| Titel: | Ueber Bessemer-Stahl und Heaton-Stahl; von C. Schinz. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XXXIX., S. 127 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber Bessemer-Stahl und Heaton-Stahl; von C.
                           Schinz.
                        Schinz, über Bessemer- und Heaton-Stahl.
                        
                     
                        
                           Von einem Freunde wurde mir eine Brochure zugesandt, welche bei E. Stanford in London (1869) unter dem Titel: „Heaton's
                                 Process for the treatment of cast iron and the
                                    manufacture of steel“ erschien, und deren Verfasser sich
                              nicht genannt hat.
                           Dieses Schriftstück enthält eine Zusammenstellung des bedeutenden Streites, welcher
                              über das Verfahren von Bessemer und Heaton in England entstanden ist und an dem nicht nur eine große Zahl der
                              dortigen technischen Journale, sondern sogar die politische Presse (wie die Times) Theil und Partei genommen haben.
                           Dieser Streit ist nun eigentlich ein solcher um des Kaisers Bart, da die beiden
                              Verfahrungsarten nicht nur verschiedener Natur sind, sondern sogar verschiedene Zwecke
                              verfolgen. Beide Processe kommen nur darin mit einander überein, daß sie die zur
                              Affinirung des Roheisens nöthigen Reagention auf eine bei weitem wirksamere Weise
                              mit demselben in Contact bringen, als es früher geschah.
                           Darin ist nun Bessemer unbestreitbar vorangegangen, und
                              Heaton's VerfahrenBeschrieben im polytechn. Journal, 1868, Bd. CXC S. 465. ist gewissermaßen nur eine glückliche Nachahmung desjenigen von Bessemer für ein ganz anderes Reagens. Das Reagens
                              Bessemer's ist
                              atmosphärische Luft, welche als solches in Anwendung kam, seitdem überhaupt
                              Schmiedeeisen dargestellt wurde. Das Reagens Heaton's ist Natronsalpeter, dessen Schwester
                              das salpetersaure Kali schon in den dreißiger Jahren von Dr. Engelhard als Mittel das Roheisen zu
                              affiniren zur Anwendung kam.
                           Wenn nun Bessemer behauptet, daß sein Reagens nichts koste, so ist er entweder in einem groben Irrthume
                              oder er will damit bloß dem Publicum Sand in die Augen streuen; denn genau
                              betrachtet ist eigentlich nicht der Sauerstoff der Luft das Reagens, sondern das
                              Eisenoxyd und Oxydul, welches auf Kosten des Roheisens gebildet wird, und da das
                              Verfahren Bessemer's nur auf
                              sehr reine und stark gekohlte Roheisensorten anwendbar ist, welche einen sehr hohen
                              Preis haben, und die Praxis einen Abgang von 1/4 dieses Roheisens ausweist, so
                              kostet dieses Reagens keineswegs nichts, sondern sogar
                              mehr als dafür beim gewöhnlichen Puddelverfahren in Rechnung kommt; ziehen wir
                              ferner in Betracht, daß das Bessemer'sche Verfahren sehr
                              stark gekohltes Roheisen verlangt, welches 0,25 Proc. mehr kostet als weniger
                              gekohltes Eisen von derselben Reinheit, so wird der Vortheil in Beziehung auf die
                              Kosten des Reagens gegenüber dem Natronsalpeter nur noch ein geringer seyn.
                           Dagegen steht das Verfahren Bessemer's gegenüber dem von Heaton
                              dadurch sehr bedeutend im Vortheile, daß es ein leichtflüssiges Product gibt,
                              welches sofort in Eingüsse gegossen werden kann, während bei Heaton's Verfahren das Product umgeschmolzen
                              werden muß, um es in Stahl zu verwandeln. Eine Compensation dieses Nachtheiles
                              findet sich dann aber darin, daß das Heaton'sche
                              Verfahren nicht nur weniger gekohltes Roheisen zu verwenden gestattet, sondern auch
                              solches das aus dem schlechtesten Eisenerz gewonnen ist und dabei im Preise viel
                              niedriger steht.
                           Ob nun aber der um die volle Hälfte niedrigere Preis des Rohmateriales welches Heaton verwenden kann, nicht etwa durch die ebenfalls
                              geringere Qualität des Endproductes wieder compensirt werde, ist jetzt noch nicht zu
                              entscheiden, da das Heaton'sche Verfahren noch nicht zu
                              dem Grade der Vollkommenheit gebracht ist, dessen es muthmaßlich fähig ist.
                           Es mag richtig seyn, was der Commissär der Vereinigten Staaten Nordamerika's für die
                              Welt-Ausstellung zu Paris i. J. 1862 von dem Bessemer-Stahl sagte:
                              „Derselbe bildet eine bemerkenswerthe Ausnahme in der Geschichte der
                                 Erfindungen, insofern er dem Erfinder und den Consumenten Vortheil gebracht hat,
                                 nicht aber den Fabrikanten.“
                              
