| Titel: | Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. F. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg. | 
| Autor: | F. Richters | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CXXII., S. 449 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        CXXII.
                        Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen
                           beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. F. Richters, an der Bergschule zu
                              Waldenburg.
                        (Fortsetzung von S. 331 des vorhergehenden
                           Heftes)
                        Richters, über die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern
                           an der Luft erleiden.
                        
                     
                        
                           II. Die Ursachen der Selbstentzündung
                                 der Steinkohlen.
                           Eine höchst eigenthümliche Erscheinung ist die Selbstentzündung der Steinkohlen,
                              welche bekanntlich dann nicht selten eintritt, wenn dieselben in großen Massen
                              zusammengelagert der Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzt sind. Die Neigung sich
                              freiwillig zu entzünden, ist nicht bei allen Kohlen in gleichem Maaße vorhanden;
                              manche können Jahre lang in größeren Haufen lagern, ohne sich nur bemerkbar zu
                              erwärmen, während andere unter gleichen Umständen trotz allen, freilich nicht selten
                              übel genug gewählten Vorsichtsmaßregeln, in kürzester Frist zum Brennen
                              gelangen.
                           Ueber die Ursachen der Selbstentzündung herrschen verschiedene, zum Theil
                              irrthümliche Ansichten, deren Widerlegung sich schon deßwegen empfiehlt, weil sie
                              häufig bestimmend sind für die Wahl der Mittel, durch die man der Entzündung der
                              Kohlen vorzubeugen sucht. Gewöhnlich werden die Ursachen derselben zurückgeführt auf
                              eine „Zersetzung“ der Kohlen, die
                              man häufig mit dem Vermoderungsproceß vegetabilischer Substanzen, z.B. feuchten,
                              fest aufgeschichteten Heues (von dem man weiß, daß es sich gleichfalls freiwillig zu
                              entzünden vermag) vergleicht; auch spielen zuweilen entzündliche Gase, welche sich
                              in Folge jener Zersetzung entwickeln sollen und denen man durch die später zu
                              erwähnenden Lutten Abzug verschaffen zu müssen glaubt, in den betreffenden Theorien
                              eine große Rolle, ebenso wie „Druck,“
                              „Gährung“ und derartige schwer definirbare Factoren mehr.
                           Eine „Zersetzung“ im Sinne der oben gedachten Vorstellung
                              erscheint im höchsten Grade unwahrscheinlich; die Kohle ist das Product der
                              langsamen Vermoderung der Holzsubstanz, d.h. eines bei gänzlichem oder theilweisem
                              Abschluß der Luft verlaufenden Umsetzungsprocesses derselben. Daß sich dieser
                              letztere plötzlich bis zur Selbstentzündung steigern sollte, wenn die Kohlen mit der
                              Luft in Berührung kommen, ist ganz undenkbar, sicher dagegen und nachweisbar ist,
                              daß in diesem Falle eine allmähliche Oxydation gerade derjenigen Bestandtheile der
                              Steinkohlen eintritt, welche sich nur unter Ausschluß der Luft gebildet haben können. Eine Bildung
                              leicht entzündlicher Gase als Folge einer fortdauernden Zersetzung findet bei
