| Titel: | Theorie der Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit, nach J. Fr. Radinger. | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXV., S. 465 | 
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                        CXV.
                        Theorie der Dampfmaschinen mit hoher
                           								Kolbengeschwindigkeit, nach J. Fr. Radinger.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									IX.
                        Radinger's Theorie der Dampfmaschinen mit hoher
                           								Kolbengeschwindigkeit.
                        
                     
                        
                           Herr J. Fr. Radinger, Adjunct für Maschinenbau am k. k.
                              									polytechnischen Institute in Wien, behandelt in der „Zeitschrift des
                                 										österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereines, Jahrg. 1869,
                                 										Heft 8, 9, 10 und 11“ das Thema: „Dampfmaschinen mit hoher
                                 										Kolbengeschwindigkeit“ und führt dabei Factoren in's Feld der
                              									Untersuchung, die bisher mehr oder weniger unberücksichtigt blieben. Demzufolge
                              									gelangt er zu Resultaten, welche theilweise ganz neu sind.
                           Radinger erkennt in der Vergrößerung der Kolbengeschwindigkeit das Mittel, die
                              									Anlage- und Betriebskosten der Dampfmaschinen zu verringern; denn dadurch
                              									wird es möglich, den Maschinen die kleinsten Dimensionen zu geben und bei hoher
                              									Expansion und bedeutender Spannung den Dampf am besten auszunutzen. Er nennt
                              									Maschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit Maschinen der „zukünftigen
                                 										Anordnung.“
                              								
                           In dem Abschnitte: „Gesetz der Massendrücke“ findet die bekannte
                              									Thatsache Erwähnung, daß durch den Einfluß der hin- und hergehenden Massen
                              									der Maschine ganz andere Kräfte auf den Kurbelzapfen einwirken, als die
                              									Dampfspannung mit Vernachlässigung des Massengewichtes bedingt. Denn vom todten
                              									Punkte der Kurbel bis zur mittleren Stellung des Kolbens werden die hin- und
                              									hergehenden Massen auf Kosten des Dampfdruckes beschleunigt; dagegen wird während
                              									der Verzögerung in der zweiten Hubhälfte nebst dem Dampfdrucke auch der früher zur
                              									Beschleunigung der Massen aufgewandte Druck auf den Kurbelzapfen geworfen. Dadurch
                              									bedingt sich eine Differenz zwischen der vom Dampfe geleisteten und der wirklich auf
                              									den Kurbelzapfen übertragenen Arbeit in den beiden Hubhälften des Kolbens, ohne die
                              									Gesammtarbeit des Dampfes während eines Hubes zu beeinflussen.
                           Mit Vernachlässigung des durch die endliche Länge der Schubstange bedingten
                              									Einflusses bringt die Fliehkraft einer im Kurbelkreise angebrachten rotirenden Masse, von gleichem
                              									Gewichte mit dem der hin- und hergehenden Theile der Maschine, auf den
                              									Kurbelzapfen dieselben Horizontalkräfte hervor, welche zur Bewegung der hin-
                              									und hergehenden Massen erfordert werden. Ist F die Größe
                              									jener Fliehkraft, dann ist für einen beliebigen Kurbelwinkel ω (Fig. 1) F cos ω die
                              									Horizontalcomponente, welche der Maaßstab des „Massendruckes“
                              									ist, der die Wirkung des Dampfes auf die Kolbenfläche f
                              									beeinflußt. F/f cos ω
                              									ist somit der Ausdruck für den „Massendruck“
                              									pro Flächeneinheit des Kolbens.
                           Mit Berücksichtigung der endlichen Länge der Schubstange wird der Massendruck durch
                              									das Verhältniß r/L der Kurbel zur Schubstangenlänge
                              									modificirt und durch den Ausdruck dargestellt:
                           q = F/f (cos ω ± r/L
                              									cos 2ω);
                           das obere Zeichen gilt für den Hingang, das untere für den
                              										Rückgang.Hier scheint die Frage am Platze zu seyn: warum fanden die auf- und
                                    											abwärts gehenden Massen stehender Maschinen, sowie die Balanciers mit
                                    											drehender Bewegung keine Berücksichtigung? Haben die
                                    												„Zukunftsdampfmotoren“ bloß in liegenden Maschinen
                                    											zu bestehen, so sollte das hervorgehoben seyn.
                              								
