| Titel: | Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg. | 
| Autor: | E. Richters | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXXXVI., S. 315 | 
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                        LXXXVI.
                        Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen
                           beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu
                           Waldenburg.
                        Richters, über die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern
                           an der Luft erleiden.
                        
                     
                        
                           I. Der chemische Proceß der Oxydation
                                 der Steinkohlen.
                           Die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden, sind
                              mehrfach Gegenstand technisch-chemischer Untersuchungen gewesen. Diese sind,
                              was Inhalt und Methode betrifft, dadurch charakterisirt, daß sie die chemischen Vorgänge welche jene Veränderungen hervorbringen, mehr
                              oder weniger unberücksichtigt ließen, vielmehr theils auf
                              chemisch-analytischem Wege die substantiellen Veränderungen der Kohle selbst, theils auf praktisch empirischem Wege
                              deren Einfluß auf die wichtigsten technischen Eigenschaften als Heizkraft,
                              Gas- und Kohkswerth etc. zu ermitteln suchten.
                           Es ist bekannt, daß die längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene Kohle reicher an
                              Sauerstoff, ärmer an Wasserstoff und Kohlenstoff ist, als die frisch geförderte,
                              aber man blieb darüber im Unklaren, ob die respective Zu- oder Abnahme der
                              genannten Grundstoffe relative oder absolute seyen. – Fleck
                              Die Steinkohlen Deutschlands etc., Bd. II S. 221 u. f. wies durch die vergleichende Untersuchung frischer und neun Jahre alter
                              sächsischer Steinkohlen die angedeuteten Veränderungen in der chemischen
                              Zusammensetzung nach; da aber nicht zugleich festgestellt worden war, ob das Gewicht
                              der Kohle während des Lagerns zu- oder abgenommen hatte, so war auch nicht
                              wohl mit Sicherheit zu entscheiden, ob die Abnahme an Kohlenstoff und Wasserstoff
                              die Folge einer Sauerstoffaufnahme, also einer Gewichtsvermehrung, oder ob umgekehrt
                              die Sauerstoffzunahme als die Folge eines absoluten Verlustes an Kohlenstoff und
                              Wasserstoff, d.h. einer Gewichtsverminderung anzusehen sey.
                           Zahlreiche und dankenswerthe Untersuchungen über die sogenannte Verwitterung der
                              Steinkohlen wurden vor mehreren Jahren von Grundmann
                              Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen
                                    Staate, Bd. X u. f. veröffentlicht. Betreffs der Veränderungen welche in der chemischen
                              Zusammensetzung der verbrennlichen Substanz der Steinkohlen eintreten, stimmen die
                              von ihm erhaltenen Resultate mit den Beobachtungen 
                              Fleck's vollkommen überein. Da Grundmann aber aus dem verschiedenen Aschengehalt der Steinkohlen vor und
                              nach der Verwitterung. auf ganz außerordentliche während des Lagerns eingetretene
                              Gewichts- resp. Substanzverluste schloß, so blieb man aus einem dem
                              angeführten ähnlichen Grunde, über die eigentlichen Vorgänge welche die
                              Veränderungen in der Zusammensetzung der Substanz der Kohlen hervorgebracht hatten,
                              wieder mehr oder weniger im Dunklen. – Die den Ermittelungen Grundmann's widersprechenden Beobachtungen Reder's,Zeitung des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen, 1866. daß den verschiedensten Revieren entnommene Kohlen während eines
                              zwölfmonatlichen Lagerns nicht bemerkenswerth an Gewicht, wohl aber an Brennwerth
                              etc. einbüßten, sind, obwohl sie die chemische Zusammensetzung der Steinkohlen
                              unberücksichtigt ließen, für die Kenntniß des Verwitterungsprocesses selbst dennoch
                              von großem Interesse. Die Mittheilungen Thompson's über
                              die Verwitterung englischer Kohlen waren mir leider nur durch den in diesem Journal
                              (Bd. CLXXVIII S. 161) enthaltenen Auszug der betreffenden, im London Journal of arts erschienenen Abhandlung zugänglich.
                           Indem ich mir die Mittheilung eigener Beobachtungen speciell über die sogen.
                              Verwitterung der Steinkohlen und eine kritische Beleuchtung der verschiedenen, unter
                              einander häufig abweichenden Angaben der einzelnen Forscher für eine demnächst zu
                              veröffentlichende Abhandlung vorbehalte, wende ich mich in der vorliegenden Arbeit
                              hauptsächlich der physikalisch-chemischen Seite des Vorganges zu, welcher die
                              früher von mir nachgewiesene, bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende
                              Sauerstoffabsorption durch die Steinkohlen zu Grunde liegt.
                           Zur Fortsetzung der bereits vor mehr als einem Jahre begonnenen und zum Theil in
                              diesem Journal veröffentlichten Untersuchungen bestimmte mich die Ueberzeugung, daß
                              es nur auf dem angedeuteten Wege möglich seyn werde, die vielen streitigen Meinungen
                              und widersprechenden Angaben über die sogenannte Verwitterung der Kohlen der
                              Entscheidung näher zu bringen.
                           Wir wissen, daß die Steinkohlen beim Erhitzen rasch, bei gewöhnlicher Temperatur
                              langsam und allmählich Sauerstoff aufnehmen. Die chemischen und sonstigen
                              Veränderungen, welche in dem ersten Falle die verbrennliche Substanz der Steinkohlen
                              erleidet, sind bereits früher von mir festgestellt worden. Dagegen ist die bei
                              gewöhnlicher Temperatur erfolgende Sauerstoffabsorption vorläufig eine bloße
                              Thatsache, welche als solche keineswegs eine Erklärung der mit ihr verbundenen
                              chemischen Vorgänge
                              einschließt. Ob und wie weit der Kohlenstoff oder Wasserstoff der oxydirenden
                              Einwirkung des Sauerstoffes unterliegt, ob letzterer nicht etwa gar wesentlich zur
                              Bildung von Kohlensäure dient, welche von der Kohle absorbirt wird, ob ferner die
                              Absorption ein rein chemischer oder mehr oder weniger physikalischer Act sey, das
                              alles sind Fragen welche für die Beurtheilung der sogenannten Verwitterung der
                              Steinkohlen von wesentlichstem Interesse sind, deren Beantwortung sich aber nur aus
                              einer eingehenden und vorurtheilsfreien Betrachtung der sämmtlichen zur Einwirkung
                              des Sauerstoffes auf die Steinkohlen überhaupt in Beziehung stehenden Erscheinungen
                              ergeben kann. Ich werde zunächst, an früher bereits mitgetheilte
                              Untersuchungen,Ueber die Veränderung der Steinkohle beim Erhitzen in Bd. CXC S. 393;
                                    Verhalten der Kohle zum Sauerstoff in Bd. CXCIII S. 51 und 264. auf welche ich hiermit verweise, anknüpfend, einige Beobachtungen mittheilen
                              welche mir besonders geeignet erschienen die erste der oben aufgestellten Fragen der
                              Entscheidung näher zu bringen.
                           Erhitzt man Steinkohlenpulver bis auf 180–200° C., so nimmt das Gewicht
                              desselben bekanntlich anfangs fortwährend zu; Kohlensäure und Wasser werden
                              ausgeschieden und Sauerstoff wird in größerer Menge aufgenommen als Kohlenstoff und
                              Wasserstoff oxydirt werden, nach einiger Zeit hört die Sauerstoffaufnahme und
                              hiermit die Gewichtsvermehrung auf. Fährt man nun fort zu erhitzen, so bemerkt man
                              wohl anfangs eine geringe Gewichtsabnahme, nach einiger Zeit bleiben aber sowohl
                              Gewicht wie chemische Zusammensetzung der Kohle constant, oder die in beiden
                              Beziehungen fernerhin eintretenden Veränderungen sind doch so gering, daß sie, um
                              auf einen bestimmten Versuch zurückzugehen, trotz 6 Tage lang fortgesetzten
                              Erhitzens mit einer guten chemischen Waage nicht mehr nachgewiesen werden konnten.
                              Betrachtet man ferner die Zusammensetzung der bis zum Maximum der Sauerstoffaufnahme
                              erhitzten Kohle, so fällt eine eigenthümliche Beziehung zwischen der
                              Wasserstoff- und Sauerstoffmenge sofort in die Augen: die beiden genannten
                              Elemente stehen nämlich in annähernd demselben Gewichtsverhältnisse wie im
                              Wasser.
                           Dieses interessante Verhalten der Steinkohle macht uns auf zwei eigenthümliche
                              Erscheinungen aufmerksam. Es beweist, daß erstens dem Kohlenstoff der Steinkohlen
                              eine sehr verschiedene Oxydabilität eigen ist, und macht es zweitens wahrscheinlich,
                              daß eine ganz bestimmte Relation zwischen der Sauerstoffaufnahme überhaupt, und dem
                              Gehalt der Steinkohle an sogen. disponiblem Wasserstoff besteht, da mit dem
                              Verschwinden des letzteren die weitere Sauerstoffaufnahme ihr Ende erreicht.
                           
