| Titel: | Anthracenorange, ein neues Derivat des Anthracens; von Prof. Dr. Böttger. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. LXIV., S. 281 | 
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                        LXIV.
                        Anthracenorange, ein neues Derivat des
                           								Anthracens; von Prof. Dr. Böttger.Aus dem Jahresbericht des physikalischen Vereines zu Frankfurt a. M. für
                                 										1868–1869 (Mai 1870) S. 78.
                           							
                        Böttger, über Anthracenorange.
                        
                     
                        
                           Bei Versuchen, die sich auf die Darstellung von Alizarin aus Anthracen bezogen, und
                              									die in der Absicht von mir angestellt wurden, zu ermitteln, ob es nicht vielleicht
                              									möglich sey, die von den Erfindern des künstlichen Alizarins vorgeschriebene, im
                              									Ganzen genommen etwas lästige und kostspielige Kali- oder Natronschmelze zu
                              									umgehen, habe ich ein Anthracenderivat entdeckt, welches vielleicht geeignet seyn
                              									dürfte in der Farbentechnik eine ähnliche Verwendung zu finden, wie das künstliche
                              									Alizarin. Ich nenne dasselbe, da seine Lösung eine höchst brillante gelblichrothe
                              									Farbennuance zeigt, der Kürze halber, „Antracenorange.“
                              								