                              Zutritt der Luft weder bei gewöhnlicher noch bei höherer Temperatur (circa 190° C.) statt, mag die Kohle trocken oder
                              feucht seyn.Wenigstens vermochte ich dieselbe ebenso wenig zu constatiren, wie Barrentrapp bei seinen Versuchen. Wenn sich, wie Marsilly
                              Polytechn. Journal Bd. CXLIX S.
                                       128. beobachtete, aus einem unter einer Glasglocke befindlichen Stück Steinkohle
                              brennbare Gase entwickelten, so waren diese unzweifelhaft bereits fertig in der
                              Kohle enthalten und wurden allmählich aus derselben durch die Luft verdrängt. Da
                              aber diese Gase in keinem Falle selbst entzündlich sind,
                              so können sie auch keine freiwillige Entzündung der Kohlen herbeiführen, wie von
                              manchen Seiten angenommen wird.
                           Eine bessere Berechtigung als die erwähnte hat diejenige Ansicht, welche die nächste
                              Ursache der Selbstentzündung in den Schwefelkiesen sucht, die in keiner Steinkohle
                              ganz fehlen; in der That ist deren Oxydation der einzige beim Lagern der Kohlen
                              stattfindende und von einer Wärmeentwickelung begleitete Proceß, welcher durch die
                              mit ihm verbundene Substanzveränderung sogleich in die Augen fällt. Wenn ich auch
                              weit entfernt bin, den Einfluß der Schwefelkiese auf die spontane Entzündung der
                              Kohle geradezu läugnen zu wollen, so glaube ich doch, daß dieselben in den meisten
                              Fällen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Zur Begründung dieser Annahme möchte
                              ich darauf hinweisen, daß 1) die schwefelreichsten Kohlen keineswegs immer
                              diejenigen sind, welche am meisten zur freiwilligen Entzündung neigen; man scheint
                              aus der Disposition zur Selbstentzündung ohne weiteres auf einen großen Gehalt an
                              Schwefelkies geschlossen zu haben, ohne sich um die analytische Feststellung
                              desselben viel zu kümmern. 2) Sind die Kiese in den Steinkohlen gewöhnlich in viel
                              zu geringer Menge enthalten, um eine Entzündung der letzteren selbst unter den für
                              die Hypothese günstigsten Voraussetzungen erklären zu können. Nehmen wir nämlich an,
                              daß die bei der Oxydation des als FeS² vorhandenen Schwefelkieses
                              freiwerdende Wärmemenge gleich sey der Verbrennungswärme der resp. Mengen Schwefel
                              und Eisen,Nach Dulong ist die Verbrennungswärme eines
                                    zusammengesetzten Körpers gleich der Summe der Wärmemengen seiner
                                    Bestandtheile, während dieselbe nach Kopp um so viel geringer ist als Wärme
                                    bei seiner Bildung frei wurde. Die bei der Oxydation des Schwefelkieses frei
                                    werdende Wärmemenge ist wohl etwas bedeutender wie oben berechnet, da 1)
                                    sich nicht wie bei der Verbrennung von Eisen und Schwefel,
                                    Fe³O⁴ und SO², sondern Fe²O³ und
                                    SO³ bildet, 2) ein Theil der Schwefelsäure mit den anderen
                                    Aschenbestandtheilen der Kohle in Verbindung tritt, und 3) endlich die
                                    schwefelsauren Salze Constitutions-resp. Krystallwasser aufnehmen. Da
