| Titel: | Ueber Beschleunigung der Exposition in der Camera obscura, der Photographen mittelst Anwendung von rothem Licht, nach Carey Lea. | 
| Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LXXV., S. 265 | 
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                        LXXV.
                        Ueber Beschleunigung der Exposition in der Camera obscura, der Photographen mittelst Anwendung von
                           								rothem Licht, nach Carey
                              									Lea.
                        Lea, über Beschleunigung der Exposition in der Camera der
                           								Photographen.
                        
                     
                        
                           Der Vorschlag, das Bild der Camera obscura durch
                              									Hinzulassung von Nebenlicht zu modificiren, gewinnt mehr und mehr Beachtung.
                           Die Idee, diffuses Nebenlicht auf das Bild in der Camera strömen zu lassen, ist
                              									bekanntlich nicht neu. Weiß gestrichene Camera's waren vor mehr als 15 Jahren schon
                              									im Gebrauch, und Gage ließ sich, wenn ich nicht irre, ein
                              									Verfahren patentiren, welches darin bestand, daß er vor oder nach Anfertigung des
                              									eigentlichen Bildes noch einige Momente auf einen schwarzen Sammetstoff
                              									exponirte.
                           Blair rief den weißen Anstrich wieder in's Leben; aber
                              									einen viel wichtigeren Beitrag zu unseren Kenntnissen verdanken wir Constant Delessert, der die Wirkung des Nebenlichtes
                              									vortheilhafter und sicherer dadurch verwerthete, daß er dasselbe durch
                              									ausgeschnittene Pappstückchen abgrenzte und nur einzelnen Partien des Bildes zu Gute
                              									kommen ließ. Seine Bestrebungen waren mehr auf das Portraitfach gerichtet. Demnächst
                              									war es Bazin, der in der Front seiner Camera rothe Zellen
                              									anbrachte und sich so die eigenthümlichen Vortheile des rothen Lichtes dienstbar
                              									machte.
                           Mein eigener Antheil an der Sache besteht darin, daß ich das Princip eines nur partiellen Gebrauches des rothen Lichtes anstatt
                              									eines allgemeinen durchführte, indem ich rothe
                              									Papierstreifen von bestimmt abgegrenzter Form in die Camera einschaltete. In Bazin's Camera fiel das rothe Licht auf das ganze oder
                              									doch fast ganze Bild, jedenfalls ein ungenaues Verfahren. Es
                                 										ist von der größten Wichtigkeit, daß das Nebenlicht da arbeitet, wo man es
                                 										braucht, nicht da, wo es überflüssig ist. Demgemäß habe ich versucht die
                              									Grundsätze aufzustellen, welche uns bei der Benutzung dieses für Landschafter so
                              									wichtigen Hülfsmittels leiten sollen. Ich bin zu folgenden Schlüssen gekommen: Eine
                              									rothe Masse, die das ganze Innere der Camera bedeckt, ist nicht zu empfehlen, eine
                              									weiße ist noch schlechter. Jedes Mittel, das übermäßig starke Licht des Himmels auch
                              									auf die anderen Theile des Bildes zu werfen, verdirbt dieses. Man würde Schleier und
                              									Flauheiten erhalten. Daher muß das rothe Papierstreifchen nur im oberen Theil der Camera angewandt
                              									werden, nach unten zu nur soweit es der Gegenstand erlaubt, an der dem Himmel
                              									entgegenstehenden unteren Partie der Camera aber in keinem Falle. Um dieß zu
                              									erreichen, kniffe ich einen entsprechenden Streifen weißen Cartons zweimal, und
                              									bringe ihn so in die Camera, daß sein mittlerer Theil sich dem oberen Theil
                              									derselben anschließt, die beiden Seitentheile aber sich an die Wände der Camera
                              									anlegen, während sie auf deren unterem Theil aufstehen. Diese Seitentheile sind in
                              									einer Weise schräg zulaufend geschnitten, daß sie da, wo sie den Boden berühren,
                              									etwa einen Zoll breit sind. Die Innenseite des Pappstreifchens ist durch eine dünne
                              									Carminlösung, der eine Spur Ammoniak hinzugefügt ist, blaß rosa gefärbt. Die unteren
                              									Partien der Seitentheile, die etwa dem Himmel im Bilde gegenüberliegen, sind mit
                              									Tinte geschwärzt. Da nun der Himmel auf beiden Seiten der Landschaft im Allgemeinen
                              									nicht gleich hoch liegt, so habe ich die eine Seite des Pappstreifens zu zwei
                              									Drittheilen, die andere zu circa einem Dritttheil
                              									geschwärzt. Beide können mit jeder Seite der Camera in Verbindung gesetzt werden,
                              									indem man sie, wenn es nöthig ist, herausnimmt und umdreht.
