| Titel: | Ueber die Extraction der thierischen Fette, wenn dieselben als Nahrungsmittel und zu kosmetischen Zwecken benutzt werden sollen; von Dr. H. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. LXVII., S. 254 | 
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                        LXVII.
                        Ueber die Extraction der thierischen Fette, wenn
                           								dieselben als Nahrungsmittel und zu kosmetischen Zwecken benutzt werden sollen; von Dr.
                           									H. Vohl in
                           									Cöln.
                        Vohl, über die Extraction der thierischen Fette.
                        
                     
                        
                           Die Darstellung der Speisefette aus den rohen Thierfettsubstanzen ist häufig mit
                              									vielen Schwierigkeiten verbunden und höchst umständlich. Es ist dieses besonders
                              									dann der Fall, wenn es sich darum handelt ein Product zu erhalten welches vollkommen
                              									frei von einem fremden Nebengeschmack ist und bei längerem Aufbewahren nicht ranzig
                              									wird. Das Ranzigwerden (es stammt her von rancidus und
                              									dieses von rancere, „stinkend
                                 									seyn“) der Speisefette kann von verschiedenen Ursachen herrühren. In den
                              									meisten Fällen wird dasselbe entweder durch einen Wassergehalt,  oder durch die Anwesenheit von
                              									stickstoffhaltiger thierischer Substanz bedingt. In beiden Fällen trägt die Methode
                              									des Ausschmelzens die Schuld.
                           Die Gewinnung der Speisefette geschieht gewöhnlich auf zweierlei Weise: das rohe
                              									Thierfett wird entweder unter Zusatz von Wasser bei
                              									verhältnißmäßig niedriger Temperatur ausgelassen, und das klare geschmolzene Fett
                              									abgeschöpft und unter Zusatz von reinem pulverisirtem Kochsalz entwässert; oder das
                              									zerschnittene Fett wird, nachdem es mit Wasser gewaschen worden ist, bei erhöhter Temperatur mit oder ohne Kochsalzzusatz ausgebraten.
                           Das nach der ersteren Methode gewonnene Speisefett hat stets einen mehr oder minder
                              									hohen Gehalt an thierischer Substanz (thierischem Leim
                              									und Faserstoff) und ist nie ganz frei von Wasser. Diese
                              									beiden Verunreinigungen bedingen aber ein sehr rasches Verderben, d. h. Ranzigwerden
                              									des Fettes. Die zweite Methode liefert stets ein Product welches nie frei von einem brenzlichen
                                 										Beigeschmack ist, es ist immer mehr oder minder gefärbt. Da die thierischen stickstoffhaltigen Verunreinigungen nur gering
                              									sind und sehr selten sich ein Wassergehalt zeigt, so widersteht ein so dargestelltes Speisefett dem
                              									Verderben weit besser.
                           Keine dieser Methoden liefert demnach aber ein Product welches allen Anforderungen
                              									entspricht.
                           Das Ranzigwerden beruht auf der Bildung theils flüchtiger theils fixer Fettsäuren,
                              									welche sowohl aus den Bestandtheilen des Fettes selbst (Glycerin) wie auch aus den
                              									im Fett enthaltenen thierischen stickstoffhaltigen Verunreinigungen (thierischem
                              									Leim und Faserstoff) durch Oxydation entstehen. Da Wasser diesen Proceß sehr
                              									unterstützt, so ist ein wasserhaltiges unreines Fett dem Ranzigwerden leichter
                              									unterworfen wie ein wasserfreies, und das durch Ausbraten gewonnene ist deßhalb
                              									haltbarer.
                           Eine Methode welche ein tadelloses Speisefett liefern soll, muß also diesen beiden
                              									Bedingungen Rechnung tragen.
                           Eine Methode nach welcher ein vorzügliches Speisefett erhalten werden kann, ist nun
                              									nachfolgende:
                           Das frische rohe Thierfett wird möglichst von den anhängenden fleischigen und
                              									häutigen Theilen befreit, und in dünne Scheiben oder kleine Würfel geschnitten.
                              									Alsdann wird dasselbe mit kaltem wo möglich kalkfreiem Wasser so lange gewaschen, bis dasselbe
                              									farblos abläuft und das Fett keine Bluttheilchen mehr enthält. Nach dem Abtropfen
                              									bringt man das gewaschene Rohfett in ein cylindrisches tonnensörmiges Steingutgefäß
                              									von 1,25 Meter Höhe und circa 0,5 Meter  lichter Weite. Dieses Gefäß
                              									steht in einem Wasserbade welches durch Dampf bis zum Schmelzpunkt des betreffenden