                           Die Werthe für die Massendrücke können graphisch ersichtlich gemacht werden, wenn man
                              									sie den senkrechten Ordinaten in den jeweiligen Kolbenstellungen auf einer den
                              									ganzen Kolbenweg repräsentirenden Abscissenlinie proportional macht. Die Endpunkte
                              									dieser Ordinaten bestimmen in ihrer Aufeinanderfolge die „Linie der
                                 										Massendrücke.“ So ist in Fig. 2
                              									aob die Linie der Massendrücke, mn ist dem Massendrucke für die Kolbenstellung m nach zurückgelegtem Kolbenwege s proportional.
                           Die Curve aob gibt in Verbindung mit dem
                              									Dampfdiagramme ABCDE der Fig. 3 das abgeänderte
                              									Diagramm ABcde, woraus die jeweilig auf den
                              									Kurbelzapfen gelangenden Horizontaldrücke entnommen werden können.
                           Für den Fall daß die Schubstange unendlich lang gedacht wird, geht die
                              									Massendruckcurve in eine „gerade“ Linie über (Fig. 4), deren Gleichung
                              									ist:
                           q = F/f cos ω = F/f (1 – 2s/1).
                           In diesem Ausdrucke bedeutet s den Kolbenweg und 1 den
                              									Kolbenhub.
                           In Verbindung mit dem Dampfdiagramme entsteht wieder ein modificirtes Diagramm, nach
                              									welchem die Dampfspannung variiren müßte, Wenn bei gewichtlos gedachten Massen dieselben
                              									Horizontaldrücke auf die Kurbel gelangen sollten (Fig. 5).
                           Radinger knüpft an den Verlauf der Linie des
                              									Massendruckes die wichtige Folgerung, daß das Diagramm einer rasch gehenden
                              									Volldruckmaschine immer bedeutende Druckschwankungen enthalten, und auf einen weit
                              									über den einfachen Dampfdruck beanspruchten Kurbelzapfen hinweisen müsse. Daher
                              									erklärt sich das Abbrechen des Kurbelzapfens bei
                              										„durchgehenden“ Maschinen.
                           Dagegen gleichen sich bei Expansionsmaschinen die Horizontaldrücke auf die Kurbel
                              									theilweise aus, so daß die großen Differenzen, welche ohne Einfluß der Massen
                              									vorhanden wären, verschwinden.
                           Radinger bespricht nun die „Grenzen der Geschwindigkeit.“
                              								
                           Eine Geschwindigkeit, welche nicht die volle Dampfspannung zur anfänglichen
                              									Massenbewegung braucht, ist im Allgemeinen zulässig. Reicht aber der Dampfdruck
                              									nicht mehr aus, um das Gestänge zu „treiben,“ so muß es vom
                              									Schwungrade „gezogen“ werden, bis wieder der Dampfdruck den
                              									Massendruck überholt und „stoßend“ auf das Gestänge wirkt.
                              									Dieser Uebergang von Zug auf Stoß macht sich in den Schubstangenköpfen, die immer
                              									etwas Spiel haben, durch Schläge bemerkbar. Die Bewegung wird aber noch
                              										„richtig eingeleitet“ seyn, wenn der im todten Punkte zur
                              									Beschleunigung der Massen aufzubietende Druck dem freien Ueberdrucke des Dampfes
                              									gleichkommt, d.h. wenn
                           q₁ = p₁ – p₂ = F/f (1 + r/L)
                           worin p₁ die Anfangsspannung und p₂ der
                              									Gegendruck ist. Diesen Fall veranschaulicht Fig. 6. Für r/L = ∞, d.h. für den ideellen Fall daß die
                              									Schubstange unendlich lang gedacht wird,
                           ist: p₁ – p₂ = F/f.
                              									Radinger behandelt stets beide Fälle gesondert,
                                    											was aber bloß vom theoretischen Standpunkte gerechtfertigt erscheint.
                              								
