| Titel: | Ueber die hüttenmännische Darstellung von Roheisensorten, welche sich für bestimmte Anwendungen besonders eignen; von S. Jordan. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXII., S. 250 | 
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                        LXII.
                        Ueber die hüttenmännische Darstellung von
                           Roheisensorten, welche sich für bestimmte Anwendungen besonders eignen; von S. Jordan.
                        Aus den Comptes rendus, 1869, t. LXIX p.
                              539.
                        Jordan, über Fabrication von Roheisensorten für besondere
                           Zwecke.
                        
                     
                        
                           Ich übergebe hiermit der (französischen) Akademie eine Abhandlung über die
                              Wärmeerscheinungen, welche in Folge der Injection zahlreicher Ströme von Luft,
                              Wasserdampf oder Sauerstoff in flüssiges Roheisen, nach verschiedenen, seit einigen
                              Jahren auf den Stahlhütten angewendeten Verfahrungsweisen auftreten. Meine
                              Untersuchungen gestatten, obgleich mehrere Coefficienten fehlen oder unsicher sind,
                              verschiedene durch die eisenhüttenmännische Praxis festgestellte Thatsachen zu
                              erklären.
                           
                           Eine der wichtigsten derselben ist die Unterscheidung der zur Stahlfabrication
                              bestimmten Roheisensorten nach ihrem Gehalte an Silicium
                              in heiß und in kalt erblasenes
                                 Roheisen, auf welche Fremy in seinem Berichte
                              über die Welt-Ausstellung von 1867, „l'Acier
                                    en 1867“ die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Meine Arbeit weist
                              die Rolle nach, welche als Wärmeerzeuger das Silicium
                                 spielt, dessen Gegenwart im Roheisen keineswegs schädlich, sondern für die
                              Erzeugung von weichem Bessemerstahl wesentlich ist; man ersieht daraus, daß es für
                              die Metallurgie sehr nützlich seyn würde, wenn ein competenter Physiker die
                              Wärmecapacität dieses Metalloids und die Wärmemenge welche dasselbe bei seiner
                              Verbrennung zu Kieselsäure erzeugt, bestimmte.
                           Die für das zum Verfrischen im Herde oder im Puddelofen bestimmte Roheisen so sehr
                              gesuchte Gegenwart des Mangans ist für die
                              Frischprocesse, bei denen das Hitzen durch intermoleculare
                                 Verbrennung (wenn dieser Ausdruck gestattet ist) erfolgt, nicht von
                              gleichem Nutzen. Uebrigens können Mangan und Silicium in derselben Roheisensorte
                              nicht in beträchtlichen Mengen mit einander vorkommen. Wenn man im Hohofen ein
                              siliciumreiches Roheisen mit einer manganhaltigen Beschickung erblasen will, so
                              gelingt dieß aus dem Grunde nicht, weil das Mangan das Silicium als kieselsaures
                              Manganoxydul in den Schlacken zurückhält.
                           Die zur Fabrication von Bessemerstahl am besten geeigneten Roheisensorten taugen
                              nicht in demselben Maaße zum Verfrischen auf Stabeisen im Comtéfeuer. Häufig
                              werden Roheisensorten welche von den Puddelstahlfabrikanten gesucht sind, von
                              Stabeisenproducenten zurückgewiesen, da sie aus denselben Stabeisen oder ordinäre
                              Bleche zu produciren nicht leicht im Stande sind. Viele Jahre lang begnügte man sich
                              zu sagen: das von diesem oder jenem Hohofen erzeugte Roheisen ist zu diesem oder
                              jenem Zwecke geeignet, ohne sich um die Gründe, weßhalb es so ist, viel zu
                              bekümmern. Heutzutage aber setzen alle Hohofenhütten, welche mit der Zeit
                              fortschreiten, ihre Beschickung nach den von der chemischen Analyse gegebenen
                              Anhaltspunkten zusammen, anstatt im Finstern zu tappen. Aus den sorgfältigen
                              Untersuchungen gewisser, durch die Qualität des aus ihnen erzeugten Roheisens
                              berühmter Erze hat man die Zusammensetzung abgeleitet, welche die Beschickung haben
                              muß, um Roheisen von ähnlicher Qualität zu erhalten. Aus der chemischen
                              Zusammensetzung gewisser Roheisensorten, welche für diese oder jene Frischmethode,
                              für diese oder jene Anwendung des aus ihnen erzeugten Stabeisens geeigneter erkannt
                              worden, hat man auf die Zusammensetzung der Beschickungen geschlossen, welche zur
                              Production von speciell für diese Zwecke geeigneten Roheisensorten erforderlich
                              sind.
                           
