| Titel: | Zur Chemie der Entglasung; von Dr. H. E. Benrath, d. Z. technischer Director der Glashütte Lisette bei Dorpat. | 
| Autor: | H. E. Benrath | 
| Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. X., S. 19 | 
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                        X.
                        Zur Chemie der Entglasung; von Dr. H. E. Benrath, d. Z. technischer Director der Glashütte Lisette bei
                           								Dorpat.
                        Benrath, über Entglasung des Glases.
                        
                     
                        
                           Obgleich nahezu 1 1/2 Jahrhunderte verstrichen sind, seit Réaumur die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf die interessante
                              									Erscheinung der Entglasung, das Opak- und Krystallinischwerden scheinbar
                              									homogenen, durchsichtigen Glases, wenn dasselbe längere Zeit hindurch auf der
                              									Temperatur des Erweichens erhalten wird, hingewiesen; ungeachtet zahlreiche
                              									sorgfältige Beobachtungen über das Aeußere der Erscheinung, sowie über die Umstände
                              									und Bedingungen, unter denen sie hier oder dort eingetreten, oder regelmäßig
                              									einzutreten pflegt, in dieser Zeit registrirt worden, stehen wir der Entglasung
                              									dennoch als einer ungelösten Frage gegenüber. Faßt man die übereinstimmenden
                              									Ergebnisse der verschiedenen Arbeiten in Kürze zusammen, so ist constatirt, daß
                              									Gläser der verschiedenartigsten Zusammensetzung unter geeigneten Umständen sich
                              									entglasen, ja daß, wie
                              										Leydholt
                              									Comptes rendus, 1852, t. XXXIV p. 565; polytechn. Journal
                                    											Bd. CXXV S. 76. solches nachgewiesen hat, auch scheinbar homogenes, amorphes Glas Krystalle
                              									einschließen könne, und von dem augenscheinlich entglasten somit wohl nur graduell
                              									zu unterscheiden ist, und daß endlich vornehmlich solche Gläser, die mehr
                              									Kieselsäure enthalten, als der Sättigung RO, 3SiO² entspräche, zu rascher und
                              									vollständiger Entglasung geneigt erscheinen.
                           Was sind nun aber die die amorphe Glasmasse durchsetzenden Krystalle? Sind sie mit
                              									der nicht augenfällig krystallinisch erstarrten Mutterlauge gleich zusammengesetzt,
                              									also krystallisirtes Glas, welche Ansicht in neuester Zeit namentlich von Pelouze
                              									Polytechn. Journal, 1855, Bd. CXXXVII S. 182. vertreten worden; sind sie, was auch behauptet worden, von jener
                              									verschieden, aber unter einander gleicher Zusammensetzung, oder, wie Dumas
                              									Ebendaselbst S. 187 und in seinem Handbuch der angewandten Chemie. solches wiederholt als wahrscheinlich hingestellt, „unbestimmte
                                 										Gemenge bestimmter Silicate“ und „ihrer Constitution nach
                                 										als Analoga der aus einem Gemenge fester Fettsäuren erhaltenen
                                 										Krystallmasse“ aufzufassen?“ Es wäre noch Eines denkbar, und
                              									dieses kommt, allem Anscheine nach, der Wahrheit am nächsten, daß die Krystalle je
                              									nach den Umständen krystallisirte Verbindungen wären, die zu einander in keiner
                              									directen Verbindung zu stehen brauchen.
                           Pelouze hat bekanntlich die vergleichenden Analysen, auf
                              									die er seine eben angeführte Ansicht stützt, eine Ansicht die mit der sämmtlicher
                              									anderer Autoren, wie Dumas, Splitgerber,Erdmann's Journal, 1849, Bd. XLVIII S. 82; im
                                    											Auszug im polytechn. Journal Bd. CXIII S. 28.
                              									TerreilPolytechn. Journal, 1858, Bd. CXLVIII S. 58. u.a.m. im Widerspruche steht, nicht publicirt. Wie jene fand auch ich bei
                              									den nachstehend aufgeführten, von mir untersuchten Probestücken, den
                              									Kieselsäuregehalt der entglasten Fragmente durchgehend größer als den der demselben Handstücke entnommenen unentglasten.
                           I. Durch wiederholtes Aufwärmen im Kühlofen zum größten Theile entglastes, in den
                              									entglasten Schichten fasergypsähnliche Structur zeigendes Spiegelglas hiesiger
                              									Hütte:
                           
