| Titel: | Untersuchungen über die Darstellung und Reinigung des Schwefelkohlenstoffes; von Th. Sidot. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XCIII., S. 348 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XCIII.
                        Untersuchungen über die Darstellung und Reinigung
                           des Schwefelkohlenstoffes; von Th. Sidot.
                        Aus den Comptes rendus. t. LXIX p. 1303; December
                              1869.
                        Sidot, über Darstellung und Reinigung des
                           Schwefelkohlenstoffes.
                        
                     
                        
                           Die Arbeit, welche ich hiermit der (französischen) Akademie vorlege, bezweckte ein
                              gründliches Studium der verschiedenen bei der Darstellung des Schwefelkohlenstoffes
                              auftretenden Stadien. Die Ermittelung der Ursachen, welche die Ausbeute an diesem in
                              der Neuzeit so wichtig gewordenen Präparate beeinflussen, schien mir von größtem
                              Interesse und ich fand bei meinen Untersuchungen, daß ein Hauptpunkt, von welchem
                              der vortheilhafte Betrieb dieses Fabricationszweiges abhängt, die Beobachtung der
                              richtigen Temperatur ist.
                           Um den bedeutenden Einfluß der Temperatur bei der Darstellung des
                              Schwefelkohlenstoffes klar nachzuweisen, führte ich mehrere Versuche unter ganz
                              gleichen Verhältnissen, mit Ausnahme der Temperatur, aus, indem ich eine bestimmte
                              Gewichtsmenge Schwefel, z.B. 40 Grm., in Dampf verwandelte und letzteren über 10
                              Grm. gereinigter glühender Holzkohlen leitete, die in der Mitte eines
                              Porzellanrohres lagen, welches bei den verschiedenen Versuchen zum Dunkelrothglühen,
                              zur Rothgluth und zur Hellroth- oder Weißgluth erhitzt wurde. Die
                              nachstehenden Zahlen
                              geben das Mittel der Resultate von je drei bei derselben Temperatur angestellten
                              Versuche:
                           
                              
                                 1)
                                 bei
                                 Dunkelrothgluth
                                 gaben
                                 5,0
                                 Grm.
                                 Kohle
                                 17
                                 Grm.
                                 Schwefelkohlenstoff
                                 
