| Titel: | Eine Verbesserung an Schneidbacken zum Schraubenschneiden; von Prof. Friedr. Arzberger. | 
| Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. LXXVII., S. 286 | 
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                        LXXVII.
                        Eine Verbesserung an Schneidbacken zum
                           								Schraubenschneiden; von Prof. Friedr.
                              									Arzberger.
                        Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1871 S.
                              								793.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VII.
                        Arzberger, Verbesserung an Schneidbacken zum
                           								Schraubenschneiden.
                        
                     
                        
                           Das Schraubenschneiden ist eine Arbeit welche so außerordentlich häufig vorkommt, daß
                              									jede, wenn auch noch so geringfügig scheinende Verbesserung, welche an den Mitteln
                              									zum Schraubenschneiden erscheint, Berücksichtigung verdient; insbesondere aber dann,
                              									wenn bei Vereinfachung und Vervollkommnung des Werkzeuges die Arbeit rascher von
                              									statten geht.
                           Die weitaus größere Anzahl von Schrauben wird heut zu Tage mit Schneidbacken
                              									geschnitten, welche entweder in einfachen Schneidkluppen oder in
                              									Schraubenschneidmaschinen eingespannt sind. Nur die kleinsten Schrauben schneidet
                              									man in Schneideisen (Schraubenblechen).
                           Das Schraubenblech ist das ursprüngliche Werkzeug, aus welchem die Schneidkluppen mit
                              									den Schneidbacken hervorgegangen sind, gerade so wie sich aus dem gewöhnlichen
                              									Gewindebohrer die expandirbaren Schraubenbohrer von Dela
                                 										Morinière und WaldeckPolytechn. Journal Bd. CXXVI S. 177 und Bd. CXXVII S.
                                       												165. herausgebildet haben.
                           Diese expandirbaren Schraubenbohrer hatten den Zweck, bei langen und tiefen
                              									Schraubenmuttern die Anwendung mehrerer Bohrer nach einander zu vermeiden. Jedermann
                              									der sich mit dem vorliegenden Gegenstande befaßt hat, weiß entweder, daß diese
                              									expandirbaren Schraubenbohrer gar keine Verbreitung gefunden haben, oder er weiß von
                              									der Existenz dieser Bohrer nichts, weil sie eben keine Anwendung finden.
                           
                           Diese expandirbaren Schraubenbohrer zeigen denselben principiellen Nachtheil, wie die
                              									verstellbaren Schneidbacken der gewöhnlichen Schneidzeuge, nur daß letztere wegen
                              									der geringen Schwierigkeiten die sich ihrer Ausführung und Anwendung
                              									entgegenstellen, einen allgemeinen Eingang gefunden haben, obschon sie — wie
                              									gleich gezeigt werden wird — in vielen Fällen ebenso überflüssig sind, wie
                              									die expandirbaren Schraubenbohrer.
                           Der genannte principielle Nachtheil, den man schon an manchen Orten erwähnt hat, geht
                              									aus folgender einfachen Betrachtung hervor: Ist r der
                              									Halbmesser eines Cylinders, auf welchem eine Schraubenlinie verzeichnet ist, deren
                              									Steigung durch die Strecke h gemessen wird, so ergibt
                              									sich die Neigung α einer an einem beliebigen Punkte der Schraubenlinie
                              									gezogenen geometrischen Tangente gegen eine auf der geometrischen Achse der Schraube
                              									senkrecht stehende Ebene aus dem Ausdrucke:
                           tang α = h/ 2πr.
                           Alle unendlich vielen neben einander liegenden Schraubenlinien, welche
                              									zusammengenommen die Umhüllungsfläche des Schraubengewindes bilden, haben zwar
                              									gleiche Steigungen h, aber nicht gleiche Radien r, und der obige Ausdruck zeigt daß α um so
                              									größer werden muß, je kleiner r bei gleichbleibendem h ist; d. h. daß an einer und derselben Schraube die
                              									Neigung α am inneren Durchmesser den größten, am äußeren Durchmesser den
                              									kleinsten Werth besitzt. Sobald nun Schneidbacken oder die Theile eines
                              									expandirbaren Schraubenbohrers aus ihrer normalen Lage gebracht werden (was beim
                              									Beginne des Schneidens am meisten hervortritt), paßt die Neigung nicht mehr zur
                              									Steigung. Dieser Nachtheil wird um so bedeutender, je größer der Unterschied des
                              									inneren und äußeren Schraubendurchmessers ist, und gleicht sich im Verlaufe des
                              									Gewindeschneidens bei flachen Gewinden weniger gut aus, als bei scharfen.
                           Zu diesem principiellen Nachtheile gesellen sich aber noch andere.