                              
                                 
                                 
                                    obere u. untere
                                    
                                    entglaste Schicht
                                    
                                 
                                    unentglast
                                    
                                    gebliebene Mitte
                                    
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 71,08
                                 69,96
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                   0,47
                                   0,51
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                   1,49
                                   2,06
                                 
                              
                                 Kalk
                                 15,82
                                 15,31
                                 
                              
                                 Natron
                                        12,16
                                    											Kali
                                 11,14
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 
                              
                           
                           II. Herdglas hiesiger Hütte, in durchsichtiger grüner Masse weiße, zarte,
                              									rosettenartig gruppirte sechsseitige Täfelchen, und strahlig-krystallinische
                              									Knollen einschließend:
                           
                              
                                 
                                 
                                    Knollen
                                    
                                 
                                    durchsicht. Masse
                                    
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 69,33
                                 69,17
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                   0,42
                                   1,22
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                   7,88
                                   7,23
                                 
                              
                                 Kalk
                                 13,13
                                 13,08
                                 
                              
                                 Natron
                                   9,24
                                   9,30
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 
                              
                           III. Versuchsweise hergestelltes Glas, bei langsamem Abkühlen im Schmelzofen
                              									theilweise in kugeligen Körnern entglast:
                           
                              
                                 
                                 
                                    Entglastes
                                    
                                 
                                    Unentglastes
                                    
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 78,14
                                 77,47
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                   0,52
                                   0,73
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                   1,91
                                   1,92
                                 
                              
                                 Kalk
                                   8,88
                                   9,66
                                 
                              
                                 Natron
                                 10,55
                                 10,22
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 
                              
                           Dasselbe Resultat wurde bei der Untersuchung theilweise entglaster Barytgläser
                              									gewonnen (man s. die Abhandlung des Verfassers über Barytgläser im polytechn.
                              									Journal, 1871, Bd. CCII S. 422). Ist nun aber auch aus den eben angefühlten, so wie
                              									aus allen mir bekannten Analysen, ein solcher gesteigerter Kieselsäuregehalt der
                              									entglasten Theile erwiesen, so muß andererseits zugegeben werden, daß die
                              									Unterschiede im Ganzen so geringe sind, daß sie keinenfalls genügen, über die
                              									Constitution der ausgeschiedenen Krystalle auch nur annähernd Auskunft zu geben. Es
                              									kann solches aber nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt daß wir gar keine Garantie
                              									dafür besitzen, daß die als entglast bezeichnete Substanz auch nur annähernd frei
                              									von unverändertem amorphem Glase ist. An grobkrystallinischer Probe kann man sich
                              									oft schon bei genauerer Betrachtung mit unbewaffnetem Auge davon überzeugen, daß wir
                              									es hier stets mit einem Gemenge krystallisirter und unkrystallisirter Materie zu
                              									thun haben; dasselbe findet man bei mikroskopischer Betrachtung der
                              									mikrokrystallinischen Massen. Krystalle und erstarrte Mutterlauge haften dabei
                              									durchgängig so fest aneinander, daß eine mechanische Trennung beider, selbst bei
                              									grobkrystallinischen Proben, nicht ausführbar ist, und so schien mir der Weg den
                              									seiner Zeit Leydholt eingeschlagen hat, um die Krystalle
                              									in scheinbar homogenem Glase nachzuweisen, das Anätzen mit Flußsäure, oder für den
                              									vorliegenden Fall, eine
                              									theilweise Zersetzung der fraglichen Massen mittelst dieser Säure, gerathen, und der
                              									einzige, auf dem möglicherweise brauchbare Resultate gewonnen werden könnten. Ich
                              									behandelte somit meine Proben mit einer zur völligen Zersetzung der fein gepulverten
                              									Masse nicht hinreichenden Quantität wässeriger Flußsäure in der Wärme, entfernte das
                              									Zersetzte, und unterwarf den Rest einer Analyse.
                           Der Prüfung in dieser Weise wurden zunächst 2 Proben gut durchgeschmolzenen,
                              									fehlerfreien Spiegelglases unterworfen, welche scheinbar homogen, nach erfolgtem
                              									Anätzen doch eine Menge mikroskopischer Krystallnadeln und Nadelcomplexe erkennen
                              									ließen, und deren Zusammensetzung gefunden war:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                   70,05
                                   68,67
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 Spur
                                     0,80
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                     0,85
                                     2,36
                                 
