.
                              									(10 Sgr.) per Tonne Sulfat, da die gegenwärtigen
                              									Lohnsätze 2 Sh. 6 Pence für den Handofen und 1 Sh. 6 Pence für den Cylinderofen sind
                              									(einschließlich des Anheizens). Die chemischen Resultate fallen ein wenig zu Gunsten
                              									des Cylinderofens aus, was Quantität und Stärke der producirten Soda betrifft,
                              									besonders wo man sie caustisch wünscht, während man in Fabriken, wo man Kreide
                              									verwendet, findet, daß viel kohlensaurer Kalk durch den starken Zug in die
                              									Verdampfpfanne fortgerissen wird und in Folge davon das daraus gezogene Salz sich
                              									nicht so gut zur Fabrication von Krystallsoda eignet als das aus Handöfen
                              									gewonnene.
                           Obwohl in den meisten Sodafabriken, in welchen der rotirende Ofen eingeführt ist, die
                              									Meinung vorherrscht, daß außer seiner allgemeinen Ueberlegenheit über den Handofen
                              									der erstere namentlich im Falle von Lohnstreitigkeiten einen augenscheinlichen
                              									Vortheil hat, so ist doch hinreichende Veranlassung zu constatiren, daß noch immer Hindernisse
                              									existiren, welche modificirt, wenn nicht ganz beseitigt werden müssen, ehe die alten
                              									Oefen ganz und gar von den neuen verdrängt werden können. Verbesserungen der
                              									letzteren sind entschieden erforderlich, um die Consumption des Brennmateriales und
                              									die Reparaturkosten zu verringern, und um die Quantität des verarbeiteten Sulfates
                              									und die Qualität der Soda zu erhöhen, und wenn die bislang erfahrenen
                              									Schwierigkeiten durch diese Bemerkungen deutlich an's Licht gestellt worden sind, so
                              									geschah dieß in der Hoffnung, daß in Folge der dadurch erweckten Aufmerksamkeit sie
                              									um so schneller gehoben werden mögen.
                           ––––––––––
                           So weit also der Vortrag von Allhusen und Clapham. An diesen schloß sich nun eine Discussion, aus
                              									welcher ich folgende Hauptpunkte hervorhebe (ebenfalls nach dem stenographischen
                              									Berichte).
                           Henry Allhusen führte an, daß der Apparat in seiner Fabrik
                              									seit zwei Jahren in ununterbrochener Arbeit sey.
                           J. L. Bell (Besitzer der rühmlichst bekannten chemischen
                              									Fabrik zu Washington bei Newcastle, und vielleicht der intelligenteste chemische
                              									Fabrikant in Nordengland) theilte mit, daß er einen Cylinderofen in Arbeit habe.
                              									Unzweifelhaft sey es an und für sich eine Sache von einiger Bedeutung, daß man die
                              									Wirkung von Maschinerie für Handarbeit von nicht ganz gewöhnlicher Art substituiren
                              									könne, und bis zu dieser Grenze gebe er bereitwillig zu, daß der rotirende Sodaofen
                              									bedeutenden Werth habe. Aber er müsse sagen, daß er mit den Resultaten sehr wenig
                              									zufrieden sey, die er einmal in rein chemischer Hinsicht, und zweitens in
                              									ökonomischer Beziehung erhalten habe. Die Schwierigkeiten in der Sodafabrication,
                              									speciell die Reactionen zwischen den verschiedenen Ingredienzien während des
                              									Schmelzprocesses im Sodaofen, sind ungemein complicirter Art, und wenn man dieses
                              									und außerdem den sehr verschiedenen Geschicklichkeitsgrad der Arbeiter in Betracht
                              									zieht, so muß man sich wirklich wundern, daß die Resultate im Allgemeinen doch noch
                              									einen hinreichend markirten Charakter von Regelmäßigkeit haben. Aber
                              									unglücklicherweise ist der Grad derselben weit entfernt von dem was die Theorie als
                              									möglich anzeigt, und er hatte gehofft, daß man durch die Anwendung des rotirenden
                              									Sodaofens, wobei irgend welche Unregelmäßigkeit in der Arbeit oder Geschicklichkeit
                              									vermieden wird, mehr mit der Theorie übereinstimmende Resultate würde erhalten
                              									können. Aber in dieser Erwartung sey er durchaus getäuscht worden. Die Qualität des
                              									Fabricates, welches in
                              									dem selbstwirkenden Apparate erzielt wird, ist factisch entschieden nicht besser als
                              									die desjenigen aus dem alten Ofen, und im Gegensatze zu den Angaben des verlesenen
                              									Aufsatzes müsse er leider sagen, daß er bisher noch nicht zu der Ansicht gekommen
                              									sey, daß die erhaltenen Resultate denjenigen des alten Ofens gleichstünden. Als er
                              									den Ofen in Washington baute, ließ er ihn in einem separaten Hause errichten und
                              									ganz und gar von separaten Arbeitern und Cisternen bedienen, damit das Product der
                              									einen Art von Ofen unter keiner Bedingung mit dem der andern Art gemischt werden
                              									könne; daher könne er mit Sicherheit und zwar nach einer etwas längeren Erfahrung
                              									als Allhusen sprechen, und er müsse zu seinem Bedauern
                              									sagen, daß das Resultat so sey wie eben angegeben. Erstens sey er nicht der Ansicht,
                              									daß die erhaltene Soda an Qualität und Stärke der nach dem alten Verfahren
                              									erhaltenen gleichkomme, und zweitens sey dieß auch mit einem anderen wesentlichen
                              									Erforderniß, nämlich der Ausbeute, der Fall. Es ist von der allergrößten
                              									Wichtigkeit, daß der Fabrikant aus einer Tonne Sulfat eine ebenso große Menge
                              									kohlensaures oder caustisches Natron erzielt, als er es nach den Lehren der Chemie
                              									im Stande seyn sollte. Bei den alten Oefen belaufe sich der Verlust auf etwa 7 1/2
                              									Procent, bei dem rotirenden Ofen aber nach seiner Erfahrung auf etwas mehr.
