| Titel: | Ueber die Anwendung des Wollschweißes zur Blutlaugensalz-Fabrication; von Paul Havrez, Professor der technischen Chemie zu Verviers. | 
| Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CLI., S. 535 | 
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                        CLI.
                        Ueber die Anwendung des Wollschweißes zur
                           Blutlaugensalz-Fabrication; von Paul Havrez, Professor der technischen Chemie
                           zu Verviers.
                        Aus dem Moniteur de la teinture, Februar 1870, S.
                              46.
                        Havrez, über Anwendung des Wollschweißes zur
                           Blutlaugensalz-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Der Wollschweiß, welcher fast den dritten Theil des Gewichtes der rohen Wolle
                              ausmacht, bildet einen trefflichen Rohstoff für die
                              Blutlaugensalz-Fabrication, weil dieser Schweiß nach dem Glühen (in Folge der
                              Zerstörung des valeriansauren Kalis) aus einem äußerst innigen Gemenge von
                              kohlensaurem Kali und stickstoffhaltiger Kohle besteht.
                           Bekanntlich wird das gelbe Blutlaugensalz (Kaliumeisencyanür) gewonnen durch Glühen
                              von:
                           
                              
                                 50 Kilogr.
                                 thierischer, stickstoffhaltiger Substanzen (Leder, Blut etc.),
                                 
                              
                                 75     „
                                 kohlensaurem Kali (Potasche),
                                 
                              
                                   3     „
                                 Eisenfeispäne.
                                 
                              
                           Man erhitzt unter Umrühren bei Luftabschluß und laugt die entstandene Cyanverbindung
                              aus der Schmelze mit heißem Wasser aus. Zwei Drittel der angewendeten Potasche
                              finden sich unzersetzt im Waschwasser wieder; nur ein Drittel derselben ist in
                              Blutlaugensalz verwandelt.
                           Dadurch kam Havrez auf den Gedanken, daß die zweckmäßigste
                              Benutzung des Wollschweißes nicht, wie dieß gegenwärtig der Fall ist, darin besteht,
                              ihn auf reine Potasche zu verarbeiten, sondern unmittelbar auf Cyanverbindungen,
                              also auf Producte welche den dreifachen Werth haben. Sämmtliche Bestandtheile des
                              Wollschweißes sind nämlich sehr nützlich für diesen Fabricationszweig; so das 38 bis
                              45 Proc. betragende kohlensaure Kali, das brennbare Gas (35 Proc.), das Cyan und die
                              fein zertheilte, sehr reducirend wirkende Kohle (13 Procent). Diese Kohle, welche
                              bei der Verwendung des Wollschweißes zur Potaschefabrication nur Unbequemlichkeiten
                              und Kosten verursacht, wird hier zum unerläßlichen Rohmaterial und hat, wie durch
                              die Praxis bewiesen wird, den Vorzug daß sie wirksamer ist als die auf künstlichem
                              Wege und daher nur grob dem kohlensauren Kali beigemengte Kohle. Endlich wird das
                              kohlensaure Kali, anstatt Zweck der Fabrication zu seyn, als Rückstand einer anderen
                              Fabrication, nämlich des Blutlaugensalzes, gewonnen.
                           Berechnen wir den wirklichen Werth für die Blutlaugensalz-Fabrication der in
                              100 Kilogrm. Wollschweiß enthaltenen Substanzen, so gelangen wir zu nachstehenden
                              Zahlen:
                           
                              
                                 100 Kilogr. trockener Wollschweiß liefern 40 Kil. reine
                                    Potasche zu über 78      
                                    Francs per 100 Kilogr., also mindestens an
                                    Werth
                                 29 Frcs.
                                 
                              
                                 Dieses kohlensaure Kali enthält schon 1 bis 2 Proc. Cyanür (1
                                    Kilogr.      Blutlaugensalz
                                    hat, ohne stickstoffhaltige Substanzen, einen
                                    Werth      von 3
                                    Francs)
                                   2   „
                                 
                              
                                 Dasselbe erspart daher ein Drittel an Leder, alten Schuhen
                                    etc. im Betrage von
                                   1   „
                                 
                              
                                 Mehr als die Hälfte der Producte dieses Schweißes besteht aus
                                    brennbaren      Kohlenwasserstoffen,
                                    welche eine Steinkohlenersparniß
                                    ermöglichen;      dieselben
                                    kommen in ihrer Wirkung der von mehr als 40 Kilogr.
                                    Steinkohle      gleich, da
                                    sie im Ofen selbst verbrennen, keine Cinders und Asche
                                    hinterlassen      und viel
                                    Wasserstoff enthalten (welcher die dreifache Heizkraft der Kohle
                                    besitzt)
                                   1   „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Daher Gesammtwerth von 100 Kilogr.
                                    Wollschweiß
                                 33 Frcs.
                                 
                              
                           Es läßt sich leicht nachweisen, daß bei der Fabrication von Blutlaugensalz und reiner
                              Potasche aus Wollschweiß, 50 Proc. mehr verdient werden als bei der Verwendung
                              dieses Materials zur Potaschefabrication allein.
                           Mit je 100 Kilogr. reiner Potasche können nämlich mindestens 18 bis 20 Kilogr.
                              Blutlaugensalz gewonnen werden, zu deren Bildung 65 Procent oder 13 Kilogr.
                              kohlensaures Kali erforderlich sind; wir erhalten demnach:
                           
                              
                                   20 Kilogr.
                                    Blutlaugensalz      à 3 Fr. 25 Cent.
                                 =
                                   65 Fr.
                                 
                              
                                 100 Kilogr. kohlensaures Kali à 0 Fr. 90 Cent.
                                 =
                                   90 Fr.
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 155 Fr.
                                 
                              
                           anstatt 113 Kilogr. kohlensaures Kali à 0 Frcs. 90 Cent. = 101 Frcs. 70 Cent., also mindestens 50 Proc.
                              Nettogewinn über die 100 Frcs., welche die Fabrication der Potasche gegeben haben
                              würde, daher 14 Frcs. zu den 29 Frcs. hinzukommen, welche dem Kaliwerthe von 100
                              Kilogr. Wollschweiß entsprechen und den sicheren Gewinn der
                              Blutlaugensalz-Fabrication ausmachen, weil der Wollschweiß nur 15 Frcs. per 100 Kilogr. kostet.
                           Resultate der in der Fabrik zu Buchsweiler bei Straßburg
                                 abgeführten Versuche. – Havrez ließ 100
                              Kilogr. trockenen Wollschweiß der großen Blutlaugensalzfabrik des Departem.
                              Niederrhein übersenden, wo dieser Rohstoff von Schattenmann an Stelle der dort angewendeten Potasche verarbeitet wurde. Die
                              Operation ging wegen der heißen Flamme, welche die vom Schweiße erzeugten brennbaren
                              Gase entwickelten, zur größten Befriedigung vor sich. Am 14. Juni 1865 schrieb Schattenmann an Havrez:
                           
                              „Als wir aus der mit Anwendung von Wollschweiß anstatt Potasche erhaltenen
                                 Schmelze das erzeugte Blutlaugensalz durch Krystallisation abschieden, fanden
                                 wir, daß das Ausbringen an letzterem um einige Procente
                                    höher war, als bei unserem gewöhnlichen Verfahren (welches nur 15 bis
                                 16 Proc. gibt). Wir haben eine günstige Meinung von der directen Anwendung des Wollschweißes als Potaschesurrogat für diesen
                                 Fabricationszweig (unter Zusatz von animalischen Substanzen zur Vermehrung der
                                 im Schweiße schon vorhandenen).“