                           Daß Bessemer's Verfahren den
                              Fabrikanten keinen Vortheil gebracht hat, ist leicht dadurch zu erklären, daß
                              dasselbe in einem sehr unvollkommenen Zustande in die Praxis überging, ohne
                              vorherige genaue Feststellung der Bedingungen, welche den Erfolg sichern, ja es
                              scheint erst in der allerneuesten Zeit, wo das Bessemer'sche Patent bald Gemeingut werden wird, ein genaues und bestimmtes
                              Kriterium gefunden worden zu seyn, um den Moment zu bestimmen, wo aller Kohlenstoff
                              aus dem Roheisen entfernt und die augenblickliche Einstellung der
                              Luft-Einwirkung erforderlich ist.
                           Anfänglich beabsichtigte Bessemer durch die Luft den
                              Kohlenstoff im Roheisen nur so weit zu verbrennen, daß von demselben noch die
                              nöthige Quantität übrig bleibt um Stahl zu bilden.Man sehe Bessemer's
                                    Vortrag „über die Darstellung von Eisen und Stahl,“
                                    welcher in der Institution of Civil Engineers zu
                                    London am 10. und 17. Mai 1859 gehalten und im polytechn. Journal Bd. CLIII S. 270 mitgetheilt
                                    wurde.A. d. Red. In Schweden scheint dieß auch sich verwirklicht zu haben, aber bei den
                              besten Roheisensorten welche mit mineralischen Brennstoffen dargestellt sind, wie
                              sie in England, Frankreich und Belgien vorkommen, scheint dieß nicht möglich zu
                              seyn, und erst nachträglich wurde gefunden, daß in diesem Falle die Darstellung von
                              Stahl besser erreicht werde, wenn man zuerst allen Kohlenstoff entfernt und dann
                              denselben in Form von Spiegeleisen wieder hinzubringt.
                           Bei diesem Verfahren war es aber sehr schwierig, den richtigen Punkt zu treffen, um
                              nicht zu viel Eisen zu verbrennen, wodurch dann die größte Ungewißheit entsteht wie
                              viel von dem Spiegeleisen zugesetzt werden muß, um die richtige Menge von
                              Kohlenstoff zuzubringen, da nun ein Theil desselben zur Reduction des zu viel
                              verbrannten Eisens verzehrt wird. Bei dem ursprünglichen schwedischen Verfahren ist
                              es wohl noch schwieriger, den richtigen Punkt zu treffen. Unter solchen Umständen
                              konnten natürlich die Fabrikanten keine gleichförmige Production erzielen und manche
                              mißlungene Operation mußte den Gewinn, den die gelungenen gebracht hätten,
                              compensiren.
                           Dieses lang gesuchte Kriterium scheint nun in der Anwendung des Spectroskops gefunden
                              zu seyn, welches das Verschwinden des Kohlenstoffgehaltes der Masse augenblicklich
                              anzeigt. Dasselbe ist freilich für das schwedische Verfahren nicht anwendbar.
                           Heaton's Verfahren ist noch
                              weit entfernt, durch eine verbreitete und anhaltende Praxis geläutert und durch die
                              Beiträge vieler Beobachter vervollkommnet zu seyn, daher es auch ungerecht wäre,
                              wenn man dessen ökonomische Seite jetzt schon positiv mit dem Bessemer'schen Verfahren in Parallele ziehen wollte, um so mehr, als
                              dessen Zweck nicht sowohl der seyn kann, den Bessemerproceß zu ersetzen, als geringe
                              Roheisensorten zu einem wenn auch vielleicht geringeren, für gewisse Zwecke dennoch
                              brauchbaren Stahl zu verwerthen.
                           Als ich von dem Heaton'schen Verfahren Kenntniß bekam,
                              drängte sich mir vor Allem der Gedanke auf, daß dasselbe im Gegensatz zum Bessemer'schen Verfahren den Vortheil bieten müsse, die
                              Quantität des Reagens genau nach dem Gehalte der im Roheisen zu entfernenden Stoffe
                              bestimmen zu können.
                           Nun scheint aber noch nicht einmal der Versuch gemacht worden zu seyn, nach solcher
                              Berechnung zu verfahren; die veröffentlichten Versuche zeigen jedoch, daß nicht nur
                              die Salpetersäure oxydirend wirkt, sondern auch das Natron, welches theilweise sich
                              reducirt, und daß der Erfolg nicht bloß von der Oxydirung abhängt, sondern auch von
                              der Quantität der Base, welche die oxydirten Producte aufnehmen soll.
                           Die Resultate, welche Prof. Miller in London und Gruner (Inspecteur général des Mines) in Paris
                              (man s. dessen Etudes sur l'acier, examen du
                                 procédé
                              Heaton, Paris 1869)
                              durch die Analyse des Roheisens und des Converter-Productes erhalten haben,
                              sind folgende:
                           