                              									Gegenüber diesen beiden negativen Ergebnissen muß man freilich unzweifelhaft eine
                              									kleine Ersparniß an Arbeitslohn in Anschlag bringen. Clapham und Allhusen geben diese gleich 1 Sh.
                              										per Tonne Sulfat an, (und Bell's Calculationen stimmen damit sehr gut überein). Wenn man jedoch
                              									diese Zahl in der einzigen Weise in Rechnung bringt, in welcher der praktische
                              									Fabrikant es thun darf, so ist das Resultat sehr entmuthigend. Abgesehen nämlich von
                              									Reparaturkosten, weil diese bei der Neuheit der Maschinerie noch nicht hinreichend
                              									festzustellen sind, braucht man sich nur an die Anlagekosten von 2000 Pfd. Sterl. zu
                              									halten. Wenn man nun bedenkt, daß eine Ersparniß von 1 Sh. per Tonne Sulfat nur 173 Pfd. Sterl. für ein ganzes Jahr bedeutet, und daß
                              									man dafür ein Anlagecapital von 2000 Pfd. Sterl. aufwenden muß, so ist dieß an und
                              									für sich nicht sehr verlockend für den Fabrikanten, und noch viel weniger, wenn ein
                              									Zweifel darüber besteht, ob die Resultate denjenigen des alten Ofens
                              									gleichkommen.
                           Auf diese Bemerkungen Bell's wurde weder von Clapham noch von Allhusen
                              									etwas erwiedert, und nur noch von dem letzteren, auf eine Anfrage von anderer Seite
                              									her, angeführt, daß das Futter aus Chamottesteinen ein Jahr lang, und die
                              										„Brecher“ drei Monate lang dauern.
                           Aus dem Mitgetheilten kann sich wohl jeder Leser selbst ein Urtheil über den jetzigen Stand der
                              									Frage: ob stehender oder rotirender Sodaofen – bilden. Ich will aber doch zur
                              									Orientirung noch anführen, daß bei weitem die meisten Fabrikanten selbst im
                              									Tynedistrict nichts von den Cylinderöfen wissen wollen, und selbst die Einführer
                              									desselben, die Jarrow Chemical Company, die größere
                              									Hälfte ihres Fabricates in den gewöhnlichen Oefen herstellen. Ich für meinen Theil
                              									kann dem nur beistimmen, was aus den Schlußsätzen des Clapham-Allhusen'schen Aufsatzes mit genügender Deutlichkeit
                              									hervorgeht: nämlich daß von dem Siege des rotirenden Ofens erst dann die Rede seyn
                              									kann, wenn entweder seine Construction, oder die Arbeitsweise, oder beide zugleich,
                              									noch weitere Verbesserungen erfahren haben werden.
                           ––––––––––
                           Diese meine Ansicht muß ich auch noch nach Einsicht einer Abhandlung von Lamy im Bulletin de la
                                 										Société d'Encouragement, Juli 1869, S. 435 beibehalten
                              									(welche der Herausgeber des polytechnischen Journals so gütig war mir zu
                              									übersenden), obwohl Lamy's Urtheil sehr günstig lautet;
                              									doch wird dieß nur wenig auffallen, da er sich ausschließlich auf die Angaben eines
                              									der Patentträger (Stevenson) beruft, welcher naturgemäß
                              									für seine Erfindung eingenommen ist. Lamy's Aufsatz ist
                              									von Zeichnungen begleitet, welche einen von Rob. Daglish
                              									in Widnes (Lancashire) gebauten Ofen darstellen, man s. Figur 17–20 auf Tab.
                              									IV; ganz dieselben Zeichnungen sind mir (in photographischer Wiedergabe) von Hrn.
