| Titel: | Kochen von Leinöl für Firnisse, nach C. W. Vincent. | 
| Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XXI., S. 65 | 
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                        XXI.
                        Kochen von Leinöl für Firnisse, nach C. W. Vincent.
                        Vincent, über Kochen von Leinöl fur Firnisse.
                        
                     
                        
                           Das Kochen von Leinöl für die Firnißfabrication führt C. W. Vincent in London, wie er in einem längeren Vortrag in der Society of Arts auseinandersetzte (mitgetheilt in Chemical News, vol. XXIII p. 197, 207; April und Mai
                              									1871), seit einer Reihe von Jahren mit großem Vortheil mittelst Dampf aus. Der
                              									hierbei angewendete Kessel ist am besten von Kupfer, mit kreisförmigem Querschnitt;
                              									seine Tiefe ist etwa dem Durchmesser gleich und der Boden abgerundet. Auf seine
                              									halbe Höhe ist der Kessel mit einem eisernen Mantel umgeben; in den Zwischenraum
                              									zwischen beiden wird Dampf eingelassen. Der Kessel, sowie der Mantel müssen einen
                              									Dampfdruck von 40 Pfd. pro Quadratzoll aushalten können.
                              									Die obere Mündung des Kessels ist durch einen aufgenieteten Dom verschlossen, der
                              									mit einem Mannloch versehen ist. Durch eine Stopfbüchse in der Mitte des Domes sind
                              									zwei verticale concentrische Wellen hindurchgeführt, von denen die eine natürlich
                              									hohl ist. Beide erhalten durch Betrieb von Außen drehende Bewegung, und zwar jede in
                              									anderer Richtung. Sie tragen an dem im Kessel befindlichen Theile Rührschaufeln,
                              									welche somit ein eiuein sehr vollständiges Durcheinandermischen der im Kessel enthaltenen Masse
                              									bewirken. Auf der einen Seite des Domes befindet sich eine Erhöhung, von welcher ein
                              									dreizölliges Rohr nach der Feuerung des Dampfkessels führt. Beim Betrieb ist
                              									sorgfältig auf vollständige Dichtheit aller Fugen zu sehen. Auf diese Weise wird der
                              									Uebelstand vermieden, welcher das Sieden von Leinöl bei der gewöhnlichen Einrichtung
                              									so gefährlich und unangenehm für die Nachbarschaft macht, nämlich der, daß
                              									übelriechende, leichtentzündliche Dämpfe unverbrannt in die Atmosphäre entweichen.
                              									In den unteren Theil des Kessels wird durch den Dampfmantel hindurch ein Rohr
                              									eingeführt, durch welches gepreßte Luft eintritt.
                           Der Betrieb des Apparates ist nun folgender. Das auf einmal zu verarbeitende Leinöl
                              										(Vincent verwendet gewöhnlich 40 Ctr.) wird zuerst in
                              									einen großen Behälter gebracht, wo man es absetzen läßt. Die Einrichtung wird
                              									hierbei in der Art getroffen, daß, sobald die auf einmal zu verarbeitende Oelmenge
                              									aus dem Behälter in den Siedekessel abgelassen ist, ersterer sofort wieder gefüllt
                              									wird, so daß also dem Oele möglichst lange Zeit zum Abklären gelassen wird. Durch
                              									den Oelbehälter  wird der
                              									gebrauchte Dampf aus dem Siedekessel mittelst eines eisernen Schlangenrohres von
                              									1½ Zoll Durchmesser durchgeleitet; dieses Vorwärmen erspart einerseits Zeit
                              									beim Sieden und erleichtert andererseits das Absetzen der Unreinigkeiten. Ist das
                              									auf diese Weise auf ca. 35° C. vorgewärmte Oel in
                              									den Siedekessel eingepumpt, so wird hier Dampf mit vollem Druck eingelassen und das
                              									Rührwerk in Gang gesetzt. Nachdem der Dampfdruck im Kessel auf 35 Pfd. pro Quadratzoll gestiegen ist, wird die Luft zugelassen.