                              Roheisen Nr. 4 von Clay Lane und Staunton,
                                 zu gleichen Theilen, beide aus politischen Eisenerzen erblasen, nach Prof.
                                 Miller:
                              
                           
                              
                                 Zusammensetzung desRoheisens
                                 Zusammensetzung desConverter-Productes
                                 
                              
                                   C = 2,830
                                 1,800
                                 
                              
                                   Si = 2,950
                                 0,266
                                 
                              
                                   P = 1,455
                                 0,298
                                 
                              
                                   S = 0,133
                                 0,018
                                 
                              
                                 As = 0,041
                                 0,039
                                 
                              
                                 Mn = 0,318
                                 0,090
                                 
                              
                                 Ca          
                                 0,319
                                 
                              
                                 Na          
                                 0,144
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Roheisen von Longwy, halbirt, nach Gruner:
                                 
                              
                                 Zusammensetzung desRoheisens.
                                 Zusammensetzung desConverter-Productes
                                 
                              
                                 C  ?      
                                 1,200
                                 
                              
                                 Si  1,050
                                 0,160
                                 
                              
                                 P   1,650
                                 0,640
                                 
                              
                                 S   0,350
                                 0,190
                                 
                              
                                 Graues Roheisen von
                                       Hayange, nach Gruner:
                                 
                              
                                 C  ?      
                                 1,210
                                 
                              
                                 Si  3,024
                                 0,530
                                 
                              
                                 P   1,275
                                 0,920
                                 
                              
                                 S    0,090
                                 0,010
                                 
                              
                           Somit bleiben im Converter-Producte zurück:
                           
                              
                                 Clay Lane und Staunton
                                 Longwy
                                 Hayange
                                 
                              
                                     Si     9
                                    Proc.
                                 15 Proc.
                                 17 Proc. des ursprünglichen Gehaltes
                                 
                              
                                 P     20  
                                    „
                                 39    „
                                      
                                 72    „                „                
                                    „
                                 
                              
                                 S     13  
                                    „
                                 54    „
                                      
                                 54    „                „                
                                    „
                                 
                              
                           Was namentlich in Beziehung auf P noch keineswegs
                              befriedigend erscheint, wenn auch durch weitere Manipulationen mit den
                              Converterproducten dieser Gehalt noch vermindert wird.
                           Betrachten wir nun die beiden letzteren Resultate der Analyse näher, so ergibt sich
                              unter der Annahme, daß beide Roheisensorten 3 Proc. C
                              enthalten und daß die Hälfte davon eliminirt werden soll, Folgendes:
                           Der Gehalt der vorhandenen zu eliminirenden Stoffe war im Roheisen von Longwy:
                           
                              
                                 Kil. 10,80 C
                                 welche um
                                 CO zu bilden
                                 Kil. 14,40 O
                                 aufnehmen u. produciren
                                 Kil. 25,20 CO
                                 