                           In dieser Weise benutzt, habe ich die Vorrichtung sehr praktisch gefunden. Wenn der
                              									Vordergrund schlecht beleuchtet ist, leistet das rothe Pappstreifchen wesentliche
                              									Hülfe, ebenso wenn auf der Seite des Bildes sich größere Laubmassen befinden, die
                              									nur wenig und unvollkommen beleuchtet sind. Andererseits jedoch wäre es unnütz, da
                              									eine Beschleunigung der Exposition herbeiführen zu wollen, wo es sich um lichte
                              									Vordergründe und gleichmäßig starke Beleuchtungen handelt; so habe ich wenigstens
                              									die Sache auf Grund zahlreicher Erfahrungen erkannt. Ich führe bei meinen
                              									photographischen Excursionen stets passende Pappstreifen mit mir, da ich nur ungern
                              									eine Sache entbehren würde, die ich als eine sehr nützliche Hülfe erprobt habe.
                           Die neueste Untersuchung über diesen Gegenstand rührt von Griswold her. Es ist die Idee einer durchscheinenden Blende, eines
                              									Diaphragma's. Diese Methode ist passend, aber da sie ebenfalls das Licht auf das ganze Bild vertheilt, so habe ich sie nicht angewandt;
                              									ich kann durch meine Pappkarten das Nebenlicht für einzelne Theile des Bildes
                              									abstimmen, und dieß ist meiner Meinung nach der Hauptanziehungspunkt der ganzen
                              									Sache, besonders wo es sich bei Augenblicksbildern um sehr kurze Expositionen
                              									handelt.
                           Ganz gut ist es, für alle Fälle noch einige schwarze Extrastreifchen in Bereitschaft
                              									zu haben, wenn irgend eine Seite des Bildes hell genug ist, um auch ohne Hülfe der
                              									rothen Pappe fertig zu werden, dann kann man diese schwarzen Streifchen über die rothen setzen und
                              									diese total abdecken.
                           Wenn diese Methode also gut angewandt wird, so kann ich auf Grund meiner zahlreichen
                              									Erfahrungen ihre Nützlichkeit bestätigen. Sie gibt nicht, wie man wohl vermuthen
                              									könnte, Schleier und Nebel. Ich hoffe, sie wird in Zukunft von vielen Photographen
                              									benutzt werden.
                           Ganz anders aber verhält es sich mit weißem Licht. Angenommen, eine schwach
                              									beleuchtete Partie des Objectes empfängt ein Licht welches verglichen mit den
                              									hellsten Theilen desselben, etwa im Verhältniß von 1 : 50 steht, während andere
                              									Stellen im Schatten gar kein Licht empfangen, die durch 0 dargestellt werden
                              									könnten.
                           Nun wollen wir annehmen, daß dieses Licht vom Werth 1 noch so schwach ist, daß es
                              									nicht der Entwickelung fähig ist; dann ist es augenscheinlich, daß diese Partien als
                              									absolute Schatten wirken müssen, die der Details ermangeln werden. Lassen wir nun
                              									ein schwaches Licht auf das ganze Bild ausströmen, das ebenfalls einen Werth von nur
                              									1 hat, so wird sich zwar das ganze Verhältniß ändern (1 : 2 : 51); aber unter der
                              									gleichbleibenden Voraussetzung, daß die Details von 1 noch nicht entwickelungsfähig
                              									waren, wird die Wirkung der Schatten dieselbe bleiben, während eine Verstärkung des
                              									Lichtes von 50 auf 51 in der Natur nicht merkbar ist. Die dazwischen liegenden
                              									Werthe werden im Verhältniß zu einander dieselben bleiben.
                           Jedenfalls also kommt hier die Aufstellung allen Theilen zu Gute, nur kann man unglücklicherweise die Quantität des hinzugelassenen
                                 										Nebenlichtes nie genau controlliren; hat man zu wenig, so wirkt es
                              									überhaupt nicht, hat man zu viel, so bekommt man graue Schatten.
                           Mit reinem rothen Licht dagegen ist die Sache total anders. Hiermit verstärken wir die Wirkung der Lichter, ohne die absoluten Schatten
                                 										anzugreifen, wir verstärken also die Details. Während somit das weiße Licht
                              									weiche, aber flaue Bilder gibt, liefert das rothe weiche und brillante Effecte. Und
                              									wenn wir ferner die Wirkung des letzteren localisiren, so bekommen wir Harmonie und
                              									Weichheit, vermeiden Härten und Leeren, überhaupt jene fatalen Bilder, deren
                              									Schatten nicht herauskommen wollen, während die Lichter schon überexponirt sind.
                              									(Photographische Mittheilungen, 1870, Nr. 82.)