                              									Fettes erwärmt werden kann. Am Boden dieses Gefäßes befindet sich ein Hahn von Holz
                              									oder Steingut, der so angebracht ist daß man das Gefäß entleeren kann ohne dasselbe
                              									aus dem Wasserbade zu nehmen.
                           Nachdem das Gefäß bis zu ¾ mit rohem Fett gefüllt ist, legt man eine siebartig
                              									durchlöcherte Steingutscheibe auf die Oberfläche des Fettes, gibt 10 Proc. höchst
                              										verdünnter chemisch reiner Salzsäure (3 Pfd. chemisch
                              									reiner Salzsäure von 1,12 spec. Gewicht auf 100 Pfd. Wasser) hinzuDie Schwefelsäure kann die Salzsäure nicht ersetzen, da ihre lösende Kraft
                                    											bezüglich der Membrane nur sehr schwach ist. und bedeckt das
                              									Gefäß mit einem aufgeschliffenem gut schließenden Steingutdeckel.
                           Durch die Erwärmung schmilzt das Fett in den Zellen. Die membranösen Häute welche von
                              									der verdünnten Salzsäure gelöst werden, lassen das Fett ausfließen, welches sich nun
                              									oberhalb der Steingutscheibe ansammelt, wobei sie allmählich zu Boden sinkt. Alle
                              									häutigen und noch nicht geschmolzenen Theile reißt sie mit sich, und führt sie
                              									zuletzt der am Boden befindlichen verdünnten Säure zu.
                           Nachdem alles Fett geschmolzen ist, resp. alle membranösen Häute zerstört sind, läßt
                              									man die saure Flüssigkeit ab und wäscht das Fett zwei- bis dreimal mit heißem
                              									Wasser. (Diese saure leimhaltige Lösung gibt mit gepulvertem Phosphorit versetzt
                              									einen vorzüglichen Dünger.) Dem letzten Waschwasser setzt man eine geringe Menge
                              									kohlensaurer Magnesia zu, damit eine vollständige Entsäuerung stattfindet.
                           Das gewaschene Fett wird nun in einem gleichen oder dem halben Volumen Canadol
                              									gelöst, wobei sich Wasser und eine schleimige stickstoffhaltige thierische Substanz
                              									abscheiden. Beide werden durch Decantiren entfernt. Die klare Fettauflösung wird nun
                              									in einen kupfernen verzinnten Dampfdestillirapparat gebracht und das Lösungsmittel
                              									durch Destillation wieder gewonnen.
                           Das resultirte Fett ist vollständig geruch- und geschmacklos, besitzt fast
                              									keine Farbe und ist absolut neutral. Es enthält keine Spur von Wasser oder einer
                              									stickstoffhaltigen Substanz, weßhalb es jahrelang aufbewahrt dem Ranzigwerden nicht
                              									unterworfen ist.
                           Wenn man auch nicht läugnen kann, daß diese Methode mit einigen Umständlichkeiten
                              									verknüpft ist, so muß man bedenken daß dadurch eine größere Ausbeute bei einer
                              									vorzüglichen Qualität erzielt wird, wodurch  die Kosten reichlich gedeckt werden, dadurch aber diese
                              									Methode den anderen mangelhaften vorzuziehen ist.
                           Die so bereiteten Fette eignen sich außer zu Haushaltungszwecken auch noch zur
                              									Anwendung in der Kosmetik zur Darstellung von Pomaden etc.
                           Die auf diese Weise dargestellten Fette verschiedener Thiere haben nachfolgendes
                              									spec. Gewicht bei + 15° C.:
                           
                              
                                 
                                    Rinderfett
                                    
                                 
                                    Ochsennierenfett
                                    
                                 
                                    Hammelfett
                                    
                                 
                                    Schweinefett
                                    
                                 
                              
                                 0,9160 bis 0,9218
                                 0,93051 bis 0,93064
                                 0,92688 bis 0,92811
                                 0,93801 bis 0,93922
                                 
                              
                                 durchschnittlich ist das spec. Gewicht der reinen Fette
                                    											demnach
                                 
                              
                                 0,91890
                                 0,93057
                                 0,92749
                                 0,93861
                                 
                              
                           Cöln, im Juli 1871.