| Titel: | Ueber I. Schweizer's neuen Malgrund für Stereochromie; von Dr. Feichtinger. | 
| Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. CXXIV., S. 542 | 
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                        CXXIV.
                        Ueber I. Schweizer's neuen Malgrund für Stereochromie; von
                           								Dr. Feichtinger.
                        Aus dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt,
                              									1871 S. 152.
                        Schweizer's Malgrund für Stereochromie.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich ist sowohl für die Herstellung, als auch für die Haltbarkeit von
                              									stereochromischen Bildern ein geeigneter Malgrund von wesentlichem Einflusse; es
                              									wird von demselben verlangt, daß er eine durch und durch gleiche steinartige
                              									Festigkeit besitzt, ferner daß er mit der Mauer innig und gleichsam unzertrennbar
                              									verbunden ist, sowie daß er gut und überall gleichmäßig einsaugt. Zu den ersten
                              									größeren stereochromischen Bildern wendete man einen zuerst ausgetrockneten
                              									Kalkgrund an, welcher ähnlich wie der Grund zu Frescogemälden hergestellt wurde,
                              									welchem man aber das dünne Kalkhäutchen, welches die Frescofarben incrustirt und
                              									bindet, durch Abreiben genommen und durch Imprägnirung mit Wasserglaslösung wieder
                              									eine bemerkenswerthe Festigkeit gegeben hatte. Auf solchen Grund wurden z. B. von
                              									Hrn. Director v. Kaulbach und den Künstlern Echter und Muhr die großen
                              									Wandgemälde im Treppenhause des neuen Museums in Berlin stereochromisch
                              									ausgeführt.
                           Später wurde von dem Entdecker der Stereochromie, Geheimen Rath Dr. v. Fuchs, ein
                              									Wasserglasmörtel als Malgrund in Vorschlag gebracht, welcher auch bei mehreren
                              									stereochromischen Bildern zur Anwendung kam.
                           Dieser Wasserglasmörtel wurde dadurch dargestellt, daß man pulverisirten Marmor oder
                              									Dolomit (von denen das feinste Pulver mittelst eines feinen Siebes entfernt wurde)
                              									oder Quarzsand mit etwas an der Luft zerfallenen Kalk und mit Wasserglaslösung zu
                              									einer Masse von gewöhnlicher Mörtelconsistenz anmachte, diesen auf die zu malende
                              									Fläche, 1 Linie dick, auftrug, und nach einigen Tagen, nachdem er gut ausgetrocknet
                              									war, noch mit Wasserglaslösung, welche mit gleichen Theilen Wasser verdünnt war,
                              									gehörig imprägnirte.
                           Bei Anwendung der beiden beschriebenen Malgründe kam es vor, daß oft zu viel
                              									Wasserglas verwendet, oder daß dasselbe ungleich auf  der Wandfläche vertheilt wurde,
                              									so daß der ganze Malgrund oder einige Stellen desselben wenig oder gar nicht mehr
                              									einsaugten, wodurch das Malen sehr erschwert war.
                           Um diesen Uebelstand zu vermeiden, wurde von Hrn. Obermedizinalrath Dr. Max v. Pettenkofer,
                              									welcher sich bekanntlich nach dem Tode des Erfinders der Stereochromie eingehend mit
                              									dem Wesen dieser Malart beschäftigte, ein Malgrund aus Cement und Sand ohne Zusatz
                              									von Wasserglas vorgeschlagen, von welchem nach eingetretener Erhärtung nur das
                              									incrustirende Kalkhäutchen entfernt wird; dieser wurde auch bei Ausführung mehrerer
                              									größerer stereochromischen Wandgemälde, z. B. in München am Rathhausthurme, am
                              									Isarthor, im Nationalmuseum etc. angewendet.
