| Titel: | Ueber das Bleichen der Wolle; von Dr. H. Grothe. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XCVIII., S. 360 | 
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                        XCVIII.
                        Ueber das Bleichen der Wolle; von Dr. H. Grothe.Aus der „Zeitschrift des Vereines der Wollinteressenten
                                          Deutschlands, herausgegeben von Mitgliedern des Vereines;
                                       redigirt von Dr. Hermann Grothe. Erster Jahrgang, 1870. Berlin, Wiegandt und
                                       Hempel.“
                                 
                           
                        Grothe, über das Bleichen der Wolle.
                        
                     
                        
                           Zum Bleichen der wollenen Stoffe wendet man hauptsächlich schweflige Säure an; in neuerer Zeit hat man auch Ozon,
                              Wasserstoffsuperoxyd und übermangansaures Natron dazu
                              benutzt. Ueber den Bleichproceß mit schwefliger Säure sind seiner Zeit in Anlaß
                              einer Preisaufgabe des Vereines für Gewerbfleiß in Preußen eingehende Versuche
                              gemacht worden,Leuchs, Untersuchung der Vorgänge welche beim
                                    Bleichen der wollenen Stoffe mit schwefliger Säure stattfinden (nebst
                                    Bericht der Prüfungs-Commission des Vereines für Gewerbfleiß in
                                    Preußen): im polytechn. Journal, 1860, Bd. CLVII S. 134. die zu dem von George Leuchs
                              ausgesprochenen,Uebrigens hatte das Grotthuß schon gefunden: Kurrer, die Kunst, alle Stoffe zu bleichen, S.
                                    344. von N. Weber nach genauer Prüfung bestätigten
                              Satze als Resultat führten: „das Bleichen mit schwefliger Säure beruht
                                 darauf, daß die schweflige Säure mit dem der Faser eigenthümlichen Farbstoff
                                 farblose Verbindungen eingeht.“ Da man nun ziemlich erwiesen hat, daß
                              der Farbstoff mit dem eigentlichen Haarkörper verbunden sey, so ist also die
                              Bleichung stets, auf das ganze Haar bezogen, nur eine stellenweise. Um nun die
                              schweflige Säure mit dem Wollhaar in Berührung zu bringen, bedient man sich
                              verschiedener Methoden und wendet dabei die schweflige Säure in verschiedener Form an,
                              d.h. entweder als Gas oder als Flüssigkeit, also Lösung des Gases in Wasser.
                           Wenn man mit gasförmiger schwefliger Säure arbeitet, so
                              bringt man die Wolle, Garne oder Gewebe in eine Kammer, – am besten von Holz
                              construirt und mit schräg aufsteigendem Dach, endlich mit einer Esse in Verbindung
                              gebracht, – hängt sie hier locker auf, so daß die Fasern den Gaspartikeln
                              zugänglich werden und zündet am Boden der Kammer Schwefel in einem Tiegel an. Die
                              sich entwickelnde Säure steigt nach oben und durchzieht die Stoffe, welche jedoch in
                              feuchtem Zustande in die Kammer gebracht werden. Der Proceß hierbei reducirt sich im
                              Grunde genommen auf eine Bleichung mit schwefliger Säure im flüssigen Zustande.
                              Uebrigens muß bei dieser Methode dafür gesorgt werden, daß in die Kammer hinein
                              genügend Luft eintreten kann, weil sonst leicht in derselben ein luftverdünnter Raum
                              entsteht, und die Verbrennung des Schwefels nur unvollkommen vor sich geht. Man
                              versieht daher die Wandungen der Kammern mit Luftlöchern, die durch leicht
                              bewegliche Ventile geöffnet und geschlossen werden können, und zwar durch den
                              Wechsel des Luftdruckes von selbst schließen und öffnen. Bei unzureichendem Zutritt
                              von Luft, also Mangel an Sauerstoff, beginnt der Schwefel zu sublimiren und
                              überzieht die Fasern mit einer dünnen, schwer entfernbaren Haut, die zu den
                              unangenehmsten Erscheinungen beim Bleichproceß gehört. Berücksichtigt man, daß die
                              schwefligsauren Dämpfe für die Arbeiter sehr unangenehm wirken, daß die Kammern
                              selbst nie so dicht verschließend gebaut werden, daß sie jedem Verlust an
                              schwefliger Säure vorbeugen, daß ferner die eigentliche Schwefelung hierbei auch der
                              sich mit der Feuchtigkeit des Garnes bildenden, flüssigen schwefligen Säure
                              zuzurechnen sey, so begreift man nicht recht beim oberflächlichen Prüfen, weßhalb
                              man diese Methode noch so vielfach in Anwendung sieht, ja viel öfter und häufiger
                              als die Bleichung mit schwefliger Säure im flüssigen Zustande. Die Gründe dafür
                              liegen aber darin, daß die Bleichung mit schwefligsaurem Gas entschieden bessere
                              Resultate liefert, als die Bleichung mit schwefligsaurer Flüssigkeit, und das
                              scheint daher zu kommen, daß bei ersterer Methode durch die jedesmalige Neubildung
                              des schwefligsauren Gases und seine Absorption von nur eben hinreichendem Wasser,
                              dieses Agens in frischerem, wirksamerem Zustand erhalten wird. Dazu tritt die
                              Einwirkung der durch die Schwefelverbrennung erzielten Wärme und die Bildung von
                              Wasserdampf. Ist es doch vorzugsweise ergründet, daß der Grad der Feuchtigkeit für
                              das zu bleichende Material keinesweges gleichgültig ist. Zu feuchtes Garn z.B.