                           Aus dem Angeführten ist klar, daß bekannte Werthe der Anfangsspannung und des
                              									Gegendruckes, bei angenommenem Verhältnisse r/L, einen
                              									ganz bestimmten Werth der von der Umdrehungszahl der Maschine abhängigen Fliehkraft
                              										F bedingen, so daß Radinger in der Lage ist, die Maximalwerthe für die
                              									Kolbengeschwindigkeiten und Umdrehungszahlen zu berechnen und tabellarisch zu
                              									verzeichnen.
                           
                           Eine weitere interessante Frage, welche Radinger
                              									behandelt, betrifft das Minimum der Füllung.
                           Soll selbst bei richtig eingeleiteter Bewegung der freie Ueberdruck durch den
                              									Beschleunigungsdruck nicht nachträglich aufgezehrt werden, so muß ein gewisses
                              									Minimum der Füllung vorhanden seyn (Fig. 7).
                           Radinger findet für den Grad der Füllung den
                              									Ausdruck:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 197, S. 468
                              
                           Hierbei wurde in dem Ausdrucke für den Kolbenweg s = r[1 – cos ω
                                 										– 1/2 r/L sin²ω] (Rückgang) das 3. Glied in der Klammer
                              									vernachlässigt und die Annahme gemacht, daß für den Kurbelwinkel ω = 60° der Massendruck dem freien
                              									Ueberdrucke auf den Kolben gleichkommt, oder mit anderen Worten, daß das Minimum der
                              									Horizontaldrücke auf den Kurbelzapfen einem Kurbelwinkel ω = 60° entspricht.Mit dieser Annahme kann man sich ganz gut einverstanden erklären, denn sie
                                    											vereinfacht die Rechnung bedeutend, ohne das Resultat wesentlich zu stören.
                                    											Für den Gebrauch des Füllungsminimums müssen bei Nichtcondensationsmaschinen
                                    											Dampfspannungen unter 8 Atmosphären über das Vacuum ausgeschieden werden,
                                    											weil man die Expansion nur so weit treiben darf, bis der Enddruck des
                                    											Dampfes dem Gegendrucke gleichkommt.
                              								
                           Wird die Bewegung so eingeleitet, daß für den todten Punkt der freie Ueberdruck
                              									gleich dem Beschleunigung drucke ist, dann stellt
                           l¹/l =
                                 										p₁/8(p₁ – p₂)
                           das Minimum des Füllungsgrades für das Maximum der
                              									Geschwindigkeit dar.
                           Für die zulässige Grenze der Expansion, l¹/l = p₂/p₁
                              										(Fig. 8)
                              									verlangt das Minimum des Füllungsgrades von 0,15 eine Anfangsspannung p₁, welche
                              									das 6,8fache vom Gegendrucke ist, mithin circa 8
                              									Atmosphären für Hochdruck- und circa 1,4
                              									Atmosphären für Condensationsmaschinen beträgt. Diese Spannungen nennt Radinger die „vortheilhaftesten“
                              									Dampfspannungen.
                           Das Resultat für Condensationsmaschinen veranlaßt ihn auf die Watt'sche Niederdruckmaschine hinzuweisen, er sagt: „die Watt'sche Maschine ist, obwohl man sie nicht mehr
                                 										baut, heute noch das Bild einer vollkommenen Maschine, welche ihre
                                 										Geschwindigkeit mit der Dampfspannung im vollen Einklange hatte, und alle
                                 										Vortheile, nur der Condensation angepaßt, an sich trug.“
                              								