                                    es uns indessen an einer sicheren Grundlage zur Bestimmung der durch diese
                                    Processe frei werdenden Wärmemenge fehlt, so glaubte ich von derselben um so
                                    mehr absehen zu können, als sie einestheils, nach Analogien zu schließen,
                                    relativ gering ist, und anderntheils die obige Berechnung selbstverständlich
                                    nun ein ungefähres Anhalten gewähren soll. und daß während der Oxydation nicht der geringste Wärmeverlust stattfinde, so berechnet sich
                              die Temperaturerhöhung T nach der Formel T = (W . F + W' . S)/(100 . c) worin W und W' die
                              Verbrennungswärme des Eisens resp. Schwefels (= 1,181 resp. 2307 Calorien), F und S deren procentische
                              Mengen und c die specifische Wärme der Steinkohlen =
                              0,25 bedeutet. Nun beträgt nach den zahlreichen Bestimmungen Grundmann's der Schwefelgehalt der oberschlesischen Steinkohlen
                              durchschnittlich 0,54 Proc., welchen 0,47 Proc. Eisen entsprechen würden; wir
                              erhalten demnach
                           (1181 . 0,47 + 2307 . 0,54)/(100 . 0,25) = 72,0.
                           D.h. also, wenn sich die angenommenen 1,01 Proc. Schwefelkies Plötzlich und unter
                              Umständen die jeden Wärmeverlust ausschließen, zersetzten, so würde die Temperatur
                              der betreffenden Steinkohlen dadurch um 72° C. steigen. Unter so günstigen
                              Verhältnissen, wie sie hier angenommen sind, findet aber die Oxydation des
                              Schwefelkieses niemals statt. Dieselbe nimmt stets längere Zeit in Anspruch und ist
                              oft nach jahrelangem Lagern der Kohle noch nicht vollendet. Je langsamer aber der
                              Proceß verläuft, um so geringer ist auch die Temperaturerhöhung, da fortwährend und
                              unter sonst gleichen Verhältnissen lediglich nach Maaßgabe der Zeit durch Leitung,
                              Strahlung, Verdunstung etc. Wärme verloren geht.
                           Ich werde im Nachstehenden versuchen, die Selbstentzündung der Steinkohlen auf andere
                              Ursachen als die bisher betrachteten zurückzuführen: Alle Steinkohlen absorbiren
                              Sauerstoff, wenn auch mit verschiedener Intensität. Diese Absorption ist die erste
                              Quelle der Entwicklung von Wärme, die aber so wenig wie die bei der Oxydation des
                              Schwefeltiefes freiwerdende zur Selbstentzündung der Kohlen hinreicht. Dagegen
                              findet hier der bemerkenswerthe und wichtige Unterschied statt, daß in dem ersten
                              Falle die Wärme in viel kürzerer Zeit frei wird, also auf die Temperaturerhöhung von
                              viel wesentlicherem Einflusse ist, als bei der verhältnißmäßig langsam verlaufenden
                              Oxydation der Schwefelkiese. In der vorigen Abhandlung habe ich auf die Factoren
                              aufmerksam gemacht, welche die Absorption beeinflussen; die nachfolgende
                              Zusammenstellung mag
                              zunächst einen Maaßstab für die Größe derselben abgeben. Zu den Versuchen wurden,
                              wie gewöhnlich, 20 Grm. gröblich gepulverte luftrockene, aber mit Feuchtigkeit
                              vollkommen gesättigte, frisch geförderte Kohlen angewandt. Die aufeinander folgenden
                              Zahlen zeigen die jedesmalige Sauerstoffabsorption, welche in 24 Stunden
                              stattfand:
                           