                              									Sofort tritt ein starkes Schäumen und Sieden unter bedeutender Volumvergrößerung
                              									ein, und die vorher dunkelbraune Masse wird hellgelb. Wird ein dunkler Firniß
                              									gewünscht, so werden die Trockenmittel, wie Bleiglätte etc., deren Wahl aber im
                              									Allgemeinen als Geschäftsgeheimniß angesehen wird, in Form von feinem Pulver mit Oel
                              									gemischt, durch einen mit Absperrhahn versehenen Trichter in dünnem Strahl in den
                              									Kessel gebracht, sobald das Oel durch seine ganze Masse gleichmäßig erwärmt ist, was
                              									gewöhnlich ½ Stunde nach Erreichung des Dampfdruckes von 35 Pfd. pro Quadratzoll der Fall ist. Die Menge der
                              									Trockenmittel beträgt nur etwa ¾ Pfd. pro Ctr.
                              									Oel, so daß auf gleichmäßige Vertheilung derselben große Sorgfalt verwendet werden
                              									muß. Nach dem Einbringen der Trockenmittel braucht nur darauf geachtet zu werden,
                              									daß der Dampfdruck nicht unter 30 Pfd. sinkt, womöglich aber auf 35 Pfd. erhalten
                              									wird, und daß die Luftpumpe, welche die Luft in den Kessel treibt, sowie das
                              									Rührwerk fortwährend im Betrieb bleiben. Die zur Oxydation einer bestimmten Oelmenge
                              									nöthige Luftmenge hat Vincent nicht festgestellt;
                              									thatsächlich erfordern einige Oelsorten mehr Luft als andere; gewöhnlich treibt man
                              									so viel Luft ein, als das Oel aufnimmt ohne zu spritzen und in das Abführrohr der
                              									Dämpfe mit überzutreten. Die abkühlende Wirkung, welche die Luft ausübt, ist weit
                              									geringer, als man erwarten sollte, zumal sich dieselbe auf ihrem Wege ansehnlich,
                              									gewöhnlich um ca. 11 bis 16° C., erwärmt. Nach
                              									etwa vierstündiger Behandlung kann das Oel in Behälter abgelassen werden, in denen
                              									es so lange bleibt, daß die Trockenmittel sich zum größten Theil absetzen können.
                              									Das Ablassen aus dem Kessel erfolgt durch ein zweizölliges Rohr in der Mitte von
                              									dessen Boden. Eine etwaige Verstopfung der Oeffnung dieses Rohres läßt sich meist
                              									dadurch beseitigen, daß man dasselbe mit dem Luftrohre in Verbindung bringt; im
                              									Nothfall muß man die Verstopfung mittelst einer langen dünnen Stange vom Obertheil
                              									des Kessels aus entfernen. Nur bei solchen Gelegenheiten und während der wenigen
                              									Minuten, welche das Ablassen des heißen Oeles erfordert, entwickeln sich Dämpfe,
                              									welche die Nachbarschaft belästigen können.
                           
                           Vincent bemerkt, daß die Einwirkung der Luft allein ein
                              									Oel nicht trocknend mache; er habe Leinöl drei Tage lang bei hoher Temperatur
                              									ununterbrochen unter Luftzutritt, aber ohne Trockenmittel gekocht und das so
                              									behandelte Oel habe genau dieselbe Zeit zum Trocknen gebraucht wie das rohe, aus dem
                              									es dargestellt war, dagegen sey seine Consistenz allerdings mehr die eines Firnisses
                              									als die eines Oeles gewesen. Cine andere Bemerkung Vincent's, welche Beachtung verdient, ist die, daß nach langer Erfahrung
                              									für gekochtes Oel, welches exportirt wird, namentlich wenn es unter einem Monat alt
                              									ist, ein Zusatz von rohem Oel — für eine dreimonatliche Reise z. B. etwa l
                              									Thl. auf 4 Thle. gekochtes — sehr zweckmäßig ist, um unangenehme
                              									Veränderungen der Farbe und der Eigenschaften zu verhüten. (Deutsche
                              									Industriezeitung, 1871, Nr. 24.)