                           
                           Radinger kommt nun auf die
                                 										Geschwindigkeit des „ruhigsten Ganges“
                                 									 zu sprechen.
                           Der ruhigste Gang tritt dann auf, wenn die Schwankungen zwischen den
                              									Tangentialdrücken auf die Kurbel und dem im Kurbelkreise auftretenden mittleren
                              									Widerstande am kleinsten werden.
                           Er zeigt, auf welche Weise das Diagramm der Tangentialdrücke aus jenem der
                              									Horizontaldrücke abgeleitet werden kann. Dasselbe gibt in Verbindung mit dem des
                              									herrschenden Widerstandes eine klare Darstellung der vom Schwungrade zu
                              									bewerkstelligenden Ausgleichsarbeit. Denn da die Tangentialdrücke von Null ansteigen
                              									und allmählich ihren Maximalwerth erreichen, der Widerstand aber constant gedacht
                              									wird, so müssen fortwährend Druckschwankungen zwischen beiden vorkommen, deren
                              									Verlauf während eines Hubes am besten durch graphische Darstellung ersichtlich
                              									gemacht werden kann (Fig. 9 und 10).
                           Je bedeutender an irgend einer Stelle der Unterschied zwischen Tangential- und
                              									Widerstandsdruck, desto größer ist die Ursache der Beschleunigung, entgegengesetzten
                              									Falles der Verzögerung der Bewegung, desto ungleichförmiger und unruhiger der Gang.
                              									Graphisch wird sich nun leicht diejenige Curve der Tangentialdrücke ausfindig machen
                              									lassen, welche die Schwankungen mit der Widerstandslinie auf ein Minimum
                              									herabdrückt. Die Geschwindigkeit, für welche dieß der Fall ist, heißt mit Recht:
                              										„Geschwindigkeit des ruhigsten Ganges.“
                              								
                           Radinger gelangt zu einer durch Rechnung zu bestimmenden
                              									Größe der Geschwindigkeit des „ruhigsten“ Ganges durch die
                              									Annahme, daß die Tangente an die Tangentialdruckcurve in der mittleren Stellung der
                              									Kurbel „horizontal“ seyn soll.Der Einfluß der Schubstangenlänge wurde vernachlässigt. Durch diese Annahme ist eine gleichmäßigere Vertheilung der Tangentialdrücke
                              									bedingt, welche für Füllungsgrade unter 1/2 die Ursache des
                              										„ruhigsten“ Ganges wird.
                           Die Abhängigkeit zwischen Geschwindigkeit, Anfangsspannung und Füllungsverhältniß
                              									stellt er in der Formel dar: F/f = 2 p₁ (l₁/l).
                           Hieraus folgt, daß für Füllungsverhältnisse über 1/2 kein
                              										„ruhigster“ Gang stattfinden kann.
                           Da das Product aus der Anfangsspannung mit dem Füllungsgrade den Enddruck gibt, so
                              									spricht Radinger den durch obige Formel veranschaulichten
                              									Satz folgendermaßen aus: „die Maschine gibt bei jener Geschwindigkeit den
                                 										ruhigsten Gang, bei welcher zu Beginn jedes Hubes ein Druck gleich dem
                                 										doppelten Enddrucke auf den Kolben zur Beschleunigung der Massen verwendet
                                 										wird.“
                              								