                           Die erste Thatsache schließt sich der wohl von den meisten Chemikern getheilten
                              Ansicht an, daß der Kohlenstoff in den Steinkohlen in zwei chemisch verschiedenen
                              Formen vorhanden sey, daß die Steinkohle, wenn man so will, ein Gemenge aus reinem
                              Kohlenstoff mit noch nicht näher gekannten organischen, aus C, H, O und N
                              bestehenden Verbindungen sey, die man gewöhnlich unter dem Namen Bitumen
                              zusammenfaßt. Die anfänglich beim Erhitzen reichlich auftretende Kohlensäurebildung
                              würde sich sonach durch die Oxydation des Kohlenstoffes der sogen. bituminösen
                              Bestandtheile, das spätere relative Aufhören durch die viel schwierigere
                              Oxydirbarkeit des übrigen Kohlenstoffes erklären.
                           Was die muthmaßliche Beziehung der Sauerstoffaufnahme durch die Steinkohle zu deren
                              Gehalt an disponiblem Wasserstoff betrifft, so wird diese fast zur Gewißheit
                              erhoben, wenn wir das Verhalten desjenigen Materiales, aus welchem sich die
                              Steinkohlen bildeten, des Holzes und seiner verschiedenen Verwesungsproducte zum
                              atmosphärischen Sauerstoff in Betracht ziehen.
                           SaussureMan vergleiche: Bischof, chemische Geologie, 2te
                                    Auflage, Bd. I S. 770. bemerkte, daß trockenes Eichenholz den Sauerstoff ohne
                                 Aenderung des Volumens desselben vollständig in Kohlensäure verwandelte.
                              Liebig
                              Ebendaselbst; die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie,
                                    6te Auflage, S. 477 ff. zeigte, daß Späne von Holz vom Baume genommen das Volumen des Sauerstoffes
                              anfangs verminderten, während das einige Zeit der Luft ausgesetzt gewesene,
                              befeuchtete Holz den umgebenden Sauerstoff in Kohlensäure ohne
                                 Aenderung des Volumens umwandelte. Bringt man feuchte Braunkohle, frisch
                              geförderte oder solche welche bereits längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesen ist,
                              mit Sauerstoffgas, resp. atmosphärischer Luft zusammen, so wird Kohlensäure
                              gebildet, gleichzeitig aber auch Sauerstoff aufgenommen.
                              Die von mir zu den betreffenden Versuchen angewandte Braunkohle war theils ein
                              faseriger Lignit mit vorzüglich erhaltener Holzstructur, theils eine sogen mulmige,
                              erdige Braunkohle, beide frei von Schwefelkies.
                           
                              
                                 I Lignit.
                                 II Erdige
                                       Braunkohle.
                                 
                              
                                 55,97 Proc. C
                                 53,64 Proc. C
                                 
                              
                                   5,65    „    H
                                   5,32    „    
                                    H
                                 
                              
                                       
                                    36,02    „    O
                                    + N
                                       
                                    32,84    „    
                                    O + N
                                 
                              
                                           2,36    „    Asche.
                                         
                                    8,20    „    
                                    Asche.
                                 
                              
                           I enthält sonach 1,12 Proc., II 1,22 Proc. disponiblen Wasserstoff. Angefeuchtet und
                              mit atmosphärischer Luft über Quecksilber abgesperrt, absorbirten 10 Grm. Lignit in 6
                              Tagen 4,3 Kubikcentimeter Sauerstoff, gleichzeitig bildeten sich 3,6 K. C.
                              Kohlensäure; die erdige Braunkohle absorbirte in derselben Zeit 4 K. C. Sauerstoff,
                              während gleichzeitig 3,1 K. C. Kohlensäure gebildet wurden.
                           Diese Beobachtungen entsprechen durchaus der oben ausgesprochenen Voraussetzung.
                           Das Holz, in welchem Wasserstoff und Sauerstoff annähernd in dem Verhältnisse wie im
                              Wasser enthalten sind, welches also disponiblen Wasserstoff nicht, oder nur in sehr
                              geringer Menge enthält, bildet in Berührung mit Luft Kohlensäure ohne Sauerstoff aufzunehmen; die freien Wasserstoff
                              enthaltende Braunkohle absorbirt ihn dagegen ohne äquivalente Kohlensäurebildung
                              ebenso, wenn auch weniger reichlich, wie die Steinkohle.
                           Auf Grund der angeführten Beobachtungen kommen wir zu folgenden, für die Kenntniß des
                              Verhaltens der Kohle zum Sauerstoff allgemein wichtigen Schlüssen:
                           
