| Titel: | Die Feuerbeständigkeit der Thone betreffend; einige Bemerkungen zu den neuesten Aufsätzen Dr. Carl Bischof's über denselben Gegenstand, von Dr. E. Richters zu Waldenburg. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. LXI., S. 268 | 
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                        LXI.
                        Die Feuerbeständigkeit der Thone betreffend;
                           								einige Bemerkungen zu den neuesten Aufsätzen Dr. Carl Bischof's über denselben Gegenstand,Polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 438 u. 525. von Dr. E. Richters zu Waldenburg.
                        Richters, über die Feuerbeständigkeit der Thone.
                        
                     
                        
                           In meiner auszüglich in diesem Journal erschienenen Abhandlung über die
                              									Feuerbeständigkeit der ThonePolytechn. Journal Bd. CXCI S. 59, 150 u. 229. habe ich unter anderen auch den Satz aufgestellt,
                              									daß die äquivalenten Mengen der sogen. Flußmittel (MgO,
                              									CaO, FeO, KO) auf die Schmelzbarkeit der Thone mit gleichem Kieselsäure- und
                              									Thonerdegehalt von gleichem Einflusse seyen. –
                              									Diesen Satz nun glaubt Bischof in seinem jüngst
                              									erschienenen lesenswerthen Aufsatze nur mit einer gewissen Beschränkung gelten
                              									lassen zu können und zwar soll derselbe erst in den höchsten,
                                 										über den Schmelzpunkt des Platins hinausgehenden Hitzegraden zur vollen Geltung kommen, während sich bei niedereren
                              									Temperaturen ein anderes Verhältniß in der Wirkung der
                              									Flußmittel einstelle.
                           Wurde nämlich, „genau nach der von mir beschriebenen
                                    											Weise,“ 1 Grm. kieselsaure Thonerde mit 4 Proc. der Basen
                              									– Magnesia, resp. Kalk, Eisenoxyd oder Kali – gemischt und die aus den
                              									Gemengen angefertigten prismatischen Proben bis zum Momente des abschmelzenden
                              									Drahtes der normirten Schmiedeeisen-Schmelzhitze ausgesetzt, so waren glasirt
                              									und glänzend das Kalk- und Kaliprisma, wenig oder nicht glasirt die
                              									Magnesiaprobe, von mattem Aussehen das Prisma der kieselsauren Thonerde und fast
                              									ebenso das Eisenprisma, welches nur mehr schmutzig gefärbt war. Das Resultat änderte
                              									sich nicht, als der Versuch mit denselben Proben sechsmal hintereinander wiederholt
                              									wurde; erst als die Temperatur bis über die Schmelzhitze
                              									des Platins hinaus gesteigert wurde, kam das von mir
                                 										aufgestellte Gesetz der Aequivalente – wenn ich mich der Kürze
                              									halber nach Bischof's Vorgange dieses Ausdruckes bedienen
                              									darf – zur vollen Geltung (das Ausführlichere s.
                              									man in diesem Journal Bd. CXCVI S. 444 u.s.f.). – Im Nachfolgenden werde ich
                              									zeigen, daß die von Bischof mitgetheilten Beobachtungen
                              									keineswegs geeignet sind, die allgemeinere Gültigkeit des obigen Satzes in Frage zu
                              									stellen.
                           
                           Zunächst ist hervorzuheben, daß, wenn die betreffenden Parallelversuche genau in der von mir beschriebenen Weise ausgeführt
                                 										wurden, unter der sog. kieselsauren Thonerde
                                 										Bischof's ein bloßes Gemenge aus Kieselsäure und Thonerde zu verstehen ist,
                              									und in der That sind unter dieser Voraussetzung die mitgetheilten Erscheinungen sehr
                              									leicht zu verstehen. Etwas schwieriger würde dieß schon seyn, wenn man annehmen
                              									wollte daß statt eines solchen Gemenges ein sehr reiner
                              									natürlicher Thon von der angegebenen Zusammensetzung
                              									angewandt worden sey. Von der Möglichkeit endlich, daß unter der kieselsauren
                              									Thonerde eine künstlich dargestellte chemische Verbindung
                              									gemeint sey, glaube ich absehen zu können, da unter diesen Umständen von einer
                              									Wiederholung meiner Versuche, zumal genau in der von mir beschriebenen Weise, keine
                              									Rede mehr seyn könnte.
