| Titel: | Whitworth'sche Schießversuche gegen unter Wasser befindliche Ziele und schräg zur Schußlinie stehende Panzerplatten. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XXXVIII., S. 123 | 
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                        XXXVIII.
                        Whitworth'sche Schießversuche gegen unter Wasser befindliche Ziele und
                           schräg zur Schußlinie stehende Panzerplatten.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Whitworth'sches Schrägschießen gegen Panzerplatten.
                        
                     
                        
                           In dem Referate über „Geschützwirkung unter Wasser“ in diesem
                              Journal Bd. CLXXIV S. 412, wurde eine den
                                 Verhandlungen der Institution of Civil Engineers von
                                 1859 bis 1860 entnommene Mittheilung Joseph Whitworth's erwähnt, welche die von diesem
                              Ingenieur construirten flachköpfigen Geschosse als ganz besonders zum Eindringen
                              in's Wasser geeignet darstellt und als Beweismittel in dieser Beziehung z.B.
                              anführt, daß bei Schießversuchen, welche zu dergleichen Untersuchungen am Bord des
                              „Excellent“ angestellt wurden, ein 24 Pfund schweres
                              Projectil dieser Art, mit 2 1/2 Pfund Pulverladung aus einer 52 Zoll langen
                              gezogenen Haubitze mit entsprechender Inclination abgeschossen, zuerst 30 Fuß
                              Wasser, dann 8 Zoll Eichenholz durchdrungen, hiernach die Ständer der 3 Fuß tief
                              unter Wasser gestellten eichenen Zielscheibe zerbrochen, und endlich sich noch viele
                              Fuß tief in die Erde oder Mudde des Wassergrundes eingegraben hat, während
                              andererseits sphärische und beziehungsweise vorn rund gestaltete
                              Lang-Geschosse, unter denselben Bedingungen abgeschossen, gar nicht zum
                              geradlinigen Eindringen unter die Wasserfläche kamen, sondern sich wendend wieder
                              aus dem Wasser emporstiegen.
                           In einem im Engineer vom 28. August 1868
                              veröffentlichten, in der Versammlung der British
                                 Association zu Norwich gehaltenen Vortrag „über die zur
                                 Wasserdurchdringung geeignete Projectilen-Form“ theilte Whitworth einen Parallel-Schießversuch mit,
                              welcher mit einem einpfündigen Geschütz gegen eine 39 Zoll tief unter Wasser
                              versenkte Eisenplatte von 50 Zoll Länge, 13 Zoll Breite und 1 1/2 Zoll Dicke
                              angestellt, nachwies daß bei 7 Grad 7 Minuten Inclination und einer bis zum
                              Platten-Centrum hin zu durchdringenden Wasserschicht von 80 Zoll Länge, ein
                              Projectil Nr. 1, aus Whitworth-Stahl gefertigt und
                              nach Whitworth's Vorschlag
                              vorn flachköpfig gestaltet, sein Ziel traf, durch das
                              Wasser also nicht von seiner Bahn abgelenkt worden war, während ein vorn halbrundes Projectil Nr. 2 vom Wasser bis zu 9 1/2 Zoll
                              Höhe über dem Zielpunkt abgelenkt wurde, und endlich ein aus weißem Gußeisen
                              dargestelltes Palliser-Geschoß Nr. 3 die Platte
                              erst in 19 Zoll Höhe über dem Centrum getroffen hatte, wornach es an derselben abgleitend, wieder aus
                              dem Wasser emporstieg. Diesen Versuchsresultaten reiht Whitworth einen historischen Rückblick auf die seit 1857, dem Zeitpunkt
                              der Panzerplatten-Einführung gemachten Vorschläge zur Anwendung von mit vorn abgeflachtem Kopf versehenen Landgeschossen an und
                              erwähnt dabei, daß schon im Jahre 1864 ein solches Projectil, vom Kanonenboot
                              „Stork“ aus vermittelst eines 70 Pfünders gegen den
                              „Alfred“ abgeschossen, die 24 Zoll Eichenholz starke
                              Seitenwand des letzteren 3,75 Fuß tief unter Wasser durchbohrt und somit die
                              Vorzüglichkeit dieser Geschosse dargethan habe.
                           Auf Grund obiger Schießversuche vindicirt Whitworth den
                              aus seinem Material – der homogeneous iron benannten Gußstahlsorte – angefertigten und nach
                              seiner Construction vorn eben abgeflachten Geschossen
                              folgende Vorzüge anderen und insbesondere auch den gewöhnlichen
                              Cylinder-Ogival-Geschossen gegenüber:
                           1) eine größere Eindringungskraft beim Schrägschießen;
                           2) größere Sprengladungs-Aufnahmecapacität;
                           3) insbesondere die Fähigkeit zum Eindringen in's Wasser, ohne dabei eine
                              Richtungs-Ablenkung zu erfahren, sowie zum Durchdringen von unter Wasser
                              stehenden Eisenplatten.
                           In der letzten Versammlung der British Association zu
                              Exeter hielt Whitworth einen Vortrag „über das
                                 Durchschießen der Panzerplatten mit Langgeschossen großer Capacität beim
                                 Schrägfeuer“ (mitgetheilt im Engineer vom
                              3. September und im Mechanics' Magazine vom 24.