                           Die von mir unter Leitung der HHrn. Amédée Burat und Briqueler im Jahre 1855 zum Verblasen
                              der reichen und reinen Erze des Mittelmeer-Litorales angelegten Kohkshohöfen
                              zu Saint-Louis bei Marseille haben diesen Weg zuerst betreten. Von 1856 an
                              producirten sie aus den manganhaltigen Eisenerzen der spanischen Provinzen Almeria
                              und Murcia manganhaltiges Roheisen; dieses Product fand aber in den Hammerhütten,
                              welche seine charakteristischen Eigenschaften noch nicht kannten, nicht gleich
                              Eingang. Im Jahre 1860 begann die Saint-Louis-Hütte die Fabrication
                              von schwefelfreiem Kohksroheisen, welches aus einer Möllerung von Elbaer Eisenglanz
                              und einer dem Schwefelgehalte der Erze und der Kohks entsprechenden Menge von
                              Braunstein erblasen war. In demselben Jahre nahm ich in Gemeinschaft mit meinem
                              Collegen Gaulliard Erfindungspatente auf die
                              Entschwefelung des Kohksroheisens vermittelst Mangan, dann auf die Erzeugung von
                              manganhaltigem weißem und grauem Roheisen für die Darstellung von schwefelfreiem
                              Stabeisen und Stahl, wodurch wir den armen, eisen- oder kalkhaltigen, zur
                              Chlorkalkfabrication nicht geeigneten Manganerzen eine Absatzquelle eröffneten. Wir
                              hatten in dem bei Gründung der Hütte angelegten Laboratorium Untersuchungen über die
                              entschwefelnde Wirkung des Mangans ausgeführt und gefunden, daß dasselbe den
                              Schwefel in den basischen Schlacken als Mangansulfuret zurückhält. Einige Monate
                              später, als ich die Arbeiten und Leistungen meiner Vorgänger, hauptsächlich in
                              Deutschland, besser zu studiren Gelegenheit hatte, überzeugte ich mich, daß unsere
                              Erfindung nicht neu war, und wir gaben deßhalb unsere Patente auf.
                           Das schwefelfreie manganhaltige Kohksroheisen von Saint-Louis fand sehr rasch
                              Anerkennung von Seiten der Stahlproducenten. Seit dem Jahre 1861 wendet einer der
                              großen Puddelstahlfabrikanten des Loirebeckens, Hr. Verdié, dieses Roheisen anstatt des bis
                              dahin in seiner Hütte verbrauchten corsicanischen und algerischen
                              Holzkohlenroheisens an. Bald folgten ihm andere Stahlhüttenbesitzer auf diesem Wege
                              und man glaubte nun nicht mehr, daß zur Fabrication von Puddelstahl Holzkohleneisen
                              unumgänglich nothwendig sey.
                           Im Jahre 1862 wurde unser Roheisen in der Hütte zu Saint-Seurin von Jackson und Comp., welche den
                              Bessemerproceß in Frankreich eingeführt hatten, versuchsweise zur Darstellung von
                              Bessemerstahl verwendet und bald trat es auf diesem Werke mit dem bisher
                              ausschließlich angewendeten englischen Hämatitroheisen in Concurrenz. Von 1862 an
                              nahm die Production des Roheisens zum Bessemerfrischen (durch die fortwährend von
                              den Ingenieuren der Hütte ausgeführten analytischen Untersuchungen sicher geleitet)
                              stets zu, und die Hohöfen von Saint-Louis liefern für mehrere Stahlhütten
                              deren Bedarf an heiß und kalt erblasenem Roheisen.
                           Im Jahre 1663 machten wir die ersten Versuche, das Roheisen von Saint-Louis
                              auf feines Holzkohlenstabeisen in der Franche-Comté im Herde
                              verfrischen zu lassen, um ihm eine Concurrenz mit dem dortigen Holzkohlenroheisen zu
                              eröffnen, welches damals über 165 Frcs. per 1000 Kilogr.
                              kostete. Nachdem dieß im Stabeisenwerke des Hrn. Meiner-Japy zu
                              Isle-sur-le-Doubs vollständig gelungen war, wurde daselbst
                              unser Kohksroheisen eingeführt und gegenwärtig wird im östlichen Frankreich zur
                              Production von feinem Holzkohlenstabeisen fast ausschließlich Kohksroheisen
                              angewendet, von welchem die Tonne nur ungefähr 125 Frcs. loco Hütte kostet. Ohne diese Substitution hätten die Hütten der
                              Franche-Comté durch die in Folge der letzten Handelsverträge möglich
                              gewordene Einfuhr schwedischen Roheisens kalt gelegt werden müssen. Dieser Erfolg
                              des Roheisens von Saint-Louis führte demselben bald Concurrenten zu; die
                              Hohöfen von Bessèges, von Givors, vom Creusot folgten dem gegebenen Beispiele
                              und jetzt ist die Verhüttung der spanischen und algerischen manganhaltigen Eisenerze
                              (in Frankreich) fast allgemein.
                           In Folge einer im Jahre 1864 nach dem Siegenerlande unternommenen Reise, über welche
                              ich der Akademie in einer besonderen Schrift Bericht erstattet habe,Etat actuel de la métallurgie du fer dans le
                                       pays de Siegen (Prusse), et notamment de la fabrication des fontes
                                       aciéreuses; par M. S. Jordan. Paris et
                                       Liège, 1864. machte die Hütte von Saint-Louis auf dem Wege der Fabrication
                              besonderer Roheisensorten einen Schritt weiter, indem sie die so schwierige
                              Erzeugung des viel (7 bis 10 Procent) Mangan enthaltenden Spiegeleisens unternahm, welche bisher fast nur auf den westphälischen
                              Hütten betrieben wurde. Gegenwärtig hat das Spiegeleisen von Saint-Louis das
                              preußische Product in fast allen französischen Bessemerhütten verdrängt.
                           Es ist uns auch gelungen, noch andere besondere Roheisensorten darzustellen; z.B. ein
                              Roheisen für Güsse von großer Zähigkeit, ferner ein Roheisen zur Darstellung von
                              hämmerbarem Gußeisen, welches das von vielen Fabrikanten bisher ausschließlich
                              angewendete, mit Holzkohlen erblasene englische Hämatitroheisen (das sogenannte lorn) zum Theil verdrängt hat. Jetzt werden auf vielen
                              französischen Hütten ähnliche Roheisensorten erzeugt wie auf dem Werke von
                              Saint-Louis.
                           
