| Titel: | Bemerkungen zu einigen in neuerer Zeit erfolgten Mittheilungen aus der Chemie und Technologie des Krapps; von Professor Dr. P. Bolley. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XC., S. 351 | 
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                        XC.
                        Bemerkungen zu einigen in neuerer Zeit erfolgten
                           								Mittheilungen aus der Chemie und Technologie des Krapps; von Professor Dr. P. Bolley.
                        Aus der schweizerischen polytechnischen
                                 								Zeitschrift, 1870, Bd. XV S. 103.
                        Bolley, über einige neuere Mittheilungen hinsichtlich der Chemie
                           								des Krapps.
                        
                     
                        
                           In den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1870, Nr. 10 S.
                              										545,In diesem Bande des polytechn. Journals (erstes
                                    											Juliheft 1870) S. 58. berührt Hr. Prof. Wartha in Ofen ein Verfahren
                              									zur Darstellung von Pflanzenalizarin mit folgenden Worten: „Da ich mir
                                 										größere Quantitäten reines Pflanzenalizarin darstellen wollte, schlug ich ein
                                 										Verfahren ein, das ich seiner ungemeinen Einfachheit wegen kurz anführen will.
                                 										Türkischroth gefärbte Baumwollstoffe werden am besten mit einem Gemenge von
                                 										Alkohol und starker Salzsäure im Wasserbad ausgezogen, die Lösung mit Kali
                                 										gefällt, der prächtig purpurviolette Niederschlag abfiltrirt, gewaschen und auf
                                 										dem Filter mit verdünnter Salzsäure zersetzt; die so erhaltene orangegelbe Masse
                                 										gewaschen und nach dem Trocknen sublimirt. Man erhält so in einer halben Stunde
                                 										größere Mengen vom reinsten Alizarin.“
                              								
                           Ich erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, daß es nichts Unbekanntes ist, sowohl
                              									die Krappfarbstoffe durch Abziehen von türkischroth gefärbten Baumwollstoffen
                              									darzustellen, als auch hierzu das Gemisch einer Mineralsäure mit Alkohol zu
                              									verwenden.
                           Im Handbuch der Färberei und des Zeugdruckes von Persoz
                              									(1844 erschienen), Bd. I S. 498, werden die Versuche von G. Schwartz ausführlichst beschrieben, die er angestellt hat um zu zeigen,
                              									daß die auf Baumwollstoff befestigten Farbstoffe noch dieselben sind wie die im Krapp
                              									enthaltenen. Er bediente sich hierzu eines Gemisches von Alkohol und Schwefelsäure,
                              									fällte letztere und gelöste Alaunerde durch Ammoniak aus der alkoholischen Lösung
                              									und benutzte diese, durch Abdampfen und Versetzen mit Wasser, zum Färben gebeizter
                              									Stoffe.
                           Schützenberger berichtet in seinem Handbuch (Traité des matières colorantes, vol. II
                              										p. 120) über die gleiche Sache. In deutscher
                              									Uebersetzung heißt die Stelle: „Um sich schnell reines Alizarin zu
                                 										verschaffen, werden einige Meter türkischroth gefärbten Stoffes in Stücke
                                 										zerrissen und mit 85procentigem Alkohol, dem eine hinreichende Menge
                                 										Schwefelsäure zugesetzt ist, ausgezogen. Man löst auf diese Weise Fett,
                                 										Alaunerde und den Farbstoff auf. Wird mit Ammoniak genau gesättigt, so scheiden
                                 										sich weiße Krystalle aus Ammoniakalaun und Aluminiumsulfat aus. Das Filtrat wird
                                 										concentrirt und mit Wasser versetzt. Hierdurch wird ein Gemenge von Farbstoff
                                 										und Fettsubstanz gefällt. Man trocknet dasselbe und behandelt es bei
                                 										gewöhnlicher Temperatur mit Schwefelkohlenstoff, die Fettsubstanz wird schnell
                                 										ausgezogen und der Rückstand ist fast reines Alizarin, das durch Sublimation
                                 										vollends gereinigt werden kann.“
                              								