                              
                                   „     6,48 Si
                                 
                                 SiO³
                                   „     7,40
                                 
                                   „   13,88 SiO³
                                 
                              
                                   „   10,22 P
                                 
                                 PO⁵
                                   „   13,19
                                 
                                   „   23,41 PO⁵
                                 
                              
                                   „     2,40 S
                                 
                                 SO³
                                   „     3,60
                                 
                                   „     6,00
                                    SO³
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Bedarf an O = Kil.
                                    38,59   
                                 
                                 
                                 
                              
                           und im Roheisen von Hayange:
                           
                              
                                 Kil. 10,59 C
                                 welche um
                                 CO zu bilden
                                 Kil. 14,12 O
                                 aufnehmen u. produciren
                                 Kil. 24,71 CO
                                 
                              
                                   „   21,17 Si
                                 
                                 SiO³
                                   „   24,19
                                 
                                   „   45,36 SiO³
                                 
                              
                                   „     9,00 P
                                 
                                 PO⁵
                                   „   11,61
                                 
                                   „   20,61 PO⁵
                                 
                              
                                   „     0,71 S
                                 
                                 SO³
                                   „     1,06
                                 
                                   „     1,77
                                    SO³
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Bedarf an O = Kil.
                                    50,98   
                                 
                                 
                                 
                              
                           Um diese Oxydation zu bewirken, wurden dem Roheisen von Longwy Kil. 68 und dem von
                              Hayange Kil. 67 roher Chilisalpeter zugesetzt. Diese Quantitäten entsprechen:
                           
                              
                                 61,80 NaO, NO⁵
                                 = 22,54 NaO und 39,26 NO⁵;
                                 
                              
                                 und 60,89 NaO, NO⁵
                                 = 22,22 NaO und 38,68 NO⁵.
                                 
                              
                           
                           Die Zersetzungsproducte der NO⁵ sind theils NO theils NO²;
                           
                              
                                 Kil. 39,26 NO⁵
                                 können daher liefern
                                 Kil. 23,17 O
                                 od. Kil. 17,54 O,
                                 im Mittel
                                 Kil. 20,36 O
                                 
                              
                                 Kil. 38,68   „
                                     
                                    „        
                                    „          „
                                 Kil. 22,92
                                   „   Kil. 17,19
                                  „      
                                    „
                                 Kil. 20,05  „
                                 
                              
                           während der Bedarf Kil. 38,59 und Kil. 50,98 O ist. Man sieht
                              also, daß die NO⁵ kaum die Hälfte des O geliefert hat, welche nöthig gewesen
                              wäre.
                           Die Quantitäten NaO welche für diese beiden Roheisensorten genommen wurden, waren
                              Kil. 28,54 und Kil. 28,22, enthaltend Kil. 5,82 und Kil. 5,73 O.
                           Nun hat aber Heaton den Kieselsäure-Gehalt noch
                              vermehrt, indem er dem Chilisalpeter Kil. 9 und Kil. 10,39 in Form von Sand
                              zusetzte. Diese enthalten Kil. 4,80 und Kil. 5,54 O und wir haben also
                           
                              
                                 in SiO³ = 7,40 + 4,80 =
                                 12,20 O
                                 = 24,19 + 5,54 = 29,73 O
                                 
                              
                                     PO⁵ =
                                 13,19
                                 11,61   
                                 
                              
                                     SO³ =
                                   3,60
                                 1,06   
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 28,99 O
                                 42,40 O
                                 
                              
                                 im NaO
                                   5,82 O
                                 5,73 O
                                 
                              
                                 woraus die Verhältnisse
                                 1 : 5      und
                                 1 : 7,4  
                                 
                              
                           Das wären so saure Silicate, daß gar nicht daran zu denken ist, daß die vorhandenen
                              Mengen von Base die berechneten Mengen von PO⁵ und SO³ aufnehmen
                              würden und es ist daher das Verfahren Heaton's, dem Salpeter Sand zuzusetzen, ein völlig
                              zweckwidriges.
                           Die Erfahrung zeigt, daß wenn die Base FeO ist, dieselbe keine PO⁵ mehr
                              aufnimmt, sobald die Schlacke 40 Proc. SiO³ aufgenommen hat, und dieß
                              entspricht dem Verhältniß 2 FeO + SiO³ = 16 O : 24 O = 1 : 1,5, während in
                              der Heaton'schen Operation auf 5,82 und 5,73 basischen
                              Sauerstoff 12,20 und 29,73 O aus SiO³ kommen, was dann die Verhältnisse
                              12,20/5,82 = 1 : 2,1 und 29,73/5,73 = 1 : 5,2 gibt.
                           In den wirklich erhaltenen Schlacken sind aber auch keineswegs die berechneten
                              Gehalte gefunden worden:
                           