                           Die Abhängigkeit der Fliehkraft F von der Umdrehungszahl
                              									und Umfangsgeschwindigkeit setzt ihn in die Lage, einen Ausdruck für die Berechnung
                              									der Umdrehungszahlen in der Minute aufzustellen, und denselben zu Tabellenwerthen,
                              									in ähnlicher Weise wie bei den Maximalkolbengeschwindigkeiten, für Hochdruck-
                              									und Condensationsmaschinen anzuwenden.
                           Die Geschwindigkeit des ruhigsten Ganges beim „höchsten
                                 										Wirkungsgrade“ erfordert das Herabsinken des Enddruckes bis auf den
                              									Gegendruck, oder den kleinsten Füllungsgrad.
                           Weiter folgert Radinger, daß jene Dampfspannung die
                              									niedrigste seyn wird, welche eben noch ausreicht, um die Geschwindigkeit des
                              										„ruhigsten“ Ganges einzuleiten. Offenbar ein vollkommen
                              									richtiger Satz.
                           Er stellt nun eine Betrachtung über die Abhängigkeit der Ruhe des Ganges von der
                              									Füllung an, welche eigentlich überflüssig gewesen wäre, wenn die frühere
                              									Entwickelung über die Ruhe des Ganges auf allgemeiner Basis beruhte. Es zeigt sich
                              									jetzt, daß für Maschinen mit größeren Füllungsgraden als 0,4 bis 0,5 keine
                              									Geschwindigkeit des „ruhigsten“ Ganges existiren kann. Soll
                              									eine Volldruckmaschine ruhig gehen, so muß sie wenig Umdrehungen machen. Radinger weist auf die Vorgänge in der Praxis hin, wo man
                              									ungerechtfertigter Weise die geringe Umdrehungszahl der Volldruckmaschine auf alle
                              									Expansionsgrade ausdehnt.
                           Er bespricht dann die gekuppelte Maschine mit um 90° versetzten Kurbeln und
                              									constatirt die einleuchtende Thatsache, daß die Unterschiede aus der Summe der
                              									Tangentialdrücke in den zusammengehörigen Punkten der beiden Kurbelkreise und dem
                              									daselbst auftretenden Widerstande geringer sind, als bei der gleichstarken
                              									Eincylindermaschine. Es ist daher bei der gekuppelten Maschine stets ein größerer
                              									Gleichförmigkeitsgrad zu erwarten.
                           Hingegen verwirft er das System der Woolf'schen Maschinen
                              									mit nebeneinander liegenden Cylindern.
                           Von besonderem Interesse ist die Schwungradsberechnung aus dem
                                 										Diagramme der Tangentialdrücke.
                           Radinger setzt die Summe der Flächenstücke, welche die
                              									Widerstandslinie überragen, gleich der vom Schwungrade pro Flächeneinheit des Kolbens zu verrichtenden Ausgleichsarbeit in jenen
                              									Theilen der Bewegung, wo die Tangentialdrücke unter der Widerstandslinie liegen.  Das Gewicht des
                              									Schwungrades ist daher stets von der Größe der die Widerstandslinie überragenden
                              									Fläche des Tangentialdruckdiagrammes abhängig und wird durch den Ausdruck gegeben:
                              										G = i . (g.f.a.)/(V²)
                              									worin
                           G Gewicht des Schwungringes in Kilogrammen,
                           i der Ungleichförmigkeitscoefficient,
                           a die Größe der genannten Fläche als
                              									Kilogramm-Meter genommen,
                           f die Größe der Kolbenfläche in Quadratcentimetern,
                           g = 9,81 Meter, die Acceleration der Schwere,
                           V die mittlere Geschwindigkeit in Metern.
                           Er kommt consequenter Weise zu einem höchst richtigen und einleuchtenden Schlusse. Da
                              									die Anfangsspannung die Kolbengeschwindigkeit bedingt, so soll ein Wechsel der
                              									Arbeitsleistung nicht durch eine Aenderung der Dampfspannung, sondern nur durch
                              									einen modificirten Expansionsgrad erzielt werden. „Eine Maschine mit hoher
                                 										Kolbengeschwindigkeit verträgt keine, oder doch nur geringe Drosselung des
                                 										Dampfes durch das Einströmventil, kein Sinken der Spannung im
                                 										Kessel.“
                              									Daher sollte der Regulator immer in die Steuerung
                                 										eingreifen.
                           Durch eine Reihe angestellter Versuche findet Radinger
                              									seine Theorie über den Einfluß der Massen auf die Geschwindigkeit des Ganges der
                              									Maschinen bestätigt.
                           Seine Untersuchungen verdienen um so mehr Anerkennung, als alle Theile des
                              									Indicator-Diagrammes in innige Wechselwirkung mit den Massendrücken gebracht
                              									werden können.
                           Er bespricht in klarer und eingehender Weise den Einfluß der Dampfvertheilung auf den
                              									Gang der Maschine und nimmt wiederholt Veranlassung die Massendrücke in das gehörige
                              									Licht zu stellen.
                           a) Die Anfangsspannung des
                                 										Dampfes muß schon beim Beginne des Hubes so groß seyn, um dem Gestänge die
                              									richtige Geschwindigkeit zu geben. Daher muß im todten Punkte genügende
                              									Dampfeinströmung erfolgen.
                           b) Die Spannung während der
                                 										Füllung darf nicht sinken. Dieses Sinken der Spannung ist dann sehr
                              									schädlich, wenn durch die Verzögerung des Kolbenlaufes in der zweiten Hubhälfte die
                              									Spannung neuerdings steigt; denn dann fällt die verrichtete Arbeit beträchtlich,
                              									während das verbrauchte Dampfquantum dasselbe ist wie bei tadelloser Einströmung.
                              									Daher sollen die Dampfcanäle die hinreichende Größe haben, und es muß dafür Sorge
                              									getragen werden, daß der Abschluß des Dampfes so rasch als möglich erfolgt. Die Anwendung großer
                              									Excenter ist somit zu empfehlen.Hier wäre zu bemerken, daß das Sinken der Spannung während der Füllung nur
                                    											bei Volldruckmaschinen jene nachtheiligen Consequenzen mit sich bringen
                                    											kann.
                              								