                           Es bleiben also nur die beiden ersten Fälle in Betracht zu ziehen. Nehmen wir
                              									zunächst als das Wahrscheinlichste an, Bischof habe seine
                              									Versuche mit einem Gemenge aus Al²O³ + 2
                              									SiO³ ausgeführt. In einem solchen haben wir zwei so gut wie unschmelzbare Körper, welche sich erst in den höchsten Temperaturen zu einer schwerschmelzbaren
                              									chemischen Verbindung, der kieselsauren Thonerde,
                                 										vereinigen. Der Einfluß der flußbildenden Bestandtheile auf das Verhalten
                              									eines solchen Gemenges ist nun als ein doppelter
                              									anzusehen: Zunächst vermitteln sie die ohne ihre
                              									Gegenwart nur schwierig eintretende Silicatbildung, indem
                              									sie zur Entstehung leichtflüssiger Doppelverbindungen Veranlassung geben. Die
                              									Strengflüssigkeit dieser letzteren ist dann ferner hauptsächlich bedingt von dem
                              									quantitativen Verhältnisse der Flußmittel zur Kieselsäure und Thonerde, wie ich dieß
                              									in der betreffenden Abhandlung ausführlich gezeigt habe.
                           Wir haben dem entsprechend zu unterscheiden zwischen der
                                 										Temperatur welche zur Bildung, und derjenigen
                              									welche zum Schmelzen des fertigen
                                 										bereits gebildeten Silicats erforderlich ist. Die erstere liegt immer höher
                              									wie die letztere.
                           Zeigt uns nun Bischof, daß ein Gemenge aus Kieselsäure und Thonerde, entsprechend Al²O³, 2
                              									SiO³ mit 4 Proc. Kalt, einer bis zur Schmelzhitze des Schmiedeeisens
                              									gesteigerten Temperatur kurze Zeit ausgesetzt, sich stärker glasirt wie ein eben
                              									solches, welches statt des Kalkes 4 Proc. Magnesia enthält, daß sich aber dieses
                              									Verhältniß geradezu umkehrt, wenn wir die
                              									Prüfungstemperatur bis auf's Höchste steigern, so weist dieß darauf hin, daß sich
                              									die Kalkverbindung, wenn auch nicht bei niederer Temperatur, so doch leichter und rascher bildet wie die Magnesiaverbindung, daß aber
                              									diese, einmal gebildet, weniger strengflüssig ist wie jene.Streng genommen beweist der Umstand, daß die Magnesiaverbindungen
                                    											dünnflüssiger werden, wie die mit einer gleichen Menge Kalk versehenen, nur
                                    											die geringere Strengflüssigkeit der ersteren, nicht aber auch sogleich ihre
                                    											leichtere Schmelzbarkeit im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Um letztere
                                    											direct zu beweisen, würde es nöthig seyn, die beiden bereits vollkommen geschmolzen gewesenen Proben einer allmählich
                                    											zunehmenden Hitze auszusetzen und zu constatiren, daß auch die
                                    											Magnesiaverbindung bei niederer Temperatur aus
                                    											dem festen in den flüssigen Zustand übergehe, wie die Kalkprobe. Einen
                                    											derartigen directen Beweis, der übrigens nur mit Ueberwindung
                                    											außerordentlicher Schwierigkeiten zu ermöglichen wäre, habe ich in meiner
                                    											Abhandlung nicht geführt, daher an manchen Stellen der Ausdruck Schmelzbarkeit im Sinne von geringer Strengflüssigkeit zu verstehen ist. Im Uebrigen wird
                                    											Niemand, der sich eingehend mit dem Studium der Thone und speciell der
                                    											Wirkung der Flußmittel beschäftigt hat, im Zweifel seyn, daß die strengflüssigsten Thone auch die schwerschmelzbarsten sind und umgekehrt.
