| Titel: | Ueber Drahtseilbetrieb; von F. C. Guilleaume. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CVII., S. 394 | 
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                        CVII.
                        Ueber Drahtseilbetrieb; von F. C.
                              Guilleaume.
                        Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure,
                              1870, Bd. XIV S. 35.
                        Guilleaume, über Drahtseilbetrieb.
                        
                     
                        
                           Das Verdienst der ersten Anwendung von Drahtseilen gebührt einem Deutschen, Alberts, welcher dieselben zuerst bei dem Grubenbetriebe
                              im Harze einführte, und sind seine Maschinen, um den Draht zu winden, im
                              Wesentlichen noch heute im Gebrauche. Die Drahtseile kamen bald nach England, und
                              hier wurde bei Gelegenheit eines Patentprocesses die Priorität der Erfindung für Alberts officiell documentirt. Mein Großvater erhielt
                              kurze Zeit nach der ersten Einführung im Harz vom Bergamte in Bonn den Auftrag zu
                              einschlägigen Versuchen und construirte in Folge derselben gegenüber dem im Harz
                              verwendeten einfachen Seile das heute noch gebräuchliche sechslitzige Seil mit
                              Hanfseele, wie es seitdem von der Firma Felten und Guilleaume in bedeutender Ausdehnung fabricirt wird.
                           Die Drahtfeile finden bekanntlich eine ausgedehnte Anwendung beim Grubenbetriebe, wo
                              sie z.B. in Schächten bei Zwickau bis zu 3200 Fuß (1000 Met.) Teufe benutzt
                              werden, in einer Stärke bis zu 4 Zoll (105 Millimet.) Durchmesser; ferner bei der
                              Schifffahrt als stehendes Tauwerk, bei Eisenbahnen zum Betriebe geneigter Ebenen, zu
                              Telegraphenkabeln, bei Hebevorrichtungen und Krahnen, in neuerer Zeit auch statt der
                              Ketten zum Betriebe von Schleppdampfern und Fähren, endlich beim Maschinenbetriebe
                              zu Transmissionen auf weitere Entfernung. Zu letzterem Zwecke benutzt man Seile von
                              1/4 Zoll (6 Millimet.) bis 1 Zoll (26 Millimet.) Stärke, und rührt diese Verwendung
                              der Drahtseile von Hirn her, welcher sie im Jahre 1850
                              einführte.
                           Ich will im Nachfolgenden einige praktische Regeln für die Anlage von
                              Drahtseiltransmissionen und dabei erzielte Resultate vorlegen.
                           Die Drahtseiltransmissionen bieten das billigste Mittel, Betriebskräfte auf größere
                              wie kleinere Entfernungen ohne erheblichen Kraftverlust zu übertragen. Letzterer
                              beträgt höchstens 1/3 Proc. auf je 100 Fuß (31 Met.) Entfernung der Seilscheiben.
                              Die Kosten der maschinellen Einrichtung, Seilscheiben, Lagerstühle, Drahtseile etc.,
                              kann man auf 7 bis 12 Sgr. pro Fuß (22 bis 38 Sgr. pro Meter) Entfernung der Seilscheiben veranschlagen.
                              Der Seilscheibendurchmesser und die Umdrehungszahl der Treibwelle müssen so gewählt
                              werden, daß bei der Uebertragung geringer Kräfte das Drahtseil eine Geschwindigkeit
                              von 20 bis 30 Fuß (6,27 bis 9,41 Met.) pro Secunde
                              erhält; bei größeren Kräften kann man bis zu 80 Fuß (25 Met.) pro Secunde gehen.
                           Der Seilscheibendurchmesser soll mindestens 150 Mal die Seildicke betragen; je größer
                              derselbe gewählt wird, desto besser arbeitet die Transmission und desto länger hält
                              das Seil.
                           Die Seilscheiben müssen so montirt sein, daß sie genau in einer Verticalebene liegen,
                              also nicht windschief gegen einander stehen, oder sogar Schlag haben. Von der
                              richtigen Stellung und guten Beschaffenheit der Seilscheiben hängen lediglich die
                              gute Betriebsfähigkeit und der ruhige Gang der Drahtseiltransmission ab.
                           Die Seilscheibenrinne braucht nur die doppelte Tiefe der Seildicke zu besitzen,
                              wodurch ein leichtes Auflegen des Drahtseiles ermöglicht wird. Bei richtiger
                              Montirung der Seilscheiben findet ein Abspringen des Seiles von der Seilscheibe nie
                              statt.
                           Die Seilscheiben bedürfen keiner Ausfütterung, jedoch muß
                              die Seilrinne der Rundung des Drahtseiles genau entsprechend ausgedreht seyn. Will
                              man durchaus eine Ausfütterung der Seilrinne anwenden, so nehme man Pappel-
                              oder Weidenholz, jedoch nur die Hirnstücke, und tränke es mit Leinöl.
                           Die Verbindung der Seilenden geschieht in ähnlicher Weise, wie bei Hanfseilen. Zur Herstellung des
                              Seilsplisses wird jedes Ende auf circa 3 Fuß (1 Met.)
                              Länge aufgeflochten und die Hanfseele auf diese Länge ausgeschnitten. Die
                              aufgeflochtenen Seillitzen werden wechselseitig in einander gesteckt, so daß die
                              Litzen des einen Seilendes über das andere Seilende zu liegen kommen. Nun löst man
                              an einem Seilende eine Litze auf circa 3 Fuß (1 Met.)
                              weiter auf und flicht die entsprechende Seillitze des anderen Seilendes an Stelle
                              der aufgeflochtenen Seillitze auf 3 Fuß (1 Met.) Länge in das Seil ein. Die beiden
                              Litzen- enden werden einmal umschlungen, in einzelne Drähte aufgeflochten und
                              diese in das Seil hineingesteckt. Als Werkzeug bedient man sich hierzu eines
                              Stecheisens, circa 1/2 Zoll (13 Millimet.) breit und 6
                              Zoll (155 Millimet.) lang in Form einer Lanzette mit etwas abgerundeten Kanten. Die
                              zweite Litze wird auf 2 Fuß (0,6 Met.), die dritte auf 1 Fuß (0,3 Met.) Länge in
                              derselben Weise eingeflochten und verbunden. Alsdann wird dieselbe Manipulation nach
                              dem anderen Seilende hin mit den übrigen Seillitzen vorgenommen.
                           Die Anspannung der Drahtseile darf im Maximum betragen:
                           