                           Der Cementgrund erlangt eine viel größere, durch und durch gehende Festigkeit als der
                              									Frescogrund und der Wasserglasmörtel; ebenso besitzt er auch eine viel größere
                              									Saugkraft für Flüssigkeiten, wodurch also das Malen und Fixiren der Bilder
                              									wesentlich erleichtert wird; auch sprechen die bisher gemachten Erfahrungen für eine
                              									große Dauerhaftigkeit des Cementgrundes, denn in München wurde ein stereochromisches
                              									Bild auf Cementgrund am Rathhausthurme an der Wetterseite bereits vor 8 Jahren
                              									gemalt und dasselbe hat bis zur Stunde noch nicht den mindesten Schaden gelitten.
                              									Der einzige Einwand, welcher gegen den Cementgrund von den Künstlern vorgebracht
                              									wird, ist, daß derselbe nicht weiß ist, wodurch für sie das Malen, da sie an den
                              									weißen Frescogrund gewöhnt sind, erschwert wird und ferner, daß die auf Cementgrund
                              									gemalten Bilder etwas matt und kraftlos erscheinen.
                           Historienmaler Julius Schweizer (geboren 1813 zu
                              									Rauenstein in Thüringen, Herzogthum Sachsen-Meiningen, und gestorben am 17.
                              									Mai 1868 zu München), welcher sich für die Stereochromie sehr interessirte und auch
                              									mehrere stereochromische Bilder ausführte, suchte diese Einwände zu beseitigen,
                              									indem er Versuche anstellte, einen weißen Malgrund herzustellen, der allen
                              									Anforderungen entspricht. Dieses ist ihm auch gelungen, und es wurde ihm für die
                              									Anwendung desselben im Jahre 1866 in Bayern ein Privilegium auf 4 Jahre
                              									verliehen.
                           Nachdem das Patent erloschen, geben wir im Nachstehenden das Wesentlichste aus der
                              									Patentbeschreibung bekannt und fügen einige Bemerkungen über die Anwendung des
                              									Malgrundes selbst, sowie über die bisher gemachten Erfahrungen bei.
                           Nach der Patentbeschreibung besteht der Schweizer'sche
                              									Malgrund für stereochromische Gemälde aus kohlensaurem Kalk, Cement und Quarzsand,
                              									vermischt mit einer Kaliwasserglaslösung: von letzterer wird so viel  zugesetzt, daß die Masse mit
                              									einem Pinsel aufgetragen werden kann, und zwar muß von der Wasserglaslösung um so
                              									mehr zugesetzt werden, je poröser der Untergrund ist.
                           Der kohlensaure Kalk kann entweder als Kreide- oder als Marmorpulver verwendet
                              									werden; der Quarzsand muß rein, gewaschen und wo möglich gleichkörnig benutzt
                              									werden; bei Bildern welche in der Nähe angesehen werden, muß ein feinerer Sand zur
                              									Verwendung kommen, während bei Bildern welche in einiger Entfernung zur Anschauung
                              									kommen, das Korn des Quarzsandes etwas größer seyn darf.
                           Die Menge des kohlensauren Kalkes und Quarzsandes zusammen soll das 3–4fache
                              									vom Volumen des Cementes betragen, weil sonst, da der Cement sich mit Wasserglas
                              									umsetzt und sich zusammenzieht, leicht Sprünge im Malgrunde entstehen.
                           Als Wasserglas muß sowohl beim Anrühren des Malgrundes, wie auch beim Fixiren des
                              									fertigen Bildes, nur Kaliwasserglas verwendet werden, niemals das Natron-
                              									oder Doppelwasserglas, wie schon von v. Pettenkofer mit
                              									Recht für alle stereochromischen Bilder empfohlen wurde, und zwar aus dem Grunde,
                              									weil bei allen stereochromischen Bildern, wo Natron- oder Doppelwasserglas in
                              									Anwendung kommt, sich nach dem Austrocknen Auswitterungen von kohlensaurem Natron
                              									bilden, wodurch das Bild trübe wird. Diese Auswitterung schadet allerdings dem
                              									Gemälde nicht im Mindesten, und kann leicht mittelst eines nassen Schwammes wieder
                              									entfernt werden, aber der Laie wird dadurch sehr leicht gegen die Bilder und
                              									überhaupt gegen die stereochromische Malart eingenommen, indem er glaubt, es habe
                              									hierdurch das Bild Schaden gelitten.
