| Titel: | Ueber Darstellung und Prüfung des Chloralhydrats; von Dr. Emil Jacobsen. | 
| Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. CVII., S. 410 | 
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                        CVII.
                        Ueber Darstellung und Prüfung des Chloralhydrats;
                           								von Dr. Emil
                              								Jacobsen.
                        Jacobsen, über Darstellung und Prüfung des
                           								Chloralhydrats.
                        
                     
                        
                           Nach den bisher über die Bereitung dieses Präparates veröffentlichten Mittheilungen
                              									wird entweder das Chloralhydrat direct aus dem Alkohol dargestellt, oder man stellt
                              									zuerst das wasserfreie Chloral und aus diesem durch Zusatz von 1 Aeq. Wasser das
                              									Hydrat dar. O. Liebreich, der Entdecker der hypnotischen
                              									Wirkung des Chlorals, erwähnt nur, daß Liebig's Darstellungsweise (Einleiten von Chlor in absoluten Alkohol
                              									u.s.w.) der von Staedeler angegebenen (Einwirkung von
                              									Salzsäure und Braunstein auf Stärkemehl u.s.w.) vorzuziehen sey. Müller und Paul
                              									Polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCVI S. 482. leiten gut getrocknetes Chlor in einen langen, engen, mit absolutem Alkohol
                              									gefüllten Kolben unter allmählicher Erwärmung zuerst auf 30° Cels., dann auf
                              									60°, zuletzt und während sechs Tagen allmählich steigend auf 100° C.,
                              									und zwar so lange, bis der Kolbeninhalt zu einem Krystallbrei erstarrt ist.
                              									Letzterer wird wiederholt geschmolzen und schließlich destillirt. Reagirt das
                              									Destillat noch sauer, so wird es nochmals über Kreide destillirt; krystallisirt es
                              									wegen seines Wassergehaltes nicht, so destillirt man es nach Zusatz von etwas, bei
                              									150° getrocknetem Chlorcalcium. Das Einleiten des Chlors während der letzten
                              									beiden Tage – bei welchem viel Chlor unabsorbirt fortgeht – vollendet
                              									nicht nur die Reaction, sondern treibt auch die Salzsäure aus dem Producte aus.
                           J. Thompsen
                              									Polytechn. Journal, 1869, Bd. CXCIV S. 523. leitet in ähnlicher Weise Chlor in absoluten Alkohol, unterbricht den
                              									Chlorstrom wenn die Flüssigkeit sich gelb färbt und kein Chlor mehr absorbirt wird,
                              									läßt zur Entfernung der gebildeten Salzsäure die Flüssigkeit längere Zeit sieden,
                              									sättigt mit Kreide und unterwirft die neutralisirte Flüssigkeit in einer anderen
                              									Retorte über Chlorcalcium einer fractionirten Destillation, indem er das Destillat,
                              									welches bei 110 bis 115° C. übergeht, für sich aufhebt. Der flüchtigere Theil
                              									wird nochmals rectificirt. Das Destillat wird vom Wasserüberschuß durch Destillation
                              									über Chlorcalcium befreit. Die Ausbeute nach dieser Methode ist 135 bis 140 Procent
                              									an Chloralhydrat vom Gewichte des Alkohols, und der Chlorverbrauch das 4- bis
                              									5fache des Alkohols.
                           RoussinPolytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 149. kühlt den mit Chlor gesättigten Alkohol auf 0° ab, preßt den dann
                              									entstandenen Krystallbrei stark ab und destillirt über Kreide. Ueber die Ausbeute,
                              									wie über den Siedepunkt des von ihm gewonnenen Chloralhydrats macht Roussin Angaben, die wesentlich von denen anderer
                              									Darsteller abweichen; den Siedepunkt setzt er auf 145° C., während Thompsen für denselben 115° C., Personne 96 bis 98° C. fand.Polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 350.
                              									Personne wies nach, daß Roussin's Präparat Chloralalkoholat enthielt.
                              										Personne gewann, indem er aus dem Rohproduct zuerst
                              									das Chloral durch Schwefelsäure abschied und es dann hydratisirte, 185 Procent
                              									Chloralhydrat vom angewandten Alkohol.
