| Titel: | Die französische Kugelspritze (Mitrailleuse); von Professor C. Teichmann. | 
| Autor: | C. Teichmann | 
| Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXXIII., S. 484 | 
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                        CXXIII.
                        Die französische Kugelspritze (Mitrailleuse); von
                           								Professor C. Teichmann.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									X.
                        Teichmann, über die Mitrailleuse.
                        
                     
                        
                           Eine der bei Wörth genommenen Mitrailleusen war während einiger Tage in Stuttgart
                              									öffentlich ausgestellt. Sie trägt den Namen: Le
                                 										général
                              									Duchand
                              									, die Jahreszahl 1866 und die Ordnungsnummer 62. Im
                              									Aeußeren unterscheidet sie sich wenig von einer gewöhnlichen Kanone. Bei näherer
                              									Betrachtung fällt zuerst in die Augen daß statt Einer größeren Mündung deren 25
                              									kleinere vorhanden sind. Fünfundzwanzig gezogene stählerne Läufe, außen viereckig,
                              									22 Millimeter dick, 945 Millim. lang, mit 13 Millim. weiter Bohrung, sind zu einem
                              									quadratischen Bündel vereinigt, vorn durch einen stählernen Ring zusammengefaßt und
                              									in eine runde Hülse a (Fig. 1–3) von Bronze
                              									dicht eingeschoben, welche sowohl vor Verletzungen schützt, als auch durch
                              									Vertheilung der Wärme die Erhitzung mildert. Die Hülse ist nach hinten über die
                              									Läufe hinaus verlängert und erweitert, und oben offen, um die Ladevorrichtung
                              									aufzunehmen (man s. den Querschnitt Fig. 3); sie ruht mit
                              									einem verticalen Zapfen auf einem Untertheil b so, daß
                              									sie sich über demselben in horizontaler Richtung durch das mit einer Schraube
                              									verbundene Handrädchen c drehen läßt. Der Untertheil b selbst ruht mit zwei Schildzapfen auf einer
                              									gewöhnlichen Laffette, und eine Elevationsschraube d
                              									dient zum Richten in verticalem Sinne; als Anhalt dient dabei das in einer Kerbe des
                              									Rohres sitzende Korn e und ein Diopter, welches sich an
                              									einem aufstellbaren Rähmchen f, den verschiedenen
                              									Elevationswinkeln entsprechend, vertical verschieben läßt. Theilstriche auf dem
                              									Rähmchen geben die Stellungen des Diopters für Entfernungen von 600 bis 1300 Metern
                              									an, was auf eine Tragweite von 1,3 Kilometer schließen läßt.
                           Die Patrone ist in Fig. 4 in natürlicher Größe gezeichnet und zwar ist a die 50 Gramme schwere Kugel; dieselbe ist kein
                              									Hohl- oder Sprenggeschoß, wie mehrere Journale angegeben haben, sondern
                              									vollkommen massiv, was sich schon aus dem Gewicht schließen läßt und beim Durchsägen
                              									bestätigt. Hinter der Kugel befindet sich allerdings eine weihe Masse b, die aber keine explodirbare Substanz, sondern
                              									gewöhnliches Unschlitt ist, um den Lauf einzuschmieren; auch außen ist die ganze
                              									Patrone eingefettet. c ist der Pulversatz, 12 Gramme
                              									schwer, in sechs cylindrische Zöpfchen zu je 2 Grammen zusammengepreßt, an denen
                              									sich übrigens die ursprüngliche Körnerform noch erkennen läßt. An der freien Luft
                              									abgebrannt gibt dieses Pulver keinen Rauch, eine gerade für dieses Geschütz
                              									besonders wichtige Eigenschaft, welche wohl dem comprimirten Zustande zuzuschreiben
                              									ist; denn die chemische Untersuchung ergab die gewöhnlichen Bestandtheile in nur
                              									wenig abweichender Mischung, nämlich
                           
                              
                                 Salpeter
                                 72,46
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 11,37
                                 