                              
                                 Longwy:
                                 31,00 Proc. SiO³
                                 Hayange:
                                      54 Proc. SiO³
                                 
                              
                                 
                                 15,80    
                                    „    PO⁶
                                 
                                   1,60    „    PO⁵
                                 
                              
                                 
                                   0,70    
                                    „    SO³
                                 
                                   0,50    „    S
                                 
                              
                                 
                                   0,60    
                                    „    S
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 30,40 Proc. NaO
                                 
                                 29,00 Proc. NaO
                                 
                              
                                 neben kleinen Mengen Cl, Ca, Fe Mn und
                                    Va.
                                 
                              
                           
                              
                                 Diese enthalten in:
                                    SiO³ = 16,53 O
                                 und 28,79
                                 
                              
                                 
                                 PO⁵ =  
                                    8,90   
                                 0,90
                                 
                              
                                 
                                 SO³ =  
                                    0,42   
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                     
                                    ––––––
                                 
                              
                                 
                                 25,85   
                                 29,69
                                 
                              
                                 NaO = 7,84 = 1 : 3,33 und 7,84 = 1 : 4.
                                 
                              
                           
                           Im letzten Falle ist also fast gar nichs als SiO³ in die Schlacke
                              übergegangen, und das NaO ist ausschließlich durch SiO³ gesättigt und kann
                              keine PO⁵ mehr aufnehmen. Die mehr basischen Eigenschaften des NaO gegen FeO
                              geben sich also dadurch kund, daß ein Gewichtstheil ersterer Base durch 4 O aus
                              SiO³ gesättigt wird, während 1 Gewth. basisches O aus FeO sich schon mit 1,5
                              Gewth. acidem O sättigt.
                           In der von dem Roheisen von Longwy herrührenden Schlacke sättigen die 16,53 O aus
                              SiO³ = 4 O aus NaO und 3,84 O aus NaO, nehmen dann 9,32 O aus PO⁵ und
                              SO³ auf.
                           Uebrigens fehlt auch dieser Schlacke eine hinreichende Menge NaO, um allen in dem
                              Roheisen enthaltenen P und S aufzunehmen.
                           Aus den verwendeten Stoffen berechnet sich das Gewicht der Schlacken, indem wir die
                              SiO³ als unwandelbaren Bestandtheil betrachten:
                           Longwy: 9 Kil. Sand plus aus
                              Roheisen übergegangene 6,48 – 1,04 =
                           5,49 Si = SiO³ 11,51 = 20,77 SiO³
                           Hayange: 10,39 Kil. Sand plus aus
                              Roheilen übergegangene 21,17 – 3,71 = 17,46 Si = SiO³ 37,41 = 47,80
                              SiO³, und wir haben:
                           
                              
                                 
                                    Longwy
                                    
                                 
                                 
                                 
                                    Hayange
                                    
                                 
                              
                                 Kil. 20,77 SiO³ = 9,69 Si
                                 
                                 
                                 Kil. 47,80 SiO³ = 22,31 Si
                                 
                              
                                       10,58 PO⁵ = 4,62
                                    P
                                 
                                 
                                         1,41
                                    PO⁵      0,61 P
                                 
                              
                                         0,47
                                    SO³ =
                                    0,19        0,40
                                    S       0,40
                                 
                                    
                                    
                                 0,59 S
                                         0,44 S
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                     
                                    ––––––––––
                                 
                              
                                       20,11 NaO
                                 
                                 
                                        25,67 NaO.
                                 