                              September 1869), wornach Schießversuche mit einem 3 Pfünder von 315 Pfund Gewicht
                              und 1,85 Zoll Bohrungsdurchmesser, dessen 6 Kaliber langes Geschoß 6 Pfd. wog, mit
                              10 Unzen (also 3/6 Pfd.) Pulverladung die durch Figur 5–10 graphisch
                              dargestellten Resultate ergaben:
                           Fig. 5 stellt
                              hierbei den Verticaldurchschnitt einer zweizölligen Eisenplatte dar, welche von
                              einem 6 Kaliber langen flachköpfigen Projectile mit dem Neigungswinkel von 55 Grad
                              durchdrungen wurde;
                           Fig. 6 zeigt
                              eine 1,7 Zoll dicke Eisenplatte, in welcher das unter 45 Grad Neigungswinkel
                              eingeschlagene Projectil mit 30 Zoll Eindringungstiefe stecken blieb;
                           Fig. 7 liefert
                              den Durchschnitt einer unter 25 Grad Neigungswinkel vom erwähnten Geschosse
                              durchdrungenen 1,75 Zoll starken Platte;
                           Fig. 8
                              repräsentirt die von einem nur 3 1/2 Kaliber langen flachköpfigen Geschosse unter 45
                              Grad beinahe durchdrungene 1,7 zöllige Eisenplatte;
                           Fig. 9 und
                              Fig. 10
                              dagegen versinnlichen die Eindrücke, welche 3 1/2 und resp. 2 1/2 Kaliber lange
                              Cylinder-Ogival-Geschosse bei 45 Grad Anschlagswinkel in einer 1,5
                              zölligen Eisenplatte hervorgebracht haben. – Das erstere Geschoß, durch seine
                              Kopfform von der Platte abgeleitet, (deflected), zeugte
                              beim Wiederauffinden durch seine Gestaltveränderung von der Kraft seines Stoßes und
                              der Güte seines (Whitworth'schen) Materiales, während das
                              letztere aus Pontypool-Weißeisen verfertigte Projectil derselben Kopfform
                              beim Anschlagen an die Platte in Stücke zersplitterte, von denen 48 wieder
                              aufgefunden werden konnten.
                           Whitworth glaubt hierdurch die Güte seines Materiales und
                              die Ueberlegenheit flachköpfiger Projectile gegen cylinder-ogivale genügend
                              dargethan und zugleich nachgewiesen zu haben, daß bei entsprechenden Rohrzügen
                              selbst noch sechs Kaliber lange Geschosse ganz wohl zur
                              Anwendung kommen könnten. – Die Eisenplatten waren bei den drei ersten
                              Schießversuchen (Fig. 5–7) absichtlich so stark
                              gewählt worden, daß sie von den betreffenden Geschossen vermöge der ihnen gegebenen
                              „Wirkungsgröße“ (work) nicht
                              ganz durchdrungen werden konnten, um letztere dadurch sich mehr auf die Geschosse
                              selbst äußern zu lassen und somit deren Tauglichkeit in Bezug auf Form und
                              Materialfestigkeit zur schärferen Prüfung zu bringen.
                           Für sehr schräge Schüsse gegen Panzerplatten scheint
                              hiernach das flachköpfige Stahl-Langgeschoß
                              allerdings dem cylinder-ogivalen überlegen zu
                              seyn, während andererseits die in Bd. CLXXXIII S. 134 mitgetheilten Schießversuche
                              zu Shoeburyneß dargethan haben, daß bei normal und bis zu 60
                                 Grad Neigungswinkel gegen Panzerplatten abgegebenen Schüssen, Stahl-Langgeschosse mit Köpfen von ogivaler Form und
                                 conischer Spitze, deren Seiten sich mit 70 Grad
                                 Neigung zu einander tangential an den Durchschnitt des unteren Ovals
                                 anschließen, im Uebergewicht sind, was der von Prof. Haughton aufgestellten und wissenschaftlich
                              entwickelten Behauptung entspricht: es müsse, weil in solchen Fällen immer eine
                              Brechung der Platte stattzufinden habe, die Geschoßspitze stets nach dem für das
                              jedesmalige Panzerplatten-Material festzustellenden „Winkel der leichtesten Brechung“ (angle of easiest fracture) construirt werden, was in
                              Analogie mit Mosely's
                              Feststellung des sogenannten Scherwinkels (shearing angle) steht und wobei allerdings immer
                              vorausgesetzt werden muß, daß das Geschoß beim Anschlage an die Panzerwand weder
                              zersplittert noch sonst in seiner Form alterirt wird, welchen Bedingungen geschmiedeter harter Gußstahl bis jetzt noch immer am
                              besten zu entsprechen scheint.
                           Endlich stellt Whitworth in obenerwähnter Mittheilung zum
                              Beweise, daß die von
                              ihm vorgeschlagenen flachköpfigen Projectile den 3 1/2 Kaliber langen
                              Cylinder-Ogival-Geschossen schon bei 5 Kaliber
                                 Länge nicht nur beim Schrägschießen gegen
                              Panzerplatten, sondern, gleiche Kaliber vorausgesetzt, auch im Allgemeinen an Spreng- und bei verhältnißmäßigen Geschützladungen
                              an Percussionskraft überlegen seyen, die nachfolgende
                              Vergleichstabelle auf:
                           