                              bleicht nur unvollkommen, zu trockenes wird merkwürdig rauh. Das Vorkommen von Schwefelmilch auf
                              den Wollfasern scheint übrigens darauf hinzudeuten, daß nicht schweflige Säure
                              allein bei diesem Proceß thätig ist, sondern auch Unterschwefelsäure. Nach dieser
                              Richtung hin sind Resultate abzuwarten. – Zu bemerken ist noch, daß bei
                              dieser Schwefelung die Schwefelaufnahme seitens der Wolle eine Grenze findet, und
                              zwar schwankt das Quantum zu verbrennenden Schwefels für dasselbe Quantum Wolle mit
                              der Qualität der Wolle. Im Durchschnitt tritt der höchste Bleichpunkt für die Faser
                              ein, wenn auf 100 Pfd. gewaschener Wolle 5 bis 6 Pfd. Schwefel verbrannt werden.
                              Verbrennt man mehr Schwefel, so tritt keine Erhöhung der Weißung ein, vielmehr ein
                              Rückgang, was eine vollkommene Sättigung des natürlichen Wollfarbstoffes mit Säuren
                              anzudeuten scheint. Der Rückgang ist nun dadurch bezeichnet, daß sich Schwefelmilch
                              an die Fasern anhängt. Uebrigens ist die Schwefelaufnahme der Fasern beim Bleichen
                              ziemlich groß. Kammwolle ergab durchschnittlich eine Zunahme an Schwefel zu dem
                              constituirenden Schwefelgehalt von 0,7 bis 0,82 Proc., nach 18 bis 24 Stunden
                              Einwirkung; Streichwolle zeigte sich nicht aufnahmefähiger, denn die Schwefelzunahme
                              schwankte in 12 bis 24 Stunden zwischen 0,5 bis 0,68 Proc. Diese Unterschiede in der
                              Schwefelaufnahme werden Folgen der verschiedenartigen Construction des Wollhaares
                              der Kammwolle und der Streichwolle seyn, indem bei letzterer die Dichtheit der
                              Schuppung und die dadurch geringeren Flächen eine geringere Schwefelaufnahme
                              bedingen. Man spricht nun allerdings von einer farblosen Verbindung der schwefligen
                              Säure mit dem natürlichen Farbstoff der Faser, die unlöslich in der Faser
                              zurückbleibt. Diese Unlöslichkeit aber ist sehr precärer Natur. Bekanntlich kann man
                              die geschwefelte Wolle durch ein Bad in Soda vollständig entschwefeln, und es tritt
                              nur zum Theil die rohe, schmutzige Farbe wieder ein, welche die Wolle vor dem
                              Schwefeln befaß. Auch schon durch Spülen in sehr schwachen Seifenlaugen und selbst
                              in klarem, warmem Wasser ist man im Stande, den größten Theil des Schwefels wieder
                              zu entfernen, und thut das oft absichtlich nach dem Bleichen. Diese letzten
                              Operationen aber beeinträchtigen die Bleichung selbst nicht. Sie scheinen vielmehr
                              dazu zu dienen, die überschüssige schweflige Säure wegzunehmen, resp. die
                              anhängenden Schwefelmilchkrystalle, während die zur Sättigung des natürlichen
                              Farbstoffes dienende Säure an diese gebunden in der Faser bleibt. – In dem
                              geschwefelten Garn treten zuweilen merkwürdige Erscheinungen zu Tage. Bekannt ist
                              es, daß man in den Schwefelkammern das sogenannte Tropfen sehr fürchtet. Darunter
                              versteht man die Entstehung von Flüssigkeit an der Decke der Kammer, gebildet aus
                              condensirtem Wasserdampf und schwefligsaurem Dampf, welche zum großen Theil aus Schwefelsäure besteht,
                              zu deren Bildung übrigens alle Momente vorhanden sind – Wärme, Wasserdampf,
                              Feuchtigkeit, schwefligsaures Gas, Sauerstoff – und das Herabtropfen
                              derselben auf die Stoffe, was natürlich von zerstörender Wirkung für die Fasern seyn
                              muß, zumal, wenn (mit vegetabilischen Fasern) gemischte Stoffe der Einwirkung des
                              Bleichprocesses unterliegen. Nun scheint im Beginn des Bleichprocesses nie
                              Schwefelsäure gebildet zu werden, wahrscheinlich weil noch viel Wasserdampf
                              vorhanden ist; dagegen schreitet die Bildung von Schwefelsäure gegen Ende des
                              Processes sehr schnell vor sich. Zu diesem Auftreten und zu der Erscheinung, daß
                              sich vorzugsweise im Sommer, bei Wärme, im geschwefelten Garne plötzlich braune
                              Flecke zeigen, die bei genauer Untersuchung sich als Schwefelsäure im concentrirten
                              Zustande ergeben, läßt sich vielleicht mit Erfolg die Bildung von Unterschwefelsäure
                              beim Bleichproceß und deren Zerlegung in schweflige Säure, welche mit dem
                              Faserfarbstoff verbunden bleibt, und in Schwefelsäure, die durch das Auswaschen in
                              Alkali und Wasser entfernt wird, vertheidigen, um so mehr, als diese Waschwässer
                              stets schwefelsaure Alkalien aufzeigen und in nicht genügend gespülten,
                              geschwefelten Garnen die Schwefelsäurebildung in Masse beobachtet werden kann.