                              
                                 I
                                 II
                                 III
                                 IV
                                 V
                                 
                              
                                 Kohle mit5,15 Proc. Wasser
                                 Kohle mit5,20 Proc. W.
                                 Kohle mit5,25 Proc. W.
                                 Kohle mit2,54 Proc. W.
                                 Kohle mit3,10 Proc. W.
                                 
                              
                                   1) 9 Kub. Cent.
                                   1) 9,1 K. C.
                                   1) 7,2 K. C.
                                   1) 3,0 K. C.
                                   1) 5,0 K. C.
                                 
                              
                                   2)
                                    8,2      „
                                   2) 9,0    „
                                   2) 7,0    „
                                   2) 2,8    „
                                   2) 4,7    „
                                 
                              
                                   3)
                                    5,0      „
                                   3) 5,6    „
                                   3) 6,3    „
                                   3) 1,5    „
                                   3) 4,0    „
                                 
                              
                                   4)
                                    3,4      „
                                   4) 4,0    „
                                   4) 5,0    „
                                   4) 1,5    „
                                   4) 3,8    „
                                 
                              
                                   5)
                                    3,0      „
                                   5) 3,6    „
                                   5) 4,6    „
                                   5) 1,5    „
                                   5) 3,8    „
                                 
                              
                                   6)
                                    3,4      „
                                   6) 3,0    „
                                   6) 3,9    „
                                   6) 1,4    „
                                   6) 3,5    „
                                 
                              
                                   7)
                                    2,4      „
                                   7) 3,0    „
                                   7) 3,9    „
                                   7) 1,2    „
                                   7) 3,1    „
                                 
                              
                                   8)
                                    2,7      „
                                   8) 2,8    „
                                   8) 2,8    „
                                   8) 1,2    „
                                   8) 2,9    „
                                 
