| Titel: | Neues Verfahren zur Reinigung des Roheisens von Silicium; von J. Palmer Budd, Ingenieur der Ystalyfera-Eisenwerke in Wales. | 
| Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LXX., S. 335 | 
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                        LXX.
                        Neues Verfahren zur Reinigung des Roheisens von
                           								Silicium; von J. Palmer
                              									Budd, Ingenieur der Ystalyfera-Eisenwerke in Wales.
                        Aus dem Engineer, October 1869, S. 224.
                        Budd, Verfahren zur Entkieselung des Roheisens.
                        
                     
                        
                           In der letzten Versammlung des Iron and Steel Institute
                              									zu Middlesborough hielt J. P. Budd einen Vortrag über
                              									diesen Gegenstand. Er sagte:
                           
                              „Das auf den Waleser Eisenwerken erblasene Roheisen ist hauptsächlich
                                 										weißes. Alle erzeugte Frischschlacke wird in die Hohöfen aufgegeben; ebenso wird
                                 										viel Schlacke von benachbarten Werken aufgekauft. Auch wird der Beschickung viel
                                 										Hämatit aus Lancashire und Cumberland, sowie von anderen Punkten zugeschlagen.
                                 										Das erblasene Weißeisen, welches meist schwefelhaltig ist, wird vor dem
                                 										Verpuddeln zur Hälfte bis zu einem Drittel in Raffinirfeuern gefeint, welche vor
                                 										den Hohöfen liegen, so daß das Roheisen aus den letzteren unmittelbar in sie
                                 										abgestochen werden kann; zu 1 Tonne gefeintem Eisen sind etwa 23 Centner
                                 										Roheisen erforderlich, und dazu werden 5 bis 6 Ctr. Kohks verbraucht. Die
                                 										Gesammtkosten des Raffinirens belaufen sich auf 10 bis 15 Shilling per Tonne. Auf manchen Werken bestehen die
                                 										Puddelchargen zur Hälfte aus nicht gefeintem, zur Hälfte aus gefeintem Roheisen;
                                 										auf anderen Hütten zu einem Drittel aus gefeintem, zu einem Drittel aus nicht
                                 										gefeintem weißen, und zu einem Drittel aus Sphärosiderit-Roheisen (mine pig), welches ohne Zuschlag von Frischschlacken aus einer
                                 										Beschickung von thonigem Sphärosiderit und Hämatit erblasen ist. Zum
                                 											„Füttern“ der Puddelherde wird reiner
                                 										Lancashire-Eisenstein in großer Menge verbraucht.
                              
                           
                              Der gewöhnlichen Ansicht zufolge wird das weiße Roheisen in den Raffinirherden
                                 										entkohlt und von Schwefel und Phosphor befreit. Fr. Crace Calvert und R. Johnson, sowie Percy und andere metallurgische Autoritäten haben
                                 										jedoch überzeugend dargethan, daß diese Ansicht unbegründet ist; sie haben
                                 										nachgewiesen, daß alles Roheisen eine beträchtliche Menge Silicium enthält, die
                                 										zwischen 1 und 6 Procent schwankt (je dunkler das Roheisen, desto kieselhaltiger
                                 										ist es), welches im Hohofen aus der Kieselsäure der Schlacke reducirt worden
                                 										ist. Dieser Siliciumgehalt macht das Roheisen zur Verwendung im Gießereibetriebe
                                 										geeignet; nach seiner Beseitigung wird das Roheisen dickflüssig, obgleich ihm
                                 										sein ganzer oder beinahe sein ganzer Kohlenstoffgehalt geblieben ist. In Folge
                                 										seiner stärkeren Verwandtschaft zum Sauerstoff schützt das Silicium den im
                                 										Roheisen enthaltenen Kohlenstoff vor der Einwirkung des ersteren; selbst wenn es
                                 										nur zu 1/500 Procent zugegen ist, verbrennt kein Kohlenstoff.
                              