                              
                                 Kohle
                                 15,90
                                 
                              
                                 (Wasser)
                                 0,27
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           d ist die Hülse von starkem lederartigem Carton, e ein umgeklebtes rothes Bändchen, welches die Kugel
                              									gegen Herausfallen schützt. Das Zündhütchen g ist vom
                              									Pulver durch ein Leinwandscheibchen getrennt und von hinten in eine starke
                              									Lederkappe f eingeschraubt; dasselbe besteht aus einer
                              									starken am vorderen Boden durchlöcherten Messinghülse und einem Becherchen von
                              									dünnem Kupferblech, dessen hintere Fläche von der Zündnadel getroffen wird. In
                              									diesem Becherchen befindet sich der eigentliche Zündstift h, mit seinem vorderen dünneren Theile in einem Kautschukringchen
                              									steckend, und vor demselben die heftig explodirende Zündmasse i im Gewicht von 0,16 Grammen. Beim Stoß der Zündnadel auf die hintere
                              									dünne Fläche des Zündhütchens wird das Zündstiftchen vorwärts getrieben, und da das
                              									Kautschukscheibchen sich leicht zusammendrückt, so concentrirt sich der ganze Stoß
                              									auf die scharfe ringförmige Kante des Zündhütchens, welches mit Heftigkeit in die
                              									Zündmasse eindringt. Die Zündung theilt sich durch das vordere Loch der Messinghülse
                              									central der Ladung mit. Das hintere Ende der Patrone ist noch weiter durch eine
                              									übergestülpte Messingkappe k geschützt. Das Gewicht der
                              									Patrone ist 96 Gramme, die Ausführung eine sorgfältige. 25 solcher Patronen sind in
                              									Pappschachteln zu einem würfelförmigen Packete verpackt, so daß sie, wenn man den
                              									Deckel des Packetes abreißt und dasselbe in geeigneter Weise umstürzt, in die 25
                              									Löcher der Patronenbüchse A (Fig. 5, 6 u. 7) hineinfallen. Hierauf
                              									wird letztere in die erweiterte Höhlung des Laufes eingelegt und die Preßschraube
                              										g (Fig. 1 u. 2) angezogen. Dadurch
                              									preßt sich die Patronenbüchse A, die Nadelführung B und die Federbüchse C
                              									zusammen gegen das hintere Ende der Läufe, wobei die vier Zapfen h der Patronenbüchse in entsprechende Löcher des
                              									Geschützkorpers eintreten und die erstere so führen, daß das vorstehende vordere
                              									Ende jeder Patrone in den entsprechenden Lauf zu liegen kommt. Da, wie wir gleich
                              									sehen werden, durch das Anpressen auch die Nadelfedern gespannt worden sind, so ist
                              									das Geschütz zum Feuern fertig.
                           Sämmtliche Nadeln werden noch zurückgehalten durch die Rastplatte i (Fig. 6, 7 und 9). Dieselbe ist mit
                              									engeren und weiteren Schlitzen versehen (man s. Fig. 9); die engen
                              									gestatten nur dem dünnen Vordertheil des Zündbolzens o
                              									(in Fig. 10
                              									in 1/2 nat. Größe gezeichnet) den Durchgang. Wird durch die Schraube k die Rastplatte zurückgezogen, so lassen die weiteren
                              									Schlitze, einer nach dem anderen, in der in Fig. 9 angegebenen
                              									Ordnung, auch den dickeren Theil der Nadel durch; letztere wird durch eine
                              									Spiralfeder vorgeschnellt und feuert den betreffenden Lauf ab. In Fig. 7 und 9 ist der Moment
                              									dargestellt, wo die Patronen 1 bis 12 abgefeuert, 13 bis 25 zum Abfeuern fertig
                              									sind. 3 1/2 Umdrehungen der Schraube k (man s. auch Fig. 2) genügen
                              									zum Abfeuern aller 25 Läufe. Geschieht dieß bei ruhendem Rohr, so treffen alle 25
                              									Kugeln dasselbe Ziel. Der das Geschütz bedienende Mann hat aber, während er mit der rechten Hand
                              									die Schraube k dreht, in der linken das Handrad c für die Horizontaldrehung. Durch gleichzeitige Drehung
                              									des letzteren mit größerer oder kleinerer relativer Geschwindigkeit kann er die
                              									Kugeln fächerförmig in einer horizontalen Ebene beliebig weit auseinander streuen.
                              									Auch kann er langsam einen Schuß um den anderen loslassen und durch Beobachtung der
                              									Wirkung das Ziel mit großer Sicherheit durch Horizontal- und
                              									Elevationsschraube gleichzeitig suchen. Hierauf wird die Preßschraube g (Fig. 1 und 2) zurückgezogen, deren
                              									vorderer Kopf in der flachcylindrischen Höhlung l der
                              									Federbüchse (Fig.
                                 										7 und 8) Platz findet und mittelst des Schiebers m
                              									die Ladevorrichtung mitnimmt. Ehe jedoch die Schraube ganz zurückgedreht ist, stoßen
                              									die vier Stifte n an der Hinterwand des Rohres an, so
                              									daß das mit diesen Stiften fest verbundene Nadelführungsstück B mit der Rastplatte stehen bleibt und nur die Federbüchse ganz
                              									zurückgeht. In Fig.
                                 										1 und 2 sind Federbüchse und Nadelführung getrennt gezeichnet und diese
                              									Stellung gestattet das Vorschieben der Rastscheibe, indem dann nur mehr die dünnen
                              									Theile der Zündnadeln in dieselbe hineinragen. Während dessen hat Nr. 2 der
                              									Bedienungsmannschaft die leere Patronenhülse durch eine gefüllte ersetzt. Beim
                              									Vorschrauben verhindert die Rastscheibe die Nadeln am Eindringen in die Nadelführung
                              									nach vorn, so daß das Zusammenpressen der Theile B und
                              										C ein Spannen der Federn bewirkt.
                           Die ganze Ladevorrichtung ist während des Transportes durch einen eisernen Deckel
                              									geschützt, welcher im Aeußeren die Aehnlichkeit mit einer gewöhnlichen Kanone
                              									vollendet.
                           Die Manipulation ist nunmehr folgende: Nachdem abgefeuert ist, geschieht
                           1) Zurückdrehen der Preßschraube, 6 Umdrehungen der Kurbel, 4 Secunden;
                           2) Vorschieben der Rastscheibe, 3,5 Umdrehungen der Kurbel k vorwärts, 1,5 Secunden;
                           3) Vordrehen der Preßschraube, Anpressen, 6 Umdrehungen, 5 Secunden;
                           4) Richten;
                           5) Zurückziehen der Rastscheibe, Feuern, 3,5 Umdrehungen, 1,5 Secunden.
                           Eine Salve erfordert mindestens 12 Secunden.
                           Das Auswechseln der Patronenhülsen, das Füllen derselben, das Ausstoßen der leeren
                              									Hülsen geschieht durch die übrige Bedienungsmannschaft ohne weiteren Zeitverlust. Zu
                              									letzterem Zweck ist eine Platte mit 25 aufrechtstehenden Stiften an der Laffette
                              									angebracht.
                           