                           Endlich sagt Prof. Stein bei Besprechung eines Verfahrens
                              									die Krappfarbstoffe für sich und auf Geweben zu erkennen und zu unterscheiden
                              									(polytechn. Centralblatt, zweites Märzheft 1870, S. 416Polytechn. Journal Bd. CXCVI S. 71.): „Uebrigens läßt sich das Alizarin auch mit Hülfe von salzsaurem
                                 										Alkohol (weingeistiger Salzsäurelösung) leicht abziehen und weiter
                                 										untersuchen.“
                              								
                           Bei dem von Prof. Wartha benutzten Verfahren muß
                              									vorausgesetzt werden, daß beim Türkischrothfärben nur das Alizarin, nicht aber das
                              									Purpurin des Krapps fixirt werde. Denn ist Purpurin mitaufgefärbt, so wird es
                              									mitausgezogen, mitgefällt und mitsublimirt werden. Es herrscht unter den Chemikern
                              									und Technikern, die sich mit der Frage der Rolle der beiden Pigmente beschäftigt
                              									haben, nicht Uebereinstimmung.
                           E. Schunck (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXVI S.
                              									174), der übrigens von dem Purpurin in feiner berühmten Abhandlung wenig Notiz
                              									nimmt, spricht sich mit Bestimmtheit für die Meinung aus, daß beim Proceß des
                              									Türkischrothfärbens nur das Alizarin eine Rolle habe.
                           In der Arbeit von Jenny (Bulletin
                                 										de la Société industrielle de Mulhouse, 1868 p. 747), über die Türkischrothfärberei, ist dieser Punkt
                              									ziemlich unklar gelassen, indem an einer Stelle (p. 830)
                              									gesagt ist, durch
                              									Auskochen türkischroth gefärbter Stoffe mit Weinsäure werde eine Flüssigkeit
                              									erhalten, die beim Erkalten Flocken reinen Alizarins fallen lasse, während am
                              									Schlusse des Résumé der Resultate es heißt: Man hat auf dem Gewebe
                              									eine Verbindung (?) einer fetten Säure, Alaunerde, Kalk, Zinnoxyd, Purpurin und Alizarin. Diese Verbindung ist durchdrungen
                              									und geschützt von einem neutralen ölartigen Körper, der
                              									ganz mit reinem Alizarin gesättigt ist.
                           Schützenberger sagt in dem oben bezeichneten Handbuch (S.
                              									122, französische Ausgabe): „Nach meinen Erfahrungen ist das, was beim
                                 										Färben der Baumwolle auf dem Gewebe bleibt, sowohl im Roth, Rosa, Violett als im
                                 										Türkischroth, ein Lack des Alizarins, nur Spuren von Purpurin
                                 										enthaltend.“
                              								
                           Diesem Ausspruch steht entgegen ein ebenso positiv gefaßter von Prof. Stein (a. a. O.): „Neben dem Purpurin läßt sich
                                 										die Gegenwart des Alizarins im gewöhnlichen Krapproth wie im Türkischroth, unter
                                 										Benutzung der Beobachtung von Schunck, ohne
                                 										Schwierigkeit erkennen, indem man mit einer Lösung von kohlensaurem Kali
                                 										wiederholt und jedenfalls so lange bis die Flüssigkeit nicht merklich mehr
                                 										gefärbt erscheint, auskocht, und auf diese Weise die Purpurinthonerde abzieht.
                                 										Der Rückstand wird mit Wasser kochend gespült und dann mit Barytwasser erwärmt.
                                 										Das Alizarin gibt sich schon dadurch zu erkennen, daß der Stoff Nach dem
                                 										Auskochen mit kohlensaurem Kali nicht gebleicht erscheint; andererseits wird
                                 										seine Anwesenheit bestätigt, wenn die rückständige Farbe des Stoffes durch
                                 										Erwärmung mit Barytwasser in Violett übergegangen ist.“
                              								