                              
                                 I.
                                 „Die Eigenschaft der Steinkohle, beim schwachen Erhitzen (190°
                                    C.) Sauerstoff aufzunehmen, ist wesentlich bedingt durch ihren Gehalt an
                                    disponiblem Wasserstoff; dieser zunächst nebst einem gewissen Antheil
                                    Kohlenstoff wird oxydirt, indem einestheils Wasser gebildet wird,
                                    anderntheils Sauerstoff direct in die Zusammensetzung der Kohle
                                    eintritt.“
                                 
                              
                                 II.
                                 „Der Kohlenstoff der Steinkohlen besitzt bei einer Temperatur von circa 190° C. eine verschieden große
                                    Verwandtschaft zum Sauerstoff; während sich der kleinere Theil (5–6
                                    Proc. der Gesammtmenge) mit demselben zu Kohlensäure verbindet, zeigt der
                                    übrige bei der angegebenen Temperatur zum Sauerstoff keine oder nur eine
                                    sehr geringe Verwandtschaft.“
                                 
                              
                           Die beiden angeführten Sätze sind nun allerdings zunächst nur für die bei höherer
                              Temperatur verlaufende Oxydation der Kohle aufgestellt. Wenn wir aber die bei gewöhnlicher Temperatur sich zeigenden Erscheinungen in's
                              Auge fassen und sie mit denjenigen vergleichen, welche wir beim Erhitzen der
                              Steinkohle beobachten, so kann es kaum noch zweifelhaft seyn, daß die beiden Sätze
                              auch für die ersteren ihre volle Gültigkeit haben.
                           Beim Erhitzen der Kohle, wie bei gewöhnlicher Temperatur, wird Sauerstoff absorbirt.
                              Daß im letzteren Falle die Absorption in derselben Beziehung zum disponiblen
                              Wasserstoffe steht, wie im ersteren, ergibt sich aus dem beschriebenen Verhalten des
                              Holzes und seiner Verwesungsproducte zum Sauerstoff, außerdem aber auch aus der Thatsache, daß
                              nicht nur der Gehalt an disponiblem Wasserstoff, sondern
                              auch der an Wasserstoff überhaupt beim Lagern der Kohlen an der Luft in ähnlicher
                              Weise abnimmt wie beim Erhitzen. Aehnlich wie beim Erhitzen entbinden die Kohlen
                              auch bei gewöhnlicher Temperatur Kohlensäure; es läßt sich aber mit Sicherheit
                              annehmen, daß auch in letzterem Falle mit der vollendeten Oxydation des leichter
                              oxydablen (bituminösen) Kohlenstoffes die Kohlensäurebildung ihr Ende erreichen oder
                              doch auf ein Minimum zurückgehen wird. Die Annahme, daß der schwieriger oxydable
                              Kohlenstoff der Kohle bei gewöhnlicher Temperatur eine größere Verwandtschaft zum
                              Sauerstoff haben sollte, als bei einem bis auf 190–200° gesteigerten
                              Hitzegrade, würde allen Erfahrungen widersprechen.
                           Daß die bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende Sauerstoffabsorption lediglich ein physikalischer Proceß sey, ist nicht
                              anzunehmen; dennoch aber fragt es sich, ob die Flächenanziehung der Kohle ohne allen
                              Einfluß auf die Absorption ist. Wir müssen hier unterscheiden zwischen der Fähigkeit
                              der Steinkohle überhaupt Sauerstoff aufzunehmen, und der Intensität mit welcher,
                              wenigstens anfänglich, diese Sauerstoffaufnahme erfolgt. In letzter Beziehung ist
                              nun, wie sich zeigt, die Flächenanziehung der Kohlen von entscheidendem Einflusse
                              und es ist mehr wie wahrscheinlich, daß in ihren ersten
                                 Stadien die Absorption selbst ein rein mechanischer Vorgang ist, daß also
                              einer chemischen Verbindung des Sauerstoffes mit der Substanz der Kohle eine
                              Verdichtung desselben vorhergeht.
                           Wenn wir die Menge des hygroskopischen Wassers bestimmen, welche die verschiedenen
                              Steinkohlen unter gleichen Verhältnissen aufzunehmen vermögen, so zeigt sich, daß
                              dieselbe innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt. Bei mehr als 100 verschiedenen
                              Steinkohlensorten, welche ich in dieser Richtung untersuchte, ergab sich, daß die
                              Feuchtigkeitsmenge, welche die verschiedenen bei 100° C. bis zum
                              Constantbleiben des Gewichtes getrockneten Kohlen aus einer mit Wasserdunst
                              vollkommen gesättigten Atmosphäre bei 15° C. auf ihrer Oberfläche zu
                              verdichten vermochten, sich zwischen 2 und 7,5 Proc. bewegt. Diese Fähigkeit Wasser
                              aufzunehmen steht, wie man sehr häufig annimmt, in gar keinem bestimmten
                              Verhältnisse zu der sogen. Structur der Kohle. Feste,
                              stückreiche Glanzkohlen nehmen nicht selten eine dreimal größere Menge Wasser auf,
                              als sehr lockere, milde und leicht zerreibliche Schieferkohlen von fast lamellarer
                              Structur, denen man dieser letzteren zufolge eine ganz bedeutende Hygroskopicität
                              zutrauen möchte. Dagegen bleibt sich die Fähigkeit Wasser zu condensiren bei den
                              Kohlen ein und desselben Flötzes auf sehr Weite Erstreckungen gleich, oder ist doch nur sehr
                              geringen Schwankungen unterworfen.
                           Da das hygroskopische Wasser durch Flächenanziehung der Kohle verdichtet ist, so
                              gewährt uns die Menge desselben einen directen Ausdruck für die Größe der
                              Flächenanziehung der Kohle selbst.
                           Bestimmt man nun, wie ich sogleich angeben werde, die Menge des Sauerstoffes, welche
                              die verschiedenen Kohlen unter denselben Verhältnissen und in gleichen Zeiträumen
                              aus der Atmosphäre aufnehmen, so ergibt sich auf das Bestimmteste, daß dieselbe
                              wächst mit der Größe der Flächenanziehung. Um sich hiervon zu überzeugen und zur
                              Vergleichung geeignete Resultate zu erhalten, ist es erforderlich die Versuche mit
                              ganz frisch geförderter Kohle auszuführen, welche mitten aus dem im Abbau
                              begriffenen Pfeiler genommen und sonach mit der atmosphärischen Luft noch nicht in
                              längerer Berührung gewesen ist.
                           Eine solche Kohle gibt, nachdem sie zerstoßen und gesiebt worden, ein zwar lufttrockenes aber mit Feuchtigkeit gesättigtes Pulver.
                              Von demselben trägt man eine bestimmte Menge, etwa 20 Grm, in das circa 80 Kubikcentimeter fassende Absorptionsrohr und
                              bringt über das zur Absperrung dienende Quecksilber eine kleine Menge Wasser, um die
                              Luft mit Feuchtigkeit gesättigt zu halten. Für die Ausführung vergleichender
                              Versuche sind außerdem folgende Momente zu beachten: 1) die Absorptionsröhren müssen
                              annähernd dieselbe Capacität und den gleichen Durchmesser haben; 2) die Körnung der
                              angewandten Kohlen muß eine möglichst gleiche seyn; ich wandte zu den Versuchen ein
                              griesartiges Pulver an, welches durch wiederholtes Sieben auf Mohnkorngröße gebracht
                              und von allem Staub befreit worden war; 3) die Versuche müssen wo möglich
                              gleichzeitig beginnen und bei derselben Temperatur, am besten in demselben Raume
                              ausgeführt werden.
                           Die Absorption des Sauerstoffgases durch die frisch geförderte Kohle beginnt sehr
                              bald und schreitet verhältnißmäßig rasch fort. Die Volumina des absorbirten Gases
                              sind zwar nicht proportional der Flächenanziehung, wohl
                              aber sind sie bei großer Flächenanziehung, beziehungs-Hygroskopicität der
                              Kohle viel bedeutender als bei geringer. Da ich Veranlassung habe in der nächst
                              folgenden Abhandlung auf den Gegenstand näher einzugehen, so beschränke ich mich
                              hier auf die Mittheilung, daß die von 20 Grm. der verschiedenen Kohlen in den ersten
                              24 Stunden absorbirten Sauerstoffmengen zwischen 2 und 9 Kubikcentimeter schwankten.
                              Ich werde übrigens im Verlaufe der vorliegenden Abhandlung noch auf verschiedene
                              andere Eigenschaften der Kohle aufmerksam machen, welche die Absorption in ihren ersten