                           In Bezug auf die entschwefelnde Eigenschaft des Mangans will ich noch bemerken, daß
                              dieselbe keineswegs eine absolute ist, und daß sie beim Verfrischen von
                              manganhaltigem Roheisen vielleicht stärker hervortritt, als bei der Erzeugung des
                              Roheisens aus manganhaltigen Beschickungen, wie dieß aus den nachstehenden, von Hrn.
                              de Vathaire ausgeführten
                              Analysen verschiedener Roheisensorten von Saint-Louis hervorgeht:
                           
                              
                                 
                                 Gesammt-Kohlenstoff.
                                 Graphit.
                                 Silicium.
                                 Mangan.
                                 Schwefel.
                                 
                              
                                 halbirtes Roheisen (Nr.
                                    5)    für die Gießerei
                                 2,972
                                 1,581
                                 1,001
                                 0,545
                                 0,200
                                 
                              
                                 graues, stark
                                    siliciumhaltiges    Roheisen für das
                                    Bessemerfrischen
                                 3,636
                                 3,426
                                 4,893
                                 0,836
                                 0,015
                                 
                              
                                 feines graues Roheisen Nr.
                                    1    zum Verfrischen im
                                    Comtéherde.
                                 4,445
                                 3,245
                                 1,700
                                 2,872
                                 0,025
                                 
                              
                                 weißes Spiegeleisen Nr. 2.
                                 5,206
                                 0,527
                                 0,402
                                 7,270
                                 0,005
                                 
                              
                           Das wenig manganhaltige Roheisen für den Bessemerproceß ist weniger schwefelhaltig
                              als das graue, zum Herdfrischen bestimmte Roheisen Nr. 1, welches letztere (in Folge
                              der Beschickungen) ziemlich viel Mangan enthält, und zwar in Folge der überbasischen
                              Schlacke mit welcher das erstere erblasen wird.