| Titel: | Ueber die Färbung des Glases durch Einwirkung des Sonnenlichtes; von Bontemps. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XVIII., S. 64 | 
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                        XVIII.
                        Ueber die Färbung des Glases durch Einwirkung des
                           Sonnenlichtes; von Bontemps.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIX p. 1075; November
                              1869.
                        Bontemps, über die Färbung des Glases durch das
                           Sonnenlicht.
                        
                     
                        
                           Hiermit lege ich der (französischen) Akademie die Resultate einiger Versuche über die
                              Einwirkung des directen Sonnenlichtes auf mehrere Glassorten von verschiedener
                              Beschaffenheit und verschiedenem Ursprunge vor, welche einerseits von Thomas Gaffield in Boston, andererseits von mir selbst erhalten
                              worden sind.
                           Es ist schon lange bekannt, daß gewisse Glassorten die Eigenschaft besitzen, in Folge
                              der Einwirkung des Lichtes eine mehr oder weniger intensive Färbung anzunehmen. Auf
                              das Auftreten der violetten Farbe hat Faraday schon im
                              Jahre 1824 aufmerksam gemacht. Im Jahre 1867 beschäftigte sich Pelouze
                              Man s. die Abhandlung von Pelouze im polytechn.
                                    Journal Bd. CLXXXIV S. 310. mit der gelben Färbung, welche das Fenster- und das Spiegelglas in
                              Folge der Einwirkung der Sonnenstrahlen annehmen; er schreibt diese Färbung dem
                              Schwefel zu, welcher von der Zersetzung des in fast allen Glassorten enthaltenen
                              schwefelsauren Natrons herrührt. Gaffield
                              Eine Notiz über Gaffield's Resultate wurde im
                                    polytechn. Journal Bd. CXCI S. 81
                                    mitgetheilt. stellte seit 1863 zahlreiche und langdauernde Versuche über denselben
                              Gegenstand an und gelangte dabei zu nachstehenden Resultaten:
                           
                           Alles gewöhnliche Fensterglas von grünlicher Färbung, gleichviel von welchem
                              Ursprunge es ist, wird durch eine einjährige Einwirkung des Sonnenlichtes erst gelb
                              und dann rosa oder violett gefärbt.
                           Glas, welches (am deutlichsten auf dem Schnitte wahrnehmbar) einen Stich in das
                              Lasurblaue zeigt, erleidet keine bemerkbare Veränderung seiner Farbe. Dasselbe gilt
                              für bleihaltiges Krystallglas.
                           Gaffield zerschnitt einen Streifen englisches Spiegelglas
                              in zwölf Stücke; zwei derselben wurden, vor der Einwirkung des Lichtes geschützt,
                              aufbewahrt, die anderen zehn dem Einflusse der Sonnenstrahlen ausgesetzt, und zwar
                              das erste einen Tag lang, das zweite zwei Tage hindurch, das dritte drei Tage lang
                              und in dieser Weise fort, indem die Expositionszeit um das Doppelte verlängert
                              wurde. Untersucht man alle diese Glasstücke auf dem Schnitte, das eine neben dem
                              anderen, so sieht man, daß die grünliche Färbung in das Gelbe, dann in's
                              Zwiebelrothe und zuletzt in entschiedenes Violett übergeht, je nach der länger
                              dauernden Belichtung.
                           Mit demselben Glase wurde noch ein anderer Versuch angestellt. Das betreffende
                              Glasstück konnte nach Belieben mit einem Messingschieber so bedeckt werden, daß nur
                              ein Drittel der Glasfläche von der Belichtung ausgeschlossen war; nachdem die
                              übrigen beiden Drittel durch das Sonnenlicht gelb gefärbt worden waren, wurde auch
                              das mittlere derselben mit dem Schirme bedeckt und das letzte Drittel nahm in Folge
                              längerer Insolation eine violette Farbe an.
                           Die Wärme allein spielt bei diesen Erscheinungen keine Rolle, denn Glassorten, welche
                              sich in Folge der Einwirkung des Lichtes färben, erleiden durch längeres Verweilen
                              in heißem Wasser, oder in einem Ofen dessen Temperatur der durch die Sonnenstrahlen
                              erzeugten mindestens gleichkommt, gar keine Veränderung.
                           Blaues Glas, als Schirm auf weißes Glas gelegt, ist dasjenige, welches die Einwirkung
                              des Sonnenlichtes am wenigsten hemmt; dann kommt das violette Glas. Orangefarbiges,
                              rothes, gelbes und grünes Glas wirken als beinahe vollständig schützender
                              Schirm.