                           Die abweichenden Resultate, welche die verschiedenen Darsteller des Choralhydrats
                              									erhielten, haben ihren Grund hauptsächlich in der verschiedenen Dauer der Einwirkung
                              									des Chlors auf den Alkohol; als intermediäres Product bildet sich Chloralalkoholat,
                              									welches durch fortgesetztes Einleiten von Chlor in Chloral umgebildet wird. Die
                              									genaue Regulirung der Temperatur ist natürlich auch von Einfluß auf die Menge der
                              									gechlorten Nebenproducte, das Licht nicht ohne Einfluß auf den Gang des Processes
                              									und die Reinheit des Chloralhydrats. Im Handel ist wiederholt ein mehr oder weniger
                              									Alkoholat haltiges Chloralhydrat vorgekommen, und da erwiesen ist, daß das Alkoholat
                              									andere Wirkungen auf den Organismus als das Chloralhydrat äußert, so erklären sich
                              										daraus die
                              									verschiedenen Beobachtungen der Aerzte über die Wirkungsweise des neuen
                              									Schlafmittels. In Geschmack, Geruch und äußerem Ansehen sind sich Chloralhydrat und
                              									Chloralalkoholat sehr ähnlich; zur Unterscheidung beider Körper dienen folgende
                              									Reactionen: erhitzt man in einem Reagenscylinder das Hydrat mit circa dem doppelten Volumen Wasser, so löst es sich
                              									sofort auf, während unter gleichen Umständen das Alkoholat ohne sich zu lösen
                              									schmilzt und beim Erkalten unter dem Wasser wieder krystallinisch erstarrt. Erwärmt
                              									man das Alkoholat mit Schwefelsäure, so bräunt es sich
                              									unter Abscheidung von Chloral, beim Hydrat tritt keine Färbung ein. Das Alkoholat
                              									mit Salpetersäure von 1,2 spec. Gewicht erwärmt, entwickelt stürmisch gelbe Dämpfe,
                              									das Hydrat erleidet fast keine Einwirkung durch genannte Säure. Nach Hager lassen sich geringe Mengen Alkohol in Chloralhydrat
                              									leicht und sicher durch die Lieben'sche
                              										JodoformprobeNach Untersuchungen von A. Lieben ist die Bildung
                                    											des Jodoforms die empfindlichste Reaction zur
                                    											Auffindung des Alkohols. In dem einfachsten
                                    											Falle, wenn es sich darum handelt, Alkohol in wässeriger Lösung
                                    											nachzuweisen, erwärmt man dieselbe (indem man es vermeidet, sie zum Sieden
                                    											zu erhitzen) in einem Probirrohr und trägt einige Körnchen Jod und wenige
                                    											Tropfen Kalilauge (so viel als zur Herstellung einer farblosen Lösung
                                    											erforderlich ist) in die warme Flüssigkeit ein. Wenn die Menge Alkohol nicht
                                    											zu gering ist, erfolgt sogleich eine Trübung und es bildet sich ein
                                    											citrongelber, aus mikroskopischen Krystallen bestehender Niederschlag von
                                    											Jodoform. Es ist im Allgemeinen zweckmäßig, einen Ueberschuß von Kali
                                    											relativ zum Jod zu vermeiden. erkennen.
                           Daß bei der Darstellung des Chloralhydrats im Großen leichter ein reineres Präparat
                              									erhalten werden kann, wird denjenigen welche mit der Fabrication ähnlicher Artikel
                              									vertraut sind, begreiflich erscheinen. Die Fabrik von G. Schering in Berlin, zur Zeit auf eine Tagesproduction von einem Centner Chloralhydrat eingerichtet, liefert ein Präparat
                              									bei welchem die Lieben'sche Probe keine Spur von
                              									Alkoholat anzeigt. Ein Versuch, Chloralhydrat in Aether umzukrystallisiren, mißlang
                              									mir, das rückständige Chloralhydrat blieb flüssig; anscheinend war es hierdurch
                              									zersetzt worden.
                           Der von mir, bald nach Liebreich's Entdeckung gemachte Vorschlag, kleine Dosen von
                              									Chloralhydrat als Mittel gegen Seekrankheit zu versuchen,
                              									hat Dr. O. Schür in Stettin
                              									veranlaßt, Pastillen mit geringem Gehalt an Chloralhydrat anzufertigen, und in
                              									Nordamerika soll augenblicklich ein „Chloralliqueur“ für gleiche Zwecke Verwendung finden. Der
                              									ebendaselbst beliebte „Schlummerpunsch“ mit Choralhydrat dürfte leicht unter den
                              									dortigen Bauernfängern als Panacee für die „Grünen“ zur Geltung
                              									kommen.
                           Von großer Wichtigkeit kann die Darstellung von Chloroform
                              									aus dem Chloralhydrat
                              									werden, da das aus letzterem gewonnene Chloroform chemisch
                                 										rein ist und sich im Sonnenlichte nicht zersetzt, was nur ausnahmsweise für
                              									käufliches, auf gewöhnliche Weise hergestelltes Chloroform gilt und zu beweisen
                              									scheint, daß das gewöhnliche Chloroform ein Gemisch verschiedener gechlorter
                              									Producte ist. Da von einigen Fabriken Aldehyd haltiger Rohspiritus zur
                              									Chloroformdarstellung benutzt wird, so ist es wahrscheinlich, daß dadurch der
                              									kürzlich von Kraemer und Pinner aus dem Crotonchloral (erhalten durch Einwirkung von Chlor auf
                              									Aldehyd) durch Alkalien frei gemachte chloroformähnliche Körper (Allylchloroform),
                              									welcher sich durch außerordentlich leichte Zersetzbarkeit und beständiges Abspalten
                              									von Salzsäure auszeichnet, gebildet wird, eine Verunreinigung welche die leichte
                              									Zersetzbarkeit vieler Chloroformsorten erklären würde. Die Wichtigkeit dieses
                              									Gegenstandes erforderte die volle Aufmerksamkeit der Chloroformfabrikanten auf
                              									diesen Punkt; für medicinische Zwecke dürfte es schon jetzt gerathen seyn, nur das
                              									aus Chloralhydrat dargestellte Chloroform zur Anwendung zu bringen. (Aus des
                              									Verfassers: chemisch-technischem Repertorium, 1869, 2. Halbjahr, S. 100.)