| Titel: | Ueber das chinesische Grün (Lo-kao); von P. Champion. | 
| Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. CXXXV., S. 505 | 
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                        CXXXV.
                        Ueber das chinesische Grün (Lo-kao); von
                           									P.
                              								Champion.
                        Aus dem Moniteur de la teinture, April 1870, S.
                              								80.
                        Champion, über das chinesische Grün.
                        
                     
                        
                           Die Fabrication des chinesischen Grüns ist mehrmals beschrieben worden und man findet
                              									in der von Natalis Rondot auf Veranlassung der Lyoner
                              									Handelskammer veröffentlichten BrochüreRondot, Natalis, Notice du vert de Chine et
                                       												de la teinture an vert chez les Chinois. Suivie d'une étude des
                                       												propriétés chimiques et tinctoriales du lo-Kao, par
                                       												J.Persoz; et de recherches sur la matière colorante
                                       												des nerpruns indigènes par A. F.Michel, ParisLahmeetComp. 1858. Imprimé par ordre de la chambre de commerce de Lyon. Ein
                                    											von Professor Bolley
                                    											bearbeiteter Auszug dieser Brochüre wurde im Jahrg. 1859 des polytechn.
                                    											Journals, Bd. CLI S. 288
                                    											mitgetheilt; Wagner's
                                    											Jahresbericht über die Fortschritte der chemischen Technologie für 1858, S.
                                    											447. – Im polytechn. Journal, 1862, Bd. CLXVI S. 216 wurden Prof.
                                    												Bolley's
                                    											Beobachtungen über das Lo-kao auf der Londoner
                                    											Welt-Ausstellung mitgetheilt. alle über diesen Gegenstand erschienenen Documente; da sich aber diese
                              									Documente oft widersprechen, so war es nöthig, dieselben einer Controlle zu
                              									unterwerfen. Wir theilen nachstehend mit, was Champion in
                              									seinem Werke „Les industries de l'Empire
                                    											chinois“ über diese Fabrication sagt, welche er an Ort und
                              									Stelle in allen ihren Details zu verfolgen im Stande war.
                           Zuerst wird die RindeHauptsächlich von Rhamnus utilis und chlorophorus nach Decaisne. in Stücke zerschnitten, zwischen denen sich fast stets kleine Theile von
                              									anhaftendem Holze finden; denn anstatt die Rinde einfach abzuschälen, trennen die
                              									Chinesen dieselbe mittelst eines Messers ab, wobei zugleich Zweigtheile
                              									abgeschnitten werden. Gewöhnlich werden zur Gewinnung des Farbstoffes zwei oder
                              									selbst drei verschiedene Rindenspecies verwendet. Die Rindenstückchen werden in
                              									einen Kessel gebracht, welcher aus einer gußeisernen Pfanne besteht, auf die ein mit
                              									Bambusrohr bereifter Kübel gestellt wird. Man füllt die Pfanne, deren oberer Theil
                              									das Niveau des Ofens erreicht, fast gänzlich mit Rinde und gewöhnlichem Wasser an.
                              									Das Ganze wird mehrere Stunden lang im Kochen erhalten, um die Rinde möglichst
                              									vollständig zu erschöpfen. Dann füllt man die Flüssigkeit nebst der Rinde in große
                              									irdene Krüge und läßt diese bis zum anderen Morgen ruhig stehen. Dieses Auskochen
                              									wird gewöhnlich Morgens vorgenommen.
                           Soll nun die Farbebrühe angewendet werden, so wird sie von der Rinde mittelst
                              									Abtropfkörben aus Bambusrohr in Krüge abgeseiht; in diesen versetzt man sie mit
                              									einer schwachen Auflösung von kohlensaurem Natron, welches durch Calciniren und
                              									Ablaugen von Oelkuchen gewonnen wird. Dieses im Handel in großen Krystallen
                              									vorkommende kohlensaure Natron ist unrein, aber zu sehr billigen Preisen zu
                              									beziehen. Die an sich schon braune Flüssigkeit nimmt auf den Zusatz des Alkalis eine
                              									noch dunklere Färbung an; in diesem Zustande kommt sie zur Verwendung.
                           Die so bereitete Farbebrühe wird in Eimern auf die umliegenden ausgedehnten, mit
                              									reichlichem Graswuchse bedeckten Wiesen transportirt.
                           Dann werden mehrere Meter lange und 30 bis 40 Centimeter breite Stücke Baumwollzeug
                              									in die Flüssigkeit getaucht, nach einiger Zeit aus derselben herausgenommen und nach
                              									dem Abtropfenlassen auf dem Grase ausgebreitet.
                           Man muß hierzu eine weder zu heiße, noch zu kalte Witterung auswählen, widrigenfalls
                              									die Operation mißlingt. Wir haben dieselbe im Juni von vier und einhalb Uhr Morgens
                              									bis gegen acht Uhr ausführen gesehen; später würde der Sonnenschein zu stark werden
                              									und das Product verderben. Um die Mitte des gedachten Monats hört die Arbeit auf,
                              									weil alsdann die Hitze für die Fortsetzung der Fabrication zu stark wird.
                              									Wahrscheinlich erleidet der Farbstoff durch die Einwirkung der Feuchtigkeit und des
                              									Lichtes eine Oxydation, in Folge deren er sich ziemlich dunkelgrün färbt; man wird
                              									überrascht, wenn man die Wiesen wieder betritt, auf denen man einige Stunden vorher
                              									die mit einer bläulichen Lösung imprägnirten Baumwollstücke ausbreiten sah und nun
                              									dieselben mit der charakteristischen Farbe des chinesischen Grüns wiederfindet.