                           c) Die Expansionscurve erhebt
                              									sich in vielen Fällen etwas über die Mariotte'sche Linie
                              									durch den Einfluß der schädlichen Räume und durch das mechanisch mitgerissene, dann
                              									aber in Dampf sich auflösende Wasser. Doch gibt es andere Umstände, wie Abkühlung
                              									durch die Cylinderwände, Undichtheiten u.s.w., welche die Dampfspannung
                              									herabdrücken, so daß es Fälle geben kann, welche ein vollständiges Zusammenfallen
                              									der beiden Curven zeigen.
                           Die „schädlichen“ Räume erweisen sich um so weniger nachtheilig,
                              									je höher die Expansion ist,
                           d) Die Dampfausströmung.
                              									Gleich am Ende des Kolbenhubes soll der Vorderdruck durch genügende Eröffnung des
                              									Ausströmcanales auf ein Minimum gebracht seyn, damit für den Beginn des Rückganges
                              									die zur Massenbeschleunigung erforderliche Anfangsspannung durch den großen
                              									Gegendruck nicht beeinträchtigt wird.
                           e) Die Compression hat die
                              									wichtige Aufgabe, den bewegten Massen schnell gehender Maschinen ihre
                              									Geschwindigkeit am Ende des Kolbenhubes zu nehmen, so daß das Gestänge mehr oder
                              									weniger entlastet im todten Punkte anlangt. Soll es vollkommen entlastet ankommen,
                              									so muß der Compressionsdruck gleich dem Enddrucke des Dampfes vermehrt um den
                              									Massendruck seyn.
                           Andererseits bietet die Compression das beste Mittel, die hohe Anfangsspannung für
                              									den Beginn des Kolbenhubes zu erzeugen.
                           f) Die Dampfwege sollen mit
                              									Rücksicht auf die Geschwindigkeit ermittelt werden. Radinger setzt den Quotienten aus der Fläche des Dampfcanales durch den
                              									Querschnitt des Cylinders gleich 1/3tel der mittleren Kolbengeschwindigkeit pro Secunde ausgedrückt in Metern. Der Querschnitt des
                              									Dampfableitungsrohres wird um 1/3tel vergrößert.
                           g) Die Steuerung. Hier faßt
                              										Radinger das in den früheren Punkten Gesagte
                              									zusammen. Die Dampfabsperrung darf nicht schleichend, sondern muß so rasch als
                              									möglich erfolgen (große Excenter, Anwendung von Spaltschiebern). – Die
                              									Dampfspannung im todten Punkte muß dem Beschleunigungsdrucke gewachsen seyn, was
                              									durch Voreröffnung des Ausströmcanales, Compression und genügende Eröffnung des
                              									Einströmcanales ermöglicht wird. Für sehr rasch gehende Maschinen empfehlen sich besondere
                              									Ausströmschieber – freilich auf Kosten der Einfachheit des Baues.
                           Bezüglich des Gestänges bemerkt er, daß schnell gehende Maschinen mit hoher Expansion
                              									ein schweres Gestänge fordern, um während des ganzen Hubes die Drücke auf die Kurbel
                              									auszugleichen. So ist bei der Allen-Maschine der
                              									Luftpumpenkolben an die Kolbenstange des Dampfcylinders gehängt, um die Masse der
                              									hin- und hergehenden Theile zu vergrößern.
                           Radinger findet in der großen zu bewegenden Masse der
                              									Balanciermaschinen die Erklärung für ihren ruhigeren Gang, als ihn liegende
                              									Maschinen aufweisen sollen.Hier muß wieder bemerkt werden, daß zur Beurtheilung von Balanciermaschinen
                                    											eine gesonderte Untersuchung angezeigt wäre.
                              								