                           Auf eine Glasplatte wurden mit schwarzer Farbe Buchstaben gezeichnet; dann wurde die
                              Platte die zur Hervorrufung einer wahrnehmbaren Veränderung erforderliche Zeit
                              hindurch dem Sonnenlichte exponirt: als hierauf die Buchstaben weggewischt wurden,
                              ließ sich von einer von ihnen zurückgelassenen Spur Nichts bememerken; als aber die
                              Platte auf ein photographisch sensibilisirtes Papier gelegt wurde, übten die
                              belichtet gewesenen Stellen auf das letztere eine geringere Wirkung aus, als die durch die schwarze
                              Farbe geschützt gewesenen, und die Buchstaben wurden auf dem Papiere durch eine
                              dunklere Farbe kenntlich.
                           Gaffield stellte noch einen anderen interessanten Versuch
                              an. Auf rothem Ueberfangglas wurde ein Stern eingeschliffen, so daß derselbe weiß
                              auf rothem Grunde hervortrat; dieses Glas wurde auf eine Scheibe von Fensterglas
                              gelegt und zwei Jahre lang der Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt; nach
                              Verlauf dieser Zeit zeigte sich, als diese Scheibe auf weißes Papier gelegt wurde,
                              ein rosenrother Stern auf weißem Grunde, in Folge der Einwirkung des Sonnenlichtes
                              auf diese Glasscheibe durch den auf das rothe Glas gravirten Stern hindurch.
                           Ich habe die Gaffield'schen Versuche zum Theile
                              wiederholt, aber nur drei Monate lang; doch genügte diese Zeit, um die von Gaffield erhaltenen Resultate in geringerem Grade zu
                              reproduciren.
                           1) Das weißeste Spiegelglas von Saint-Gobain nahm eine sehr deutliche gelbe
                              Nüance an. Glas von ebendaher, welches zum Verglasen von Gewächshäusern fabricirt
                              war und eine grünliche Farbe hatte, vergilbte ebenfalls etwas; am stärksten zeigte
                              sich aber die Veränderung an dem weißesten Glase. Eine Spiegelglasprobe von Cirey
                              wurde etwas weniger gelb als das Spiegelglas von Saint-Gobain.
                           2) Extraweißes, aus Kieselsäure, Kalk und entwässerter krystallisirter Soda
                              zusammengesetztes Fensterglas, bei welchem folglich ein Gehalt an schwefelsaurem
                              Natron am wenigsten möglich war, wurde sehr gelb und zeigte sogar Spuren von
                              beginnender Färbung in's Zwiebelrothe.
                           3) Sehr weißes, aus Kieselsäure, Kalk, kohlensaurem Kali und 5 Proc. Bleioxyd
                              zusammengesetztes Glas veränderte sich in weit geringerem Grade als die
                              vorhergehende Sorte, jedoch noch merklich.
                           4) Bleikrystallglas von gewöhnlicher Zusammensetzung (1 kohlensaures Kali, 2 Bleioxyd
                              und 3 Kieselsäure) erlitt nicht die mindeste Veränderung. Flintglas für optische
                              Zwecke, dessen Satz gleiche Quantitäten Bleioxyd und Kieselsäure enthält, veränderte
                              sich ebenfalls nicht im Geringsten.
                           5) Englisches Glas aus den Werken der British plate glass
                                 Company, von entschieden blauem Farbenton, erlitt keine Veränderung.
                           6) Verschieden gefärbtes Ueberfangglas – rothes, gelbes, blaues, violettes
                              – wurde dem Sonnenlichte so exponirt, daß die farbige Schicht nach unten
                              gerichtet war; nach Verlauf von drei Monaten zeigte die ursprünglich einen
                              grünlichen Ton besitzende überfangene Schicht von weißem Glase eine rauchartig
                              schmutzigviolette Färbung; die farbige Ueberfangschicht scheint hier reverberirt und
                              die Wirkung des Lichtes verstärkt zu haben. Als die erwähnten Glassorten in der
                              Weise exponirt wurden,
                              daß die farbige Ueberfangschicht nach oben gerichtet war, wurde das Weiß durch
                              dreimonatliche Exposition nicht verändert.
                           Pelouze geht von dem Gesichtspunkte aus, daß alle
                              Glassorten nicht gebundenes schwefelsaures Natron und Eisenoxydul enthalten, und
                              nimmt an, daß durch die Sonnenstrahlen zwischen diesen Nebenbestandtheilen eine
                              Reaction hervorgerufen wird, in Folge deren Eisenoxyd und Schwefelnatrium sich
                              bilden, welches letztere das Glas gelb färbt. Diese Erklärung ist aber nach den im
                              Vorstehenden aufgeführten Resultaten wohl nicht zulässig.