                           Die Backen werden in den Schneidkluppen leicht locker, wodurch die Bildung unrichtig
                              									geformter Schraubengänge veranlaßt wird; die Dicken verschiedener Schrauben welche
                              									gleiche Durchmesser haben sollen, fallen verschieden aus, je nachdem der Arbeiter
                              									die Schneidbacken zuletzt mehr oder weniger zuspannt; das Schraubenschneiden wird
                              									dadurch zeitraubend, daß man nach jedem Zuspannen der Backen die Kluppe der ganzen
                              									Schraube entlang fortschrauben muß. Diese und andere Nachtheile fallen weg, wenn man
                              									die zusammen arbeitenden Schneidbacken nicht theilt, d. h. aus einem Stücke
                              									herstellt und dafür auf eine andere Weise für das allmähliche Einschneiden des
                              									Gewindes Sorge trägt, damit nicht wie bei  der Anwendung des gewöhnlichen Schraubenbleches das
                              									Gewinde mit einem einzigen Spane (theilweise auch durch Eindrücken und Aufstauchen)
                              									erfolgen müsse.
                           Das Vorbild für einen solchen ungetheilten Schneidbacken liefert jeder ordentlich
                              									ausgeführte Gewindebohrer, bei welchem nach der Spitze zu immer mehr und mehr vom
                              									Gewinde weggenommen ist, so daß er am dünnen Ende förmlich zur Reibahle ausläuft,
                              									wie dieß in der Skizze Figur 17 zu ersehen
                              										ist.Es wird hier ausdrücklich bemerkt, daß die Figuren 17 und
                                    												18 der Deutlichkeit wegen außer Verhältniß gezeichnet
                                    										sind.
                           Die Umkehrung dieses Gewindebohrers gibt den Schneidbacken Fig. 18, von welchem die
                              									Flächenansicht und die Durchschnittsfläche dargestellt ist.Es wird hier ausdrücklich bemerkt, daß die Figuren 17 und
                                    												18 der Deutlichkeit wegen außer Verhältniß gezeichnet sind.
                           Dasselbe Princip ist bei der Sellers'schen
                              									schraubenschneidmaschine in Anwendung,Man s. I. Hart's Werkzeugmaschinen, Preiscourant
                                    											von I. Zimmermann in Chemnitz u. a. a.
                                    										O. wo die Schneidbacken wie in Fig. 19 gestaltet sind.
                              									Diese Backen schneiden die Schraube auf einen Durchgang, und sind nur deßhalb radial
                              									verschiebbar gemacht, damit man die fertige Schraube ohne Weiteres herausnehmen
                              									kann.
                           Mit dem in Fig.
                                 										18 gezeichneten Schneidbacken, der in eine einfache Kluppe oder in ein
                              									Wendeisen eingesteckt wird, erfolgt das Schneiden der Schraube auch mit einem
                              									Durchgang, wie bei der Sellers'schen Maschine und wie
                              									beim gewöhnlichen Schneideisen; gegen das letztere findet jedoch der wesentliche
                              									Unterschied statt, daß der Gang successive herausgeschnitten wird, ähnlich wie beim
                              									Mutternschneiden mittelst des Gewindebohrers. Die angeführten Nachtheile, mit
                              									welchen die gewöhnliche Schneidkluppe behaftet ist, fallen hier weg.
                           Der Umstand, daß man mit diesem Schneidbacken das Gewinde nicht ganz bis an den Kopf
                              									der Schraube anschneiden kann, ist allerdings nicht zu übersehen, allein in den
                              									seltensten Fällen wird dieß ein Hinderniß für die Anwendung dieser Art Schneidbacken
                              									bilden; denn selbst dann, wenn eine Schraube bis an den Kopf in das Muttergewinde
                              									eingeschraubt werden soll, kann man sich durch das conische Ausreiben der Mutter
                              									helfen.
                           Die Anfertigung solcher Backen ist eine sehr einfache; es braucht nämlich bloß nach
                              									dem Einschneiden des Muttergewindes der weiche Stahlbacken mit einer entsprechend
                              									conischen Reibahle so weit nachgerieben zu werden, bis an einer Seite das ganze
                              									Gewinde herausgenommen ist, während an der anderen Seite wenigstens zwei
                              									Schraubengänge gänzlich 
                              									unangegriffen bleiben, wornach die Ausarbeitung der vier Schlitze (wie Fig. 18
                              									darstellt) erfolgt.
                           Je dicker der Schneidbacken (in der Richtung der Schraubenachse gemessen) ist, desto
                              									kleiner kann der Winkel an der Spitze jener Kegelfläche seyn, welcher die
                              									obengenannte Reibahle umhüllt, desto feiner werden die einzelnen Späne ausfallen,
                              									welche der fertige Schneidbacken beim Schraubenschneiden liefert, um desto weniger
                              									wird der Schneidbacken der Abnutzung unterliegen.
                           Werden aber die Schneidbacken in oben erwähntem Sinne sehr dick gemacht, so tritt der
                              									Umstand mehr heroor, daß man das Gewinde der zu fertigenden Schraube nicht bis an
                              									den Kopf heran schneiden kann.