                           
                        
                           Das Gegengewicht.
                           Die ungleichen Horizontaldrücke auf den Kurbelzapfen gegenüber dem constanten
                              									Dampfdrucke auf den Cylinderdeckel bedingen die Anordnung eines Gegengewichtes.
                              									Bringt man in dem, dem Kurbelzapfen gegenüber liegenden Punkte des Kurbelkreises ein
                              									Gewicht an, so wird durch die Horizontalcomponente der Fliehkraft der Druck auf den
                              									Kurbelzapfen abwechselnd vergrößert und verkleinert, so daß die durch den
                              									Massendruck bedingten Druckdifferenzen ganz oder theilweise ausgeglichen werden. Es
                              									genügt, dieses Gewicht 0,5 bis 0,8mal so schwer zu machen als die Masse der
                              									hin- und hergehenden Theile der Maschine.
                           Stehende Maschinen dürfen kein Gegengewicht bekommen, da die auftretenden
                              									Horizontalkräfte schädlicher auftreten würden, als die Ungleichförmigkeit des Ganges
                              									nicht balancirter Maschinen.
                           Radinger macht noch einige Bemerkungen über den
                              									Auflagedruck und über die Zapfen. Daraus ist die Angabe zu notiren, daß der
                              									Flächendruck pro Quadratzoll Lagerschale 64 bis 76
                              									Wiener Pfund nicht übersteigen soll.
                           Die Resultate seiner interessanten und sorgfältig
                              									durchgeführten Untersuchung stellt Radinger am Schlusse
                              									übersichtlich zusammen; sie lauten:
                           
                              1) bei den heutigen Dampfspannungen kann man höhere Kolbengeschwindigkeiten
                                 										zulassen;
                              
                           
                              2) der Gang schnell laufender Maschinen ist nicht mit dem Einströmventile,
                                 										sondern durch die verstellbare Expansion zu regeln;
                              
                           
                              3) die Dampfwege müssen um so weiter werden, je schneller die Maschine geht;
                              
                           
                           
                              4) die richtige Dampfvertheilung soll stets mit dem Indicator controllirt
                                 										werden;
                              
                           
                              5) das Balancirgewicht sichert die ruhige Auflage der Maschine auf ihrem
                                 										Fundamente;
                              
                           
                              6) die steigende Geschwindigkeit muß stets von steigender Sorge in Entwurf und
                                 										Ausführung begleitet seyn;
                              
                           
                              7) mit der steigenden Geschwindigkeit und Expansion sinken die Anlage- und
                                 										Betriebskosten der Dampfmotoren.“
                              
