| Titel: | Mittheilungen aus dem technischen Laboratorium des k. ungarischen Polytechnicums in Ofen; von V. Martha. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XVII., S. 59 | 
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                        XVII.
                        Mittheilungen aus dem technischen Laboratorium
                           								des k. ungarischen Polytechnicums in Ofen; von V. Martha.
                        Aus den Berichten der deutschen chemischen
                                 								Gesellschaft zu Berlin, 1870, Nr. 10.
                        Martha, über Anthracen-Farbstoffe.
                        
                     
                        
                           I. Beiträge zur Kenntniß der
                                 										Anthracen-Farbstoffe.
                           Die HHrn. Grabe und Liebermann
                              									erwähnen in ihrer Abhandlung „über Anthracen und Alizarin,“
                              									Annalen der Chemie und Pharmacie, VII. Supplementband S. 286. daß das Anthrachinon der Einwirkung von Oxydationsmitteln mit ungeheurer
                              									Energie widersteht; daß selbst alkoholische Kalilauge in zugeschmolzenem Glasrohr
                              									bei 200° C. nicht auf dasselbe einwirkt, und auch schmelzendes Kali keine
                              									Veränderung hervorbringt. Ich kann nun mittheilen, daß es mir gelungen ist, das
                              									Antrachinon trotz seiner auffallenden Beständigkeit direct zu oxydiren, und will die
                              									hierauf bezüglichen Versuche kurz beschreiben.
                           Erhitzt man eine absolut alkoholische Lösung von reinem, mittelst Chromsäure
                              									erhaltenem, wiederholt sublimirtem, fast farblosem Anthrachinon mit festem Aetzkali
                              									in einem Probirrohr zum Kochen, so bemerkt man bald, daß die Lösung gelb wird und
                              									zwei Schichten bildet: eine untere, bestehend aus geschmolzenem Netzkali, und eine
                              									obere, alkoholische Anthrachinonlösung. Bei fortgesetztem Erhitzen färbt sich die
                              									obere Lösung immer dunkler, schließlich wird dieselbe, wenn nur noch wenig Alkohol
                              									vorhanden ist, ganz braunschwarz, und nun mischen sich die zwei Flüssigkeiten unter
                              									starker Gasentwickelung, die Masse wird schön grün, dann dunkelblau, und bei weiterem
                              									Erhitzen tritt endlich die charakteristische violette Farbe des
                              									Alizarin-Kalis auf. Nun läßt man erkalten, löst in Wasser, fällt die
                              									purpurviolette Lösung mit Schwefelsäure, extrahirt mit Aether, und kann nun aus der
                              									ätherischen Lösung mit wässerigem Kali das Alizarin mit allen seinen
                              									charakteristischen Eigenschaften abscheiden. Doch wird bei dieser Operation bei
                              									weitem der größere Theil des Anthrachinons nicht angegriffen; man kann dasselbe nur
                              									durch wiederholtes Schmelzen mit neuen Kali- und Alkohol-Mengen in
                              									Farbstoff umwandeln. Der Vorgang ist hier derselbe, wie bei der Darstellung der
                              									sogenannten Chinonsäure von Schoonbroodt,Jahresbericht für 1861, S. 386. welcher beobachtet hat, daß diese Verbindung durch Erhitzen des Chinons mit
                              									Aetzkali unter Wasserstoffentwickelung entsteht. Dieser Körper hat die
                              									Zusammensetzung C⁶H²(OH)²O² also Bioxychinon. Setzt man
                              									der alkoholischen Anthrachinon-Lösung etwas Zinnchlorür hinzu und erhitzt auf
                              									gleiche Weise mit festem Kali bis zum Schmelzen, so beobachtet man eine
                              									eigenthümliche Erscheinung. Ist Zinnchlorür im Ueberschuß vorhanden, so wird die
                              									untere geschmolzene Kalischicht viel früher grün, als beim Schmelzen ohne
                              									Zinnchlorür; die obere, alkoholische Flüssigkeit aber wird nach kurzer Zeit feurig
                              									blutroth, und bedeckt sich beim Erkalten und Offenstehenlassen oder beim Durchleiten
                              									eines Luftstromes mit einer braunschwarzen Haut, die durch Schütteln der Flüssigkeit
                              									entfernt, sich immer so lange von Neuem bildet, als die Lösung noch jene intensiv
                              									rothe Farbe zeigt. Der abgeschiedene braunschwarze Niederschlag, abfiltrirt und
                              									gewaschen, wird durch festes Kali allein theilweise zu Alizarin oxydirt. Mit der
                              									näheren Untersuchung der dabei gebildeten Körper bin ich gegenwärtig beschäftigt.