                              
                                 Kalk
                                   16,55
                                   13,75
                                 
                              
                                 Natron
                                   12,55
                                   14,42
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Fein gepulvert wurden die Proben mit wässeriger Flußsäure digerirt, abgedampft, mit
                              									überschüssiger Schwefelsäure in üblicher Weise zersetzt, in mit Salzsäure
                              									angesäuertem Wasser aufgenommen und möglichst rasch und vollständig ausgewaschen. I
                              									hinterließ 7 Proc., II 2 Proc. Zersetzungsrest, deren Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                   70,34
                                   69,91
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                     1,62
                                     2,40
                                 
                              
                                 Kalk
                                   18,53
                                   15,71
                                 
                              
                                 Natron
                                     9,51
                                   11,98
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Bei beiden Gläsern hatte somit eine ähnliche Einwirkung der Flußsäure stattgefunden,
                              										der Kieselsäuregehalt des Rückstandes war nur sehr wenig,
                                 										der Kalkgehalt desselben dagegen bedeutend höher, als in dem ursprünglichen
                              									Glase.
                           In der Erwartung daß gröber krystallinische Massen wo, wie bei der Einwirkung der
                              									wässerigen Flußsäure auf feste Substanz die Größe des Kornes und damit die
                              									Actionsfläche von großem Einfluß auf die Zersetzung seyn mußte, ungetrübtere
                              									Resultate geben würden, unterwarf ich nun der theilweisen Zersetzung das oben
                              									erwähnte entglaste Spiegelglas von der Zusammensetzung:
                           
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 71,08
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,47
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 1,49
                                 
                              
                                 Kalk
                                 15,82
                                 
                              
                                 Natron
                                 11,14
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           5,26 Grm. entglaste Substanz wurden, möglichst fein gepulvert, mit Wasser, welchem 5
                              									Proc. concentrirter wässeriger Flußsäure zugesetzt waren, unter stetem Umrühren in
                              									der Wärme digerirt, und zur Trockne verdampft, hierauf durch wiederholte Behandlung
                              									mit rauchender Salzsäure die Fluoride zersetzt, das Lösliche mit salzsäurehaltigem
                              									Wasser aufgenommen, und der Rest sorgfältig ausgewaschen. Die zur Trockne verdampfte
                              									Lösung lieferte an Basen:
                           
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 0,0260 Grm.
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,4180   „
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,2765   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                           Somit, in Beziehung auf die im Glas überhaupt vorhandenen:
                           
                              
                                 
                                 Im GanzenvorhandenGrm.
                                 Nach derZersetzungausgezogenGrm.
                                 Somit nach derI. Einwirkungerhalten:
                                    											Proc.des Vorhandenen
                                 Bleibenim RestGrm. Proc.
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 0,078
                                 0,026
                                 33,3
                                 0,052
                                 66,7
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,832
                                 0,418
                                 50,0
                                 0,414
                                 50,0
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,586
                                 0,277
                                 52,8
                                 0,309
                                 47,2
                                 