                              Stadien als einen rein mechanischen, von der Flächenanziehung der Kohle abhängigen
                              Vorgang charakterisiren.
                           Entsprechend der Beobachtung, daß die Veränderungen welche die Steinkohlen in
                              Berührung mit der Luft erleiden, während der ersten Perioden des Lagerns am größten
                              sind, nachher aber an Intensität abnehmen, erfolgt auch die Sauerstoffaufnahme durch
                              frisch geförderte Kohlen weit lebhafter und rascher, als durch solche welche bereits
                              längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesen sind. Das Absorptionsvermögen wird mit der
                              Zeit ein immer trägeres, ohne indessen jemals ganz zu erlöschen. Auch dieses
                              Verhalten der Kohle würde sogleich darauf hinweisen, daß die Absorption des
                              Sauerstoffes in ihren ersten Phasen ein rein physikalischer Vorgang sey, wenn nicht
                              zuvor noch eine andere Möglichkeit als Erklärungsgrund in Betracht zu ziehen wäre.
                              Varrentrapp
                              Polytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
                                       379. hat bekanntlich gezeigt, daß sich aus den Steinkohlen auch bei gewöhnlicher
                              Temperatur Kohlensäure entwickelt, wenn ein Strom atmosphärischer Luft über
                              dieselben geleitet wird. Es wäre nun nicht unmöglich, daß ein Theil der überhaupt
                              gebildeten Kohlensäure auf der Oberfläche der Kohle verdichtet bliebe und diese so
                              für einen weiteren Zutritt des Sauerstoffes unzugänglich macht. Eine Entscheidung
                              dieser Frage ist in mehr wie einer Beziehung für die Kenntniß des sogen.
                              Verwitterungsprocesses von Bedeutung, weßhalb ich dieselbe zum Gegenstand specieller
                              Untersuchungen machte, deren Ergebnisse ich hier in Kürze mittheile. Sie beweisen,
                              daß die Ursache des allmählichen Abnehmens der Sauerstoffabsorption nicht in einer
                              Verdichtung von Kohlensäure auf der Oberfläche der Kohle gesucht werden darf.
                           Zwar absorbirt die Steinkohle Kohlensäure mit großer Lebhaftigkeit; das Volumen
                              derselben, welches in einer bestimmten Zeit aufgenommen wird, übersteigt dasjenige
                              des unter gleichen Verhältnissen absorbirten Sauerstoffes um mehr als das Dreifache.
                              Auch diejenige Kohle, deren Absorption für Sauerstoff schon so bedeutend abgenommen
                              hat, daß 20 Grm. täglich kaum noch 1 K. C. aufnehmen, absorbirt in wenigen Stunden
                              ein ihrem eigenen gleiches Volumen Kohlensäure. Bringt man nun eine mit Kohlensäure
                              vollständig gesättigte Kohle mit atmosphärischer Luft zusammen, so findet zunächst
                              eine Vergrößerung des Volumens statt, es wird also Kohlensäure ausgeschieden;
                              allmählich aber nimmt das Volumen wieder ab. Führt man gleichzeitig eine Kalikugel
                              in das Rohr ein, oder überzieht man den unteren Theil der Wände desselben mit einer
                              ganz concentrirten Lösung von Aetznatron, so erfolgt die Absorption des Sauerstoffes ziemlich rasch und
                              unter reichlicher Abscheidung von Kohlensäure, welche sich in letzterem Falle durch
                              eine beträchtliche Bildung von kohlensaurem Natron, das in Krystallen den unteren
                              leeren Theil des Rohres überzieht, sehr augenscheinlich macht.
                           Läßt man die mit Kohlensäure gesättigte Kohle 36 Stunden unter der Luftpumpe stehen
                              (ich evacuirte bis auf 2 Zoll Quecksilberdruck), so wird der Kohle der größte Theil,
                              aber nicht alle absorbirte Kohlensäure entzogen. Wird die so behandelte Kohle darauf
                              mit Feuchtigkeit gesättigt und wieder in das Rohr gebracht, so findet die
                              Sauerstoffabsorption wieder mit derselben Lebhaftigkeit statt, wie durch die frisch
                              geförderte Kohle, wobei es sich vollkommen gleich bleibt, ob eine Kohlensäure
                              absorbirende Substanz, z.B. Aetznatron, in das Rohr gebracht wird oder nicht; ist
                              ersteres aber der Fall, so gibt sich sehr bald ein Freiwerden von Kohlensäure zu
                              erkennen, ein Beweis, daß die Sauerstoffaufnahme anfänglich von einer Ausscheidung
                              von Kohlensäure begleitet war, die dann bald, wenn es an einer anderen Kohlensäure
                              absorbirenden Substanz fehlt, von der Kohle selbst wieder aufgenommen wird. Kocht
                              man die mit Kohlensäure gesättigte Kohle 1/2 Stunde lang mit Wasser und trocknet sie
                              dann, bis sie zwar lufttrocken aber noch mit Feuchtigkeit gesättigt ist, so hat sie
                              durch diese Behandlung ihr früheres Absorptionsvermögen vollständig wieder
                              erhalten.
                           Ein von dem beschriebenen vollständig abweichendes Verhalten zeigt nun aber die
                              Kohle, welche durch längeres Lagern an der Luft ihr Absorptionsvermögen für
                              Sauerstoff verloren hat. Durch Behandlung unter der Luftpumpe läßt sich dieses wohl
                              etwas erhöhen, aber keineswegs in der alten Lebhaftigkeit wieder herstellen; etwas
                              besser gelingt dieß durch längeres Auskochen mit Wasser (man vergl. weiter unten
                              über den Einfluß der Wärme); Kohlensäure wird von solcher Kohle nicht oder nur
                              vorübergehend in geringer Menge ausgeschieden.
                           Diese Beobachtungen beweisen, daß das geringere Absorptionsvermögen der längere Zeit
                              der Luft ausgesetzt gewesenen Kohlen nicht in einer Verdichtung von Kohlensäure
                              seinen Grund hat; sie sind aber auch in weiterer Beziehung von Interesse: der
                              Umstand, daß einestheils Kohle deren Absorption für Sauerstoff schon bedeutend
                              nachgelassen hat, noch reichliche Mengen Kohlensäure absorbirt, und anderntheils,
                              daß wenn die Kohle Kohlensäure absorbirt enthält, die Aufnahme des Sauerstoffes zwar
                              erfolgt, aber mit einer anfänglichen Ausscheidung von Kohlensäure verbunden ist,
                              welche unter Umständen nachträglich wieder absorbirt wird, macht es erklärlich, daß
                              wenn die betreffenden Versuche in geschlossenen Röhren ausgeführt werden, eine
                              Kohlensäurebildung nicht oder nur vorübergehend bemerkt wird, während sie bei
                              dem Versuche wie ihn Varrentrapp ausführte und unter
                              allen ähnlichen Verhältnissen zu beobachten ist.Der Umstand, daß ich zu den früher mitgetheilten Versuchen (Bd. CXCIII S. 54
                                    dieses Journals) längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene Kohlen verwandte,
                                    die das gegen Ende des Versuches bereits sehr verdünnte Sauerstoffgas nur
                                    außerordentlich langsam absorbiren, während die Absorption rascher erfolgt,
                                    wenn dieselben Kohlen unter dem Exsiccator vorher getrocknet worden (man
                                    vergl. weiter unten), führte mich damals zu der jetzt als irrig erkannten
                                    Ansicht, daß durch die Feuchtigkeit eine reichlichere Kohlensäure ausscheidung bedingt werde. Bei meinen
                                    zahlreichen späteren Versuchen bemerkte ich eine solche nur einmal und zwar
                                    an einer Kohle aus einem alten Baue, welche etwa 6 Zoll tief unter der
                                    Oberfläche des anstehenden Kohlenpfeilers entnommen war. Ich erkläre mir
                                    diese Erscheinung dadurch, daß sich die betreffende Kohle zunächst sehr
                                    allmählich mit Sauerstoff sättigte, aus welchem sich zum Theil CO²
                                    bildete, die erst dann ausgeschieden wurde als ich die Kohle mit einem
                                    Ueberschuß von atmosphärischer Luft in Berührung brachte. Bei Kohlen, die
                                    ähnlichen Verhältnissen ausgesetzt gewesen sind, mag sich eine
                                    Kohlensäureausscheidung ziemlich regelmäßig zeigen. Ferner weist das letzterwähnte Verhalten der Kohle, wie überhaupt die
                              allmählich abnehmende Absorption wieder auf die physikalische Seite des
                              Absorptionsvorganges hin.
                           