                              
                                   9)
                                    2,7      „
                                   9) 2,6    „
                                   9) 2,9    „
                                   9) 1,0    „
                                   9) 2,6    „
                                 
                              
                                 10) 2,0      „
                                 10) 2,6    „
                                 10) 2,4    „
                                 10) 1,2    „
                                 10) 2,5    „
                                 
                              
                                 11) 2,0      „
                                 11) 2,5    „
                                 11) 2,0    „
                                 11) 1,0    „
                                 11) 2,0    „
                                 
                              
                                 12) 2,0      „
                                 12) 2,3    „
                                 12) 2,0    „
                                 12) 0,9    „
                                 12) 2,0    „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                  45,8 Kub. Cent.
                                  50,1 K. C.
                                  50,0 K. C.
                                  18,2 K. C.
                                  39,9 K. C.
                                 
                              
                           Da 20 Grm. Kohle luftfrei einen Raum von circa 15 Kub.
                              Cent. füllen, so absorbirte also Kohle 1, 2 und 3 in 12 Tagen mehr als das 3 fache,
                              Kohle 5 mehr wie das 2 1/2 fache und Kohle 4 nicht ganz das 1 1/4 fache ihres
                              Volumens Sauerstoffgas.
                           Für die genaue Bestimmung der Wärmemenge, welche bei jenen Absorptionen frei wird,
                              bietet sich uns kein genügender Anhalt; es handelt sich hier aber auch keineswegs
                              darum, aus derselben unmittelbar die Selbstentzündung der Kohle zu erklären; es
                              genügt vielmehr vollständig, nachzuweisen, daß dieselbe unter günstigen Umständen im
                              Stande ist, die Kohlen bis auf nahezu 100° C. zu erwärmen. Vergleichen wir zu
                              diesem Zwecke das Absorptionsvermögen der Holzkohle mit dem der Steinkohle. In den
                              Pulverfabriken wird die Holzkohle dadurch, daß sie in großen Trommeln mit
                              Bronzekugeln längere Zeit herumgerollt wird, zu einem unfühlbaren Pulver zermalmt.
                              Solche Kohle saugt die atmosphärische Luft, und vorzugsweise das Sauerstoffgas, zwar
                              nicht in größerer Menge wie die unzerriebene, wohl aber mit solcher Begierde an, daß
                              sie sich stark erhitzt und nicht selten entzündet. Nach Saussure absorbirt 1 Volum Buchsbaumkohle 9,25 Vol. Sauerstoffgas. Da sich
                              das Gewicht eines Kubikcentimeters der von Saussure
                              benutzten Kohle zu 0,6 Grm. berechnet, so würde 1 Grm. mithin 15,4 K. C. oder 20
                              Grm. würden 308 K. C.,
                              d.h. etwa die 6fache Menge Sauerstoff absorbiren, wie die oben aufgeführten Kohlen 2
                              und 3 in 12 Tagen. Diese Sauerstoffabsorption ist nun im Stande, die Kohle bis auf
                              ihre Entzündungstemperatur, welche nach Violette für
                              Schwarzkohlen die bei einer zwischen 432 und 1000° C. liegenden
                              Verkohlungstemperatur dargestellt worden sind, zwischen 400–600° C.
                              liegt, zu erhitzen. Nehmen wir nun an, daß bei einer 6fach geringeren Absorption
                              auch die freiwerdende Wärmemenge um das 6fache geringer sey, so hätte sich also die
                              Temperatur der Kohlen 2 und 3 durch die in 12 Tagen stattgefundene Absorption um
                              500/6 = 83° C. erhöhen können, wobei wir freilich von jedem Wärmeverlust nach
                              Außen hin absehen müssen.
                           Wenn die Temperatur durch die Absorption bis auf einen gewissen Grad gestiegen ist,
                              so tritt, wie ich gezeigt habe, eine lebhafte chemische Reaction des Sauerstoffes
                              auf die verbrennliche Substanz der Kohle ein. Einerseits ist nun diese Reaction eine
                              neue Quelle der Wärmeentwicklung, andererseits nimmt sie selbst mit der steigenden
                              Temperatur fortwährend an Intensität zu.
                           In dem vorhergehenden ersten Theil der Abhandlung habe ich gezeigt, daß drei
                              verschiedene Kohlen durch 14 Tage lang fortgesetztes Erwärmen bis auf circa 70–80° C. bis 3,6 Proc. an
                              Brennwerth verloren; ganz derselbe Effect läßt sich hervorbringen, wenn die Kohlen
                              nur 2–3 Tage lang auf circa 105° erwärmt
                              werden; in wenigen Stunden endlich treten dieselben Veränderungen ein, wenn man die
                              Temperatur bis auf 150° steigert.
                           Berechnen wir theoretisch die bei der Kohle 2 während des 14tägigen Erwärmens
                              freigewordene Wärmemenge, so erhalten wir:
                           