                              
                           Der Rest wurde einer abermaligen theilweisen Zersetzung unterworfen, und im
                              									Verdampfungsrückstande des Auszuges gefunden:
                           
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd    
                                 0,0205 Grm.
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,1480   „
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,1490   „
                                 
                              
                           Somit wie oben dargestellt:
                           
                              
                                 
                                 Im 1. RestvorhandenGrm.
                                 AusgezogenGrm.
                                 Ausgezogen,Proc. des erstenRestes
                                 2. RestGrm.
                                 2. Rest, Proc.des
                                    											ursprüngl.Vorhandenen
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 0,052
                                 0,021
                                 40,4
                                 0,031
                                 39,8
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,414
                                 0,148
                                 35,7
                                 0,266
                                 22,2
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,277
                                 0,149
                                 53,9
                                 0,128
                                 21,8
                                 
                              
                           Der im ursprünglichen Glase um ca. 1/3 über den
                              									Natrongehalt steigende Kalkgehalt war somit durch die zwei theilweisen Zersetzungen
                              									dem Natrongehalte nahezu gleich geworden. Nach nochmaliger Einwirkung von Flußsäure,
                              									und Behandlung der Masse wie oben, verblieben an unzersetztem Rückstande 0,586
                              									Grm., also ca. 10 Proc. der ursprünglichen Masse, dessen
                              									Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 78,56
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 2,56
                                 
                              
                                 Kalk
                                 8,79
                                 
                              
                                 Natron
                                 10,09
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Der Kalkgehalt war somit noch weiter gefallen, und enthielt der Rest sehr nahezu
                              									gleiche Aequivalente Kalk und Natron; der Kieselsäuregehalt war um 8,6 Proc.
                              									gestiegen, und schien solches Verhalten darauf hinzuweisen, daß wir das Wesen der
                              									Entglasung in der Ausscheidung saurer, und daher schwerer als die Glasmasse
                              									schmelzbarer Silicate, hier etwa eines Salzes der Zusammensetzung NaO, CaO,
                              									8SiO²:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 80,3
                                 
                              
                                 Kalk
                                 9,4
                                 
                              
                                 Natron
                                 10,3
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           zu suchen hätten, was mit den bisherigen Beobachtungen gut
                              									stimmen, und unter Anderem auch das Auftreten von Entglasungserscheinungen bei
                              									nachstehenden von mir untersuchten Gläsern erklären würde.
                           Opalisirend gewordenes Spiegelglas von Smoljäninow in Rjäsan (Rußland); spec. Gew.
                              									2,412; Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 73,70
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,70
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 1,89
                                 
                              
                                 Kalk
                                 6,53
                                 
                              
                                 Natron
                                 17,18
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Ueberschuß an Kieselsäure über die Sättigung RO, 3SiO² = 2,3 Proc.
                           Weißes, undurchsichtiges entglastes Glas von Fr. Siemens
                              									in Dresden:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 73,64
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,38
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 1,59
                                 
                              
                                 Kalk
                                 7,85
                                 
                              
                                 Natron
                                 16,54
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Ja ein von Splitgerber
                              									Erdmann's Journal Bd. LXVII S. 34. untersuchtes, hierher gehöriges Glas könnte als Beispiel für eine Spaltung nach Aequivalenten
                              									aufgeführt werden:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 77,63
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 0,59
                                 
                              
                                 Kalk
                                 6,25
                                 
                              
                                 Natron
                                 15,53
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           oder, nach Abzug von 1,28 Proc. Thon:
                           
                              
                                 
                                 
                                    Splitgerber's Glas
                                    
                                 2 (2NaO, CaO) 21SiO²
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 77,9
                                 77,8
                                 
