| Titel: | Ueber eine neue Art von Thermometern; von A. Lamy. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CXLVIII., S. 526 | 
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                        CXLVIII.
                        Ueber eine neue Art von Thermometern; von
                           A.
                              Lamy.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXX p. 393; Februar
                              1870.
                        Lamy, über eine neue Art von Thermometern.
                        
                     
                        
                           Im August v. J. machte ich der (französischen) Akademie Mittheilung über ein neues,
                              auf die Erscheinungen der Dissociation (des Zerfallens) chemischer Verbindungen
                              gegründetes Pyrometer.Polytechn. Journal Bd. CXCIV S.
                                       209. Ich schloß jene Mittheilung mit der Bemerkung, daß ich natürlich die
                              Anwendung des neuen Instrumentes durch die Wahl verschiedener Substanzen, deren
                              respectives Zerfallen eine beinahe vollständige Temperaturscala umfaßt, zu
                              verallgemeinern beabsichtige.
                           Diese Ausdehnung des Dissociationsprincips auf die Construction der Thermometer im
                              Allgemeinen würde mich berechtigt haben, schon der früheren Mittheilung den Titel:
                              „Ueber eine neue Art von Thermometern“ zu geben. Ich hatte
                              aber damals den Zweck, die Aufmerksamkeit der Akademie ganz besonders auf die
                              Wichtigkeit zu lenken, welche ich dem neuen Pyrometer
                              beilege. Im Folgenden will ich nun, um die Vortheile welche die auf dasselbe Princip
                              gegründeten Thermometer gewähren können, ersichtlicher zu
                              machen, dem Urtheile der Akademie ein Instrument dieser Art unterbreiten, welches
                              bloß zur Messung der gewöhnlichen Temperaturen bestimmt ist.
                           Es könnte überflüssig scheinen, neue Instrumente zum Messen von Temperaturgraden,
                              welche unter 300° C. liegen, construiren zu wollen, da wir die zu diesem
                              Zwecke bestimmten, alle wünschenswerthe Genauigkeit gewährenden Luft- und
                              Quecksilberthermometer besitzen. Wenn es sich aber darum handelt, die in einem Schachte, einem
                              Bohrloche, überhaupt in einer mehr oder weniger tiefen Schicht des festen Bodens,
                              des Oceans oder der Atmosphäre stattfindenden Temperaturschwankungen zu bestimmen,
                              so werden die auf das Zerfallen der chemischen Verbindungen gegründeten Thermometer
                              vor allen übrigen einen unbestreitbaren Vorzug haben, weil sie diese Schwankungen in
                              so zu sagen beliebiger Entfernung in der zuverlässigsten und bequemsten Weise im
                              Zimmer des Beobachters selbst zu verfolgen gestatten, da letzterer zu diesem Zwecke
                              nur einen Blick auf das Indicatormanometer zu werfen braucht.
                           Bekanntlich hält nämlich die Spannkraft des Gases, welches ein unter dem Einfluß der
                              Wärme theilweise zersetzter Körper abgab, nicht vom Volum dieses Gases ab, oder, was
                              dasselbe ist, von der Capacität seines Behälters, sondern bloß von der Temperatur
                              des Körpers, daher, wenn letztere constant bleibt, die
                              Dissociations-Spannkraft ebenfalls constant bleibt. Diese ist, mit einem
                              Wort, ein Spannungsmaximum, wie das des gesättigten Wasserdampfes.
                           Um die zur Erreichung meines besonderen Zweckes geeignetste Substanz wählen zu
                              können, brauchte ich nur die Abhandlung von Isambert:
                                 „Ueber das Zerfallen gewisser
                                    Chlorammonium-Verbindungen“
                                  (eine im Juli 1868 vor der naturwissenschaftlichen Facultät in Paris
                              vertheidigte These) zu Rathe zu ziehen. Die in derselben mitgetheilten zahlreichen
                              Versuche können als die wichtigsten von denjenigen betrachtet werden, welche zur
                              Feststellung des von H. Sainte-Claire Deville
                              entdeckten Gesetzes der Dissociation (des Zerfallens der zusammengesetzten Körper)
                              beigetragen haben; denn da dieselben bei unter 200° C. liegenden, also leicht
                              zu erzeugenden und zu messenden Temperaturen gemacht wurden, so gestatteten sie die
                              diesen Temperaturen entsprechenden Spannungsmaxima der Dissociation zu messen.