                              
                                 Es wurden oxydirt zu Kohlensäure
                                 1,76 Proc.
                                 C 
                                 =
                                 140
                                 Calorien
                                 
                              
                                  „        „          „      
                                    „  Wasser
                                 0,16 Proc.
                                 H
                                 =
                                   55
                                 Calorien
                                 
                              
                                  „        „    
                                    aufgenommen Sauerstoff, als zur
                                    Bildung          gebunden
                                    bleibenden Wassers
                                    dienend          angenommen
                                 2,12 Proc.
                                 
                                 =
                                   91
                                 Calorien,
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 286
                                 Calorien,
                                 
                              
                           d.h. pro
                              Pfund Kohle wurden 286 Wärmeeinheiten frei; hätten diese
                              lediglich zur Erwärmung der Kohle gedient, so würde deren Temperatur um 1100°
                              C. gestiegen sein, oder richtiger, die Kohle würde bis weit über ihre
                              Entzündungstemperatur erhitzt worden und also zum Brennen gekommen seyn.
                           Aehnlich wie in dem ersten Theil der Abhandlung, unterscheide ich auch hier, wo es
                              sich speciell um die Erklärung der Selbstentzündung der Kohle handelt, die Absorption von der eigentlichen Oxydation; erstere, als die nächste Ursache des Freiwerdens von Wärme,
                              leitet gewissermaßen den Proceß ein, und erst wenn die Temperatur bis auf einen
                              gewissen Grad gestiegen ist, tritt die Oxydation der Kohle mit stetig zunehmender
                              Lebhaftigkeit ein, bis endlich eine Entzündung derselben stattfindet.
                           Hiernach ist klar, daß alle Bedingungen welche die Lebhaftigkeit der Absorption und
                              die nöthige Zufuhr des Sauerstoffes begünstigen, einer Zerstreuung der Wärme aber
                              entgegenwirken, beschleunigend auf die endlich bis zur Selbstentzündung gesteigerte
                              Temperaturerhöhung wirken müssen. Es kommen in dieser Beziehung aber zunächst und
                              ganz besonders in Betracht:
                           1) Die Flächenanziehung der Kohle; je größer dieselbe ist, um so schneller tritt auch
                              unter sonst gleichen Verhältnissen die Temperaturerhöhung ein; ist dieselbe sehr
                              gering, so kann der während einer gewissen Zeit eintretende Verlust an Wärme der
                              Menge der entbundenen gleichkommen und es wird daher unter solchen Umständen keine
                              Temperaturerhöhung eintreten, die wesentlichste Bedingung für den raschen Verlauf
                              des nachfolgenden Oxydationsprocesses fehlt also in diesem Falle.
                           2) Werden gleichfalls alle übrigen Verhältnisse welche mittelbar beschleunigend auf die Absorption des Sauerstoffes wirken, von
                              Einfluß seyn; ich rechne dahin zunächst die Zertheilung der
                                 Kohle. Kleinkohle bietet der Luft eine größere Oberfläche dar, als
                              Stückkohle; die erstere wird daher auch rascher absorbiren, sich folglich auch
                              stärker erwärmen als die letztere. – Auch die sogen. Structur der Kohle (falls dieselbe nicht, wie bei den betreffenden
                              Versuchen, durch vorherige Pulverung aufgehoben ist), kommt hier wesentlich in
                              Betracht. Ein Stück milde Schiefer- oder Blätterkohle, welche von
                              Absonderungsflächen und sonstigen porösen Hohlräumen reichlich durchzogen ist,
                              absorbirt rascher, als ein Stück feste Pech- oder Glanzkohle von derselben
                              Größe und Flächenanziehung. Je compacter daher eine Kohle ist, im Allgemeinen, je
                              mehr StückeNach der hier gebräuchlichen Bezeichnung versteht man unter Stückkohlen die
                                    über 1140 Kub. Cent. (= 64 Kubikzoll), unter Würfeln die zwischen 1140 und
                                    30 K. C. großen Bruchstücke. und Würfel sie bei der Förderung gibt, um so langsamer wird auch bei sonst
                              gleicher Zerkleinerung und Flächenwirkung die Absorption vor sich gehen.
                           3) Lagert die Kohle nicht in großen Haufen, so wird die durch die Absorption
                              entbundene Wärme rasch zerstreut werden, also nicht wesentlich zur
                              Temperaturerhöhung beitragen.
                           