                           Da das Wasserglas sich mit dem im Cement enthaltenen freien Kalk schnell umsetzt, und
                              									in Folge dessen auch das Gemisch von kohlensaurem Kalk, Quarz und Cement mit
                              									Wasserglaslösung angerührt schnell erstarrt, so können nur immer kleine Quantitäten
                              									des Malgrundes angemacht werden, welche dann auf den Mörtelgrund fchnell aufgetragen
                              									werden müssen; es darf auch die Wasserglaslösung nicht zu concentrirt seyn (am
                              									besten gleiche Theile Wasser und Wasserglaslösung), weil sonst keine so innige
                              									Verbindung des Malgrundes mit dem darunter liegenden Mörtelgrund erzielt wird, was
                              									für die Haltbarkeit des Grundes von großem Einflusse ist.
                           Der Schweizer'sche Malgrund kann auf gewöhnlichem
                              									Mörtel- oder auf Cementgrund aufgetragen werden, nur muß derselbe um so mehr
                              									Wasserglaslösung zugesetzt erhalten, je poröser dieser Grund ist. Derselbe wurde
                              									bereits bei Ausführung mehrerer größerer stereochromischen  Bilder angewendet, z. B. an
                              									Bildern an der Außenseite am Athenäum in München, an einem Bilde an der Außenfeite
                              									der Pfarrkirche in Wasserburg (von Schweizer selbst
                              									stereochromisch gemalt), in Carlsruhe bei mehreren Bildern in dem
                              									Jagd-Pavillon des Großherzogs von Baden etc., und das allgemeine Urtheil geht
                              									dahin, daß derselbe vollkommen allen Anforderungen entspricht.
                           Schweizer glaubte, daß sein Malgrund sich auch zum
                              									Ueberziehen von Eisen- oder Zinkblech eignen dürfte, aber die Versuche welche
                              									in München hierüber gemacht wurden, hatten keinen günstigen Erfolg. Es wurde z. B.
                              									an einer Thurmuhr das Zifferblatt von Zinkblech mit dem Malgrund überzogen und die
                              									Ziffern darüber gemalt; ebenso wurden auf diese Weise Straßenschilde von Eisenblech
                              									hergestellt, aber nach einigen Jahren blätterte der Malgrund entweder ganz oder
                              									stellenweise ab, was wohl darin seinen Grund hat, daß zwischen dem Malgrund und dem
                              									Metallblech keine so innige Verbindung hergestellt werden kann, wie zwischen einem
                              									Mörtelgrund, welcher porös ist, und dem Malgrund; ferner ist die Ausdehnung bei
                              									Erwärmung und die Zusammenziehung beim Erkalten verschieden beim Metallbleche und
                              									dem Malgrunde.
                           Sehr bewährt hat sich aber die Anwendung des Schweizer'schen Malgrundes auf gebranntem Thon, weil derselbe ebenfalls porös
                              									ist; es können auf diese Weise stereochromische Gemälde auf
                                 										gebrannten Thonplatten hergestellt werden, oder es können Oefen von gebranntem Thon stereochromisch gemalt werden,
                              									da die beim Malen zur Verwendung kommenden Farben sowie der Malgrund der Hitze
                              									vollkommen widerstehen. Auch für eine weitere interessante Anwendung eignet sich das
                              									Gemisch aus kohlensaurem Kalk, Quarz, Cement und Wasserglaslösung, das ist zu Gußarbeiten für Ornamente, Figuren etc. Die Anwendung
                              									dieser Masse ist wie beim Gypsgießen, nur muß dieselbe schnell in die Formen
                              									gebracht werden, indem, wie schon erwähnt, die Masse rasch erstarrt. Die damit
                              									hergestellten Gegenstände erlangen eine sehr bedeutende Festigkeit und haben vor den
                              									Gypsabgüssen den Vorzug voraus, daß sie den Einflüssen der Atmosphäre, des Regens
                              									etc. vollkommen widerstehen.