                              
                                     Ferner das Gewicht der im
                                    Converter zurückgebliebenen Stoffe:
                                 
                              
                                 Kil.   0,99 Si
                                 
                                 
                                 Kil.   3,71 Si
                                 
                              
                                         3,95 P
                                 
                                 
                                         6,44 P
                                 
                              
                                         1,17 S
                                 
                                 
                                         0,07 S
                                 
                              
                           Nun haben wir:
                           
                              
                                 
                                    Longwy
                                    
                                 
                              
                                 in den Schlacken
                                 
                                 Kil.   9,69 Si
                                     4,62 P
                                 und
                                    0,59 S
                                 
                              
                                 in dem Converter-Producte
                                 
                                     0,99
                                   3,95
                                 
                                 1,17
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 –––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Kil. 10,68 Si
                                     8,57 P
                                 
                                    1,76 S
                                 
                              
                                 Sand 4,20
                                    im Roheisen 6,48
                                 
                                    
                                    
                                   10,68
                                 10,22
                                 
                                  2,40
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Manco
                                     1,65 P
                                 
                                    0,64 S
                                 
                              
                                 
                                    Hayange
                                    
                                 
                              
                                 in den Schlacken
                                 
                                 Kil. 22,31 Si
                                     0,61 P
                                 und
                                    0,44 S
                                 
                              
                                 in dem Converter-Producte
                                 
                                     3,71
                                  6,44
                                 
                                 0,07
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 –––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Kil. 26,02 Si
                                     7,05 P
                                 
                                    0,51 S
                                 
                              
                                 Sand 
                                       4,85 im Roheisen 21,17
                                 
                                    
                                    
                                 26,02
                                  9,00
                                 
                                 0,71
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Manco
                                     1,95 P
                                 
                                    0,20 S
                                 
                              
                           
                           welche auf irgend eine Weise verflüchtigt werden mußten, da
                              sie nicht NaO genug vorfanden um sich zu binden.
                           Allerdings ist bei der ganz ungenügenden Schlacken-Base die Operation mit
                              letzterem Roheisen auch von einer viel weniger vollständigen Elimination der fremden
                              Stoffe begleitet gewesen, aber dennoch zeigt diese Verflüchtigung von P und S, daß
                              dabei die Temperatur, welche im Converter stattfindet, nicht ohne Einfluß seyn
                              kann.
                           In dieser Beziehung hat nun Heaton abermals Unrecht,
                              seinem Converter nur kleine Dimensionen zu geben, wodurch natürlich die Temperatur
                              vermindert wird.
                           Ist eine möglichst hohe Temperatur im Converter wünschenswerth, so folgt ferner, daß
                              die durchlöcherten Platten, welche den Rohsalpeter bedecken, so dünn als möglich
                              gemacht werden sollten.
                           Ebenso werden erhöhte Dosen von Salpeter nicht nur die zu eliminirenden Stoffe
                              vollständiger oxydiren und zu deren Aufnahme mehr NaO zuführen, sondern auch die
                              Temperatur im Converter erhöhen.
                           Wir haben gesehen, daß die zu eliminirenden Stoffe im Roheisen von Longwy Kil. 38,59
                              O zu ihrer vollständigen Oxydirung verlangen; um dieser Anforderung zu genügen,
                              müßten wir statt 68 Kil. Rohsalpeter diese Quantität auf Kil. 129 erhöhen, und für
                              das Roheisen von Hayange von 67 Kil. auf 170 Kil. bringen.
                           Im ersteren Roheisen sind mit Weglassung des zugesetzten Sandes zu binden:
                           
                              
                                 Kil. 7,40 O aus SiO³, welche 7,40/4
                                 = 1,85 basischen O erfordern,
                                 
                              
                                 Kil. 16,79 O aus PO⁵ und SO³, welche
                                    16,79/1,5
                                 = 11,19 basischen O erfordern,
                                 
                              
                                 ––––––––
                                 
                                 
                              
                                 welche Quantität
                                    von       13,04
                                 basischem O = Kil. 150 Rohsalpeter erheischt.
                                 
                              
                           In letzterem Roheisen haben wir:
                           
                              
                                 Kil. 24,19 O aus SiO³, welche 24,19/4
                                 = 6,05 basischen Sauerstoff erfordern,
                                 
                              
                                 Kil. 12,67 aus PO⁵ und SO³, welche
                                    12,67/1,5
                                 =
                                    8,45        „                „              
                                    „
                                 
                              
                                 und diese Quantität = 14,50
                                 basischer O würde Kil. 169 Rohsalpeter erheischen.
                                 
                              
                           Eine solche Vermehrung des Rohsalpeters ist aus ökonomischen Rücksichten kaum
                              thunlich, da die jetzt angewandten Quantitäten schon in Frage stellen, ob dieses
                              Verfahren im Verhältnisse zu der Qualität des Productes nicht zu viel koste.
                           