                           Seine chemische Constitution, deren Ermittelung ich mir vorbehalte, ist zur Zeit noch
                              									nicht festgestellt, nur so viel hat sich ergeben, daß dasselbe stickstoffhaltig ist,
                              									sich folglich von Alizarin unterscheidet und aus einer Nitroverbindung des
                              									Anthracens, der die Formel C²⁸H²H⁶O¹² zukommt, durch ein von
                              									mir in Anwendung gebrachtes neues Reductionsmittel mit großer Leichtigkeit gewonnen
                              									werden kann. Diese Nitroverbindung stelle ich dar, indem ich 1 Gewichtstheil reines
                              									(sublimirtes) Anthrachinon mit circa 16 Gewichtstheilen
                              									eines aus gleichen Maaßtheilen bestehenden Gemisches von Schwefelsäure (1,84 spec.
                              									Gewicht) und Salpetersäure (1,50 specif. Gewicht) in einem Glaskolben überschütte
                              									und seinen Inhalt hierauf unter kräftigem Umschütteln ganz schwach (auf etwa
                              									40° C.) erwärme. Sobald innerhalb weniger Augenblicke eine vollkommen klare
                              									Auflösung des Anthrachinons eingetreten (wobei keine Spur einer Entwickelung von
                              									salpetrigsauren Dämpfen zu bemerken ist), schütte ich die Flüssigkeit in dünnem
                              									Strahl, ohne Zeitverlust (da bei längerem Digeriren oder stärkerem Erhitzen eine
                              									höhere Nitroverbindung in kleinen sandähnlichen Körnchen sich ausscheiden würde) in
                              									eine größere Menge kalten Wassers. Hier setzt sich die reine Nitroverbindung in
                              									voluminösen gelblichweißen Flocken ab. Hat man sie auf einem Filter gehörig
                              									ausgesüßt, dann braucht man sie nur in einer geräumigen Porzellanschale mit einer
                              									reichlichen Quantität des besagten Reductionsmittels zu überschütten, um sogleich
                              									eine prachtvoll tief smaragdgrün gefärbte Flüssigkeit entstehen zu sehen, aus der
                              									bei anhaltendem Sieden in ganz kurzer Zeit das Anthracenorange als ein fast
                              									zinnoberroth aussehendes flockiges Pulver massenhaft sich absondert. Mit Wasser
                              									ausgesüßt, getrocknet und im Sandbade der Sublimation unterworfen, sieht man es bei
                              									einer Temperatur von circa 225° C. zunächst in
                              									Fluß gerathen und dann in höherer Temperatur (am besten bei einer Temperatur des
                              									Sandbades von 260 bis 280° C.) in prachtvoll granatroth aussehenden
                              									federartigen Nadeln, von nicht bestimmbarer Form, mit grünlichem Flächenschiller,
                              									sublimiren.
                           Das von mir in Anwendung gebrachte überaus kräftig wirkende Reductionsmittel (mit
                              									welchem sich auch Indigo leicht in der Wärme in Indigweiß überführen läßt) ist eine
                              									Lösung von Zinnoxydulkali oder Zinnoxydulnatron, die ich zu besagtem Zwecke auf folgende Weise bereite.
                              									Ich schütte zu einer etwas concentrirten Lösung von Aetzkali oder Aetznatron in
                              									dünnem Strahle so lange, unter kräftigem Umrühren, eine frisch bereitete kalte
                              									Lösung von Zinnchlorür, bis schließlich eine starke Trübung von sich ausscheidendem,
                              									nicht mehr gelöst werdendem Zinnoxydulhydrat wahrzunehmen ist, lasse das Ganze in
                              									der Ruhe sich absetzen, oder filtrire durch ein doppeltes Papierfilter.
                           Die besten Lösungsmittel für das Anthracenorange sind Essigäther, Aceton, Chloroform,
                              									Aldehyd, Aethyläther, Alkohol und Holzgeist; auch Benzol und Amyloxydhydrat erweisen
                              									sich als Lösungsmittel; in Schwefelkohlenstoff ist dasselbe etwas löslich, unlöslich dagegen in
                              									sogenanntem Petroleumäther. Von Schwefelsäure von 1,84 spec. Gewicht wird es schon
                              									bei gewöhnlicher mittlerer Temperatur, ohne eine Zersetzung (selbst bei Siedhitze)
                              									zu erleiden, mit großer Leichtigkeit zu einer bräunlichgelben Flüssigkeit aufgelöst,
                              									aus welcher es sich beim Zusammentreffen mit einer größeren Menge Wassers, gänzlich
                              									unverändert, in prachtvoll roth gefärbten flockigen Massen wieder abscheidet. Auch
                              									in Salpetersäure von 1,2 specif. Gewicht löst es sich bei mittlerer Temperatur, ohne
                              									zersetzt zu werden. Behandelt man es dagegen in der Wärme einige Zeit mit einer.
                              									Auflösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd, so verwandelt es sich in ein tief
                              									violett gefärbtes Pulver, welches in Aether oder Alkohol mit gleicher Farbe löslich
                              									ist; von einer Kali- oder Natronlösung wird es dagegen nicht afficirt,
                              									sondern behält seine Farbe unverändert bei.
                           Die Sublimation des Anthracenorange bewerkstelligt man am besten in einem kleinen
                              									porzellanenen Schmelztiegel, den man zur Hälfte in feinen Sand einbettet und mit
                              									einem gleichen Tiegel überstülpt. Auf gleiche Weise läßt sich auch obige aus dem
                              									Anthrachinon dargestellte Nitroverbindung durch Sublimation in einem bis auf
                              									260° C. erhitzten Sandbade in federartigen Krystallen von nicht bestimmbarer
                              									Form gewinnen.
                           Wenn man die beim Ueberschütten erwähnter Nitroverbindung des Anthracens mit
                              									Zinnoxydulnatronlösung entstehende smaragdgrün gefärbte Flüssigkeit, statt sie zu
                              									erhitzen, mit einem Ueberschuß von verdünnter Schwefelsäure versetzt, dann entsteht
                              									ein flockiger bräunlichroth aussehender Niederschlag, der mit Wasser ausgesüßt,
                              									getrocknet, in Alkohol gelöst, nach dem Abdestilliren des Alkohols einen braunen Farbstoff hinterläßt, welcher in Essigäther oder
                              									Alkohol gelöst eine tief purpurroth aussehende
                              									Flüssigkeit gibt.