                              
                                 Bohrungs-Kaliber,Pfund.
                                 Pulver-Ladung,Pfund.
                                 Cylinder-Ogival-Granaten3
                                    1/2 Kaliber lang, vonGußeisen.
                                 Flachköpfige Granaten5 Kaliber lang,
                                    vonWhitworthstahl.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Spreng-Ladung,Pfund.
                                 Granat-Gewicht,Pfund.
                                 Spreng-Ladung,Pfund.
                                 Granat-Gewicht,Pfund.
                                 
                              
                                   5,5
                                   11,0
                                   4,0
                                   70
                                   6,0
                                   120
                                 
                              
                                   7,0
                                   23,0
                                   8,5
                                 150
                                 12,0
                                   255
                                 
                              
                                   8,0
                                   34,0
                                 13,0
                                 220
                                 18,0
                                   375
                                 
                              
                                   9,0
                                   50,0
                                 18,0
                                 320
                                 25,0
                                   535
                                 
                              
                                 10,0
                                   70,0
                                 24,0
                                 440
                                 35,0
                                   740
                                 
                              
                                 11,0
                                   90,0
                                 32,0
                                 580
                                 45,0
                                   965
                                 
                              
                                 12,0
                                 117,0
                                 40,0
                                 750
                                 58,0
                                 1250
                                 
                              
                                 13,0
                                 150,0
                                 51,0
                                 960
                                 75,0
                                 1615
                                 
                              
                           Stade, im November 1869.
                           Darapsky.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