                           4) Von welch wesentlichem Einflusse alle Umstände sind, welche auf einen Ersatz des
                              verbrauchten Sauerstoffes hinwirken und einen sich in bestimmten Grenzen haltenden,
                              wenn auch in örtlicher Beziehung beschränkten Luftwechsel gestatten, möge folgende
                              Berechnung zeigen: Die niederschlesische Kleinkohle hat aufgeschüttet
                              durchschnittlich ein specifisches Gewicht von 0,91, luftfrei ein solches von etwa
                              1,3. Die aufgeschüttete Kohle enthält daher 30 Volumprocente Luft eingeschlossen,
                              oder ein Kubikfuß enthält 0,7 Kubf. luftfreie Kohle und 0,3 Kubf. Luft mit 0,063
                              Kubf. Sauerstoff. Eine Kohle wie die oben sub I
                              aufgeführte absorbirt aber in 12 Tagen mehr als ihr 3faches Volumen Sauerstoff; dieß
                              ist ungefähr die 33 fache Menge des ursprünglich mit der aufgeschütteten Kohle
                              eingeschlossenen, und es mußte daher, wenn es allein während der ersten 12 Tage des
                              Lagerns nicht an Sauerstoff fehlen soll, das eingeschlossene Luftvolumen 33mal
                              ersetzt werden. In vielen Gegenden ist es gebräuchlich, durch die Kohlenhalden
                              sogen. Lutten, d.h. viereckige, aus lose zusammengefügten Bretern gebildete
                              Holzcanäle von etwa 1–3/4 Fuß Durchmesser zu legen. Diese Canäle können nur
                              den Zweck haben, die Wärme zu zerstreuen, indem sie bei geeigneter Anzahl eine
                              größere Halde gleichsam in mehrere kleine theilen; sie wirken aber andererseits bei
                              ihrer mehrentheils mangelhaften Beschaffenheit entschieden nachtheilig. Jeder
                              Grubenbetriebsbeamte, der mit leicht entzündlichen Kohlen zu thun hat, weiß daß die
                              Entzündung da beginnt, wo die fast immer undichten Lutten
                              und die Kohlen sich berühren, oder, was dasselbe sagen will, da wo sich bei
                              gleichzeitigem Austrocknen der Kohle die entsauerstoffte Luft durch
                              sauerstoffhaltige am ehesten wieder ersetzt. Die Lutten können nur dann ihren Zweck
                              erfüllen, wenn sie durchaus dicht gefugt sind und die Kohlenhalde in ihrer ganzen
                              Länge oder Höhe durchziehen. Sobald sie in Folge mangelhafter Construction oder
                              unzweckmäßiger Anwendung einen Luftwechsel im Inneren der Halde begünstigen, sind
                              sie entschieden nachtheilig. Ich habe die übrigens von vielen Praktikern getheilte
                              Ueberzeugung, daß die Selbstentzündung der Kohlen viel wirksamer durch ein möglichst
                              dichtes Schütten und durch gänzliche Beseitigung der Lutten, als durch Anwendung
                              derselben in ihrer jetzigen Beschaffenheit vermieden werden kann.
                           Die Feuchtigkeit kann unter gewissen Umständen die Selbstentzündung der Kohle
                              befördern, unter anderen dieselbe hemmen. Enthält die Kohle viel Schwefelkies,
                              welcher sich nur unter Mitwirkung des Wassers zersetzt, und ist ihr
                              Absorptionsvermögen überdieß ein sehr geringes, so kann die durch die Oxydation des
                              Kieses freiwerdende Wärmemenge größer seyn, als die durch die Absorption des
                              Sauerstoffes entbundene. Eine solche Kohle wird sich also unter dem Einflusse der Feuchtigkeit rascher
                              zersetzen, resp. sich leichter freiwillig entzünden, als im trockenen Zustande.
                              Findet aber das Gegentheil statt, ist der Schwefelgehalt ein relativ geringer, das
                              Absorptionsvermögen dagegen ein bedeutendes, so wird die Entzündung der Kohle beim
                              Austrocknen am ehesten eintreten, zumal die Absorption durch dasselbe so ungemein
                              befördert wird.
                           Nachstehend charakterisire ich kurz die Kohlen des hiesigen Revieres hinsichtlich
                              ihrer größeren oder geringeren Neigung zur Selbstentzündung, wie solche sich durch
                              langjährige Erfahrung der betreffenden Grubenbeamten ergeben hat. Ich unterscheide
                              in dieser Beziehung drei Classen von Kohlen, nämlich: erstens schwer entzündliche,
                              bei denen Haldenbrände bis jetzt nicht beobachtet sind; zweitens solche von
                              mittlerer Entzündlichkeit, bei denen Haldenbrände zwar vorkommen, aber immerhin zu
                              den verhältnißmäßig seltenen Erscheinungen gehören; drittens leicht entzündliche,
                              die sich fast regelmäßig freiwillig entzünden, sobald sie zu größeren Halden
                              aufgeschüttet werden. Um die Uebereinstimmung der im Vorhergehenden aufgestellten
                              Gesichtspunkte mit den praktischen Erfahrungen zu zeigen, theile ich ferner mit: 1)
                              den durchschnittlichen Schwefelgehalt der betreffenden Kohlen; 2) die
                              Flächenanziehung derselben, d.h. die Menge des hygroskopischen Wassers, welche sie
                              aus einer bei 15° C. gesättigten Atmosphäre aufzunehmen vermögen; 3) die
                              physikalische Beschaffenheit bezüglich der Cohärenz und Festigkeit der Kohlen, für
                              welche mit einzelnen Ausnahmen die Menge der bei der Förderung, fallenden Stücke als
                              Maaßstab dienen kann.
                           