                        
                           Einfluß der Wärme auf den
                                 Oxydationsproceß.
                           Ich habe bereits früher gezeigt, daß die Wärme das mächtigste Beförderungsmittel des
                              Oxydationsprocesses ist. Es bedarf hierzu übrigens keineswegs einer Temperatur,
                              welche weit über 100° C. liegt; jede Temperatursteigerung wirkt vielmehr
                              beschleunigend auf den Proceß der Oxydation. Ich erwärmte Steinkohlen 14 Tage lang
                              im Wasserbade bis auf circa 70–80° C.
                           Die Kohle 1) nahm dabei 1,01 Proc., 2) 0,2 Proc. und 3) 0,35 Proc. an Gewicht zu.
                              Unter 1, 2 und 3 ist die Zusammensetzung der drei zu den Versuchen angewandten
                              Kohlen vor, unter 1', 2', 3' die Zusammensetzung
                              derselben Kohlen nach 14tägigem Erwärmen mitgetheilt. Bei
                              allen beobachten wir eine Abnahme an Kohlenstoff und Wasserstoff, eine Zunahme an
                              Sauerstoff, genau wie bei der Verwitterung. Die Backfähigkeit der Kohle 1 war dabei
                              von 1,4 auf 1,1; die der Kohle 2 von 2 auf 1,6 gesunken; 3 war eine sogen.
                              Sandkohle, welche keine Kohks gab. Die Kohksmenge hatte sich nicht bemerkbar
                              verändert, ebenfalls nicht das specifische Gewicht. Der Brennwert!) ist bei 1 um
                              2,62 Proc., bei 2 um 3,61 Proc., bei 3 um 3,0 Proc. gesunken.
                           
                           
                              
                                 1
                                 2
                                 
                              
                                   Aschenhaltige – aschenfreie
                                    Substanz.    
                                   Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
                                 
                              
                                       78,17 Proc. 82,90 Proc.
                                    C
                                       81,99 Proc. 84,44 Proc.
                                    C
                                 
                              
                                         4,95    „      5,25    „    H
                                         4,92    „      5,07    
                                    „   H
                                 
                              
                                       11,18    „    11,85    „    O
                                    + N
                                       10,19    „    10,49    
                                    „   O + N
                                 
                              
                                         5,70    „    Asche.
                                         2,90    „  Asche.
                                 
                              
                                   Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff45,48 disponibler
                                    und 17,85 gebundener= 63,33 Wasserstoff.
                                   Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff44,52 disponibler
                                    und 15,49 gebundener= 60,01 Wasserstoff.
                                 
                              
                                   Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7922 Calorien
                                    pro Pfund.
                                   Heizeffect der aschenfreien Substanz= 8084
                                    Calorien.
                                 
                              
                                 1'
                                 2'
                                 
                              
                                   Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
                                   Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
                                 
                              
                                       77,54 Proc. 81,94 Proc.
                                    C.
                                       81,07 Proc. 83,49 Proc.
                                    C
                                 
                              
                                         4,79    „      5,06    „    H
                                         4,71    „      4,85  
                                    „     H
                                 
                              
                                       12,30    „    13,00    „    O
                                    + N
                                       11,32    „    11,66  
                                    „     O + N
                                 
                              
                                         5,37    „    Asche.
                                         2,90    „    Asche.
                                 
                              
                                   Aus 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff41,92 disponibler
                                    und 19,83 gebundener= 61,75 Wasserstoff.
                                   Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff40,37 disponibler
                                    und 17,73 gebundener= 58,10 Wasserstoff.
                                 