                              
                                 Kalk
                                   6,4
                                   6,9
                                 
                              
                                 Natron
                                 15,7
                                 15,3
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0   
                                 100,0   
                                 
                              
                           Entglasung nach der Gleichung:
                           2 (2NaO, CaO) 21SiO² = 2NaO, CaO, 9SiO² + 2NaO,
                              									CaO, 12SiO².
                           Doch, so plausibel solche Erklärung im Ganzen schien, so mußte sie noch experimentell
                              									geprüft, resp. erwiesen werden. Ich stellte mir somit zunächst ein paar Gläser der
                              									Zusammensetzungen 2 (NaO, CaO) 14SiO² und NaO, CaO, 8SiO² dar.
                              									Ersteres zeigte, nach langsamen Erkalten im Schmelzofen, nur an der Oberfläche
                              									Spuren beginnender Entglasung (kleine Krystallwarzen), letzteres dagegen ließ
                              									bereits bei Beginn der Temperaturabnahme in der durchsichtigen und bei raschem
                              									Erkalten scheinbar homogen erstarrenden Masse rundliche Körner erkennen, deren Menge
                              									und Größe allmählich zunehmend, nach erfolgtem gänzlichen Erstarren des Glases, den
                              									ganzen Probehafen bis auf einzelne kleine, durchsichtig gebliebene,
                              									zwischengelagerte Partien erfüllte. Die durchsichtigen Theile ließen sich in
                              									krummschaligen Stücken leicht von den entglasten mechanisch trennen. Zusammensetzung
                              									der
                           
                              
                                 
                                 
                                    entglasten Masse
                                    
                                 durchsicht. Thle.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 78,14
                                 77,47
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                   0,52
                                   0,73
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                   1,91
                                   1,92
                                 
                              
                                 Kalk
                                   8,88
                                   9,66
                                 
                              
                                 Natron
                                 10,55
                                 10,22
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 
                              
                           Zusammensetzung der entglasten Masse, nach Abzug von Thon und Glaubersalz:
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 NaO, CaO, 8SiO²berechnet:
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 79,9
                                 80,3
                                 
                              
                                 Kalk
                                 9,4
                                   9,3
                                 
                              
                                 Natron
                                 10,7
                                 10,4
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 100,0   
                                 
                              
                           War nun die, wie erwähnt, sehr vollständige Entglasung der obigen Masse ein
                              									krystallinisches Erstarren der Verbindung NaO, CaO, 8SiO² gewesen, so mußte,
                              									wurde sie in der bisherigen Weise durch Flußsäure theilweise zersetzt, der
                              									Zersetzungsrest mit der obigen gleiche Zusammensetzung zeigen.
                           7 Grm. entglaster Masse wurden mit Flußsäure und Schwefelsäure, wie oben, behandelt,
                              									und der Rest ausgewaschen. Es blieben auf dem Filter 1,568 Grm. Substanz der
                              									Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 95,02
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 0,70
                                 
                              
                                 Kalk
                                 1,95
                                 
                              
                                 Natron
                                 2,33
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Bei Wiederholung des Versuches mit ca. 5 Grm. Substanz
                              									gewann ich einen Zersetzungsrest von 0,93 Grm., welcher sich, bei ca. 200maliger Vergrößerung, als aus spärlichen
                              									Glasfragmenten mit unebener, stark zerfressener Oberfläche und kleinen
                              									säulenförmigen Krystallen, so wie aus solchen zusammengesetzten Krystallcomplexen
                              									bestehend erwies, und dessen Procentzusammensetzung war:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 98,49
                                 