                        
                           I. Classe.
                           (Schwerentzündliche Kohlen.)
                           Carl-Georg-Victor-Grube. Milde
                              leicht zerreibliche Schieferkohlen, ohne Stücke, mit 1,13 Proc. FeS² und 2,54
                              Proc. Wasser.
                           Glückhilfgrube. Sehr feste und stückreiche (38 Proc.)
                              Glanz- und Schieferkohle mit ziemlich viel schwefelkiesreichen Mitteln. Die
                              reine Stückkohle ist schwefelkiesarm (1,01 Proc.), die Kleinkohle welche zum großen
                              Theil verwaschen wird, schwefelkiesreicher, 3,04 Proc. – Hygroskopisches
                              Wasser = 2,75 Proc.
                           Friedenshoffnunggrube. Sehr stückkohlenreich (33 Proc.),
                              der vorigen ähnlich. FeS² = 1,51 Proc.; hygrosk.
                              Wasser = 3,90 Proc.
                           
                        
                           II. Classe.
                           (Kohlen von mittlerer Entzündlichkeit.)
                           Fuchsgrube. Feste Schiefer- und Glanzkohle mit
                              etwa 30 Proc. Stücken.
                              FeS² = 1,20 Proc.; Wasser = 4,50 Proc. –
                              Haldenbrände kommen selten vor, gehören aber keineswegs zu den unbekannten
                              Erscheinungen.
                           Segen-Gottes-Grube. Harte, aber sehr spröde
                              Kohle mit nur etwa 10 Proc. Stücken, aber vielen Würfeln. FeS² = 1,08 Proc;
                              Wasser = 4,55 Proc. Brände sind keineswegs unbekannt, kommen aber nicht gerade
                              häufig vor.
                           Cäsargrube. Ziemlich milde Kohle mit 4,75 Proc.
                              Feuchtigkeit und 1,15 Proc. FeS². Verhält sich, so viel ich in Erfahrung
                              bringen konnte, der vorigen ähnlich.
                           
                        
                           III. Classe.
                           (Leichtentzündliche Kohlen.)
                           Gustavgrube. Die Kohle ist derjenigen der benachbarten
                              Carl-Georg-Victor-Grube äußerlich sehr ähnlich, sie gibt wie
                              diese keine Stücke, enthält 1,12 Proc. FeS², aber 4,85 Proc. (vergl. oben)
                              Feuchtigkeit.
                           Luisengrube. Ziemlich milde Schieferkohle, mit wenig
                              Stücken und Würfeln. 1,00 Proc. FeS² und 9,01 Proc. (!) Wasser. Eingezogenen
                              Mittheilungen zufolge soll dieselbe außerordentlich leicht entzündlich seyn. Die
                              obigen Angaben beziehen sich indessen, wie ich ausdrücklich bemerke, nur auf ein
                              einziges Stück, welches ich vor Kurzem aus der gegenwärtig abgebauten Grube
                              erhielt.
                           Graf Hochburg-Grube. Ziemlich weiche Schieferkohle
                              mit wenig Stücken (2–5 Proc.), 0,83 Proc. FeS² und 5,30 Proc.
                              Feuchtigkeit.
                           Morgen- und Abendsterngrube. Der vorigen ähnlich,
                              wenig oder gar keine Stücke, 1,35 Proc. FeS² und 4,85 Proc. Wasser. Unter den
                              verschiedenen Flötzen der Grube zeichnet sich das sogen. Harteflötz durch die große
                              Selbstentzündlichkeit seiner Kohle aus. Letztere ist sehr rein und schwefelarm, sie
                              enthält nur 2,5 Proc. Asche und 0,84 Proc. FeS², dagegen 5,52 Proc. hygrosk.
                              Wasser.
                           Aus dem Vorstehenden ergibt sich:
                           Zu den notorisch schwer entzündlichen Kohlen gehören theils milde und weiche
                              Blätter- und Schieferkohlen, theils harte und feste Glanzkohlen, die zum
                              Theil ziemlich reich an Schwefelkies sind. Sie sind sämmtlich ausgezeichnet durch
                              eine geringe Flächenanziehung.
                           Die Kohlen der zweiten Classe sind mit Ausnahme derjenigen der Cäsargrube hart und
                              fest, mit bedeutendem Stückkohlen- oder Würfelfall. Ihre Flächenanziehung ist
                              ebenso wie der Gehalt an Schwefelkies ein mittlerer.
                           
                           Die leicht entzündlichen Kohlen der dritten Classe sind ausnahmlos milde Kohlen (zum
                              Theil mit geringem Schwefelkiesgehalt) mit sehr bedeutender Flächenanziehung; in
                              ihnen vereinigen sich daher die wesentlichsten Bedingungen, von welchen ich im
                              Vorangegangenen die Selbstentzündung abhängig gemacht habe.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt in einem der nächsten Hefte.)