                           Gruner empfiehlt daher, einerseits nur den Basezusatz,
                              nicht die Oxydationsmittel zu vermehren, und andererseits bei Roheisen mit großem
                              Si-Gehalte (wie das von Hayange) durch eine vorhergehende Affinirung im
                              Flammofen den Si-Gehalt zu vermindern.
                           Was den ersteren Rath betrifft, so werden wir darüber noch Mehreres zu sagen haben;
                              in Beziehung auf den zweiten ist zu bemerken, daß wenn auch die
                              Vor-Affinirung im Flammofen nur 9 Franken per
                              1000 Kil. Roheisen kostet, es gewiß ökonomischer wäre, bei der Darstellung des
                              Roheisens dahin zu wirken, daß der Si-Gehalt weniger hoch ausfällt, weil dann
                              gleichzeitig auch der P- und S-Gehalt ein kleinerer würde.
                           Damit hängt aber noch eine andere Frage zusammen. Obgleich die oxydirenden Mittel
                              vorerst auf Si, dann auf P und S, und erst in letzter Instanz auf den C einwirken, so ist das doch nicht so zu verstehen, daß
                              z. B. zuerst alles Si
                              entfernt würde, ehe P, S und C in Angriff kommen, sondern letztere Stoffe werden nur
                              in geringerem Verhältnisse mit oxydirt, sonst würde man bei Bessemer's Proceß nicht nöthig haben,
                              ausschließlich stark gekohlte Roheisensorten zu verwenden. Wenn daher das Verhältniß
                              des vorhandenen C zum vorhandenen Si, P und S klein ist, so wird der C aufgehen, ehe
                              Si, P und S eliminirt sind, und das Resultat wird seyn, daß dann Fe oxydirt wird und
                              kein C mehr vorhanden ist, welcher dieses wieder reducirt.
                           Der Erfolg des Heaton'schen Verfahrens wird also um so
                              größer seyn, als im verwendeten Rohmaterial C und Si, P und S in einem günstigen
                              Verhältnisse stehen, und um so wohlfeiler als diese Stoffe in absolut geringerer
                              Menge vorhanden sind, woraus folgt, daß das kostbare Reagens NaO, NO⁵ am
                              besten gespart wird, wenn schon im Hohofen darauf hingewirkt wird, das Minimum der
                              schädlichen Substanzen in das Roheisen zu bringen.
                           Gruner meint, daß das bisherige Heaton'sche Verfahren nur dann ökonomisch ausführbar sey, wenn entweder
                              der Preis des Rohsalpeters weit unter den jetzigen sinkt, oder wenn es gelingt durch
                              andere Combinationen den Bedarf an diesem Reagens zu vermindern.
                           Es bleibt aber noch eine andere Frage zu erörtern übrig, nämlich die, ob die bisher
                              erhaltene Qualität der Endproducte genügt, um als Stahl-Eisenbahnschienen
                              Verwendung zu finden. Diese Frage scheint noch nicht zur Lösung gelangt zu seyn;
                              wenn sie aber auch zu Gunsten des jetzigen Verfahrens entschieden werden kann, so
                              wird dessenungeachtet die Aufgabe bleiben, das Heaton'sche Verfahren nicht nur ökonomischer zu machen, sondern dasselbe auch
                              so zu vervollkommnen, daß ein besseres Endproduct, d.h. eine noch weiter gehende Elimination von
                              Si und P ermöglicht
                              wird.
                           Die vielen von verschiedenen Personen angestellten Untersuchungen über die
                              physikalischen Eigenschaften von Heaton's Stahl, verglichen mit anderen Stahlarten, scheinen zu
                              zeigen, daß in Beziehung auf Elasticität, Dehnbarkeit und Festigkeit gegen den Zug,
                              der Heaton'sche Stahl geringer ist, während er an
                              Druckfestigkeit alle anderen übertrifft. Es ist möglich, daß diese Eigenschaft den
                              Heaton-Stahl für den speciellen Zweck der
                              Eisenbahnschienen sogar vorziehbar macht, indeß wird dieß sich doch eist durch
                              längere Erfahrung positiv entscheiden lassen.
                           In der obenerwähnten Brochüre über Heaton's Proceß ist diesem Ingenieur die Ehre zuerkannt, den
                              Schlußstein in das Gewölbe gesetzt zu haben, welches seine Vorgänger errichtet