                                 
                                 Die zwei letzten Punkte stehen einander sehr schroff gegenüber, denn sie
                                    											widersprechen sich wenigstens theilweise, da sie beide auf thatsächlichen
                                    											Grundlagen beruhen. Es ist wahr, daß man durch große Kolbengeschwindigkeit
                                    											die kleinsten Maschinen erhalten, und durch eine weit getriebene Expansion
                                    											die möglichste Ausnutzung des Dampfes erzielen kann. Aber es ist auch wahr,
                                    											daß bei übrigens ganz gleichen Verhältnissen die Maschine mit höherer
                                    											Expansion voluminöser und daher kostspieliger wird als eine
                                    											Volldruckmaschine oder eine Maschine mit geringer Expansion. Und es ist
                                    											ferner wahr, daß die höheren Dampfspannungen die Kesselanlage vertheuern,
                                    											und daß schnell gehende Maschinen viel solider gebaut werden müssen.
                                 Wie sorgfältig müssen bei letzteren Maschinen die Führungen und Gleitstücke
                                    											hergestellt werden! Kurbel- und Kreuzkopfzapfen, Kolben und
                                    											Kolbenstange müssen aus vorzüglichem Material, die Verbindung zwischen
                                    											Kolben und Kolbenstange, zwischen Kurbel und Kreuzkopf mit der Bleuelstange
                                    											äußerst sorgfältig hergestellt werden. Die Stopfbüchsen erfordern breitere
                                    											Dichtungsringe, die Lager größere Dimensionen.
                                 Es wäre erst das Verhältniß zwischen den durch die große
                                    											Kolbengeschwindigkeit bedingten Vortheilen gegenüber den Mehrkosten einer
                                    											solideren Construction festzustellen, um ein endgültiges Resultat zu
                                    											gewinnen. Radinger weist auf die Locomotiven hin,
                                    											welche trotz hoher Kolbengeschwindigkeit ganz gut arbeiten; aber Jeder weiß,
                                    											welche Sorgfalt man auf den Bau der Locomotiven im Allgemeinen und auf die
                                    											Ausführung sämmtlicher einzelner Theile verwendet, und daß die
                                    											Anschaffungskosten mit denen einer gewöhnlichen Dampfmaschine in keine
                                    											Parallele gestellt werden können.
                                 Ein Umstand welcher geeignet ist die Billigkeit des Betriebes einer schnell
                                    											gehenden Maschine etwas zu alteriren, ist daß dieselbe eine viel
                                    											umsichtigere Bedienung voraussetzt. Eine Maschine mit hoher
                                    											Kolbengeschwindigkeit wird mich nicht beunruhigen, wenn ich weiß, daß sie
                                    											einem umsichtigen, intelligenten und gewissenhaften Maschinisten anvertraut
                                    											ist. Aber was werden in dieser Beziehung von den Besitzern der
                                    											Dampfmaschinen und den Fabrikanten für Erfahrungen gemacht! Eine in gutem
                                    											Zustande gelieferte Maschine ist oft nach kurzer Zeit durch nachlässige
                                    											Bedienung reparaturbedürftig. Wie würde diese Maschine aussehen, wenn sie
                                    											mit der anderthalbfachen oder doppelten Umdrehungszahl liefe?
                                 Meines Erachtens sind die angeführten Umstände sehr wichtig; ja diese Momente
                                    											sind es, weßwegen man nicht schon früher schnell laufende Maschinen
                                    											allgemein baute. Denn geschieht dieß ausnahmsweise bei Walzwerksmaschinen,
                                    											so ist man bestrebt vorzüglicheres Material zu verwenden, und wählt der
                                    											Vorsicht halber stärkere Dimensionen; dadurch wird aber der Kostenpreis
                                    											hinaufgeschraubt, so daß ein höherer Kaufpreis hervortritt. Würden wir schon
                                    											gegenwärtig in der Lage seyn, mit dem Minimum der Mehrkosten die höchste
                                    											Solidität der Ausführung zu erreichen, dann wären wahrlich Maschinen mit
                                    											hoher Kolbengeschwindigkeit nicht mehr mit Radinger als die „zukünftige Anordnung“ zu
                                    											betrachten.
                                 
                                    W. L.
                                    
                                 
                              
                           
                              W. L.
                              
                           
                        
                     
                  
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