                              
                                   Heizeffect wie oben berechnet = 7741Calorien.
                                   Heizeffect wie oben berechnet = 7842Calorien.
                                 
                              
                                   Zunahme an
                                    Gewicht       1,01 Proc.
                                   Zunahme an
                                    Gewicht       0,25 Proc.
                                 
                              
                                         „      
                                    an Sauerstoff    1,28  
                                    „
                                         „      
                                    an Sauerstoff    1,20  
                                    „
                                 
                              
                                 Verlust  an
                                    Hohlenstoff      0,13  
                                    „
                                 Verlust an Kohlenstoff      
                                    0,74   „
                                 
                              
                                        „  
                                    an
                                    Wasserstoff      0,14  
                                    „
                                        „  
                                    an
                                    Wasserstoff      0,21  
                                    „
                                 
                              
                                 3
                                 
                              
                                 Aschenhaltige – aschenfreie
                                    Substanz.
                                 
                              
                                 81,77 Proc. 90,73 Proc. O
                                 
                              
                                   3,83    „      4,25    „    H
                                 
                              
                                   4,53    „      5,02    „    O
                                 
                              
                                   9,87    „    
                                    Asche.       
                                 
                              
                                 Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff39,92
                                    disponibler und 6,92 gebundener= 46,84 Wasserstoff.
                                 
                              
                                 Heizeffect der aschenfreien Substanz=
                                    8508 Calorien.     .
                                 
                              
                                 3'
                                 
                              
                                 Aschenhaltige – aschenfreie
                                    Substanz.
                                 
                              
                                 80,54 Proc. 88,80 Proc. C
                                 
                              
                                   3,69    „      4,07    „    H
                                 
                              
                                       
                                    6,46    „      7,13    „  O
                                    + N
                                 
                              
                                 9,31    „      Asche.    
                                    
                                 
                              
                                 Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff35,82
                                    disponibler und 10,02 gebundener= 45,84 Wasserstoff.
                                 
                              
                                 Heizeffect wie oben berechnet =
                                    8201Calorien.
                                 
                              
                                 Zunahme an
                                    Gewicht      0,2 Proc.
                                 
                              
                                   
                                    „       an
                                    Sauerstoff   2,12  „
                                 
                              
                                 Verlust an
                                    Kohlenstoff  1,76  „
                                 
                              
                                       „    an
                                    Wasserstoff  0,16  „
                                 
                              
                           
                           Die zu den Versuchen verwandten Kohlen hatten bereits längere Zeit in einem lose
                              verschlossenen Gefäße gestanden, so daß die Sauerstoffabsorption bei gewöhnlicher
                              Temperatur nur noch sehr langsam erfolgte. Zur Kontrolle wurden indessen auch die
                              nicht erhitzten Kohlen nach Ablauf der 14 Tage wieder analysirt. Da während dieser
                              Zeit die Zusammensetzung derselben sich nicht bemerkbar verändert hatte, so ist also
                              die aus der obigen Tabelle ersichtliche Zunahme an Sauerstoff, und Abnahme an
                              Kohlenstoff und Wasserstoff wesentlich der höheren Temperatur, welcher die Kohlen
                              ausgesetzt worden waren, zuzuschreiben.
                           Ein scheinbarer Widerspruch liegt in der Wahrnehmung, daß die Oxydation bei höherer
                              Temperatur rascher fortschreitet, und der Annahme einer vorhergehenden Verdichtung
                              des Sauerstoffgases durch Flächenanziehung; ich bin indessen der Meinung, daß der
                              Widerspruch leicht verschwindet, sobald man die eigentliche Oxydation von der bloßen Absorption
                              unterscheidet. Die erstere erfolgt rascher bei höherer Temperatur, die letztere bei
                              niederer. Hat sich die Kohle bei gewöhnlicher Temperatur mit Sauerstoffgas
                              gesättigt, so verbindet sich das verdichtete Gas nur allmählich mit der Substanz der
                              Kohle, und nur in dem Maaße wie der letztere Proceß fortschreitet, werden neue
                              Gasmengen aufgenommen. Wird aber die mit Sauerstoff gesättigte Kohle erwärmt, so wird, möglicherweise unter Freiwerden eines
                              Theiles des verdichteten Gases, der größte Theil chemisch gebunden, und nach
                              Maaßgabe der Höhe der Temperatur schreitet jetzt der Oxydationsproceß, ohne daß die
                              Flächenwirkung überhaupt, oder in dem Grade wie bei gewöhnlicher Temperatur zur
                              Geltung kommt, fort.
                           