                           1) Die weißeste Sorte Spiegelglas, und extraweißes, aus krystallisirtem und
                              entwässertem kohlensaurem Natron dargestelltes Glas sind weit empfindlicher und
                              erleiden eine weit rascher eintretende und auffallendere Farbenveränderung, als
                              gewöhnliche, mit schwefelsaurem Natron erzeugte Fensterglassorten, welche doch weit
                              wahrscheinlicher noch schwefelsaures Natron enthalten können.
                           2) Werden diese ganz weißen Glassorten der Einwirkung des Sonnenlichtes unterworfen,
                              so nimmt gewöhnlich ihre ursprüngliche Färbung einen gelben Ton an, geht dann zu
                              einer Zwiebelschalenfarbe über und zuletzt zu einem entschiedenen Violett; man
                              erkennt daher in diesen successiven Verwandlungen nur die Verlängerung einer
                              Wirkung, bei welcher der Schwefel keine Rolle zu spielen scheint.
                           3) Fenster- oder anderes Glas von lasurbläulichem Farbentone erlitt keine
                              Veränderung; nun müßten aber diese Glassorten ebensogut schwefelsaures Natron
                              enthalten, und wenn dieses Salz, durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen zu Sulfuret
                              umgewandelt, eine gelbe Färbung hervorgerufen hätte, so würde dieses Gelb, dem
                              Lasurblau beigemischt, Grün gegeben haben.
                           4) Flintglas für optische Zwecke und gewöhnliches Krystallglas könnten eben so gut
                              schwefelsaures Natron enthalten, zeigten aber gar keine Veränderung.
                           5) Manche, einen grünlichen Ton zeigende Sorten von Fensterglas wurden heller, wobei
                              sie aber einen Stich in's Lasurblaue erhielten; nach der Hypothese von Pelouze hätte das Grün zu Gelb, nicht aber zu Blau werden
                              müssen.
                           Die am Allgemeinsten auftretende Erscheinung, nämlich der Uebergang eines gelben
                              Farbentones zum Zwiebelrothen und dann nach längerer Belichtung zu reinem Viotett,
                              scheint mir auf den Wirkungen der Oxyde des Eisens und des
                                 Mangans zu beruhen.
                           Das Eisenoxydul ertheilt dem Glase eine bläuliche, das Eisenoxyd eine
                              gelbe Färbung; die grüne
                              Färbung der eisenhaltigen Glassorten entsteht durch Mischung der durch das Oxydul und das Oxyd
                              hervorgerufenen blauen und gelben Farbe.
                           Das Manganoxyd färbt das Glas violett; alle im Handel vorkommenden und in der Glasmacherei benutzten
                              Manganoxyde (Braunsteine) enthalten Eisenoxyd, aber das Färbungsvermögen des Mangans
                              ist weit stärker als das des Eisens.
                           Es würde demnach anzunehmen seyn, daß die Sonnenstrahlen zunächst das Eisen höher
                              oxydiren, so daß dieses dem Glase eine gelbe Färbung ertheilt; bei fortdauerndem
                              Einflusse des Sonnenlichtes tritt der Sauerstoff an das Mangan, eine schwache
                              violette Färbung mischt sich dem durch das Eisen erzeugten Blaßgelb bei und bringt
                              so die zwiebelrothe Färbung hervor; dauert der Uebergang des Sauerstoffes an das
                              Mangan fort, so wird zuletzt die violette Farbe vorherrschend.
                           Die Resultate von Gaffield's Untersuchungen sind nicht nur
                              in wissenschaftlicher Hinsicht beachtenswerth, sondern auch für den Glasproducenten
                              von großem Interesse. Der Spiegelfabrikant z.B. erfährt durch dieselben, daß gerade
                              seine farblosesten Spiegelglassorten ziemlich rasch eine bedeutende Veränderung
                              erleiden, so daß er sich fragen muß, ob es nicht vorzuziehen wäre, Glas mit einem
                              schwachen Stiche in's Lasurblaue anzufertigen, dessen Reflex die Farbe der
                              Gegenstände nicht in ungünstiger Weise verändert und welches die Eigenschaft besitzt
                              seine Farbe nicht zu ändern, während das weißeste Spiegelglas in gewissen Stellungen
                              ziemlich rasch eine (für seinen Zweck nachtheilige) gelbe Färbung annehmen und
                              später sogar schmutzigviolett werden kann.