| Titel: | Die Nachtheile der Corliß-Dampfmaschinen; von Richard Em. Schmidt. | 
| Autor: | Richard Em. Schmidt | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CXXXI., S. 488 | 
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                        CXXXI.
                        Die Nachtheile der Corliß-Dampfmaschinen; von Richard Em. Schmidt.
                        Schmidt, über die Nachtheile der
                           Corliß-Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Die Steuerung der Corliß-Dampfmaschine genießt den
                              Ruf der besten selbstthätig variablen Expansionssteuerung und diese Maschine
                              verdankt demselben eine sich von Tag zu Tag mehrende Anwendung in den Etablissements
                              der verschiedensten Industriezweige. Hauptsächlich findet sie Aufnahme in jenen
                              Etablissements, wo einerseits große und häufige Differenzen in der Nutzlast
                              vorkommen, andererseits möglichst gleichmäßiger Gang des Motors erwünscht ist; man
                              stellt also die Bedingungen, daß der Füllungsgrad mit dem Wechsel des
                              Kraftverbrauches möglichst schnell variire, und daß sich derselbe letzterem unter
                              Einhaltung der gewünschten Geschwindigkeit accomodire.
                           Der ersteren Bedingung entspricht entschieden keine andere Construction von
                              Steuerungen so momentan, als die hier in Frage stehende; geschieht dieß aber auch in
                              vortheilhafter Weise, und wie steht es in Bezug auf die zweite Bedingung?
                           Ein kurzer Blick auf die Wirkungsweise der Corliß-Steuerung zeigt, daß der Anforderung, der Motor solle bei
                              verschiedenen Füllungsgraden unter entsprechender Kraftabgabe die gleiche
                              Geschwindigkeit haben, sehr schlecht genügt wird, ja, daß jede Corliß-Maschine überhaupt nur bei einem gewissen Füllungsgrade eine
                              bestimmte Geschwindigkeit haben kann, während dieselbe bei jeder Veränderung der
                              Expansion schwankt und zwar um so bedeutender, je größer die Abweichung des
                              Füllungsgrades von jenem oben bezeichneten ist.
                           Bekanntlich erfolgt bei der Corliß-Steuerung die
                              Absperrung des Dampfzutrittes durch das plötzliche Zurückziehen der Drehschieber,
                              wenn der mit dem Regulator direct verbundene Expansions-Steuerhebel durch
                              Anstoßen an einen gebogenen oder abgeschrägten Klinkhebel die Vertheilungssteuerung
                              auslöst. Der Zeitpunkt dieser Auslösung ist abhängig von der Schweifung oder
                              Schrägung der Klinkhebel und der Stellung des Regulators; ist die Form und Lage der
                              ersteren festgesetzt, so ist dadurch auch sofort die Stellung des
                              Expansionssteuerhebels und somit auch diejenige des Regulators, wie dessen
                              Umdrehungsgeschwindigkeit, für jeden besonderen Füllungsgrad bestimmt.
                           Soll die Maschine also für eine gewisse Geschwindigkeit construirt seyn, so muß bei
                              der Formgebung der Klinkhebel auf einen dem mittleren Effect entsprechenden
                              Füllungsgrad Rücksicht genommen werden. Arbeitet nun die Maschine unter einer von
                              dieser mittleren verschiedenen Kraftausnutzung, so ändert sich zunächst die
                              Geschwindigkeit, mit dieser aber die Regulatorstellung und der Füllungsgrad; mit der
                              Veränderung des letzten variirt nun wieder die Geschwindigkeit und so setzt sich
                              dieses Spiel fort, allerdings immer um die verlangte Geschwindigkeit im Mittel
                              herumschwankend, ohne aber jemals diese selbst einhalten zu können, möge dann der
                              auszuübende Effect ein noch so gleichmäßiger seyn. Je weiter letzterer von dem
                              ursprünglich festgesetzten mittleren abweicht, um so größer ist die Unregelmäßigkeit
                              in der Expansion und der Geschwindigkeit.
                           An einer Corliß-Maschine neuester Construction
                              (letztes Patent von Corliß) wurden bei ganz gleichmäßiger
                              Nutzlast constante Abweichungen zwischen 5/16 und 13/16 Füllung beobachtet; daß
                              unter solchen Variationen im Expansionsgrade bei einigermaßen großen Uebersetzungen
                              in der Transmission sich fühlbare Differenzen in der Geschwindigkeit zeigen müssen,
                              ist klar.
                           Für Fabricationszweige, welche neben starken Abweichungen von einer mittleren
                              Nutzlast gleichmäßige größere Geschwindigkeit der betriebenen Maschinen erfordern,
                              ist demnach dieser Motor keineswegs besonders zu empfehlen.
                           Es beantwortet sich hier aber auch die Frage von selbst, ob die Corliß-Dampfmaschine überhaupt auch nur da vortheilhaft arbeitet,
                              wo sie lediglich wegen großer Differenzen in der Nutzlast, unberücksichtigt der
                              Gleichmäßigkeit des Ganges, angewendet wird.
                           Auf obige Beobachtung zurückgreifend, läßt sich die während einer solchen
                              Schwankungsperiode (einer Tour) verrichtete Arbeit ungefähr ausdrücken:
                           E = [5/16 (1 + log nat 16/5) + 13/16 (1 + log nat 16/3)] M
                              
                           = (0,67 + 0,9) M = 1,57 M (worin M ein vom
                              Dampfdruck, Dimensionen, Geschwindigkeit etc. der betreffenden Maschine abhängiger
                              Werth), oder für einen Hub ist:
                           E = 0,785 M.
                           
                           Der hier zunächst zu berücksichtigende Dampfverbrauch beträgt (5/16 + 13/16) V = 18/16 V pro Tour oder
                              9/16 V pro Hub.
                           Hätte die Maschine constant mit 9/16 Füllung gearbeitet, so wäre E = 9/16 (1 + log nat 16/9)
                              M = 0,885 M gewesen,
                              also um 10 Proc. größer.
                           Die der Arbeit E = 0,785 M
                              entsprechende Füllung beträgt noch nicht einmal 7/16, demnach fand während der
                              ganzen auf die damalige Nutzlast sich beziehenden Arbeitsperiode eine
                              Dampfverschwendung von 12,7 Proc. statt.
                           In allen Fällen wo während längerer Zeitintervalle größere Abweichungen von der
                              mittleren Nutzlast, für welche die Maschine speciell construirt ist, vorkommen, wird
                              Vergeudung von Dampf die Folge seyn.
                           Den Anforderungen welche man an eine selbstthätige variable Expansionssteuerung
                              stellt, entspricht diejenige der Corliß-Dampfmaschine keineswegs und berücksichtigt man außerdem ihren
                              hohen Preis, sowie die unausbleiblichen Reparaturen, so zeigt sich, daß der Ruf
                              dieser Maschinen ein weit besserer ist, als sie ihn verdienen.