                              
                                 Seildicke in Zoll preuß.
                                 1/4
                                 5/16
                                 3/8
                                 1/2
                                 9/16
                                 5/8
                                 3/4
                                 
                              
                                 Millimeter
                                 6
                                 8
                                 10
                                 13
                                 15
                                 18
                                 20
                                 
                              
                                 Pfund Zollgewicht
                                 150
                                 200
                                 300
                                 400
                                 600
                                 800
                                    1000.
                                 
                              
                           In der Regel nimmt man jedoch nur 1/3 bis 1/2 der oben angegebenen Anspannung.
                           Die Minimalentfernung der Uebertragungen beim Drahtseilbetriebe ist nach den
                              bisherigen Erfahrungen zu 50 Fuß (16 Met.) Seilscheibenabstand anzunehmen.
                           Kleinere Kräfte lassen sich bei großem Rollendurchmesser auch noch auf 40 Fuß (12,5
                              Met.) Seilscheibenabstand übertragen. Bei Uebertragungen auf mehrere 1000 Fuß
                              Entfernung ist es zweckmäßig, anstatt der Leitrollen doppelte Seilscheiben, resp.
                              Seilscheiben mit zwei Rinnen je auf 300 bis 400 Fuß (94 bis 125 Met.) Entfernung zu
                              setzen, so daß die einzelnen Seillängen nur 600 bis 800 Fuß (188 bis 250 Met.)
                              betragen.
                           Die Durchsenkung des Drahtseiles betrage im treibenden Seilstücke circa 1 1/2 Fuß, im geführten Seilstücke circa 3 Fuß pro 100 Fuß
                              Seilscheibenabstand.
                           Die Dauer des Drahtseiles kann man nach den bisherigen Erfahrungen durchschnittlich
                              auf zwei bis drei Jahre bei fortwährendem Betriebe annehmen. Erweisen die Seile eine
                              geringere Dauer, so ist der Grund hierfür lediglich in der mangelhaften Einrichtung
                              zu suchen. Bei genauer Befolgung der oben angegebenen Grundsätze bei der Anlage darf
                              man mit Sicherheit
                              auf die gute Betriebsfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Drahtfeiltransmissionen
                              rechnen. Es ist zweckmäßig, die Drahtseile von Zeit zu Zeit mit gekochtem Leinöl zu
                              schmieren, um das Rosten derselben zu verhüten.
                           Die Preise von Transmissionsdrahtseilen aus der Fabrik von Felten und Guilleaume in Cöln am Rhein stellen
                              sich für Seile von
                           