                              								
                           Aus den mit den Gemengen aus Thonerde, Kieselsäure und
                              									Flußmitteln angestellten Versuchen einen Schluß auf den Einfluß der letzteren auf
                              									die Strengflüssigkeit der Thone zu ziehen, ist
                              									schlechterdings nur dann gestattet, wenn der durchaus geschmolzene Zustand der
                              									Proben die eingetretene Silicatbildung mit Sicherheit verbürgt. Uebrigens kann die
                              									hierzu erforderliche hohe Temperatur sehr wohl durch ein längeres Glühen ersetzt
                              									werden. Bischof setzte seine Proben „bis zum
                                 										Momente des abschmelzenden Drahtes“ der Schmelzhitze des
                              									Schmiedeeisens aus, d.h. er beendigte den Versuch, sobald der angegebene Hitzegrad
                              									positiv erreicht war, und fand dann das Gesetz der Aequivalente nicht bestätigt; ich überließ dagegen bei meinen
                              									Versuchen die Proben zwei volle Stunden lang einer Temperatur welche vielleicht
                              									etwas über den Schmelzpunkt des Schmiedeeisens hinausging, niemals aber den des Platins erreichte, wovon ich mich stets bestimmt überzeugt
                                 										habe, und in keinem Falle ließ mich das Resultat über die äquivalente Wirkung
                                 										der Basen im Zweifel.
                           Wird nun statt des mehrfach erwähnten Gemenges ein sehr
                              									reiner natürlicher Thon angewandt, so finden die
                              									zugemischten Basen eine bereits fertig gebildete chemische
                                 										Verbindung vor, in welche sie nur einzutreten haben. Unter diesen Umständen
                              									erfolgt die Bildung der leichtflüssigen Doppelverbindung
                              									viel leichter und rascher, sie erfordert bei weitem nicht die hohe Temperatur wie in
                              									dem ersten Falle, und es ist keineswegs nöthig, wie Bischof glaubt, die Hitze bis zum Schmelzpunkte des Platins oder gar
                              									darüber hinaus zu steigern, um das Gesetz der Aequivalente in der unzweideutigsten
                              									Weise zur Anschauung zu bringen. So hatte ich z.B. im Verfolg meiner früheren
                              									Versuche Veranlassung, kleine Schüsselchen, welche aus einem Gemenge von Kaolin und
                              									Quarz mit 4 Proc. der
                              									verschiedenen Flußmittel angefertigt worden waren, dem Feuer des Porzellanofens
                              									auszusetzen. Die Temperatur überstieg die Schmelzhitze des Gußstahles, erreichte
                              									aber die des Schmiedeeisens nicht vollständig. Nach dem ersten etwa dreitägigen
                              									Brande erschienen die Schüsselchen mit dem Kalkzusatz am meisten erweicht, aber
                              									schon nach dem zweiten Feuer hatte sich das Verhältniß total geändert; die
                              									Magnesiaschüsselchen begannen bereits zu zerfließen, während die Kalkschüsselchen
                              									noch immer ihre Form behalten hatten.
                           Betrachten wir nun die natürlichen Thone; in denselben haben wir außer der freien
                              									Kieselsäure, wasserhaltige, fertig gebildete
                                 										Doppelsilicate, denn sowohl die Genesis der
                              									Thone, wie ihr Verhalten zu schwacher Salzsäure, welche denselben in der Regel nur
                              									sehr geringe Mengen der fremden Basen zu entziehen vermag, beweist daß sich letztere
                              									in mehr oder weniger inniger chemischer Verbindung mit dem Thonerdesilicat befinden.
                              										Hier fällt also, wenn es sich darum handelt, die
                                 										Flußmittel zur Wirksamkeit zu bringen, die hohe Temperatur welche bei den
                                 										Versuchen mit den Gemengen aus Thonerde, Kieselsäure und Flußmitteln und in
                              									minderem Grade auch mit denen aus Thon und Flußmitteln
                              									zur Bildung des Silicats erforderlich war, fort und der Einfluß der flußbildenden
                              									Bestandtheile im Verhältniß ihrer Aequivalentgewichte wird zur Geltung kommen sobald die zum Schmelzen der fertig vorhandenen
                                 										Doppelverbindung genügende Temperatur erreicht ist.
                           In der Berücksichtigung dieser Verhältnisse allein finden wir den Schlüssel zur
                              									Erklärung der verschiedensten, scheinbar widerspruchvollsten Erscheinungen. Sie erklären die abweichenden Resultate meiner und Bischof's
                                 										Versuche, sie machen es verständlich, weßhalb sich die meisten
                              									feuerbeständigen, an flußbildenden Bestandtheilen nicht zu armen und an Kieselsäure
                              									nicht zu reichen Thone in Hitzegrade mit feinstem
                              									Quarzpulver zu einem Email oder Glase schmelzen lassen,Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 61. bei denen die entsprechend zusammengesetzten Gemenge kaum eine Sinterung
                                 										erhalten, weßhalb ferner, wenn verschiedene Thone von obiger Beschaffenheit
                              									bei gleichen aber allmählich gesteigerten Hitzegraden geprüft werden, die Resultate
                              									der einzelnen Versuche in einem bestimmten und constant bleibenden Verhältniß zu
                              									einander stehen, das nicht stattfinden könnte, wenn in der That das Verhältniß der
                              									Wirkungsfähigkeit der einzelnen Flußmittel mit der zu- oder abnehmenden
                              									Temperatur ein anderes würde u.s.w.