                              										Daglish zugestellt worden, und können also wohl für
                              									eine getreue Wiedergabe der von Daglish durch seine
                              									Gießerei zu St. Helen's in Lancashire in den Handel gelieferten Oefen gelten. Daglish und Black, Hawthorn
                              									und Comp. sind bis jetzt die einzigen Fabrikanten dieser
                              									Oefen in England und somit in Europa. Das Princip beider ist natürlich dasselbe,
                              									doch scheinen die Details der Construction und mechanischen Vorrichtungen nicht
                              									unbedeutend verschieden zu seyn. Man bemerkt in dem Daglish'schen Ofen (Fig. 17–19) den
                              									Cylinder A, A, die Gleitrollen B, das Zahnrad C, die Dampfmaschine D und das Füllungs- und Entleerungsloch E.
                              									Lamy macht auch darauf aufmerksam, daß die innere
                              									Verkleidung nicht genau cylindrisch, sondern gegen die Mitte zu concav ist; ganz
                              									dasselbe geht ja auch aus der Clapham-Allhusen'schen Beschreibung hervor. Zwischen dem Cylinder und
                              									dem Feuerherde auf der einen Seite, und der Verdampfpfanne auf der anderen Seite ist
                              									ein mit Ziegeln ausgefütterter eiserner Ring F (Fig. 17),
                              									10–12 Centimeter breit, welcher lose an einer Kette aufgehängt ist, und dazu
                              									dienen soll, etwaige Stöße beim Umdrehen des Cylinders nicht auf den Ofen fortzupflanzen.
                              									Auch dieser ist von Clapham-Allhusen
                              									angedeutet.
                           Die von Lamy beschriebene Arbeitsweise Stevenson's (der Jarrow Chemical
                                 										Works zu South Shields bei Newcastle) weicht ein wenig, aber nur
                              									unbedeutend, von derjenigen Allhusen's ab. Man bringt den
                              									rothglühenden Cylinder mit der Oeffnung nach oben zum Stehen, und beschickt ihn mit
                              									1370 Kilogrm. Kreide und 535 Kil. Kohle in kleinen Stücken. Dieses Gemenge läßt man
                              									etwa 1 1/4 Stunde herumgehen, mit je einer Umdrehung in sechs Minuten. Dann setzt
                              									man 1220 Kil. Sulfat und 227 Kil. Kohle zu, und läßt noch eine halbe Stunde mit
                              									derselben Geschwindigkeit umgehen, worauf die Masse geschmolzen ist und die Reaction
                              									eintritt. Jetzt läßt man noch eine halbe Stunde lang und zwar je zweimal in einer
                              									Minute umgehen, und dann die Masse in eine Reihe eiserner Waggons auslaufen. Die
                              									Dauer der Operation ist somit 2 1/4 Stunde, oder 10 Operationen in 24 Stunden (im
                              									Original steht, natürlich durch einen Druckfehler, 2 Stunden); die Production ist
                              									33520 Kil. Mischung oder 18000 bis 19000 Kil. rohe Soda. (Die verarbeitete Quantität
                              									Sulfat, nämlich 12200 Kil., stimmt genau mit der Maximalproduction von Allhusen's Ofen = 12 Tonnen 2
                              									Centner; man sieht aber aus den Angaben des letzteren, daß die
                              									Durchschnittsproduction nicht unerheblich dagegen zurückbleibt.)
                           Lamy zählt als Vortheile des rotirenden Ofens auf:
                              									gleichmäßigere Hitze, vollständigere Zersetzung des Sulfates, größere Ausbeute an
                              									Soda, bessere Qualität derselben, Ersparniß an Kohle und an Arbeitslohn. Freilich
                              									sieht man aus Bell's und eigentlich auch aus Allhusen's Angaben, daß es mit allen diesen Vortheilen
                              									nicht viel auf sich hat, und daß selbst die einzige direct erwiesene Ersparniß, die
                              									an Arbeitslohn, nur unbedeutend ist und kaum die Zinsen des höheren Anlagecapitals
                              										deckt.Noch weniger wird dieß bei den niedrigeren Löhnen in Frankreich und
                                    											Deutschland der Fall seyn. Das letztere wird von Lamy fast ganz so wie von
                              										Allhusen angegeben, nämlich 35000 Frcs. = 1400 Pfd.
                              									Sterl. Lamy selbst führt als Schattenseite die freilich
                              									jetzt durch bessere Construction verminderten Betriebsstörungen an, welche bei dem
                              									kleineren Umfange der meisten continentalen Fabriken die halbe oder ganze Production
                              									unterbrechen können. Auch sind die Drehöfen nur dann brauchbar, wenn man mit ihnen
                              									Pfannen zur Verdampfung der Sodalauge durch offenes Flammfeuer verbindet; doch
                              									findet man jetzt auch in continentalen Fabriken diese Einrichtung viel häufiger als
                              									früher. Sollten sich größere Fabrikanten auf dem Continente doch entschließen, Drehöfen
                              									einzuführen, so würden sie wohl am besten thun, statt kostspieliger Experimente
                              									einfach einen Cylinder und Maschinerie von einer der genannten englischen Fabriken
                              									kommen zu lassen.
                           
                        
                     
                  
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