                              hatten, und unter diesem Gewölbe ist die Theorie verstanden, nach welcher der
                              Stickstoff einen nothwendigen Bestandtheil vom Stahl ausmacht. Aber es ist auch
                              nicht einmal der Versuch gemacht worden, jene Theorie durch die Heaton'schen Producte zu bestätigen und in keiner Analyse
                              wurde der N-Gehalt des Heaton-Stahles gesucht und bestimmt. Dagegen ist nicht zu
                              verkennen, daß jener Molecularzustand, der dem Stahle eigenthümlich ist, dem Heaton'schen Producte wenigstens bis zu einem gewissen
                              Grade nicht abgesprochen werden kann, und daß dieß der bisherigen Annahme nicht
                              entspricht, wornach dieser Molecularzustand nur mit leicht reducirbaren Eisenerzen
                              und mit den bei niedriger Temperatur erblasenen Roheisensorten erhalten werden
                              kann.
                           Unter allen Elementen ist wohl der O das einzige, welches Si, P, S und C vom Eisen zu
                              trennen vermag, und unter den O-Verbindungen die Salpetersäure die einzige,
                              welche an Basen gebunden leicht schmelz- und zersetzbare Salze gibt, wie sie
                              der Converter von Heaton erfordert, um durch
                              Temperatur-Erhöhung die Masse flüssig zu erhalten und dadurch sowohl das
                              Oxydationsmittel als die zur Aufnahme der oxydirten Producte bestimmte Base mit der
                              zu behandelnden Masse in hinlänglichen Contact zu bringen.
                           Wenn aber durch größere Capacität des Converters die Wärme mehr zusammengehalten
                              würde, und wenn man die Basen so wählen und zusammensetzen würde, daß sie eine
                              möglichst leichtflüssige Schlacke bilden würden, so könnte dann unzweifelhaft der
                              theure Salpeter zum Theil erspart werden.
                           In Beziehung auf die Basen ist zu berücksichtigen, daß ihr Werth als Bindemittel für
                              die Oxyde und Elemente Si, P und S, wie wir schon gesehen haben, ein verschiedener
                              ist. FeO ist gesättigt, wenn der basische und der acide Sauerstoff im Verhältniß von 1 :
                              1,5 steht, während NaO das Verhältniß 1 : 4 erfordert. Welches Verhältniß zeigen nun
                              alle anderen Basen in dieser Beziehung? Dieß ist ein Capitel, welches in den Annalen
                              der Chemie eine vollständige Lücke bildet, die ausgefüllt werden sollte, um sowohl
                              in dieser Frage als im Eisenhüttenwesen im Allgemeinen weiter kommen zu können.
                           Unter den industriell anwendbaren Basen ist aber eine, welche beim Affiniren des
                              Roheisens, sowie bei der Bildung desselben im Hohofen eine besonders günstige Rolle
                              spielt und daher besonders Berücksichtigung verdient, nämlich das MnO, welches
                              wenigstens zu P und S in feurig flüssiger Reaction ein Affinität zu besitzen
                              scheint, die möglicher Weise sogar größer ist als die der Alkalien, welche sonst bei
                              der Analyse Anwendung finden um SO³ und PO⁵ aufzunehmen.
                           Auch das Bleioxyd ist nicht zu vergessen, welches Dr. Richter schon vor Jahren für den Bessemerproceß empfohlen
                              hat.
                           Man sieht also, daß zur Vervollkommnung des Heaton'schen
                              Verfahrens, in Hinsicht auf die Technik sowohl als auf die Oekonomie, noch eine
                              ganze Reihe von Combinationen offen ist, und daß es möglich ist durch Betretung
                              dieses Weges dem Endzwecke näher zu kommen.
                           Die Erfindung von Bessemer sowohl wie die von Heaton haben das Verdienst, die Einwirkung der Reagentien
                              durch ermöglichten innigeren Contact erhöht zu haben, wodurch bei den Operationen
                              Zeit erspart wird; diese Erfinder haben nach dem in England geborenen Sprichworte
                              „time is money“ gehandelt,
                              nicht minder berechtigt ist aber das Sprichwort „knowledge is power“, und wird auch nach diesem gehandelt,
                              so wird dann auch die Vollkommenheit gefördert, welche an das Ziel führt.
                           Straßburg, im December 1869.