                              									Läßt man die erwähnte blutrothe Kalilösung nicht erkalten, sondern erhitzt bis zum
                              									Schmelzen, so wird die ganze Masse grün, dann blau, schließlich violett. Hat man
                              									Ueberschuß von Zinnchlorür zugesetzt, so bildet sich weniger, und manchmal gar kein
                              									Alizarin; in geringer Menge jedoch beigemengt, steigert Zinnchlorür die Ausbeute an
                              									Farbstoff. Die erwähnten Operationen indessen lassen sich mit nur kleinen Portionen
                              									sicher ausführen; arbeitet man mit größeren Mengen, so erhält man häufig nur braune
                              									oder rothbraune huminartige Substanzen, aber keinen, oder sehr wenig Farbstoff. Weit
                              									ergiebiger läßt sich die directe Oxydation des Anthrachinons so ausführen, daß man
                              									dasselbe wohl gemengt mit ungefähr dem doppelten Gewichte Natrium-Aethylat in
                              									schmelzendes Kali einträgt. Nach dem Zusatz der einzelnen Portionen dieses Gemenges
                              									findet starkes Aufschäumen statt, die Masse wird braunschwarz, später fast ganz schwarz. Man trägt nun
                              									unter fortwährendem Umrühren so lange ein, bis das Product ganz dick wird und am
                              									Rande der Porzellanschale die Schmelze in dünnen Partien schwarzviolett erscheint.
                              									Nach ungefähr viertelstündigem Schmelzen läßt man erkalten, fällt die braunviolette
                              									Lösung mit Schwefelsäure, und erhält so den unreinen Farbstoff in Form brauner
                              									Flocken, welchem noch unzersetztes Anthrachinon, sowie bei der Oxydation gebildete
                              									humusartige Körper beigemengt sind. Man schüttelt nun mit Aether, welcher nur
                              									Alizarin und etwas Anthrachinon aufnimmt, entzieht der ätherischen Lösung den reinen
                              									Farbstoff mit Natronlauge, und wiederholt mit derselben Portion Aether die
                              									angegebenen Operationen, so lange derselbe noch Farbstoff aufnimmt. Nun vereinigt
                              									man die Farbstofflösungen, fällt mit Schwefelsäure, filtrirt, wäscht und sublimirt
                              									nach dem Trocknen.
                           Die geringe Menge des dem Alizarin noch anhängenden Anthrachinons läßt sich leicht
                              									durch vorsichtiges Erhitzen im Sandbade bis auf 180 bis 200° C. sicher und
                              									vollständig entfernen; erst über diese Temperatur hinaus und bis gegen 300°
                              									sublimirt das Alizarin in den charakteristischen orangerothen federartigen Nadeln.
                              									Ich verglich nun dieses Product der directen Oxydation des Anthrachinons mit reinem
                              									Pflanzen-Alizarin und dem sublimirten Präparate der HHrn. Meister, Lucius und Comp. in
                              									Höchst und konnte die vollständige Identität jener drei Präparate constatiren. Da
                              									ich mir größere Quantitäten reines Pflanzen-Alizarin darstellen wollte,
                              									schlug ich ein Verfahren ein, das ich seiner ungemeinen Einfachheit wegen kurz
                              									anführen will.
                           Türkischroth gefärbte Baumwollstoffe werden am besten mit einem Gemisch von Alkohol
                              									und starker Salzsäure im Wasserbad ausgezogen, die Lösung mit Kali gefällt, der
                              									prächtig purpurviolette Niederschlag abfiltrirt, gewaschen und auf dem Filter mit
                              									verdünnter Salzsäure zersetzt; die so erhaltene orangegelbe Masse gewaschen und nach
                              									dem Trocknen sublimirt. Man erhält so in einer halben Stunde größere Mengen vom
                              									reinsten Alizarin. Auch kann man die gefärbten Stoffe nur kurze Zeit (2 bis 3
                              									Minuten) mit concentrirter Schwefelsäure behandeln und dann die blutrothe Lösung mit
                              									Wasser fällen, um den Farbstoff zu erhalten, dem aber hartnäckig eine fettige
                              									Substanz, von der Beize herrührend, anhängt, die sich nur durch Behandeln mit Kali,
                              									abermaliges Zersetzen und nachheriges Sublimiren vollständig entfernen läßt.
                           Behandelt man mit Krapp gefärbte Stoffe mit concentrirter Schwefelsäure längere Zeit und verdünnt dann mit Wasser, so scheidet
                              									sich ein wolliger, holzgelber Niederschlag ab, der sich, gut gewaschen, ganz
                              									ausgezeichnet zum Färben gebeizter Stoffe verwenden läßt. Vielleicht könnte man dieses höchst
                              									einfache Verfahren im Großen anwenden, um auf diese Weise aus alten, unbrauchbaren
                              									Stoffen ein ziemlich concentrirtes Farbmaterial in außergewöhnlich reinem Zustand zu
                              									erhalten.