                           
                           Ich will jetzt noch auf einige andere Punkte der Arbeit Bischof's kurz eingehen. Auf die hervorgehobene Ausnahmestellung des
                              									Eisenoxydes als Flußmittel habe ich bereits in meiner Abhandlung aufmerksam
                              										gemacht.Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 65. Dieselbe findet übrigens nur bei den sehr basischen
                                 										Silicaten statt, sie verschwindet schon vollständig bei dem 2/3 Silicat
                              									(Al²O³, 2SiO³) in einer Temperatur welche
                                 										die Schmelzhitze des Platins bei weitem nicht erreicht. Der normale Einfluß
                              									des Eisenoxydes scheint hauptsächlich von dessen stattgefundener Reduction zu Oxydul
                              									abzuhängen, welche wahrscheinlich durch die Kieselsäure begünstigt wird.
                           Der von Bischof ausgesprochenen Ansicht,Polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 527. daß die Thonerde bei dem Schmelzen der Thone keineswegs eine indifferente
                              									Rolle spiele, vielmehr das Vorhandenseyn derselben als eigentliches
                              									Beförderungsmittel der Wirksamkeit der Flußmittel anzusehen sey, kann ich um so mehr
                              									zustimmen, als ich selbst schon früher den chemischen Vorgang
                                 										des Schmelzens der Thone als auf der Bildung von Doppelsilicaten beruhend
                                 										bezeichnet habe.Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 67. Unter den Doppelsilicaten aber konnten nur die
                              									aus Thonerde, Kieselsäure und Flußmitteln
                              									zusammengesetzten Verbindungen verstanden seyn. Nichtsdestoweniger ist in concreto insofern die Thonerde für die Thone niemals als Flußmittel
                              									zu bezeichnen, als ihre Vermehrung stets die Strengflüssigkeit befördert; denn jeder
                              									natürliche Thon, der auf diesen Namen Anspruch machen
                              									darf, enthält immer eine hinreichende Menge Thonerde, um die in verhältnißmäßig
                              									untergeordneter Quantität vorkommenden Flußmittel zur vollen Wirksamkeit gelangen zu
                              									lassen.
                           Noch will ich bemerken, daß sich in die von Bischof für
                              									die Normalthone aufgestellten Formeln ein Fehler eingeschlichen hat, da er sich zur
                              									Berechnung der Sauerstoffmenge der Kieselsäure, des unrichtigen Factors 0,63158
                              									statt 0,5333 bediente.Polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 447. Der betreffende Factor bleibt, was wohl keiner
                              									weiteren Ausführung bedarf, der nämliche, gleichgültig ob die Kieselsäure
                              									SiO² oder SiO³ geschrieben wird.
                           Bei Berichtigung dieses Fehlers stellt sich denn auch die vermißte Uebereinstimmung
                              									zwischen den Formeln Bischof's und den meinigen in
                              									wünschenswerther Weise ein, da die von mir benutzten Aequivalentzahlen, bezüglich
                              									deren Factoren nur sehr wenig von denen Bischof's
                              									abweichen. So erhält
                              									beispielsweise der weiße Saarauer Thon mit Zugrundelegung meiner Zahlen die
                              									Formel
                           14,21 (Al²O³, 4,85 SiO³) + RO, und nach Bischof wenn der richtige
                              									Factor angewandt wird
                           14,15 (Al²O³, 5,01 SiO³) + RO, statt
                           14,15 (Al²O³, 5,94 SiO³) + RO.
                           Auf den Werth der Analyse für die Beurtheilung der Feuerbeständigkeit der Thone und
                              									ihre Beziehungen zu den Resultaten der Prüfung nach Bischof's oder meinem Verfahren werde ich in einer späteren Abhandlung
                              									näher einzugehen Gelegenheit haben.