                        
                           Einfluß der Feuchtigkeit auf die
                                 Absorption, resp. Oxydation der Kohle.
                           Die Mehrzahl der Techniker ist der Ansicht, daß die Feuchtigkeit einen wesentlich
                              begünstigenden Einfluß auf die sogen. „Zersetzung“ der Steinkohlen äußere.
                           Thompson unterscheidet Trockenfäule und Naßfäule, je
                              nachdem sich der Proceß in der trockenen oder feuchten Kohle vollzieht; nach ihm
                              verhält sich die nachtheilige Wirkung der ersteren zu der der zweiten wie 10 : 13.
                              Daß die Feuchtigkeit unter Umständen die Oxydation der Kohle begünstigen kann, soll
                              nicht bestritten werden, aber einestheils ist der Einfluß der Feuchtigkeit ein
                              ziemlich complicirter und von sehr verschiedenen Umständen bedingter, und
                              andererseits keineswegs ein so allgemein nachtheiliger, daß sich die von Thompson angewandten Bezeichnungen in ihrer generellen Bedeutung
                              rechtfertigen ließen. Zunächst werde ich hier einige im Kleinen ausgeführte Versuche
                              mittheilen.
                           Bringt man frisch geförderte, lufttrockene und feuchte Steinkohle in zwei
                              Versuchsröhren, so absorbirt die erstere das Sauerstoffgas bedeutend lebhafter als
                              die zweite. Schaltet man zwischen die lufttrockenen Kohlen kleine mit geschmolzenem
                              Chlorcalcium gefüllte Hülsen ein, so daß die Kohle im Rohre selbst austrocknet, so
                              wird die Lebhaftigkeit der Absorption noch bedeutend gesteigert. Dasselbe ist der
                              Fall, wenn die Kohle einige Tage lang über Schwefelsäure gestanden hat, obwohl gewiß
                              auch während dieser Zeit eine beträchtliche Menge Sauerstoff aufgenommen wurde.
                              Behandelt man, wie zuletzt angegeben, zwei Kohlen mit verschiedener
                              Flächenanziehung, deren Absorptionsvermögen durch längeres Stehen an der Luft auf
                              dasselbe Maaß gesunken ist, so hat bei beiden das Absorptionsvermögen, aber in
                              verschiedenem Grade zugenommen und zwar bei der Kohle mit größerer Flächenanziehung
                              mehr als bei der anderen.
                           Trocknet man die Steinkohle bei 100° C. und bringt sie dann, nachdem sie unter
                              dem Exsiccator erkaltet ist, in das Absorptionsrohr, so absorbirt sie Gas mit
                              außerordentlicher Lebhaftigkeit; dasselbe besteht übrigens zum Theil (12–21
                              Proc. der Gesammtmenge im Mittel mehrerer Versuche) aus Stickstoff; auch die bei
                              gewöhnlicher Temperatur getrocknete Kohle nimmt
                              letzteren, wenn auch nur zu einigen Procenten, gleichzeitig mit dem Sauerstoff auf.
                              Alle diese Versuche beweisen vorläufig nur eine relative Steigerung des
                              Absorptionsvermögens durch die Entfernung der Feuchtigkeit, und rechtfertigen
                              insofern immerhin die in der vorliegenden Arbeit mehrfach geäußerte Ansicht über den
                              Einfluß der Flächenanziehung; sie zeigen aber auch, daß eine trockene Kohle zum
                              mindesten ein größeres Gasvolumen aufnimmt, als eine bloß lufttrockene, bevor das
                              Absorptionsvermögen beider auf dasselbe Niveau sinkt.
                           Dagegen lassen die Versuche die Frage unerledigt, wie weit die Feuchtigkeit zur
                              Herbeiführung einer chemischen Verbindung des Sauerstoffes mit der Substanz der
                              Kohle vortheilhaft oder gar nöthig ist. Ich habe mich bemüht, diese Frage definitiv
                              zu entscheiden, ohne aber dabei zu einem positiven Urtheile gekommen zu seyn.
                              Trocknet man frisch geförderte oder auch längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene
                              Kohle im Exsiccator über Schwefelsäure bis sie keine Feuchtigkeit mehr abgibt und
                              sperrt sie dann über Quecksilber ab, so absorbirt sie Sauerstoff, wie wir gesehen
                              haben, reichlicher als die nicht vorher getrocknete Kohle. Läßt man die Kohle nun so
                              lange mit der Luft in Berührung, bis die in 24 Stunden durch 20 Grm. Kohle
                              stattfindende Absorption noch höchstens 0,5 K. C. beträgt, befeuchtet sie dann stark mit Wasser
                              und sperrt sie wieder über Quecksilber ab, so findet keine Vergrößerung des
                              Luftvolumens statt, welche insofern möglich wäre, als das Wasser einen Theil des
                              mechanisch von der Kohle aufgenommenen Gases wieder austreiben könnte; es wird im
                              Gegentheil immer noch ein wenig Sauerstoff absorbirt. Bringt man nun, nachdem das
                              Wasser längere Zeit mit der Kohle in Berührung gewesen ist, die bereits erwähnten,
                              mit Chlorcalcium gefüllten Hülsen in das Rohr, so daß die Kohle austrocknen kann, so
                              tritt die Absorption mit erneuerter Lebhaftigkeit wieder ein. Diese Beobachtung
                              spricht zwar entschieden für die Annahme, daß das Wasser den Oxydationsproceß
                              begünstige, ich darf aber nicht verschweigen, daß wenn man in der angegebenen Weise
                              fortfährt, die Kohle abwechselnd mit Wasser und Chlorcalcium zu behandeln, endlich
                              doch keine wahrnehmbare Steigerung des Absorptionsvermögens mehr zu beobachten
                              ist.
                           Sehen wir daher vorläufig von der oben aufgestellten Frage ab, und suchen die Wirkung
                              des Wassers nicht als eine directe, sondern mittelbare aufzufassen, so werden wir
                              finden, daß sich in letzterer Beziehung genügende Anhaltspunkte bieten, um den
                              bedingterweise günstigen Einfluß des Wassers auf die sogen.
                              „Zersetzung“ der Steinkohlen zu erklären. Sämmtliche
                              Steinkohlen enthalten Schwefelkiese, deren Oxydation nur
                              unter Mitwirkung der Feuchtigkeit erfolgt. Unzweifelhaft ist dieser Proceß ein
                              wichtiges, wenn auch nur indirect wirksames Beförderungsmittel der Oxydation der
                              Steinkohlen selbst. Denn erstens ist derselbe stets von einer Wärmeentwickelung und
                              also auch Temperaturerhöhung begleitet, welche, wie ich gezeigt habe, die
                              Sauerstoffaufnahme durch die Kohlen so außerordentlich wirksam erhöht; ferner wird
                              in Folge der mit der Umwandlung des Schwefelkieses zu schwefelsaurem Eisenoxydul
                              verbundenen Volumvergrößerung die Kohle zersprengt und zerkleinert, die größeren
                              Stücke zerfallen und bieten in dieser vermehrten Zertheilung der Luft eine größere
                              Berührungsfläche dar, möglicherweise tritt endlich zu diesen beiden noch ein drittes
                              die Oxydation begünstigendes Moment. Es ist bekannt, daß sich das schwefelsaure
                              Eisenoxydul an der Luft rasch in Oxyd verwandelt, welches von der Kohle wieder
                              desoxydirt wird; es ist nun jedenfalls denkbar, daß das Eisenoxyd gewissermaßen als
                              Träger des Sauerstoffes fungirt und diesen in die Kohle überführt. Ist bei der
                              relativ kleinen Menge des Eisenoxydes seine Wirkung auch nicht sehr hoch
                              anzuschlagen, so kann es doch nicht verfehlen, auf die Beschleunigung der Oxydation
                              der Steinkohle selbst einen günstigen Einfluß zu äußern. Bringt man zwei Kohlen, von
                              denen die eine reich, die andere ärmer an Schwefelkies ist, nachdem sie längere Zeit
                              der Luft ausgesetzt
                              gewesen sind, angefeuchtet über Quecksilber, so beginnt bei der ersteren alsbald
                              wieder eine ziemlich lebhafte und andauernde Absorption, die ich kaum auf Rechnung
                              des Schwefelkieses allein setzen möchte, während das Absorptionsvermögen der anderen
                              nicht im Geringsten zu-, sondern im Gegentheil abnimmt. Eine Kohle welche als
                              Pulver 8 Monate lang der Luft ausgesetzt gewesen war und 3,04 Proc. S enthielt, absorbirte lufttrocken in 9 Tagen 3,9 K. C.
                              Sauerstoff, eine zweite ebenso mit 1,08 Proc. S
                              absorbirte in derselben Zeit 4,9 K. C. Als beide angefeuchtet wurden, absorbirte 1
                              in 9 Tagen 6,5 K. C., 2 aber nur 3,8 K. C. Sauerstoff.
                           Die schwefelärmere Kohle absorbirte also im feuchten Zustande weniger als im
                              lufttrockenen, und umgekehrt die schwefelreichere weniger im lufttrockenen als im
                              feuchten.
                           In Uebereinstimmung mit der Annahme, daß die Feuchtigkeit nur einen bedingten und
                              mittelbar günstigen Einfluß auf die Oxydation der Kohle äußere, steht auch das
                              Resultat des folgenden Versuches: ich setzte gleichzeitig mit den erwähnten Proben,
                              welche trocken 14 Tage lang erwärmt wurden, drei andere denselben Kohlen angehörende
                              in das Dampfbad, hielt letztere aber während des Tages fortwährend feucht. Die
                              veränderte Zusammensetzung, Gewichtszunahme etc. zeigt folgende Tabelle:
                           