                           Hiernach dürfen wir den angegebenen Weg zur Darstellung reinen Pflanzenalizarins
                              									nicht für einen absolut sicheren halten. Ich habe selbst nicht Erfahrungen über
                              									diese Frage, glaube aber der Wegweisung zur Wahrheit zu dienen, indem ich das Obige
                              									in Erinnerung bringe.
                           In einer späteren „vorläufigen Mittheilung“ (Berichte der
                              									deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1870, Nr. 12 S. 637S. 292 im vorhergehenden Heft des polytechn. Journals.) sagt Hr. Prof. Wartha: „Das
                                 										eigenthümliche Feuer, welches die türkischroth gefärbten Krappartikel
                                 										auszeichnet, rührt von einer eigenthümlichen Fettsäure-Alizarinverbindung
                                 										her, welche der Faser nicht stark anhaftet und derselben mit Ligroin und Aether
                                 										entzogen werden kann. Verdunstet man diese Lösung, so erhält man ein prächtig
                                 										feurig scharlachrothes Fett, das nur mit starker Kalilauge behandelt oder mit
                                 										Kali geschmolzen zersetzt wird und alsdann die charakteristische
                                 										Alizarinreaction zeigt. Der extrahirte Stoff hat alles Feuer verloren, der Ton
                                 										zieht mehr in's Türkischrothe und ähnelt ganz den bloß mit Zinnbeizen (?)Wir haben noch nie solche Stoffe gesehen, auf welchen Krapppigmente mit
                                       												Zinnbeizen fixirt wurden. Bolley. erzeugten Krappfarben.“
                              								