                           In ganz frisch bereiteter, absolut kohlensäurefreier Natronlauge löst sich das
                              									Pflanzen-Alizarin und mein directes Oxydationsproduct mit Prächtig rein
                              									indigoblauer Farbe; die Lösung in einem Uhrglas auf weißer Unterlage betrachtet
                              									zeigt eine eigenthümlich rasche Veränderung; dieselbe wird an den Rändern sehr
                              									schnell violett, nach einigen Augenblicken schon zeigen sich carminviolette Flecken,
                              									welche dann rasch durch die ganze Flüssigkeit zunehmen und schon nach wenigen
                              									Minuten ist die Lösung rein carminroth, welche Farbe dann längere Zeit ansteht. Das
                              										Höchster Product zeigte gleich im ersten Moment der
                              									Lösung schon einen violetten Ton und wurde dann gleichfalls rasch carminroth; im
                              									nicht sublimirten Zustande löst sich dieses Präparat mit stark rothvioletter Farbe,
                              									welche beim Stehen über Nacht im offenen Uhrglase in einen gelbbraunen Ton
                              									übergeht.
                           Schließlich noch einige Worte über Anthracen selbst. Nach Fritzsche's Angabe soll das aus einer im Sonnenlicht gebleichten
                              									Benzollösung abgeschiedene Anthracen prachtvolle violettblaue Fluorescenz zeigen;
                              									ich konnte das Entstehen dieser Krystalle ganz ausgezeichnet beobachten, als ich
                              									Anthracen mit geschmolzenem Schwefel behandelte, wobei Ströme von
                              									Schwefelwasserstoff entwichen.Mit der Untersuchung der dabei entstehenden Schwefelverbindungen ist
                                    											gegenwärtig mein Assistent, Hr. A. Schuller,
                                    											beschäftigt. Bei dieser Operation sublimirte nur ein Theil des überschüssigen Anthracens
                              									in schönen Krystallen, welche nun jene violettblaue Fluorescenz zeigten, während
                              									dasselbe Anthracen ohne Behandlung mit Schwefel wiederholt umkrystallisirt, dann im
                              									luftleeren Raume sublimirt, schneeweise oder ganz farblose Krystalle lieferte die
                              									absolut nichts von jener schönen Fluorescenz zeigten, und nur an einigen
                              									Krystallblättchen konnte man an den Kanten bei günstiger Beleuchtung den bekannten
                              									grünen Reflex beobachten. Die Sublimation im luftleeren Raume kann ich überhaupt
                              									nicht genug anempfehlen, besonders für größere Mengen von Alizarin; ein weites Rohr,
                              									dessen Hinterer Theil mit der zu sublimirenden Substanz gefüllt ist, liegt von
                              									heißem Sand umgeben und ist mit einer Sprengel'schen
                              									Quecksilber-Pumpe oder Bunsen'schen Wasserpumpe in
                              									Verbindung gesetzt. Es geht nun so die Sublimation ganz ausgezeichnet vor sich; ich
                              									erhielt reines Alizarin in 3–4 Linien dicken Rinden mit schön facettirter
                              									Oberfläche und dunkelfeuerrother Farbe; bei langsamem, vorsichtigem Erhitzen bilden
                              									sich manchmal halbzolllange, ziemlich dicke, stängelige Nadeln von derselben dunklen
                              									Farbe, die zerrieben ein orangegelbes Pulver liefern.
                           
                        
                           
                           II. Ueber Reindarstellung des Anthracens
                                 										(von A. Schuller).
                           Hat man größere Quantitäten von rohem, noch mit öligen Substanzen verunreinigtem
                              									Anthracen zu reinigen, so läßt sich dieß durch Umkrystallisiren aus Benzol oder
                              									Alkohol (seiner relativ geringen Löslichkeit wegen) nur mit großem Zeit- und
                              									Mühe-Verlust ausführen. Auch Sublimation jener unreinen Masse ist bei
                              									größerer Quantität nur schwer auszuführen; am besten gelingt die Reinigung durch
                              									folgende Operation: In einer geräumigen Retorte wird Anthracen vorsichtig bis zum
                              									beginnenden Sieden erhitzt, die Retorte mit einer großen tubulirten Glasglocke oder
                              									einem ähnlichen irdenen Gefäße, dessen Bodenöffnung mit einem feinen Drahtgitter
                              									verschlossen ist, in Verbindung gesetzt. Nun bläst man mittelst eines starken
                              									Blasebalges einen kräftigen Luftstrom in die Retorte und treibt auf diese Weise das
                              									Anthracen in ganz erstaunlich kurzer Zeit fast vollständig rein und trocken ab. Es
                              									verdichtet sich in der Glocke als schwachgelbliche, schneeartige Masse; dieselbe
                              									Menge Anthracen, zu deren Reinigung durch Umkrystallisiren und Sublimiren auf
                              									gewöhnliche Weise einige Tage erforderlich sind, erhält man nach dem eben
                              									mitgetheilten Verfahren in eben so viel Stunden; dabei bekommt man das Anthracen in
                              									einer ganz pulverigen Form, in der es besonders leicht Oxydationsmitteln zugänglich
                              									ist. Auch Anthrachinon, aus rohem Anthracen dargestellt, kann man auf diese Weise
                              									als hellgelbes, den Schwefelblumen ähnliches Pulver erhalten; nur verstopft
                              									Anthrachinon den Hals der Retorte leichter als Anthracen, was durch entsprechende
                              									Vorsichtsmaßregeln zu beseitigen ist.