                              
                                 2)
                                 „
                                 Rothgluth
                                 „
                                 6,3
                                 „
                                 „
                                 29
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 3)
                                 „
                                 Hellrothgluth
                                 „
                                 7,5
                                 „
                                 „
                                 19
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Die Zahlen welche die Menge der verbrauchten Kohle angeben, repräsentiren den
                              Verlust, welchen die 10 Grm. glühender Kohlen bei diesen Temperaturen erlitten
                              hatten.
                           Aus den vorstehenden Angaben ersieht man, daß das zweite Stadium der Operation, das
                              Rothglühen, unbestreitbar diejenige Temperatur ist, welche man zu erreichen, deren
                              Ueberschreitung man aber sorgfältig zu vermeiden suchen muß, wenn man die höchste
                              Ausbeute erzielen will. Es ergibt sich aus diesen Resultaten ferner, daß der
                              Schwefel sich bei den sämmtlichen angewandten Temperaturen mit dem Kohlenstoff zu
                              Schwefelkohlenstoff, dessen Menge aber mit der Temperatur wechselt, zu verbinden
                              vermag. In der Praxis wurden diese Schwankungen im Ertrage bisher stattgefundenen
                              Verlusten, oder Fehlern an den benutzten Apparaten, besonders aber der Temperatur
                              zugeschrieben, welche man bei zu geringer Ausbeute als zu niedrig gewesen
                              betrachtet.
                           Diese Schwankungen in der Ausbeute sind die nothwendige Folge der schon von Berthelot beobachteten Thatsache, daß der
                              Schwefelkohlenstoff um so vollständiger zerfällt, je höher die Temperatur ist. In
                              dieser Beziehung zeigt der Schwefelkohlenstoff in Gegenwart von Kohle dasselbe
                              Verhalten wie das Kohlenoxyd bei den Dissociationsversuchen von H.
                              Sainte-Claire Deville, indem sein Kohlenstoff sich
                              auf der erhitzten Kohle in derselben Weise absetzt wie der Kohlenstoff des
                              Kohlenoxyds, d.h. in Folge einer einfachen Zersetzung. Die im Nachstehenden
                              mitgetheilten Versuche liefern gleichfalls den Beweis, daß ein Kohlenmonosulfid oder
                              Protosulfid unter den Verhältnissen bei denen ich experimentirte, nicht bestehen
                              kann.
                           Mittelst eines besonders eingerichteten Apparates, welcher von dem zur Zersetzung der
                              Kohlensäure durch Kohle gewöhnlich angewendeten nur wenig verschieden ist, stellte
                              ich bei verschiedenen Temperaturen mehrere vergleichende Versuche an. Dieser Apparat
                              besteht aus einem Porzellanrohre, dessen beide Enden mit zwei tubulirten Retorten
                              verbunden sind; jede Tubulatur ist mit einem geraden Trichterrohr versehen, dessen
                              bis zum Boden der Retorte hinabreichendes Ende ausgezogen ist, sowie mit einem
                              gebogenen Rohre, mittelst dessen der nicht condensirte Schwefel in eine kleine, kühl
                              erhaltene Vorlage geleitet wird. Die zur Aufnahme des Schwefelkohlenstoffes
                              bestimmte Retorte wird mittelst eines Wasserbades erhitzt, die andere steht in einem kaltes
                              Wasser enthaltenden Gefäße. Vor Beginn der Operation bringe ich in das Rohr 10 Grm.
                              gereinigte glühende Kohlen und in die eine Retorte 150 Kubikcentimeter von
                              überschüssigem Schwefel freien Schwefelkohlenstoff. Dann erhitze ich das Rohr
                              schwach, um die Condensation des Sulfids zu verhindern, und lasse darauf
                              dampfförmigen Schwefelkohlenstoff hineintreten, um alle Luft aus dem Apparats zu
                              verjagen – eine Vorsichtsmaßregel welche zur Vermeidung jeder Gefahr
                              erforderlich ist. Hierauf verstärke ich die Temperatur des Rohres bis zum
                              Dunkelrothglühen, lasse den Schwefelkohlenstoff aus der einen Retorte in die andere
                              hinüberdestilliren und kehre dann jedesmal, nachdem eine Destillation vollendet ist,
                              die Operation um. Ich habe in dieser Weise das Kohlenstoffsulfid achtmal
                              hintereinander über die zum Rothglühen erhitzte Kohlen hinwegstreichen lassen.
                           Nach dem Erkalten des Apparates fand ich, daß sich in dem Ableitungsrohre und in der
                              Vorlage Schwefel abgesetzt und daß das Gewicht der Kohlen um 0,3 Grm. zugenommen
                              hatte; der Schwefelkohlenstoff hatte ein Dreißigstel von seinem ursprünglichen Volum
                              verloren und nachdem ich ihn filtrirt und destillirt hatte, blieben auf dem Boden
                              der Retorte 3 Grm. Schwefel zurück, den das Sulfid bei seinem wiederholten
                              Durchgange durch das Rohr aufgelöst hatte.
                           Einen zweiten Versuch führte ich bei Rothgluth ganz ebenso aus, nur war die
                              Temperatur weniger hoch. Ich constatirte, daß der Schwefelkohlenstoff von seinem
                              ursprünglichen Volum (150 Kubikcentim.) 7 Kubikcentimeter verloren hatte, daß die 10
                              Grm. Kohlen um 0,6 Grm. an Gewicht zugenommen, und daß sich eine gewisse Menge
                              Schwefel im Apparate abgesetzt hatte; die Menge des in der Retorte zurückgebliebenen
                              Schwefels betrug 3,5 Grm.
                           Ein dritter Versuch wurde in gleicher Weise bei lebhafter Rothglühhitze angestellt;
                              diesesmal wurde der ganze Schwefelkohlenstoff zersetzt, nachdem er sechsmal über die
                              glühenden Kohlen hinweggeleitet worden war. Eine große Menge des Schwefels hatte
                              sich mit dem Silicium der Kieselsäure des Porzellanrohres zu sehr schön
                              krystallisirtem Schwefelsilicium verbunden; der Kohlenstoff hatte sich zum großen
                              Theile im Rohre abgesetzt und dessen Form angenommen. Auf diese Weise war es mir
                              möglich, die Proben von Schwefelsilicium und „metallischer
                                 Kohle“ zu erhalten, welche ich der Akademie hiermit vorlege. Diese
                              Kohle hat interessante Eigenschaften; sie ist klingend, besitzt metallischen Glanz
                              und dehnt sich beim Erwärmen stark aus.
                           Um den Schwefelkohlenstoff zu reinigen, destillire ich ihn zunächst einmal um, dann
                              schüttle ich ihn mit reinem Quecksilber, bis sich die glänzende Oberfläche von diesem
                              nicht mehr schwärzt. Diese Operation muß jedesmal mit ziemlich kleinen Mengen von
                              Substanz vorgenommen werden, damit sich das Schütteln leichter ausführen läßt und
                              die Flüssigkeiten sich mehr vertheilen. Man gießt zu diesem Behufe in eine Flasche
                              500 Grm. Schwefelkohlenstoff und ungefähr 500 Grm. ganz reines Quecksilber; dann
                              schüttelt man einige Zeit. Es bildet sich sehr bald Schwefelquecksilber, welches man
                              leicht abfiltriren kann; das Quecksilber filtrirt man durch einen zu einer feinen
                              Spitze ausgezogenen Trichter. Hierauf gießt man beide Flüssigkeiten wiederum in die
                              Flasche, schüttelt nochmals um und wiederholt dieses Verfahren, bis die glänzende
                              Quecksilberfläche sich nicht mehr trübt. In diesem Zustande von Reinheit zeigt der
                              Schwefelkohlenstoff den Geruch von reinem Aether; auch läßt er sich beliebig lang
                              über reinem Quecksilber aufbewahren, ohne dieses zu verändern.
                           Mit Hülfe von Quecksilber läßt sich im Schwefelkohlenstoff die geringste Spur eines
                              Schwefelgehaltes nachweisen; denn wenn man in ein Kilogramm dieses Präparates,
                              welches mit reinem glänzenden Quecksilber in Berührung ist, ein ganz kleines
                              Stückchen von oktaedrischem Schwefel wirft und das Ganze schwach schüttelt, so
                              schwärzt sich das Quecksilber sofort.