                           Es ist allgemein angenommen, daß man den Unterschied der zwischen Türkischroth und
                              									gewöhnlichem Krapproth oder Garancinroth hinsichtlich der Nuance und des Feuers
                              									stattfindet, der Wirkung der sogen. Oelbeizen zuzuschreiben hat. Die Eigenschaften
                              									fetter Körper, die Krapppigmente aufzunehmen, sind in zahllosen Modificationen der
                              									Umstände beobachtet. Manche türkischrothe Garne und Stoffe geben an weißes
                              									Fließpapier sattrothe Oelflecken ab. – E. Schwarz
                              									hat aus Krappblumen oder Garancin mittelst Mohnöl einen großen Theil ihres
                              									Farbstoffes ausgezogen. – Jenny hat dasselbe mit
                              									Krapp und Olivenöl bewirkt.
                           Chevreul hat in einem Stück im Orient gefärbten
                              									Türkischroths eine Verbindung des Farbstoffes mit einem modificirten ölartigen, d.h.
                              									nicht mehr aus unverändertem Glycerid bestehenden Oele gefunden, darin aber fast
                              									keine Alaunerde entdecken können. – Ob der auf den Adrianopelroth gefärbten
                              									Baumwollstoffen neben den Minerallacken niedergeschlagene fetthaltige gefärbte
                              									Körper wirklich eine chemische Verbindung einer fetten
                              									Säure mit Alizarin ist? – Ein klarer Aufschluß über diese Frage wird schon
                              									lange mit Ungeduld erwartet. Aus den Handbüchern von Persoz und Schützenberger weiß man, daß Chevreul sich seit langer Zeit mit dieser Frage befaßt,
                              									und dieser Umstand ist wohl auch der Grund, weßhalb andere Chemiker sich enthalten
                              									haben, in diese offene Frage einzugreifen. Wenn Hrn. Martha der Beweis der vorläufig mitgetheilten Beobachtung, wornach die
                              									Sache sehr einfach wäre, gelingt, so dürfen ihm diejenigen dankbar seyn, welchen es
                              									um Aufklärung des noch sehr im Argen liegenden Processes der Türkischrothfärberei zu
                              									thun ist. Bis jetzt hat man indeß annehmen müssen, daß das Oel (Tournantöl), welches
                              									nach dem Trocknen und sogenannten Degraissiren zurückbleibt, nur theilweise zersetzt ist, d.h. daß zum Theil noch ein Glycerid vorhanden ist, während von einem anderen Theil
                              									desselben nur die fetten Säuren übrig blieben. Nach den
                              									Versuchen von Weißgerber (Persoz,
                                 										Traité de l'impression, vol. III p.
                              									176), der die Fettsubstanz von noch nicht gefärbten oder geölten Stoffen mit
                              									Terpenthinöl oder Aceton abzog und den Rückstand nach Verdampfung des Acetons
                              									untersuchte, wäre daraus Glycerin nicht abscheidbar. Jenny (a. a. O.) dagegen will die Gegenwart von Glycerin constatirt haben.
                              										Schützenberger berichtet über diesen Punkt Folgendes:
                              										„Ich habe selbst mit angesäuertem Alkohol die Fettsubstanz von einem türkischroth
                                 										gefärbten und avivirten Baumwollstoff ausgezogen. Nach Sättigen der Lösung mit
                                 										Ammoniak und Abscheidung des Alauns durch Filtration wurde das weingeistige
                                 										Filtrat mit Wasser versetzt. Der entstandene Niederschlag, auf einem Filter
                                 										gesammelt, ausgewaschen und getrocknet, wurde mit Schwefelkohlenstoff behandelt;
                                 										dieser löste die fette Substanz, der nur sehr wenig Farbstoff anhing, auf. Was
                                 										zurückblieb war reines Alizarin. Der Schwefelkohlenstoff wurde von dem Filtrat
                                 										abgedunstet; es blieb ein schwach röthlich gefärbter öliger Körper. Dieser
                                 										lieferte mit Barytwasser behandelt bei gewöhnlicher Temperatur eine Barytseife.
                                 										Er enthielt also freie Fettsäure. Der Rückstand,
                                 										welcher in der Kälte nicht war in Barytseife umgewandelt worden, wurde mit
                                 										Barytwasser gekocht. Es bildete sich durch wirkliche
                                 										Verseifung eine neue Menge Barytseife, und endlich
                                 										blieb noch eine nicht geringe Menge eines Neutralfettes, das vielleicht mit dem
                                 										von Weißgerber erhaltenen Fett
                                 										übereinstimmt.“
                              									Schützenberger's Versuch constatirte demnach: 1) die leichte Entfernbarkeit des Fettkörpers vom Alizarin durch
                              									Schwefelkohlenstoff; 2) daß der Fettkörper nur zum Theil aus
                                 										einer freien Säure besteht. Die Verschiedenheit der angewandten
                              									Lösungsmittel (Ligroin oder Aether auf der einen, angesäuerter Alkohol, aus dem die
                              									Mineralsäure durch eine Base entfernt worden, auf der anderen Seite), scheint mir
                              									den Widerspruch zwischen dem Schützenberger'schen und dem
                              										Wartha'schen Versuch nicht zu lösen.
                           Hr. Wartha bemerkt in der nämlichen „vorläufigen
                                 										Mittheilung“ wie folgt: „Ebenso kann ich mittheilen, daß
                                 										nach sorgfältiger Vergleichung das Pflanzenalizarin schon zwischen
                                 										130–140° C. sublimirt, das synthetische aber erst zwischen
                                 										280–300° sublimirt.“
                              								
                           Ich erlaube mir mit Bezug auf diese Angaben daran zu erinnern, daß Schunck die Sublimationstemperatur des Krappalizarins zu
                              									215° C. angab. Andere Chemiker haben, so weit ich es weiß, eine Bestimmung
                              									hierüber nicht vorgenommen. Ich habe aber gefunden (mein Handbuch der chemischen
                              									Technologie, Bd. V, I S. 113), daß das Alizarin aus Krapp bei 140° C. zu
                              									sublimiren beginnt. Bei der Unsicherheit, die der Natur der Sache nach solchen
                              									Bestimmungen anklebt, dürfen Hrn. Wartha's und meine
                              									Angaben als gegenseitige Bestätigungen angesehen werden.