                              
                                 1/460,9
                                 5/1680,9
                                 3/8101,1
                                 1/2131,1
                                 9/16151,5
                                 5/8181,8
                                 3/4201,8
                                 ZollMillimeterMillimeter
                                 
                                    
                                    
                                    
                                 Durchmesserausdicken Drähten,
                                 
                              
                                 1
                                 1 1/2
                                 2
                                 2 1/4
                                 2 3/4
                                 3
                                 3/4
                                 Sgr. pro Fuß preuß.
                                 
                              
                                 3,19
                                 4,78
                                 6,38
                                 7,17
                                 8,77
                                 9,57
                                 11,95
                                   „    
                                    „   Meter.
                                 
                              
                           Zum Schlusse noch einige Angaben über ausgeführte Drahtseiltransmissionen.
                           In Emmendingen werden durch eine solche mittelst eines 13 Millimet. starken Seiles 12
                              Pferde auf eine Entfernung von 56 Met. übertragen. Seilscheiben haben 3,76 Met.
                              Durchmesser und also bei 78 Umdrehungen pro Minute eine
                              Umfangsgeschwindigkeit von 15 Met. in der Secunde. Die Haltbarkeit des Seiles ist 2
                              1/2 Jahr. Die gleiche Dauer zeigt ein dort aufgelegtes Drahtseil von 10 Millimet.
                              Stärke, welches zur Fortleitung von 6 Pfrdst. auf 25 Met. dient. Die mit
                              Gutta-percha-Futter Die versehenen Scheiben haben 1,57 Met.
                              Durchmesser und machen 150 Umdrehungen, woraus eine Seilgeschwindigkeit von 12 Met.
                              pro Secunde resultirt.
                           Die Drahtseiltransmission in Oberursal erstreckt sich auf 1000 Met. in acht
                              Abtheilungen zu je 125 Met. Bei dem Betriebe beträgt die Durchsenkung des 17
                              Millimet. starken Seiles im treibenden Seilende 0,9 bis 1,6 Met., im gezogenen 3,3
                              Met. Die Seilscheiben haben 3,75 Met. Durchmesser und wiegen mit der Achse pro Stück 1264 Kilogrm. Das Seil selbst besteht aus 36
                              Drähten von Nr. 16 der englischen Lehre und hat bei 114 Umdrehungen der Scheiben
                              eine Geschwindigkeit von 22 Met. Von den übertragenen 100 Pferdestärken gehen durch
                              die Transmission 8 Pfrdst. verloren.
                           In Schaffhausen werden von der durch drei Turbinen hervorgebrachten effectiven
                              Leistung von 600 Pfrdst. 480 durch Drahtseilbetrieb übertragen. Das Seil von 27
                              Millimet. Durchmesser besteht aus 8 Litzen zu je 10 Drähten von Nr. 16 der
                              englischen Lehre. Die Seilscheiben haben 4,71 Met. Durchmesser bei 80 bis 100
                              Umdrehungen pro Minute, so daß das Seil eine
                              Geschwindigkeit von circa 27 Met. erhält. Die
                              Entfernungen der Scheiben betragen 119, 141 und 118 Met., wobei die Durchbiegung des
                              Seiles sich auf 1,88 bis 2,5 Met. stellt.