| Titel: | Ueber die Verwendung einiger Fluorverbindungen in der Glastechnik, besonders zur Darstellung von mattem Glase für photographische Zwecke; von E. Siegwart in Stollberg bei Aachen. | 
| Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LX., S. 223 | 
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                        LX.
                        Ueber die Verwendung einiger Fluorverbindungen in
                           								der Glastechnik, besonders zur Darstellung von mattem Glase für photographische Zwecke;
                           								von E. Siegwart in
                           									Stollberg bei Aachen.
                        Siegwart, über Verwendung einiger Fluorverbindungen in der
                           								Glastechnik.
                        
                     
                        
                           Englische Glasfabrikanten stellten zuerst Versuche an, die wässerige Flußsäure
                              									(welche man in Gefäßen von Gutta-percha leicht versenden und aufbewahren
                              									kann) im Großen zur Verzierung von Fensterglas zu verwenden. Glastafeln wurden
                              									schwach erwärmt, mit einer Masse aus Wachs, Mastix, Asphalt und Terpenthinöl
                              									überzogen, und mit einem Stifte die Zeichnung aus der deckenden Schicht bis auf die blanke Oberfläche des
                              									Glases ausradirt. Sodann wurde die verdünnte Flußsäure aufgegossen und je nach der
                              									Concentration der Säure kürzere oder längere Zeit darauf gelassen.
                           Ein anderes Verfahren besteht darin, eine Zeichnung mit dick gekochtem Leinöl auf
                              									Uebertragpapier anzufertigen, diese auf Glas abzuklatschen, den Abdruck nöthiger
                              									Weise mit Asphalt und Mastixpulver zu verstärken und erwärmt zu ätzen.
                           Man kann auf diese Art auch Zeichnungen in Tuschmanier hervorbringen. Die Glasscheibe
                              									wird vorher mit Schlämmkreide und Weingeist gereinigt, dann das Bild mit einem
                              									fetten Copallack, welchen man mit ausgeglühtem Kienruß schwärzt, aufgetragen, und
                              									mit der Nadel nachgeholfen. Größerer Bequemlichkeit wegen erleuchtet man von unten,
                              									indem man das Glas auf ein durchbrochenes, unter einem Winkel von 45° gegen
                              									das Fenster geneigtes Pult legt. Nach Vollendung der Zeichnung wird mit flüssiger
                              									Flußsäure, deren Stärke man genau kennen muß, geätzt.
                           Keßler führte in Frankreich ein neues Aetzverfahren ein.
                              									Er verwendete zuerst zum Bedecken des Glases mit Aetzgrund die lithographische
                              									Presse, wodurch es Jedem in die Hand gegeben ist, beliebige Zeichnungen in großer
                              									Anzahl auf Glas zu übertragen und darauf einzuätzen. Er setzte einen vorzüglichen
                              									Deckgrund zusammen, vervollkommnete das Mattätzen und veröffentlichte einige
                              									interessante Notizen über die Einwirkung der Fluorverbindungen auf Glas.Polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXV S. 222.
                              								