                              									Sobald die Zeugstücke trocken geworden sind, werden sie von Neuem in die Brühe
                              									getaucht und wiederum auf dem Grase ausgebreitet. Diese Operation wird oft
                              									zehn- bis fünfzehnmal wiederholt, bis der Stoff die gewünschte Nüance
                              									angenommen hat. Hierauf werden die Zeugstücke zusammengerollt und an andere
                              									Fabrikanten verkauft, welche aus denselben das Chinesisch-Grün extrahiren und
                              									dieses Product direct in den Handel bringen. Diese Fabrikanten, gewöhnlich
                              									Eigenthümer des Baumwollstoffes, bezahlen einen festen Preis für das Färben eines
                              									jeden Stückes; in diesem, wie in den meisten chinesischen Industriezweigen werden
                              									nämlich die verschiedenen, zur Erzeugung eines Productes erforderlichen Operationen
                              									durch verschiedene Industrielle ausgeführt.
                           Zur Extraction des auf der Oberfläche der Baumwollzeuge gebildeten Grüns (denn nur
                              									die den Sonnenstrahlen ausgesetzte und die directe Einwirkung des Lichtes
                              									empfangende Seite ist grün gefärbt, während die mit dem Grase in Berührung
                              									befindliche Seite bloß eine schwache Färbung zeigt) wird die Baumwolle in kochendes
                              									Wasser getaucht, bis das Grün sich ablöst; die auf diese Weise erhaltene Flüssigkeit wird zur Syrupsdicke
                              									eingedampft und der Rückstand auf Papierblättern ausgebreitet einem langsamen
                              									Trocknen an der Luft überlassen. Das chinesische Grün kommt im Handel in dünnen
                              									Blättern vor, die das wellige Ansehen von Papier zeigen, welches naß gewesen und
                              									dann rasch getrocknet worden ist. In manchen Theilen von China begnügt man sich, um
                              									schneller zum Ziele zu gelangen, in die Flüssigkeit, durch deren Verdampfung man das
                              									Grün erhält, zu wiederholten Malen dicke Baumwolldochte zu tauchen, welche sich mit
                              									der Substanz imprägniren und die man an der Luft trocknet. – Das chinesische
                              									Grün ist je nach der Beschaffenheit der benutzten Rinde und der auf die Fabrication
                              									verwendeten Sorgfalt, von mehr oder weniger guter Qualität. Der Verkaufspreis dieses
                              									Productes betrug im Jahre 1865 im Kleinhandel 225 Francs per Kilogramm.
                           Das Grün wird in China selbst fast ausschließlich zur Seidenfärberei verwendet; es ist zu theuer, als daß es auch zum Färben
                              									anderer Stoffe verwendet werden könnte, auf denen es übrigens, in China wenigstens,
                              									nicht sehr gute Erfolge gibt. Wir haben in unserer Gegenwart ein Stück weißen
                              									Seidenzeug färben lassen; das Verfahren dabei war folgendes:
                           Man läßt das Grün beiläufig eine Stunde lang in kaltem Wasser weichen, gießt dann das
                              									Wasser ab und zerreibt den Farbstoff in einem Porzellanmörser sorgfältig, bis die
                              									Masse ganz homogen geworden ist und keine harten Theilchen mehr enthält. Der zu
                              									färbende Seidenzeug wird mit Sorgfalt gewaschen und an der Sonne getrocknet. Hierauf
                              									wird in eine hölzerne Schüssel Wasser gegossen und mit einer geringen Menge
                              									Eisenvitriollösung versetzt; dann wird das auf die angegebene Weise zerriebene
                              									Chinesisch-Grün hinzugefügt. Zu diesem Gemisch gießt man heißes Wasser,
                              									welches längere Zeit mit einem Samen gekocht worden ist, von dem es ziemlich stark
                              									gelb gefärbt wird, dessen Natur uns aber unbekannt ist; im Chinesischen heißt
                              									derselbe Kive-ho.
                           Nach tüchtigem Umrühren der Farbebrühe wird der Seidenstoff mehrmals in dieselbe
                              									getaucht; dann breitet man auf einem Tische ein Stück Leinwand aus und schlägt den
                              									Seidenzeug, während man ihn an einem Ende festhält, kräftig auf die Leinwand;
                              									darnach taucht man ihn wieder in die Färbeflotte, schlägt ihn wieder auf die
                              									Leinwand, und wiederholt dieses Verfahren mehrere Male, bis die gewünschte Nüance
                              									erreicht ist. Die gefärbten Stücke werden im Schatten zum Trocknen aufgehängt und
                              									können dann in Wasser gewaschen werden, ohne daß man eine Veränderung der auf dem
                              									Stoffe fixirten Farbe zu befürchten hat. Die Chinesen behaupten, man müsse nach dem ersten Waschen
                              									der gefärbten Waare dafür sorgen, daß dieselbe vollständig trocken werde, weil man
                              									sonst kein befriedigendes Resultat erhalte.
                           Die in dieser Weise gefärbten Stoffe werden, bevor sie in den Handel kommen, mittelst
                              									einer steinernen Walze kalandert, welche die Chinesen mittelst ihrer Füße auf einer
                              									mit ein wenig Pelawachs eingeriebenen krummen Fläche bewegen; dadurch erhalten sie
                              									Glanz; die directe Berührung des Stoffes mit dem Steine wird hierbei mittelst dicker
                              									Lederscheiben verhindert.
                           Wir haben in der Gegend von Han-Keon fünf Fabriken von Chinesisch-Grün
                              									gesehen: drei in Agnan, einer Vorstadt von Han-Keon, und zwei in Ou Tchang,
                              									der Residenz des Vicekönigs. In allen diesen Etablissements sahen wir genau dasselbe
                              									Verfahren befolgt.