                              
                                 Thonerde
                                 0,80
                                 
                              
                                 Kalk
                                 0,34
                                 
                              
                                 Natron
                                 0,37
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Hiernach kann es somit keinem Zweifel unterliegen, daß wir es in den obigen Resten,
                              									dann aber auch in dem Glase, dem solche entstammen, mit während des allmählichen
                              									Erkaltens krystallinisch ausgeschiedener Kieselsäure zu thun haben. Diese
                              									Kieselsäure war nicht etwa ungelöst gebliebener Quarz des Gemenges, denn die
                              									durchgeschmolzene Masse ließ, rasch erkaltet, oder zu haarfeinen Fäden ausgezogen,
                              									keine Spur von unverschmolzenen, sonst stets augenfälligen Theilen oder Knötchen,
                              									erkennen.
                           Hatte nun aber auch bei dem in Rede stehenden sehr sauren Glase eine derartige
                              									Ausscheidung krystallisirter Kieselsäure (die Spaltung RO, 4SiO² = RO,
                              									3SiO² + SiO² erforderte 20,0 Proc., gefunden 18,1 Proc.)
                              									stattgefunden, so konnte es immerhin noch fraglich erscheinen, ob sie stets, z.B.
                              									auch bei der Entglasung basischerer Gläser vorkomme. Andererseits konnten neben der
                              									Kieselsäure auch noch andere krystallinische Silicate auftreten.
                           Zu einem folgenden Versuche diente ein sehr basisches, durchgängig in einander
                              									durchdringenden, radial-strahligen Sphäroïden entglastes
                              									Bouteillenglas, dessen spec. Gew. = 2,532, die Zusamensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 63,91
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,55
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 13,97
                                 
                              
                                 Kalk
                                 14,52
                                 
                              
                                 Alkalien
                                 7,05
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           mithin sehr nahe der Sättigung: RO, 2SiO² +
                              									R²O³, 2SiO² entsprechend. Der Behandlung mit Flußsäure wurden
                              									unterworfen 4,5 Grm.; Rest 1,047 Grm., aus farrenkrautähnlichem Krystallcomplexe und
                              									einzelnen säulenförmigen Krystallen, so wie einer geringen Menge stark angefressener
                              									Glasfragmente bestehend. Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 69,95
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 15,91
                                 
                              
                                 Kalk
                                 2,10
                                 
                              
                                 Alkalien
                                 12,04
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Unter der durch das mikroskopische Bild gerechtfertigten Annahme, daß die 2,10 Proc.
                              									Kalk unzersetztes Glas (14,4 Proc.) repräsentiren, berechnet sich die
                              									Gesammtzusammensetzung der Krystalle nach Abzug des Glases auf:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Albit(NaO, Al²O³,
                                    											6SiO²)
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 70,9
                                 69,3
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 16,2
                                 19,1
                                 
                              
                                 Natron
                                 12,9
                                 11,6
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 100,0
                                 
                              
                           welche Zusammensetzung, wie aus der nebenstehenden berechneten
                              									ersichtlich, der des Albits nahe kommt. Da nun aber, nach Kjerulf und Bischof,Chemische Geologie, zweite Auflage, Bd. II S. 393. aus einer gegebenen Gesteinmasse Feldspath krystallisirt, dessen Gehalt an
                              									Kieselsäure ein höherer, als der Durchschnittsgehalt des Muttergesteines an dieser Säure, dieser letztere
                              									aber nuruur
                              									ca. 64 Proc. beträgt, so sieht man sich zu der Annahme
                              									gezwungen, daß auch bei diesem basischen Glase neben einer Oligoklas- (2NaO,
                              									2Al²O³, 9SiO²) Ausscheidung, eine solche von krystallisirter
                              									Kieselsäure stattgefunden.
                           Aehnliche Ergebnisse, d.h. ebenfalls die gleichzeitige Ausscheidung von Feldspath und
                              									Kieselsäure, gab die Untersuchung eines grobstrahligkrystallinischen Herdglases
                              									hiesiger Hütte, dessen Gesammtzusammensetzung war:
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 70,18
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 0,33
                                 