                           Aus der Tabelle welche die Spannkräfte für die der Formel CaCl, 4 NH³
                              entsprechende Verbindung von Chlorcalcium mit Ammoniak angibt, ersieht man, daß die
                              Spannkräfte des Ammoniakgases zwischen 0° und 46,2° C. von 120
                              Millimeter bis 1551 Millimeter variiren, folglich ein Steigen der Quecksilbersäule
                              des Manometers (deren Durchmesser ein beliebiger ist) von 1,43 Meter umfassen! Diese
                              Verbindung ist daher zur Construction eines höchst empfindlichen Thermometers für
                              Temperaturen zwischen 0° und 46° C. vollkommen geeignet.
                           Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß für einen anderen Theil der Thermometerscala
                              eine andere von den in Isambert's Abhandlung angeführten Verbindungen gewählt werden
                              müßte.
                           Da das Chlorcalcium-Ammoniak ein sehr leichtes Pulver ist, welches die Wärme nur schlecht leiten
                              kann, so wollte ich das Glas, welches auch zu zerbrechlich ist, nicht als Material
                              für das Gehäuse des neuen Thermometers benutzen, sondern wählte dazu verzinntes
                              Kupfer. Das Instrument besteht in einer kleinen, runden, flachen Büchse, welche das
                              Gefäß bildet und beiläufig den Durchmesser eines Fünffrankenstückes bei 7 bis 8
                              Millimeter Höhe hat, nebst einer in der Mitte dieses Gefäßes befestigten senkrechten
                              Röhre von 4 bis 5 Millimeter Durchmesser und 15 Centim. Länge. Durch das freie Ende
                              dieser Röhre wurden 3 bis 4 Kub. Cent. oder höchstens 1 Grm. des Chlorürs CaCl, 4
                              NH³ in trockenem Zustande in die Büchse eingeführt; dann wurde dieses Ende an
                              ein Bleirohr von ungefähr 1,51 Millimet. lichtem Durchmesser gelöthet, welches so
                              lang ist, daß es von der Stelle wo das Gefäß angebracht werden muß, bis zu dem
                              Manometer reicht, welches die Spannkräfte anzugeben hat.Bei dem letzten Instrumente dieser Art, welches ich construirte, hatte das
                                    Verbindungsrohr zwischen dem Gefäße des Thermometers und dem Manometer eine
                                    Länge von 20 Meter. Dieses Manometer besteht einfach in einem zweischenkeligen, Quecksilber
                              enthaltenden Glasrohre, an welches eine Millimeterscala befestigt ist. – Für
                              die Fälle wo die zu bestimmenden Temperaturen nicht über 30° C. hinausgehen,
                              würde ein einfaches gerades Rohr von 80 Centim. Länge genügen, welches in eine
                              Schale mit Quecksilber taucht. – Durch den offenen Schenkel des Manometers
                              wurde mittelst einer kleinen Pumpe die Luft aus dem ganzen Apparate ausgesogen und
                              durch trockenes reines Ammoniakgas ersetzt. Endlich wurde der Ueberschuß dieses
                              Gases durch vorsichtiges Erhitzen des die Chlorverbindung enthaltenden Gefäßes
                              verjagt, so daß bei der Temperatur des schmelzenden Eises die Spannkraft, nachdem
                              sie constant geworden, der in Isambert's Tabelle verzeichneten entsprach, also 120 Millimeter
                              betrug.
                           So construirt, ist das Thermometer gleichzeitig graduirt, weil die fragliche Tabelle
                              den der beobachteten Spannung entsprechenden Grad angibt (wohlverstanden auf den
                              Barometerstand im Momente der Beobachtung bezogen).Das Gefäß des Thermometers kann noch kleiner seyn als dasjenige, dessen
                                    Dimensionen ich oben angegeben habe. Für sehr feine Untersuchungen, zur
                                    Bestimmung sehr geringer Temperaturschwankungen könnte es den Durchmesser
                                    von kaum einem Zehncentimesstücke bei einer Höhe von 4 bis 5 Millim.
                                    erhalten. Da nämlich ein Gramm der Verbindung CaCl, 4 NH³ nicht
                                    weniger als 758 Kubikcentimeter Ammoniakgas enthält, so würden 0,2 Grm.