                              
                                 1'
                                 2'
                                 
                              
                                 Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
                                 Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
                                 
                              
                                       77,44 Proc. 82,02 Proc.
                                    C
                                       81,46 Proc. 83,81
                                    Proc.  C
                                 
                              
                                         
                                    4,8      „    5,09    
                                    „    H
                                         4,76    „      4,90    
                                    „    H
                                 
                              
                                       
                                    12,16    „  
                                    12,89    
                                    „    O + N
                                       10,87    „    11,29    
                                    „    O + N
                                 
                              
                                         
                                    5,59    „    Asche.
                                         2,91    
                                    „    Asche.
                                 
                              
                                   Auf 1000 Kohlenstoff 42,42 disponiblerund 19,63
                                    gebundener = 62,05 Wasserstoff.
                                   Auf 1000 Kohlenstoff 41,63 disponiblerund 16,75
                                    gebundener = 58,38 Wasserstoff.
                                 
                              
                                   Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7762 Calorien.
                                    Verlust = 2,01 Proc.
                                   Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7893 Calorien.
                                    Verlust = 2,35 Proc.
                                 
                              
                                   Zunahme an
                                    Gewicht      0,98 Proc.
                                   Zunahme an
                                    Gewicht      0,14 Proc.
                                 
                              
                                         „       an
                                    Sauerstoff  1,17    „
                                         
                                    „       an
                                    Sauerstoff   0,82   „
                                 
                              
                                   Verlust an
                                    Kohlenstoff    0,08    „
                                   Verlust an
                                    Kohlenstoff     0,52  
                                    „
                                 
                              
                                         „    an
                                    Wasserstoff  
                                    0,11    „
                                       
                                    „      an
                                    Wasserstoff   0,16   „
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 3'
                                 
                              
                                 Aschenhaltige – aschenfreie
                                    Substanz.
                                 
                              
                                       80,75 Proc. 89,01 Proc.
                                    C
                                 
                              
                                         3,59    „    
                                    3,36    „    
                                    H
                                 
                              
                                               6,38    „    
                                    7,03    „    
                                    O + N
                                 
                              
                                    9,28    „    
                                    Asche.
                                 
                              
                                   Auf 1000 Kohlenstoff 34,60
                                    disponiblerund 9,89 gebundener = 44,49 Wasserstoff.
                                 
                              
                                   Heizeffect der aschenfreien
                                    Substanz= 8183 Calorien. Verlust =   3,81 Proc.
                                 
                              
                                   Zunahme an
                                    Gewicht        0,45
                                    Proc.
                                 
                              
                                         
                                    „      an
                                    Sauerstoff   2,04   „
                                 
                              
                                   Verlust an
                                    Kohlenstoff    1,32  
                                    „
                                 
                              
                                         „    an
                                    Wasserstoff   0,27   „
                                 
                              
                           Nur Kohle 3 hat sich hier unter dem Einflusse der Feuchtigkeit mehr verändert als bei
                              dem entsprechenden Versuche welcher ohne Zusatz von Wasser ausgeführt wurde, und in
                              der That zeichnet sich diese Kohle vor 1 und 2, die sich weniger verändert haben, durch einen bedeutenden Gehalt an Schwefelkies
                              aus. Da indessen hier die Bedingungen, unter denen wir uns den
                                 Schwefelkies wirksam denken, der speciellen Ausführung des Versuches
                              zufolge zum größten Theil ausgeschlossen waren, so möchte ich auch diesem nicht die
                              weiter fortgeschrittene Oxydation der Kohle zuschreiben; wohl aber glaube ich, daß
                              in der Mehrzahl der Fälle der oft behauptete günstige Einfluß der Feuchtigkeit auf
                              die Zersetzung der Steinkohlen, auf die Oxydation der Schwefelkiese und die hiermit
                              verbundenen secundären Erscheinungen zurückgeführt werden muß, so daß sich
                              schwefelkiesarme Kohlen lufttrocken mindestens ebenso rasch und rascher zersetzen,
                              resp. oxydiren, als im feuchten Zustande. – Hierauf, wie auf eine weitere
                              rein mechanische Wirkung des Wassers, welche sich besonders dann geltend machen
                              kann, wenn die Kohle in sehr großen Haufen lagert, werde ich in meiner nächsten
                              Abhandlung über die Selbstentzündung der Steinkohlen näher eingehen.
                           
                        
                           Einfluß des Lichtes auf die
                                 Absorptionserscheinungen.
                           In einer vorhergehenden Abhandlung habe ich die Beobachtung mitgetheilt, daß das
                              Tageslicht die Absorption des Sauerstoffgases verhindere, resp. verlangsame, ohne
                              daß ich indessen der vielen Fehlerquellen halber, welche ich zu vermeiden hatte, den
                              Satz bestimmt auszusprechen wagte. Ich operirte damals ausschließlich mit älteren
                              Kohlen, welche, wie die betreffenden Versuche zeigen, sehr träge absorbirten. Bei
                              meinen späteren Versuchen, die in so weit unter günstigeren Umständen ausgeführt
                              wurden, als der
                              betreffende Arbeitsraum eine annähernd constante, nur zwischen 3–10°
                              C. schwankende Temperatur besaß und vor dem Eindringen directer Sonnenstrahlen
                              geschützt war, habe ich an solchen Kohlen mit stark reducirtem Absorptionsvermögen
                              dieselbe Beobachtung häufig wiederholen können; dagegen absorbiren frisch geförderte
                              Kohlen den Sauerstoff mit solcher Intensität daß sich der jedenfalls sehr geringe
                              Einfluß des Lichtes der Beobachtung entzieht. Ich gehe auch jetzt nicht über das
                              rein Objective der Erscheinung hinaus und beschränke mich auf die Wiederholung
                              meiner damaligen Beobachtung, daß bei alten schwach absorbirenden Kohlen, wie die
                              früher angewandten, die Volumenabnahme der mit denselben abgesperrten Luft im
                              Tageslichte eine geringere – unter Umständen verschwindende – ist, als
                              bei Abwesenheit desselben. Auch diese Erscheinung würde sich besser mit der
                              Voraussetzung einer bloßen Absorption, als eines Oxydationsprocesses in
                              Uebereinstimmung bringen lassen.