                           Bei Schnellfeuer, wenn auf das Zielen verzichtet wird, lassen sich in der Minute im
                              									Maximum 5 Salven à 25 Schüsse, also 125 Kugeln
                              									abgeben. Mehr wird auch durch die geübteste Mannschaft nicht erreicht werden.
                           Die Fugenflächen welche den dichten Anschluß der Patronenhülse vorn an die Läufe und
                              									hinten an die Nadelführungsbüchse, die zugleich den hinteren Abschluß des Laufes
                              									bildet, vermitteln, sind nicht eben, sondern unmittelbar um die Bohrungen herum mit
                              									Erhöhungen, den Arbeitsleisten ähnlich, versehen, die in der Zeichnung weggelassen
                              									sind. Gleichwohl ist es nöthig, die Schraube g recht
                              									fest anzuziehen. Wird dieß versäumt, so geht der Schuß hinten hinaus, d.h. die
                              									Pulvergase entweichen durch die, in Folge der Elasticität des Materiales sich
                              									öffnenden Fugen und die Kugel bleibt im Laufe stecken. Bei dem vorliegenden Geschütz
                              									sind nicht weniger als drei Läufe in solcher Weise verstopft. Das Schlimmste ist,
                              									daß dieser Zufall nicht sogleich bemerkt wird; kommt dann die zweite Ladung, so wird
                              									schon beim Anpressen der Patronenbüchse die betreffende Patrone gestaucht, kann
                              									leicht explodiren und verursacht jedenfalls Störungen, wenn nicht Verwirrung.
                           Dieser Umstand sowie die durchaus nicht beträchtliche Leistungsfähigkeit machen den
                              									Werth der Mitrailleuse als Feldgeschütz illusorisch. Dagegen kann sie in geschützten
                              									Stellungen sorgfältig und ruhig bedient, wegen ihrer vollkommenen Richtfähigkeit von
                              									bedeutender Wirkung seyn. Der Infanterie Mitrailleusen beizugeben, ist gewiß ein
                              									unglücklicher Gedanke. Ein Dutzend gute Scharfschützen leisten hier gewiß ebensoviel
                              									und sind beweglicher; aber als Festungsgeschütz mag sie unter Umständen neben den
                              									übrigen Mordwerkzeugen namentlich gegen Sturmcolonnen von Werth seyn.
                           Stuttgart, 26. August 1870.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
