| Titel: | Harvey's Seetorpedo. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XXX., S. 127 | 
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                        XXX.
                        Harvey's
                           								Seetorpedo.
                        Aus dem Militär-Wochenblatt vom 25. Mai
                           								1870.
                        Harvey's Seetorpedo.
                        
                     
                        
                           In Bezug auf den Umstand, daß die im polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 429 und
                              									vorstehend mitgetheilten Torpedo-Vorschläge von Ericsson die Probe der Praxis noch nicht bestanden haben, wird in unserer
                              									Quelle bemerkt:
                           
                              „Anders verhält es sich mit den unterseeischen Minen welche der englische
                                 										Marinecapitän Harvey construirt hat. Diese sind sehr
                                 										vielfach und umständlich geprüft worden und haben sich dabei durchaus bewährt.
                                 										Das Mechanics' Magazine dem wir die hier benutzten
                                 										thatsächlichen Angaben entlehnt haben, berichtet daß die englische Admiralität,
                                 										als Harvey ihr seine Erfindung anbot, dieselbe nicht
                                 										einmal eines Versuches werth gehalten habe. Darauf habe sich Harvey an die russische Regierung, welche
                                 										bekanntlich ihrer Marine eine ungemein große Fürsorge widmet, gewandt und diese
                                 										sey auch sofort darauf eingegangen, Officiere nach England zu schicken, um die
                                 										Sache zu prüfen, was dann die Annahme des Torpedo's von russischer Seite zur
                                 										Folge hatte. Nun fand die englische Admiralität es doch gerathen, auch Versuche
                                 										anzustellen, und diese fielen sehr günstig aus.
                              
                           
                              Das Princip Harvey's ist ein höchst einfaches, dessen
                                 										Anwendbarkeit Jedem einleuchten muß; es ist daher um so wunderbarer, daß man in
                                 										England dasselbe mit so großer Kälte aufnehmen konnte. Der Torpedo besteht aus
                                 										einem hölzernen Kasten, welcher solid zusammengefügt und mit Eisen beschlagen
                                 										ist. Wenn er die Sprengladung eingenommen hat, würde er so schwer seyn daß er
                                 										untersänke, wenn nicht das vordere Ende des Kastens beim Bugsiren durch das
                                 										Fahrzeug, welches den Torpedo gegen das feindliche Schiff führen soll, über dem
                                 										Wasser und das Hintertheil des Kastens durch Korkbojen in einer bestimmten Tiefe
                                 										unter dem Wasser gehalten würde. Der Längendurchschnitt des Kastens hat die
                                 										Gestalt eines Rhomboids, und diese Form ist gewählt worden, damit der Torpedo
                                 										dem Bugsirfahrzeug nicht in gerader Linie, sondern in einem Winkel von 45 Grad
                                 										folge. Dem Bugsirtau wird eine solche Länge gegeben, daß die Explosion des
                                 										Torpedo's dem führenden Fahrzeuge durchaus keinen Schaden zufügen kann.
                              
                           
                              In Portsmouth sind nun höchst interessante Versuche mit Harvey'schen Torpedo's,
                                 										welche durch das Dampfboot „Camel“ bugsirt wurden, gegen
                                 										den zum Thurmschiff veränderten „Royal Sovereign“
                                 										vorgenommen worden. Selbstverständlich hatten die Torpedo's nur blinde oder
                                 										sogenannte Dunstladungen, und die Geschosse des „Royal
                                    											Sovereign,“ welche gegen den „Camel“
                                 										geschleudert wurden, waren Rundkugeln (d.h. wohl aus Hanf oder dergl.).
                              
                           
                              Bei der ersten Reihe von Versuchen lag der „Royal Sovereign“
                                 										vor Anker und der „Camel“ führte den Torpedo an einem 50
                                 										Faden langen Bugsirtau mit einer Schnelligkeit von 8 Knoten gegen das
                                 										Panzerschiff vor. Zehnmal nach einander traf der Torpedo das Schiff, ohne einen
                                 										Fehlstoß zu thun, und zwar zwischen 1–16 Fuß unter dem Wasser, während
                                 										der „Royal Sovereign“ fast immer nur 2 Schüsse thun konnte;
                                 										zweimal jedoch feuerte er resp. 4 und 7 Schüsse, stets aber ohne zu treffen.
                                 										(Mit ordentlichen Geschossen hätte er vielleicht besser getroffen.) Bei der
                                 										zweiten Reihe von Versuchen bewegte sich der „Royal
                                    											Sovereign“ mit einer Schnelligkeit von 8–9 Knoten, während
                                 										die des „Camel“ bis zu 11 Knoten gesteigert ward. Trotzdem
                                 										daß sich nun das Panzerschiff die größte Mühe gab, durch die geschicktesten
                                 										Manöver sich den
                                 										gefährlichen Gegner vom Leibe zu halten, gelang ihm dieß so wenig, daß er im
                                 										Gegentheil sechs Mal nach einander unter der Wasserlinie getroffen ward. Die
                                 										Schüsse welche der „Royal Sovereign“ während jedes
                                 										Angriffes thun konnte, variirten zwischen 2–12; sie wurden alle
                                 										abgegeben, ohne zu treffen.
                              
                           
                              Diese Resultate sind gewiß im höchsten Grade geeignet die Aufmerksamkeit aller
                                 										derer auf sich zu ziehen, welche sich mit der Schiffsconstruction und dem
                                 										Küstenschutz zu beschäftigen haben. Es wird in Zukunft darauf ankommen, die
                                 										Panzerschiffe so schnellsegelnd zu machen, wie nur immer möglich, wenn auch die
                                 										Dicke des Panzers etwas darunter zu leiden hätte. Die Unverwundbarkeit ist doch
                                 										immer nur relativ, und sie wird bei der in Zukunft gewiß noch weit mehr
                                 										gesteigerten Wirkung der Geschütze immer schwerer zu erreichen seyn. Da wäre es
                                 										denn wohl geboten, lieber einen Zoll an der Panzerdicke zu sparen und dafür an
                                 										Schnelligkeit einen Knoten mehr zu gewinnen. Jedes Schiff müßte auch einige
                                 										leichtere und leicht zu bedienende Geschütze zur Abwehr gegen die Torpedoboote
                                 										haben.
                              
                           
                              Man geht aber zu weit, wenn man mit dem Mechanics'
                                    											Magazine wegen der Harvey'schen Torpedo's
                                 										die Zeit der Panzerschiffe jetzt für vorüber ansehen wollte, denn im Seekriege
                                 										werden sich die Verhältnisse zwischen Panzerschiff und Torpedo ganz anders
                                 										gestalten, als auf der friedlichen Rhede von Portsmouth.“