                              
                                 Thonerde + Eisenoxyd
                                 4,55
                                 
                              
                                 Kalk
                                 11,51
                                 
                              
                                 Natron
                                 13,43
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Bei wiederholter partieller Zersetzung gewann ich Reste, aus angefressenen
                              									Glasfragmenten und Krystallcomplexen bestehend, deren Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 76,02
                                 80,30
                                 75,30
                                 
                              
                                 Thonerde
                                   5,43
                                   5,32
                                   6,29
                                 
                              
                                 Kalk
                                   6,56
                                   5,27
                                   7,09
                                 
                              
                                 Natron
                                 11,99
                                   9,11
                                 11,32
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 100,00   
                                 
                              
                           welche sich berechnen lassen als:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 Oligoklas
                                 23,5
                                 22,9
                                 27,2
                                 
                              
                                 Glas (Na,Ca) 0,2 SiO²
                                 46,3
                                 34,0
                                 44,3
                                 
                              
                                 krystallis. Kieselsäure
                                 30,2
                                 43,1
                                 28,5
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0   
                                 100,0   
                                 100,0   
                                 
                              
                           Tritt nun, wie wir gesehen haben, Ausscheidung krystallisirter Kieselsäure auch bei
                              									Gläsern ein, deren Sättigung der Formel RO, 3 SiO² noch nicht einmal
                              									entspricht, so könnte man sich diesen Theil der Entglasung als bei niederer
                              									Temperatur eintretende Spaltung nach der Gleichung:
                           RO, (2 + x) SiO² = RO,
                              									2SiO² + x SiO²
                           denken; indeß erscheint es mir sehr fraglich, ob solches der
                              									Fall, ja ob wir es in den unentglasten Gläsern, wenn es solche gibt, deren
                              									Gesammtzusammensetzung den Sättigungsgraden: RO; 3SiO²; RO, 4SiO² etc.
                              									entspricht, notorisch mit dreifach-, vierfach- u.s.w. kieselsauren
                              									Salzen zu thun haben. Dem
                              									ganzen Verhalten des Glases bei Schmelze und Entglasung nach drängt sich, mir
                              									wenigstens, die Ueberzeugung auf, daß wir nicht
                              									drei- oder vierfachsaure Verbindungen, sondern
                                 										Lösungen von Kieselsäure in Glas (etwa RO, 2SiO²) vor uns haben, wo
                              									dann, in Analogie mit dem Verhältnisse bei allen Lösungen, verschiedenen
                              									Temperaturen auch verschiedene Maximalgehalte an gelöster Substanz entsprechen. Im
                              									scheinbar homogenen Glase haben wir dann eine rasch erstarrte übersättigte Lösung,
                              									oder eine übereilte, daher unvollständige, unterdrückte Ausscheidung. Treten
                              									geeignete Umstände ein, so ein Wiedererweichen, Bewegung innerhalb der Masse etc.,
                              									so vervollständigt sich die Ausscheidung, und wachsen die Krystalle. Was für die
                              									Kieselsäure gilt, gilt natürlich auch für andere in Glas lösliche Verbindungen,
                              									seyen sie binäre oder complicirte, so auch für den Feldspath. Von diesem
                              									Gesichtspunkte aus erscheinen dann die gewöhnliche Entglasung, das in größeren oder
                              									geringeren Mengen und Krystallen eintretende Ausscheiden von krystallisirtem
                              									Chromoxyd, in Pelouze's Chromavanturin,Polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXIX S. 155. sowie auch das bei langsamem Erkalten oder beim Wiedererwärmen stattfindende
                              									Trübwerden des phosphorsauren Kalk oder Zinnoxyd enthaltenden Milch- und
                              									Alabasterglases, als ganz analoge Vorgänge. (Im Auszuge
                              									aus des Verfassers „Beiträge zur Chemie des Glases,“ Dorpater
                              									Doctordissertation, 1871.)