                           Die Seilers'schen Schneidbacken sind so ausgeführt, daß
                              									sich selbst bei 35 Millimeter starken Schrauben mit Whitworth-Gewinden das Einschneiden auf zwei, höchstens drei Gänge
                              									(s. Fig. 19)
                              									vertheilt; nachdem nun drei Schneidbacken gleichmäßig auf der Peripherie angeordnet
                              									sind, so erfolgt das Gewindeschneiden nur mit sechs, beziehungsweise neun Spänen,
                              									was ein starkes Abnutzen der Schneidbacken zur Folge hat, somit ein öfteres
                              									Schleifen an den Radialflächen nöthig wird.
                           Vertheilt man das Einschneiden des Gewindes auf sechs Gänge und gibt vier Einschnitte
                              									an der Peripherie des Gewindes, so wird der Schraubengang mit 24 Spänen geschnitten;
                              									die Späne fallen bei gleich raschem Arbeitsgange viel schwächer aus, und die
                              									Abnutzung der Backen wird dadurch wesentlich vermindert, und endlich gestattet ein
                              									feinerer Span auch eine etwas größere Härte der Schneidbacken, ohne daß man ein
                              									Ausspringen zu befürchten hat.
                           Die Schneidbacken (Fig. 18) lassen sich nun allerdings nicht so leicht schleifen wie die Sellers'schen Backen und werden daher gleich jenen der
                              									meisten gewöhnlichen Schneidkluppen nach starker Abnutzung durch neue ersetzt werden
                              									müssen; hierbei ist jedoch wohl zu berücksichtigen, daß die hier beschriebenen
                              									Schneidbacken viel leichter herzustellen sind als die jetzt allgemein üblichen, da
                              									das genaue Einpassen in die Schneidkluppe wegfällt, ein Umstand der nicht nur die
                              									Herstellungskosten vermindert, sondern auch die Anwendung erleichtert, indem sie in
                              									das Wendeisen, mit welchem sie gehandhabt werden, gar nicht genau zu passen
                              									brauchen.
                           Ich habe einen Satz von vier solchen Schneidbacken mit zugehörigen Wendeisen in einer
                              									Wiener Eisenhandlung erworben, konnte aber bis heute nicht erfahren, von wem das
                              									Werkzeug angefertigt wurde. Was das Wendeisen anbelangt, bemerke ich, daß dieses
                              									einer gewöhnlichen Schneidkluppe sehr ähnlich ausgeführt und daher unnöthig
                              									complicirt ist; ein Wendeisen von der Gestalt wie Fig. 20 zeigt, ist
                              									vollkommen ausreichend. 
                              									Es stellt hier a den Schneidbacken und b das Wendeisen vor (beide im Durchschnitt).
                           Versuche, welche ich bei Herstellung von schmiedeeisernen Schrauben mit solchen
                              									Schneidbacken vorgenommen habe, zeigten daß die Arbeit vorzüglich gut von statten
                              									geht. Das Eisen wird in schön geringelten Spänen abgenommen, ohne daß ein
                              									Aufstauchen oder ein Strecken bemerkbar würde.
                           Die Vorzüge der hier vorgeführten Schneidbacken gegenüber den jetzt allgemein
                              									gebräuchlichen, sind so eminent, daß die Anfertigung dieser sammt den dazu gehörigen
                              									Gewindebohrern den Werkzeugfabrikanten auf das Beste empfohlen werden darf. Es
                              									dürfte sich hierbei zugleich die Gelegenheit ergeben, dem Wh
                                 										itworth-SystemePrechtl's Encyklopädie, Bd. XIII S. 321 und
                                    											Ingenieurs-Taschenbuch „Hütte,“ 7. Aufl. S.
                                    											336. eine allgemeine Verbreitung zu verschaffen, von welchem sich
                              									die zwischen ¼ und 1 Zoll engl. liegenden Nummern für die in Rede stehenden
                              									Schneidbacken besonders empfehlen würden.
                           Hält man sich an die Form der Whitworth-Gewinde,
                              									wie sie in der „Hütte“ u. a. O. verzeichnet ist, so dürfte sich
                              									mit Rücksicht auf die vorher erläuterten Umstände und nach den gemachten Erfahrungen
                              									als Regel zur Anfertigung der Schneidbacken Folgendes empfehlen: 1) die Dicke der
                              									Schneidbacken soll so gewählt werden, daß dieselben acht bis neun Schraubengänge
                              									enthalten, und 2) die Reibahle mit welcher das Gewinde auszureiben ist, soll so
                              									geformt seyn, daß ihr Durchmesser für je 35 Millimet. Länge — in der
                              									Achsenrichtung gemessen — nach der Spitze zu um 10 Millimet. abnimmt. Dieß
                              									entspricht einem Winkel von ca. 16° an der
                              									Spitze.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