                           In der letzten Zeit hat man, um dem Publicum wieder etwas Neues zu bieten, das Aetzen
                              									mit verschiedenen Alkalifluoriden versucht, wodurch zum Theil schon matte Aetzungen
                              									erzielt werden. Keßler verwendet das Fluorammonium, eine
                              									Verbindung die schon Berzelius als ausgezeichnetes Mittel
                              									zum Glasätzen empfahl.
                           Im Jahre 1866 veröffentlichten Tessié du Mothay und
                              										Maréchal das Recept zu ihrem vorzüglichen Bade
                              									zum Mattätzen.Polytechn. Journal Bd. CLXXXI S.
                                       											213. Ihre Vorschrift lautet: 250 Grm. krystallisirtes fluorwasserstoffsaures
                              									Fluorkalium löst man in 1000 Kubikcentimet. Wasser, fügt dann 250 Kubikcentimet.
                              									Salzsäure, sowie 140 Grm. schwefelsaures Kali unmittelbar vor der Verwendung hinzu,
                              									und bringt die zu ätzenden Gegenstände in diese Flüssigkeit.
                           Einfacher noch und vortheilhafter gelangt man mit folgendem Bade zum Ziele: 8 Th.
                              									Alkalifluorid in 100 Th. Wasser gelöst und mit 1 Th. Schwefelsäure versetzt. Das Salz wird in ein
                              									Bleigefäß gegeben, mit dem vorgeschriebenen Wasser übergossen und nach vollständiger
                              									Lösung in eine flache Bleischale filtrirt. Statt Bleigefäße könnte man auch
                              									vortheilhaft Holzgefäße, die inwendig mit Deckgrund gut bestrichen sind, anwenden.
                              									Vor dem Gebrauche des Bades setzt man die Schwefelsäure zu; man legt dann die sehr
                              									gut gereinigten Glasgegenstände hinein, und zwar so, daß die Flüssigkeit überall mit
                              									den zu ätzenden Flächen in Berührung kommt. Das Reinigen bewerkstelligt man
                              									gewöhnlich in einem vorhergehenden Bade, bestehend aus einer concentrirten Lösung
                              									von doppelt chromsaurem Kali und englischer Schwefelsäure, wodurch jede Spur von
                              									organischen Unreinigkeiten zerstört wird.
                           Einige Stunden genügen bei gewöhnlicher Temperatur, um nach diesem Verfahren ein
                              									schönes, schimmerndes Matt hervorzubringen. Läßt man das Bad etwas länger wirken, so
                              									wird das Korn etwas gröber, kommt aber mit einer zarten Kieselsäureschicht bedeckt
                              									aus dem Bade, die jedoch so wenig haftet, daß sie sich schon beim Erwärmen lostrennt
                              									und abschuppt. Sollte sich dieses zarte Häutchen nicht überall loslösen, so nimmt
                              									man ein wenig concentrirte Natronlauge zu Hülfe.
                           Beim Mattätzen bildet sich nach Tessié du Mothay
                              									durch den Zusatz von Säure zu der Lösung von saurem fluorwasserstoffsaurem
                              									Fluorkalium eine eigenthümliche Verbindung, welche die Eigenschaft besitzt, das Matt
                              									hervorzubringen, und zwar soll das Matt durch die Unlöslichkeit des Fluorcalciums
                              									oder Fluorbleies bedingt werden. Keßler glaubt jedoch,
                              									daß die Aetzsalze eine ganz andere Rolle spielen. Dieselben sollen nämlich dazu
                              									dienen, auf der Oberfläche des Glases, wo sich die Flußsäure in
                              									Kieselfluorwasserstoffsäure verwandelt, ein schwer lösliches Alkalifluorid
                              									(Kieselfluorkalium) abzulagern, welches sich in Form von kleinen körnigen Krystallen
                              									fest an das Glas ansetzt und der Flußsäure gegenüber als Deckgrund dient.
                           Will man eine glänzende Zeichnung auf mattem Glase darstellen, so bedeckt man alle
                              									diejenigen Stellen welche glänzend bleiben sollen, mit einem Deckgrund der aus 6 Th.
                              									Stearin, 9 Th. Asphalt, 1 Th. Wachs und 13 Th. Terpenthinöl zusammengesetzt ist,
                              									läßt dann vollständig trocknen, erwärmt auf etwa 60° C., um die Adhärenz des
                              									Firnisses zum Glase zu vervollständigen, und bringt den Glasgegenstand, nachdem er
                              									wieder kalt geworden ist, in das Aetzbad.
                           Nach der Einwirkung der Fluorverbindung auf die nicht reservirten Stellen spült man
                              									mit Wasser ab, und entfernt den Deckgrund durch Abkratzen oder mittelst
                              									Terpenthinöl.
                           Gute Effecte erzielt man mittelst der wässerigen Flußsäure auf matten Gründen, wodurch ein
                              									Glanz hervorgebracht wird, der den gewöhnlichen Glasglanz bedeutend übertrifft.
                              									Andere zahlreiche Abänderungen lassen sich mit Leichtigkeit bewerkstelligen.
                           Die Resultate welche man bisher schon mit der Flußsäure und den Fluorsalzen erzielt
                              									hat, lassen keinen Zweifel übrig, daß sie bald dem Schleifrade bedeutende Concurrenz
                              									machen und namentlich wo es sich darum handelt, feine Glasverzierungen oder große
                              									matte Flächen hervorzubringen, dasselbe ganz verdrängen werden. (Photographisches
                              									Archiv, 1870 S. 304.)