                                    dieses Salzes noch immer genug von dem Gase enthalten, um für die aus der
                                    Depression des Quecksilbers im Manometer (von 5 bis 6 Millimeter
                                    Durchmesser) resultirende Volumvermehrung hinzureichen, ohne daß die
                                    Dissociations-Spannkraft aufhört, die der fraglichen Verbindung
                                    zukommende zu seyn: gerade so wie eine sehr geringe Quantität Wasser in
                                    einem Barometerrohre in welchem die Volumschwankung nur die aus der Zunahme
                                    der Spannkraft resultirende ist, gesättigten
                                    Dampf in hinreichender Menge liefern kann. Die Beobachtung des Barometers läßt sich jedoch ersparen, indem man den
                              Schenkel des Manometers, nachdem derselbe luftleer gemacht worden, hermetisch
                              schließt.
                           Ein derartiges Instrument ist weder kostspielig, noch zerbrechlich, noch schwierig zu
                              handhaben. Seine Empfindlichkeit ist sowohl bezüglich der Ausdehnung der Angaben, als
                              hinsichtlich der Geschwindigkeit ihrer Uebertragung sehr bemerkenswerth. Ueberdieß
                              wird die Empfindlichkeit bei allen auf dasselbe Princip basirten Apparaten um so
                              größer, je höher die Temperatur steigt. Der wichtigste Vortheil dieses Thermometers,
                              durch welchen es sich vor allen übrigen, mit Ausnahme des thermo-elektrischen
                              von Becquerel unterscheidet, besteht aber darin, daß es
                              bei der Größe seiner auf das Deutlichste ersichtlichen Angaben durch bloßes Ablesen
                              in jedem Augenblicke genau die Temperatur des mehr oder weniger weit vom
                              Beobachtungspunkte entfernten Mediums erkennen läßt, in welchem sich das Gefäß
                              befindet; denn, ich wiederhole es, die beobachtete Spannkraft, also der
                              Temperaturgrad, hängt einzig von der Temperatur der in diesem Gefäße enthaltenen
                              Substanz ab, keineswegs aber vom Volum dieses Behälters, ebenso wenig vom Volum oder
                              der Temperatur der übrigen Theile des Apparates bis zum Manometer hin.
                           In Folge dieser, von mir bereits in meiner früheren Mittheilung über das
                              Marmorpyrometer hervorgehobenen Vorzüge sind die auf das Dissociationsgesetz
                              gegründeten Thermometer einer sehr ausgedehnten Anwendung fähig, und dürften sowohl
                              beim Messen hoher Temperaturgrade für Zwecke der Wissenschaft und der Technik, als
                              bei der Bestimmung niedriger Temperaturen für meteorologische und
                              physikalisch-geographische Zwecke schätzbare Dienste leisten; insbesondere
                              werden sie benutzt werden, wenn sehr geringe Temperaturschwankungen genau bestimmt
                              oder ohne Umständlichkeiten an einer von dem Aufenthaltspunkt des Beobachters mehr
                              oder weniger entfernten Stelle verfolgt werden sollen. Schließlich bemerke ich, daß
                              durch leicht zu ersinnende Combinationen alle diese Thermometer sich nöthigenfalls
                              in Registrir- und Regulirinstrumente verwandeln lassen.Becquerel bemerkte zu der vorstehenden
                                    Mittheilung, daß er schon vor mehreren Jahren eine Methode zur Bestimmung
                                    der Temperatur in verschiedenen Bodentiefen angegeben hat, welche auf die
                                    Benutzung der thermo-elektrischen Ströme
                                    basirt, sehr einfach, sehr genau und sehr empfindlich, auch bereits in
                                    mehreren Anstalten eingeführt worden ist. So wird dieses Verfahren seit 1863
                                    im Pariser Museum angewendet, wo es täglich die Temperatur des Bodens von 5
                                    zu 5 Metern, bis zu einer Tiefe von 36 Metern gibt.Da die ApparateAppraate daselbst von Beton umgeben und daher so zu sagen unzerstörbar
                                    sind, so wird man durch sie in Zukunft erfahren können ob die Temperatur des
                                    Pariser Bodens Veränderungen erlitten hat.