                              Jedenfalls erfordert dieser Punkt genauere Untersuchung und Beachtung, weil durch
                              die Bildung von Schwefelsäure empfindliche Schäden für den Fabrikanten
                              entstehen.
                           Die Bleichung mit flüssiger schwefliger Säure hat mit
                              diesen zuletzt berührten Punkten nichts zu thun. In England wird diese Methode
                              häufiger ausgeführt, in Frankreich, Deutschland und Belgien jedoch seltener als die
                              Gasschwefelung. Die Herstellung flüssiger schwefliger Säure geschieht in bekannter
                              Weise, die wir hier nicht zu wiederholen brauchen. Wir verweisen noch auf die
                              Herstellung der schwefligen Säure im flüssigen Zustande aus Eisenvitriol und
                              Schwefel. Wasser absorbirt bekanntlich 44 Volume schwefliger Säure bei gewöhnlicher
                              Temperatur. Jedoch ist der schnelle Uebergang der flüssigen schwefligen Säure durch
                              Sauerstoffaufnahme aus der Luft ein Uebelstand, der auch wohl ihrer weiteren
                              Einführung entgegensteht. Beim Bleichen erwärmt man die flüssige schweflige Säure
                              auf 30° C., weil bei dieser Temperatur das Medium am wirksamsten ist. Wollte
                              man nun aber concentrirte, wässerige schweflige Säure anwenden, so würde diese
                              Temperatur-Erhöhung sofort Gasverluste bewirken, da das Wasser von 30°
                              C. nicht mehr 44 Volume des Gases festzuhalten vermag. Deßhalb wendet man die
                              wässerige Lösung in solcher Verdünnung an, daß auch eine Erhitzung auf 30° C.
                              nicht im Stande ist, eine bedeutende Gasentwickelung zu veranlassen. Die Stoffe läßt
                              man in der Flüssigkeit so lange liegen, bis dieselben weiß gebleicht erscheinen.
                              Allein wie gefährlich das ist, wird hauptsächlich klar, wenn man daran denkt, wie
                              ein geringer Schwefelsäuregehalt zerstörend wirkt, sobald man es mit gemischten
                              Stoffen zu thun hat. – Nach dem Bade wäscht man ebenfalls mit Laugen und
                              reinem Wasser aus, um den etwaigen Säure-Ueberschuß zu entfernen.
                           Um den Gefahren der Schwefelsäurebildung bei der Schwefelung mit schwefligsaurem Gas
                              oder wässeriger schwefliger Säure zu entgehen, hatte schon Knezaureck die Schwefelung unter Anwendung schwefligsaurer Alkalien vorgeschlagen. Diese Versuche haben jedoch zu
                              keinem günstigen Resultat geführt. – Eine neuere Methode des Wollbleichens
                              mit schwefliger Säure hat Bailly insofern durchgeführt,
                              als er sich eines anderen Apparates bedient. Derselbe besteht aus einem
                              Hydroextracteur unter einer Glocke. Unter der letzteren verbrennt Schwefel. Die
                              schwefligsauren Dämpfe ziehen in den Korb des Extracteurs, der mit der angenäßten
                              Waare gefüllt sich dreht, und werden durch die Centrifugalkraft durch die Stoffe
                              hindurch gepreßt, während sie vermöge der entstehenden Luftströmung immer von Neuem
                              von oben her in den Korb eintreten. Der Erfolg ist abzuwarten.