                           
                              Das Silicium ist in vielen seiner Eigenschaften dem Kohlenstoff sehr analog und
                                 										der Feinungsproceß dürfte anstatt als Entkohlungsproceß besser als
                                 										Entkieselungsproceß bezeichnet werden. Durch das von mir erfundene neue
                                 										Verfahren wird das Eisen, sowie es aus dem Hohofen abgestochen ist, ohne Abbrand
                                 										und ohne jeden außergewöhnlichen Kostenaufwand entkieselt, ja es wird an den
                                 										gewöhnlichen Kosten noch erspart. Dieses Verfahren muß demnach in der jetzt
                                 										üblichen Praxis der Eisenfabrication eine Umwälzung veranlassen. Gewöhnlich
                                 										bringe ich möglichst nahe vor dem Stichloche des Hohofens eine Reihe von
                                 										eisernen, den bisher bei Feineisenfeuern angewendeten ganz ähnlichen Gießformen
                                 										an; in jede dieser Formen bringe ich ungefähr 60 Pfund von einem aus gemahlenem
                                 										Hämatit und Wasser dargestellten, halbflüssigen Brei und verbreite diese Masse
                                 										gleichförmig über den Boden und die Seiten der Formen. Da die Formen von dem
                                 										vorhergegangenen Abstiche noch ganz heiß sind, so trocknet der Brei rasch und
                                 										haftet den Wandungen derselben fest an. Dann steche ich aus dem Ofen so viel
                                 										Roheisen ab, daß die Formen sich drei und einen halben bis vier Zoll hoch damit
                                 										füllen. Das Metall kocht stark auf; an seiner Oberfläche erscheinen Flammen von
                                 										eigenthümlich weißer Farbe, welche nach meiner Annahme von der Verbrennung des
                                 										Siliciums durch den aus dem Hämatit frei gewordenen Sauerstoff herrühren. Durch
                                 										wiederholte chemische Analysen wurde nachgewiesen, daß der Siliciumgehalt des
                                 										weißen Roheisens, welcher ursprünglich 1 Procent beträgt, durch diesen einfachen Proceß auf
                                 										0,200 bis 0,300 Procent oder von 1 Procent auf 1/500 Procent vermindert wird.
                                 										Dabei bildet sich eine Silicium, etwas Phosphor und Schwefel enthaltende
                                 										Schlacke. Kohlenstoff wird kaum entfernt. Das Product besitzt ganz das Ansehen
                                 										von gefeintem Roheisen. Da nicht hinlänglich auftreibende Kraft vorhanden ist,
                                 										so wird ein ziemlich bedeutender Antheil der Schlacke, obschon sich dieselbe
                                 										während des Processes chemisch von dem Eisen getrennt hat, von demselben
                                 										mechanisch zurückgehalten und ist ihm in fein zertheiltem Zustande beigemengt;
                                 										sie bildet beim Puddeln desselben eine schützende Decke. Besondere Kosten
                                 										verursacht der Proceß nicht, da das Eisenoxyd des Hämatits (wenigstens
                                 										theilweise) reducirt wird und dem Boden der Gießformen als Roheisen anhaftet.
                                 										Weder Sand noch Kohkslösche ist erforderlich, und das gefeinte Eisen kommt mit
                                 										reiner Oberfläche in den Puddelofen. Das Ausbringen beim Puddeln ist gleichfalls
                                 										ein sehr befriedigendes, da zu 1 Tonne Rohschienen 21 Centner von dem auf die
                                 										angegebene Weise gefeinten Roheisen erforderlich sind.
                              
                           
                              Die Puddler setzen diesem Feineisen gern eine oder zwei Masseln von nicht
                                 										gefeintem Weißeisen zu, indem sie behaupten, die Charge werde dadurch flüssiger
                                 										– ein Beweis, daß dieselbe, wenn nur 0,200 bis 0,300 Procent Silicium im
                                 										Metalle zurückbleiben, nicht den erforderlichen Grad von Flüssigkeit besitzt.
                                 										Der Puddelofen hält sich länger; anderes Futtermaterial ist nicht erforderlich
                                 										und der Zuschlag von Frischschlacke und Eisenabfällen fällt weg. Die Leistungen
                                 										der Arbeiter sind regelmäßiger und das Ausbringen an Puddeleisen ist ebenso, wie
                                 										das an gefeintem Roheisen, höher. Das Puddeleisen ist von besserer Qualität und
                                 										zur Schienenfabrication sehr gesucht.
                              
                           
                              Mein zweites Verfahren zur Entkieselung des Roheisens ist dasselbe, nur mit dem
                                 										Unterschiede, daß der zum Füttern der Gießformen verwendete Hämatit zu zwei
                                 										Fünftheilen dem Gewichte oder zur Hälfte dem Volum nach mit Natronsalpeter
                                 										gemengt und in der vorhin angegebenen Weise in Breiform angewendet wird. Das
                                 										Aufkochen ist dann stärker, und die aufschießenden Flammen erscheinen durch das
                                 										Natron gelb gefärbt. Die Schlacke wird vollständiger ausgeschieden und bildet
                                 										auf dem Eisen eine nach dem Erkalten leicht abzuwerfende Rinde. Das auf diese
                                 										Weise gefeinte Eisen hat ein zelliges, den Honigscheiben ähnliches Ansehen; die
                                 										Schlacken enthalten Schwefel, Phosphor, Kieselsäure und Natron. Es puddelt sich
                                 										trockener und „reinlicher,“ als das nach dem ersten
                                 										Verfahren raffinirte Metall, gibt auch ein größeres Ausbringen, man muß ihm aber
                                 										ungefähr ein Drittel Graueisen zusetzen. Die einzigen besonderen Kosten des
                                 										Verfahrens werden durch den Natronsalpeter bedingt; sie betragen bei Verwendung der oben
                                 										angegebenen Menge desselben in Folge des jetzigen hohen Preises dieses Salzes
                                 										ungefähr 4 Shilling per Tonne. Die durch den Proceß
                                 										ermöglichte Ersparung ist sehr beträchtlich.“